Читать книгу Auf Tour mit Bob Marley - Mark Miller - Страница 8
ОглавлениеFrage: »Gibt es Frauen, die du bewunderst, Bob?«, Bob Marley: »Diese Frau in Amerika … Angela Davis. Eine Frau, die etwas verteidigt, das gefällt mir.«
Ich war ein bisschen skeptisch, als man mich zum ersten Mal bat, über meine kleine Reise zu schreiben. Es war lange her, und ich hatte über viele Dinge noch nie gesprochen, die ich mit Bob Marley and the Wailers erlebt hatte. Doch nach reiflicher Überlegung stimmte ich zu.
Ich bin mit einem sehr guten Gedächtnis gesegnet und kann mich an viel erinnern, wenn auch nicht an alles. Also seien Sie bitte nachsichtig, wenn Sie beim Lesen manchmal denken: »He, dieses Konzert war aber an einem anderen Tag.« Ich glaube schon, dass alles ziemlich genau stimmt, aber Fehler passieren eben. Ich war schon immer ein ausgesprochen ehrlicher Mensch, und an Stellen, die vielleicht nicht mit der Erinnerung anderer Leute übereinstimmen, versuche ich, so diplomatisch wie möglich zu sein.
Meine zwei Söhne, Matthew und Harry, waren damals noch klein und dachten, ich sei der Nikolaus, weil ich die meiste Zeit auf Tournee war. Ich kam immer mit einem Sack voll Geschenke nach Hause, und dann war ich wieder weg. Die Arbeit mit Bob Marley war zunächst nur eine weitere Tournee für mich, aber dann wurde sie zur Tournee meines Lebens. Eine Menge Leute fragten mich nach den Konzerten, an denen ich beteiligt war, und ich habe in diesem Buch einige tolle Geschichten zu erzählen. Nach den alten Tourneeplänen, die ich für dieses Buch erst kürzlich zum ersten Mal studierte, war ich zwischen Juli 1978 und September 1980 an 124 Konzerten von Bob Marley and the Wailers beteiligt.
Mit den Wailers zu touren war ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Ich musste lernen, wie sie tickten, aber umgekehrt war es genauso. Gleich zu Anfang merkte ich, dass bei Bob und der Band eine sehr familiäre Atmosphäre herrschte. Nach dem ersten Konzert in Vancouver fuhren wir in den Süden nach Seattle und Oregon, und von da an war ich für die Bühne und das ganze Equipment zuständig. Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal mit der Band zu Abend aß. Gilly war Bobs enger Freund und Assistent, und er kochte hervorragendes Essen (siehe Anhang 2: »Bob, das Kraut, das Essen und die Fans«). An diesem ersten Abend war der lange Tisch bereits mit dem traditionellen jamaikanische Essen gedeckt: Reis und Bohnen mit gebackenen Kochbananen und so. Aber als Gilly den Deckel vom letzten Topf nahm, glotzten mich etwa 40 Fischköpfe an. Ich lehnte das Gericht dankend ab. Ich mag es nicht, wenn mich etwas ansieht, das ich esse. Von Portland in Oregon aus fuhren wir alle zusammen im Tourbus nach Süden, wo wir im Civic Center in Santa Cruz in Kalifornien ein Konzert gaben. Danach kamen einige wirklich denkwürdige Konzerte. Es war die letzte Etappe der Kaya Tour von 1978, die manchmal auch als »Babylon by Bus Tour« bezeichnet wird.
Der Juli in Kalifornien ist eine Katastrophe, egal wo man ist. Es ist heiß, es ist feucht, Tausende von Leuten sind unterwegs, und der Verkehr ist nervenaufreibend. Wir spielten im Greek Theatre in Berkely unter freiem Himmel, und ich weiß noch, wie ich zum Himmel hinaufschaute, wo Millionen Sterne funkelten. Einer war ganz besonders hell, und sein Licht schien genau auf die Mitte der Bühne zu scheinen.
Jeder weiß, dass man den Sommer in Kalifornien am besten am Strand verbringt, und tatsächlich war die Santa Barbara County Bowl, wo wir am 23. Juli spielten, mit einer sonnengebadeten, entspannten Menge gefüllt. Ich wusste es damals nicht, aber das Konzert war ausverkauft und wurde komplett auf Video aufgenommen. Die Bowl ist ein hoch am Hang gelegenes Freiluftkonzertgelände, das einen herrlichen Blick auf den tiefblauen Pazifik bietet. Über dem Publikum hing eine mächtige Wolke von Sinsemilla-Rauch, und überall flatterten vielfarbige Fahnen und Transparente in der leichten Brise. Bob wurde mit einem unglaublichen Brüllen begrüßt, als er auf die Bühne kam und das Konzert wie üblich mit »JAH RASTAFARI« eröffnete. Dann stürzte sich die Band in ein brandheißes Set, das meiner Erinnerung nach ewig dauerte.
Als Bob nach der letzten Zugabe die Bühne verließ und mir seine Gitarre gab, konnte ich sehen, dass er das Konzert wirklich genossen hatte. Auf der richtigen Bühne und mit dem richtigen Sound spielte die Band so gut und intensiv, dass mir Schauer den Rücken rauf- und runterrannen. Das Konzert in Santa Barbara hatte diese Magie. Wir fingen damals an, für Fams Bass einen Zusatzlautsprecher zu installieren, und schon er alleine prägte das Konzert mit seinem Sound. Nach Santa Barbara ging es ganz runter nach San Diego, wo wir im State Amphitheater spielten, und schließlich wieder zurück nach LA zu einem Konzert im berühmten Roxy Theatre am Sunset Boulevard. Für mich war es die Rückkehr in die Heimat. Ich war im San Fernando Valley aufgewachsen und hatte mit siebzehn angefangen, bei Konzerten in Hollywood zu arbeiten.
Das Roxy ist ein kleiner, intimer Veranstaltungsort, und Dennis und ich mussten ein bisschen improvisieren, um alle Musiker und die Anlage auf die kleine Bühne zu kriegen. Wir zogen und schoben, stapelten und stellten eng, aber schließlich hatten wir alles bereit. Meiner Erinnerung nach stand der Verstärker von Al in einer Tür neben der Bühne, aber wer weiß … An diesem Abend kam die Crème de la Crème der Musikindustrie, um sich Bob Marley and the Wailers anzusehen, und sie wurde nicht enttäuscht. Das Set war absolut phantastisch, und ein Großteil des Publikums wirkte wie hypnotisiert von Bobs Ausstrahlung. Er verlieh jedem Raum eine besondere Atmosphäre. Wir spürten immer, wenn er kam, wenn wir irgendwo arbeiteten, weil sich dann buchstäblich die Atmosphäre veränderte. Nach einem Wahnsinnskonzert, in dem die Band alles gegeben hatte, verließen die Musiker die Bühne, doch das Publikum schrie immer noch nach mehr. Also kamen sie wieder und spielten meiner Erinnerung nach, bis der Club schließen musste.
Dennis und ich blieben nach jedem Konzert noch da und sorgten dafür, dass die ganze Ausrüstung zusammengepackt wurde. Erst dann gingen wir zu den anderen ins Hotel und duschten. Es ist wunderbar, morgens im Sunset Marquee in Hollywood aufzuwachen, und ich hätte gerne noch länger dort gewohnt, aber wir mussten unseren Flug nach Austin in Texas erwischen. Für diese Zeit ist meine Erinnerung leider nicht besonders klar. Ich dachte eigentlich, wir wären von Kalifornien nach Arizona gefahren, aber jetzt weiß ich, dass es nach Austin ging. Bei solchen Tourneen, wo man jeden Tag an einem anderen Ort aufwacht, ist es schwer, die Orientierung zu behalten. Dennis und ich brachten jedenfalls die ganze Ausrüstung zum Flughafen, beaufsichtigten ihre Verladung und flogen dann zusammen mit den anderen nach Texas.
Wir hatten damals eine Menge gemietetes Equipment zu betreuen. Ein echtes Monster, mit dem wir uns abschleppten, war die Hammond-B3 mit Leslie-Box, die Earl (Wya) Lindo spielte. Wya war meiner Ansicht nach das eigentliche musikalische Genie in der Gruppe – ein absolut sensationeller Keyboarder. Seine Hände sind riesig, und er pflegte die Tasten fast zu schlagen. Außerdem war er ein ausgezeichneter Songschreiber, was die meisten Leute heute nicht wissen. Angeblich hat er »Redemption Song« mitverfasst, was ich mir gut vorstellen kann. Manchmal spielte Wya so schnell, dass seine Hände über den Tasten ganz verschwommen wirkten, so schnell sausten sie hin und her. Eine B3 ist ein wirklich riesiges Instrument; in ihrem Transportbehälter war sie so groß wie ein kleiner Ford. Dennis und ich standen unten am Flugzeug, als die Gepäckarbeiter den Behälter aus dem Gepäckbereich auf einen Lader am Flugzeug rollten. Als der Lader am Flugzeug rangierte, sah ich den Behälter wie in Zeitlupe über den Rand der Ladefläche rollen. Gleich darauf krachte er mitsamt seinem kostbaren Inhalt auf die Rollbahn. Danach sah er aus wie eine Ziehharmonika, und ich bin mir sicher, dass Kenny Berry bei S. I. R. alles andere als erfreut war, als er die Nachricht bekam. Ich hab nie gehört, was weiter geschah, aber American Airlines musste bestimmt eine Menge Geld für das kostbare Instrument berappen. Wir spielten noch in Houston, New York und Atlanta und beendeten die Tournee am 5. August 1978 im Jai Lai Fronton in Miami.
Die Zeit zwischen dem Ende der Tournee und dem Beginn der Survival Tour Anfang 1979 ist in meiner Erinnerung ein bisschen verschwommen. Wir experimentierten damals alle mit diversen Substanzen, deshalb ist mein Gedächtnis etwas getrübt. Zwischen den Tourneen war ich die meiste Zeit in London oder LA. Kurz vor Beginn der Survival Tour hielt ich mich zum ersten Mal in Jamaika auf, wenn ich mich recht erinnere. Bob hatte mir einen Raum in einem Gästehaus in der Nähe seines Hauses in der Hope Road 56 in Kingston besorgt, und ich ging zu Fuß dorthin, wenn ich ihn besuchte. Unterwegs kamen jedes Mal vier oder fünf Leute auf mich zu und fragten, ob sie vielleicht mein Hemd oder meine Schuhe haben könnten, oder sie sagten: »Schöne Ringe, Mann, warum gibst du sie nicht uns?« Das war echt unangenehm, besonders weil ich so etwas noch nie erlebt hatte. Abends wiederholte sich das Ganze, wenn ich auf dem Rückweg zu meiner Pension war, und am nächsten Morgen gab es wieder Ärger auf dem Weg zum Studio in Bob Marleys Haus.
Jetzt erzähle ich etwas, das ich noch nie erzählt habe: An meinem ersten Tag in Kingston klopfte es ziemlich spät in der Nacht an meine Tür. Ich erwachte aus meinem komaähnlichen Schlaf und öffnete. Vor mir stand eine jamaikanische Schönheit in einem knappen, hauchdünnen Negligé. Sie schob mich zurück in das Zimmer, und es dauerte nicht lange, bis sie mir die jamaikanische Art, Liebe zu machen, beibrachte. Dann verschwand sie wieder in der Nacht. Einen Augenblick dachte ich, ich hätte den Besuch nur geträumt, und dann dachte ich: »Vielleicht war es ein Begrüßungsgeschenk.«
Am folgenden Tag sah ich wohl ein bisschen sauer aus, als ich das Tuff Gong Studio betrat, jedenfalls fragte Gilly: »Was ist los, Mann?« Ich erzählte ihm von den ganzen Leuten, die mich auf der Straße anschnorren wollten, aber er lachte nur und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Gilly war ein muskelbepackter Riese, mit solchen Leuten streitet man sich besser nicht, also schickte ich innerlich ein Stoßgebet zum Himmel und ging meiner Wege. Bob hatte offenbar großen Einfluss auf alle Menschen, sogar auf die Leute auf der Straße. Außerdem hatte in jenem Jahr der kometenhafte Aufstieg der Wailers begonnen, und das war kaum einem Jamaikaner entgangen.
Am nächsten Tag sprach mich kein Mensch mehr an. Bob hatte die Parole ausgegeben, dass man mich in Ruhe lassen solle. Auf der Straße wusste man nun, dass ich für ihn arbeitete, und damit war ich geschützt.