Читать книгу Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt - Mark Lambertz - Страница 19

Unser Buch fokussiert auf Denkmuster und Werkzeuge beim Umgang mit den Spannungsfeldern des Wandels.

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Weshalb wird dieser Umgang mit den genannten Megatrends nicht öfter thematisiert? Es fehlt schlicht ein ganzheitliches Verständnis für diese Entwicklungen. Der Grund dafür ist die meist von Expertinnen und Experten geführte, stark spezialisierte Diskussion. Diese haben meist eine eingeengte Sichtweise auf das technologisch Machbare und die sich abzeichnenden Wettbewerbsvorteile. Als Spezialisten und Berater müssen sie aber kaum Verantwortung für die Wirkung ihres Denkens und Handelns in Gesellschaft, Wirtschaft [19] und Unternehmen übernehmen. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist auch deren Einstellung zum Thema der Führung, wie Mitroff (2018, Pos. 259) treffend bemerkt: «Es ist eine selbstgefällige Annahme, dass – im Vergleich zur Technologie – Management einfach, wenn nicht gar trivial sei.»

Führungskräfte sind nicht einfach für die Umsetzung technologischer Neuerungen zuständig, sondern sie müssen ihre Mitarbeitenden für diesen Wandel begeistern, dessen Auswirkungen für die gesunde Entwicklung des Unternehmens richtig einschätzen und den Wandel selbst weiterentwickeln und beschleunigen. Damit leisten sie auch einen Beitrag zum Gemeinwohl, den die Zivilgesellschaft heute von Führungskräften zu Recht erwartet.

Ein umfassendes Führungsverständnis setzt ein stetes Überdenken der eigenen Aufgabe im größeren Kontext des Wandels von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen voraus – überzeugende Führungskräfte beweisen sich in diesem Umfeld als reflektierende Praktiker. Aber erfordert der tiefgreifende Wandel tatsächlich ein grundlegend neues Führungsverständnis, wie dies heute vielerorts gefordert wird? Oder kommen jetzt erst recht die Grundsätze guter Führung zum Tragen, wie sie über die letzten Jahrzehnte entwickelt und in der Praxis erfolgreich umgesetzt worden sind? Auf diese Frage wird im 6. Kapitel näher einzugehen sein.

Der Begriff des reflektierenden Praktikers wurde zu Beginn der 1980er-Jahre von Donald SCHON (1984) geprägt. Als stehender Ausdruck bezeichnet er Frauen und Männer, die Führungsverantwortung übernehmen. Um dies noch zu unterstreichen, verwenden wir in diesem Buch stets die Mehrzahl: «reflektierende Praktiker». Im Gegensatz zu Expertinnen und Experten sind reflektierende Praktiker in das Unternehmen integriert, sie tragen Verantwortung für ihr Denken und Handeln, sie beeinflussen den Lauf der Dinge. Sie verfügen über großes implizites Wissen – meist Erfahrung genannt –, das sie mit neuen Inhalten kombinieren müssen.

Reflektierende Praktiker machen sich intensiv Gedanken zu den grundlegenden Zusammenhängen ihrer Führungssituation. Für den digitalen Wandel heißt dies beispielhaft, dass sich technologische Entwicklungen zwar zu einem gewissen Grad prognostizieren lassen (siehe «Moore’s Law», MOORE, 1965), die möglichen Anwendungen jedoch voller Überraschungen sind, oder anders ausgedrückt: Hier liegen die Wettbewerbsvorteile innovativer Unternehmen. Reflektierende Praktiker lassen sich nicht von den Versprechungen der technologischen Entwicklung blenden, sondern haben stets das eigene Unternehmen im Blick. Sie wissen, dass sich Anwendungen nicht prognostizieren lassen, sondern dass sie selber die Zukunft gestalten müssen. Und sie sind sich bewusst, dass sie mit ihren Eingriffen in das Unternehmen dieses nicht nur verändern, sondern dass es darauf reagiert, und zwar auf oft unvorhersehbare Weise. Das bedeutet, dass sie ihr «internes Modell» laufend anpassen, d. h., über ihre Reflexion reflektieren. Ganz entscheidend ist schließlich die Fähigkeit, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Implikationen des digitalen Wandels und deren Auswirkungen auf das Unternehmen zu verstehen. [20]

Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt

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