Читать книгу Zodiac - Gejagter zwischen den Welten I: Das Projekt - Mark Savage - Страница 8

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Zweites Kapitel

1.

Weit über die Hälfte der Besatzung war tot. Ihre Leichen lagen verstümmelt und zerfetzt zwischen Wrackteilen oder trieben durch das All, konserviert für die Ewigkeit.

Knapp ein Drittel der Konverter befanden sich noch in halbwegs funktionstüchtigen Zustand. Wie durch ein Wunder waren sie von dem Inferno verschont geblieben. Trotzdem mussten sie für die Auslöschung der Zargonier einen hohen Preis zahlen.

Ihre gewaltige Armada, aus Tausendschaften schwerbewaffneter Einheiten gebildet, stellte wesentlich mehr dar als nur gewöhnliche Kriegsmaschinerie. Es waren zugleich Generationenschiffe, gebaut für die Ewigkeit. Millionen ihrer Art bevölkerten diese fliegenden Festungen. In ihnen zeugten sie ihre Nachkommen, zogen sie groß und bildeten sie nach allen Regeln und Vorschriften aus. Zu Kämpfern, Mördern und Zerstörer von Welten. Hier lehrte man zu töten und zu vernichten, was anderer Abstammung entsprang. Ihre Mentalität kannte keine Kompromisse.

Ein jedes ihrer Schiffe waren gewaltige Hightech-Giganten. Die Konstruktionen glichen drei auf einer schwarz legierten zylinderförmigen Säule aufeinandergesteckten Speichenrädern. Jedes Rad verfügte über vier Speichen und einen Durchmesser von hundertzwanzig Kilometern sowie eine Dicke von eintausendfünfhundert Metern. Die Speichen dienten der Passage. In den Rädern lagen die Unterkünfte der je zweihunderttausend Mortlats. Hier lagen auch die Hangars verborgen, während in dem Zylinder ausschließlich technische Sektionen verbaut wurden. Der fünfzig Kilometer durchmessende Zylinder konnte während Kampfhandlungen in beide Richtungen – oben und unten – jeweils zwei Kilometer ausgefahren werden. In dieser Verlängerung installierte man ein Waffenarsenal, fähig, ganze Sonnensysteme ins Nichts zu blasen. Die Raffinesse an diesen Konstruktionen lag in der Besonderheit, ein jedes der drei Räder unabhängig voneinander abkoppeln zu können. Dies befähigte die einzelnen Radsegmente zu selbstständigen Operationen. In der Schlacht vermochte man auf diese Weise seine Schlagkraft zu splitten und den Gegner zu überraschen. In den Hangars wimmelte es von Raumschiffen verschiedenster Bauart und Größen. Kreuzergeschwader, rund, quadratisch, zylinderförmig, fünfhundert bis zweitausend Meter durchmessend, die wiederum zahlreiche Jägereinheiten mit sich führten. Die dominierende Form bei diesen Einheiten war die Schwingenform. Die Jäger wirkten im Einsatz wie gewaltige Greifvögel mit nach vorne gereckten Hals und mächtigen Schwingen. Allesamt trugen sie ein Waffenpotential in sich, um ganze Galaxien aus dem Universum zu blasen. Sie waren die Stärksten. Unbesiegbar. Allmächtig.

Doch diesmal verhielt es sich anders, gänzlich anders.

Eine fremde Waffe fegte ihre Armada aus dem All, und ihre Raumschiffe zerplatzten wie überreife Früchte. Der Angriff erfolgte scheinbar aus dem Nichts. Ehe sie sich vorsahen, waren sie restlos aufgerieben, und das kurz vor dem totalen Sieg über ein Volk von weichhäutigen Schwächlingen und Dummköpfen, die nicht einmal Waffen besaßen, mit denen sie sich zu wehren vermochten.

Der unerwartete Angriff stellte sie alle vor ein Rätsel.

Innerhalb weniger Augenblicke wurde die gesamte Flotte zerstört. Nur ein einziges Schiff blieb von der totalen Vernichtung verschont, wobei dessen weitere Existenz von der Gnade oder Ungnade des Schicksals abhing.

Der Kommandant des Schiffes saß aufrecht in seinem Schalensitz und beobachtete die wenigen noch intakten Monitoren. Auf dem Orterschirm flackerte ein schwacher Punkt, den das Monstrum ständig im Auge behielt. Monstrum deshalb, weil der Anblick dieses Wesens bei einem Menschen einen Schreikrampf ausgelöst hätte.

Der Kommandant hatte den Befehl erteilt, jenen Punkt, der ein kleines zargonisches Raumschiff darstellte, zu verfolgen. Der wahnwitzige Verdacht lag nahe, dass dieses winzige Flugobjekt für die Niederlage der Armada verantwortlich zu sein schien. Es befand sich mutterseelenallein in diesem Sektor, da alle anderen Raumer des gleichen Typs bereits zu Beginn des Infernos die Flucht ergriffen. Ein Umstand, der den Kommandanten auf das äußerste verwirrte. Zudem wusste er mit Sicherheit, dass der Diskus, den sie verfolgten, über keine waffenbestückte Einrichtung verfügte.

Er hegte den leisen Verdacht, dass eine mentale Waffe für die schreckliche Niederlage verantwortlich sein könnte. Vorerst behielt er diese Vermutung allerdings für sich, um sich nicht lächerlich zu machen.

Die gesamte Crew raste vor Hass und Mordgier, wild darauf, den Feind aus seinem Raumschiff zu holen und ihn tausend Tode sterben zu lassen. Nie würden sie sich mit einer bloßen Zerstörung des Schiffes zufriedengeben.

Man wollte den Insassen.

Lebend.

Die Mortlats galten als Meister in der Kunst des Tötens und bereit alle Register ihres Könnens zu ziehen, bekämen sie den Verhassten in ihre Klauen.

Doch der Kommandant war nicht so verblendet wie seine übrigen Artgenossen. Achtzig Prozent der Besatzung war gefallen. Hunderttausende von ihnen. Von dem aus vier Segmenten – den Speichenrädern plus dem Mittelteil, der Säule – bestehenden Raumschiff hatte nur ein Rad das Desaster mit Mühe und Not überstanden. Das Segment wies aber nurmehr ein Sechstel der ursprünglichen Größe auf, da die meisten Stationen und Sektoren zerstört waren und sich Atombrände ausbreiteten. Somit blieb keine andere Wahl, als die einzelnen Fragmente, aus denen sich das Schiff zusammensetzte, abzusprengen. Das Rad bestand aus einem guten Dutzend Ringe, die zum Großteil autark betrieben werden konnten. Es galt, so schnell als möglich den Heimatplaneten zu erreichen, da sonst für die Überlebenden keine Chance einer Rettung bestand. Sicherlich würde man ihnen dort mit Spott und Verachtung entgegentreten, denn nie erlitt ein Mortlat derartige Niederlage.

Die Schande war groß. Aber er, Cort, besaß gute Beziehungen, sehr gute sogar, und mit viel Glück erhielt er ein neues Kommando. Man würde ihm eine Chance bieten, die errungene Schmach wieder gutzumachen, davon war er überzeugt. Dass diese Wiedergutmachung das Ende von Milliarden Leben und vielen Welten mit sich zog, kümmerte ihn dabei recht wenig.

Eine seiner Klauen drückte die Taste der Rundsprechanlage.

»Hier spricht der Kommandant.«

Die Sprache dieser Wesen wirkte ebenso fremdartig wie ihre äußere Erscheinung. Fremde Ohren hätten ein merkwürdiges Knurren und Grunzen vernommen, und bei entsprechender Lautstärke klangen die Stimmen wie Donnergrollen.

»Wir werden dieses Schiff nicht weiterverfolgen, sondern versuchen, nach Mortlat zurückzukehren. Dort bemannen wir ein neues Schiff, kehren zurück und zerstören dieses System mit Hyperbomben. Navigator, berechne den Kurs für den Rückflug.«

Die Insassen der Zentrale hielten erschreckt von ihren Tätigkeiten inne, stellten die Reparaturen ein und sahen hasserfüllt auf die Empore, wo hinter einem Pult ihr Befehlshaber thronte.

Einer der Giganten trat hervor und verbeugte sich mit sichtbaren Widerwillen.

»Kommandant, das kann unmöglich Euer Ernst sein. Lass uns den Feind vernichten wie abgemacht und danach zurückkehren. Auf Mortlat erwartet uns nur Verachtung oder Tod. Wer immer in diesem kleinen Schiff sitzt, er hat es gewagt, uns anzugreifen und viele unserer Artgenossen getötet. Er muss bestraft werden, auf die schlimmste Art, die er sich denken kann. Die Mannschaft brennt vor Hass. Alle übrigen mit mir werden nicht beruhigt weiterleben können bevor nicht die Eingeweide des Fremden als Souvenirs um unsere Hälsen hängen.«

Der Kommandant erhob sich behäbig.

»Unser Schiff ist schwer beschädigt, fast vollkommen zerstört. Es ist viel zu langsam für eine Verfolgungsjagd. Die Generatoren stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Es wird uns viel Mühe und Schweiß kosten, mit diesem Wrack Mortlat überhaupt noch zu erreichen. Wir werden zurückkehren. Dies ist mein letztes Wort.«

Ein weiteres Mitglied der Crew trat hervor.

»Kommandant, wählt zwei von uns aus, die Verfolgung aufzunehmen. Ein intaktes Beiboot steht einsatzbereit im Hangar, voll funktionsbereit, wie mir mitgeteilt wurde. Die übrigen kehren nach Mortlat zurück und nehmen die Auserwählten bei ihrer Rückkehr wieder auf.«

Cort, der Kommandant, trat auf den Sprecher zu.

»Wenn ich sage, wir kehren nach Mortlat zurück, meine ich alle«, brüllte er. »Ich denke nicht daran, unser einziges noch flugfähiges Boot aufs Spiel zu setzen. Zudem wird sich keiner von euch einer Bestrafung durch das hohe Amt entziehen. Wir kehren um, sofort.«

Der Kommandant musterte seine Untergebenen. Er sah in Augen, die von einem unbändigen Hass zeugten. Am liebsten hätten sie ihn jetzt auf der Stelle getötet, er wusste es.

Cort vollführte eine kurze Drehung des Armgelenks, worauf zwei blitzende armlange Klingen von beträchtlicher Schärfe aus der Armschiene seiner Kampfmontur schnellten. Die Schneiden erinnerten an mehrfach gehärtetes, meisterlich verarbeiteten Stahl, entstammten jedoch einem gänzlich anderen, wesentlich widerstandsfähigerem Material. Dieses Metall zerschnitt alles, was man auf dem Planeten Erde an Härtegraden kannte oder sich vorzustellen vermochte. Eine tödliche Waffe, die von den Mortlats bravourös beherrscht wurde.

Mit erhobenen Arm durchlief er die Reihen seiner Mannschaft, wobei er jedem Einzelnen die Klinge nur wenige Handbreit vor das Gesicht hielt. Die drei Meter große Gestalt überragte die meisten seiner Untergebenen um eine Prankenbreite. Drohend sah er auf sie herab. Der Kopf des Mortlats ähnelte einem Mandrill, ebenso die nach vorn gewölbte Schnauze mit den breiten Nasenöffnungen. Ansonsten hatte er jedoch wenig mit diesem Primaten vom Planeten Erde gemeinsam. Die beiden Augen glichen der einer Eule, die Pupillen, tiefschwarz, eingebettet in orangefarbener Iris verengten sich und verstärkten den Eindruck eines aggressiven Raubtieres. Der Rachen war halb geöffnet und Geifer troff von den gewaltigen Reißzähnen, von denen je zwei in Unter- und Oberkiefer saßen. Gewaltige Hauer, deren kräftiger Biss Knochen ohne Mühe zu durchtrennen vermochte. Die Ohren waren nicht zu sehen, sie lagen verborgen unter der grünbraunen, lederartigen, stahlharten geschuppten Haut, die auf reptiloide Abstammung schließen ließ. Der Boden dröhnte unter den stämmigen Beinen. Cort hielt sich während der Musterung kerzengerade aufrecht, ein Zeichen, dass er sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen würde. Die Füße benötigten kein Stiefelwerk, die geschuppte Reptilienhaut wirkte als schützender Panzer. Die rasiermesserscharfen langen Krallen an den fünf Zehen reichten jedem irdischen Raubsaurier zur Ehre.

Cort blieb erneut vor dem Offizier stehen, der es gewagt hatte, ihn, den Kommandanten, zu belehren. Der Vorschlag, mit einem Beiboot den Feind weiter zu verfolgen, würde in den Gedanken der Besatzung haften bleiben und womöglich zu einer Meuterei führen, die sie letztendlich alle ins Verderben stürzte.

»Ich dulde keinen Aufstand auf meinem Schiff. Jeder Ansatz einer Meuterei wird auf der Stelle mit dem Tode bestraft. Ich bin hier der Befehlshaber. Und ich dulde keinen Widerspruch.«

Blitzschnell rammte er seinem Vordermann die Klinge durch die Montur hindurch in den Unterleib.

Der Gigant schrie vor Schmerz. Gelbgrüne Blutfontänen, die den Kommandanten besudelten, ergossen sich aus dem Rachen des Gequälten. Cort zog die Klinge langsam von unten nach oben durch, bis sie knapp vor dem kurzen stämmigen Hals haltmachte. Mit einem heftigen Ruck zog er sie aus dem Körper.

Das Wesen war fast tot. Seine Eingeweide rutschten aus dem durchtrennten Leib und plumpsten zu Boden. Ein widerwärtiger Gestank breitete sich aus.

Cort verhinderte ein Stürzen des Körpers, indem er ihn mit einer Pranke festhielt. Aufmerksam ließ er seine Blicke in die Runde schweifen.

»Der Respekt und die Disziplin vor eurem Kommandanten wird euch helfen, den Hass auf den Fremden zu vergessen, der schon bald mitsamt diesem System zu Staub zerblasen wird. Lasst es euch allen eine Lehre sein, oder ich sorge dafür, dass man euch alle hinrichtet sobald wir auf Mortlat landen.«

Zur Bekräftigung seiner Worte trennte er dem tödlich Verwundeten mit einem Hieb den Kopf vom Leib. Dann ließ er ihn endlich los.

»Friert ihn ein. Unsere Vorräte werden bald knapp. Dann sind wir dankbar für jedes Stück Fleisch.«

Was manch humanoides Wesen bestialisch und grausam bezeichnen würde, entsprach letztlich der Mentalität dieser Rasse. Kannibalismus bedeutete für sie nichts Abstoßendes, sondern etwas völlig Natürliches, oft sogar Ritual. Es kam nicht selten vor, dass ein Mortlat nach erfolgtem Sieg über einen Feind diesen aufaß. Die Mortlats vertraten die Auffassung, dass mit jedem verschlungenen Gegner die persönliche Macht wuchs.

Der Kommandant begab sich wieder auf seinen Platz. Er rechnete nach dieser Exekution nicht so schnell mit Schwierigkeiten innerhalb der Mannschaft. Ihre sorgfältige Ausbildung in Sektor 51 würde sich in dieser Situation als lohnend erweisen, denn dort trichterte man ihnen seit ihrer Kindheit ein, dass man dem Kommandanten eines Generationenschiffes stets unterwürfig und demütig entgegentrat. Letztendlich waren sie seine Sklaven, und es war in Anbetracht der Umstände nötig gewesen, sie erneut an diese Tatsache zu erinnern. Cort glaubte, dass sie in Zukunft eher sterben würden als sich gegen ihn aufzulehnen.

Leider hatte er übersehen, dass sich im Laufe der Auseinandersetzung mit der Crew zwei Techniker der Zentrale heimlich davonschlichen.

Der Kommandant ahnte nicht, dass sein Leben nur noch nach Stunden zählte.

Zodiac - Gejagter zwischen den Welten I: Das Projekt

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