Читать книгу Die Impfdebatte - Markus Falk - Страница 3

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1. Über dieses Buch

Was für die Allgemeinheit gut ist, muss im Einzelfall nicht zutreffen und umgekehrt. Nicht allen würde wöchentliches Laufen guttun, man kann aber davon ausgehen, dass es für die meisten empfehlenswert ist. Umgekehrt würde ein regelmäßiges Sonnenbaden bei vielen zu einem Schaden führen, obwohl dies im Einzelfall durchaus angebracht sein kann.

Durch eine Impfung kann man sich vor einer Infektionskrankheit schützen. Ob man diese aber verpflichtend für alle einführen soll, bzw. all jene, die sich oder ihre Kinder nicht impfen lassen wollen, dazu anhalten soll, ist ein Dauerstreitthema und wird bereits seit dem 18. Jahrhundert immer wieder neu aufgerollt.

Zumal es beim Thema Impfungen zu unterscheiden gilt, für wen man eine Aussage trifft, werde ich mich in diesem Buch, was das Individuum anbelangt, weder für noch gegen Impfungen aussprechen. Bezogen auf die Allgemeinheit hingegen kann man vorwegnehmen, dass der Nutzen überwiegt. Gerade diesem Sachverhalt - der Trennung von Allgemeinheit und Individuum - wird in der Auseinandersetzung zu wenig Augenmerk geschenkt. Vielfach werden Aussagen bezogen auf die Allgemeinheit einfach eins zu eins auf den Einzelnen übertragen, obwohl dies nicht immer zutreffend ist. Dementsprechend aufgeheizt ist dann die Diskussion und man redet die meiste Zeit aneinander vorbei.

Als Biostatistiker weiß ich, was Aussagen bedeuten, für wen sie gelten und wie man sie verallgemeinern kann; wie man Daten liest, sie interpretiert und zu verstehen hat. Zumal ich weder Arzt noch Mediziner bin, kann dieses Buch kein medizinischer Ratgeber sein. Es geht in diesem Buch vielmehr darum aufzuzeigen welche Bedeutung Infektionskrankheiten in der Menschheitsgeschichte hatten und haben, wie diesen begegnet wurde und wird, welche Aufgaben unser Immunsystem dabei hat und was unter einer Impfung bzw. Impfstoff zu verstehen ist. Es wird weiters aufgezeigt, was Impfungen aus wissenschaftlicher Sicht bedeuten, dass hierbei der Wahrheitsfindung Grenzen auferlegt sind, und dass es sehr viele Aspekte gibt, die im Zusammenhang mit Impfungen zu berücksichtigen sind. Erst mit diesem Vorwissen kann man einzelne Belange zur Impfdebatte aufgreifen, sie diskutieren und in ihrer Nüchternheit darstellen. Ziel ist es, die Impfthematik möglichst neutral und umfassend zu be- und durchleuchten, Eckpfeiler für eine sachliche Diskussion festzulegen und die Grenzen des Machbaren darzustellen. Hierdurch soll die Sichtweise auf die Thematik geschärft und die Orientierung im Impfdschungel erleichtert werden.

Einiges in diesem Buch kann für viele neu sein. Ein Rundumblick zum Impfthema wird selten vermittelt und es kann angezweifelt werden, dass jene, die über Impfungen zu entscheiden haben, auch über alle Informationen verfügen. Nur unter Berücksichtigung aller Belange kann man einen Weg finden, der konsenstauglich ist, um in Zukunft Impfungen nicht nur aus Sicht der Wirksamkeit, sondern vor allem auch aus Sicht der maximal möglichen Sicherheit zu bewerten.

In einem Gastkommentar in der Südtiroler Tageszeitung zum Thema Impfen vom 29.10.2017 hatte ich auszugsweise folgendes angemerkt:

„Impfungen sind eine der größten Errungenschaften der Medizin“, sagen die einen, wohingegen die anderen meinen „das Gift in Impfungen führe zu Autismus“. „Wer nicht impft gefährdet sein Kind und andere Mitmenschen“, ist dann meist das Gegenargument und beide Seiten begründen ihre Aussagen durch Ergebnisse wissenschaftlicher Studien.

Ich kann vorausschicken, dass beide Seiten in einem Punkt irren. Eine wissenschaftliche Studie dient der Wahrheitsfindung nur insofern, als dass sie zeigen kann, was falsch ist. Mehr kann man daraus nicht ableiten. Es ist schlussendlich die Summe an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die uns die Wahrheit eingrenzen lässt.

Viele Eltern verunsichert dies und manche haben große Angst, dass dem eigenen Kind etwas passieren könnte, denn das Risiko eines Impfschadens wird kaum thematisiert und ist somit für viele nicht einschätzbar. „Selbst die nachweislich besten Maßnahmen müssen fortwährend durch Forschung auf ihre Sicherheit, Effektivität, Effizienz, Verfügbarkeit und Qualität geprüft werden.“, heißt es in der Deklaration von Helsinki, einer Wertebasis für ethische Grundsätze in der medizinischen Forschung am Menschen.

Aus diesem Grundsatz folgt zwangsläufig die Verpflichtung alles zu tun, um Impfungen so sicher wie möglich zu machen, zeitgleich aber auch über Unsicherheiten aufzuklären, sodass jeder in die Lage versetzt wird, für sich die beste Entscheidung treffen zu können.

1.1. Gebrauchsanweisung

Das Thema Impfnebenwirkungen wird in diesem Buch an sehr vielen Stellen angesprochen, da die Impfdebatte darauf zurückgeht. Allein aufgrund der Häufigkeit dieses Themas kann dies beim Laien zu einem verfälschten Eindruck Impfungen gegenüber führen und es sei deshalb an dieser Stelle bereits vorgewarnt. Aus diesem Grund wird eingangs ausführlich auf die Last von Infektionskrankheiten eingegangen, die Wirksamkeit von Impfungen erläutert, denn das Ziel dieses Buches ist die Sachlichkeit und nicht die Verunsicherung.

In den Kapiteln Ausgangspunkt und Grundlagen wird auf das Thema Impfdebatte hingeführt. Sofern bereits Vorwissen existiert, oder man diese einfach später lesen möchte, kann man direkt zu den anderen Kapiteln übergehen. Im Kapitel Wissenschaft und Impfungen werden viele technische und wissenschaftliche Aspekte zu Impfungen behandelt, die zur Begründung einzelner Aussagen nötig sind. Die Aussagen selbst, können jedoch auch ohne dieses Kapitel verstanden werden. Es ist deshalb auch bei diesem Kapitel nicht verboten einfach weiter zu springen und bei Bedarf später zurückzukehren. Das Kapitel Impfdebatte geht auf das eigentliche Kernthema ein und einzelne Belange werden in einem eigenen Kapitel diskutiert. In der Schlussfolgerung erfolgt eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und es werden einzelne Aspekte zum Handlungsbedarf aufgelistet.

1.2. Kernaussage und Zusammenfassung

Wie der Titel schon vermuten lässt, widmet sich dieses Buch der Impfdebatte. Und um es vorweg zu nehmen, diese wird wohl notwendig sein. Seit fast 300 Jahren wird sie geführt, teilweise sehr kontrovers, und es wird Meinung gemacht, entweder für oder gegen das Impfen. Allein daraus kann man schon ableiten, dass wir es im Kern mit einer Glaubensfrage zu tun haben, bei der dann normalerweise keine Seite recht hat.

Auch wenn es weit hergeholt erscheinen mag, wird in diesem Buch zunächst aufzeigt, was Infektionskrankheiten sind und wie sie ein ständiger Begleiter der Menschheit waren. Die größer werdenden Siedlungen, der Ausbau von Städten, der zunehmende Handel und das sich Austauschen mit anderen, haben bereits zur Römerzeit die Verbreitung von Infektionskrankheiten gefördert. Mit der Verbesserung der Grundversorgung, durch optimierte Anbaumethoden, neuen Sorten und der zunehmenden Erschließung von Kulturland begann Anfang des 15. Jahrhunderts ein zunächst langsames Bevölkerungswachstum, das dann mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert Fahrt aufnahm und dem anschließenden 20. Jahrhundert dann den bisherigen Höhepunkt fand. Wachstum hat aber auch immer seinen Preis, sodass es immer wieder zum Ausbruch von Seuchen und dem regelmäßigen, gehäuften Auftreten von Infektionskrankheiten kam. Besonders um 1800, als das Auftreten von Pocken, Masern, Scharlach, Keuchhusten, Diphtherie und einige Krankheiten mehr schon fast zur traurigen Normalität geworden war, setzte man große Hoffnung, zunächst in die Inokulation, dann in die Impfung gegen die Pocken und war bereits damals überzeugt diese ausrotten zu können. Es hat jedoch noch einige Zeit gedauert bis man die Ursachen von Infektionskrankheiten genauer verstand, die Notwendigkeit zur Hygiene erkannte, Kanalisationen baute und auch die Übertragung und Verbreitung von Infektionskrankheiten besser unterbinden konnte. Das Auftreten von Erkrankungen war somit nicht zwingend ein Schicksalsschlag, sondern vielmehr auch dem Menschen geschuldet und es gab Möglichkeiten etwas dagegen zu tun. Hierzu zählten und zählen klarerweise auch Impfungen. Da diese aber mit Nebenwirkungen verbunden sein können, zudem deren Wirksamkeit anfangs stark bezweifelt wurde, regte sich Widerstand und es kam bereits sehr früh zu einer - teilweise sehr heftig geführten - Impfdebatte. Begegnet wurde dieser mit der Einführung erster Impfpflichten. Vorreiter war hier Bayern im Jahr 1807, Schweden 1816, England und Wales 1853, Massachusetts 1855, sowie Deutschland mit dem Reichsimpfgesetz 1874.

Damit Begriffe zu Impfungen und die teilweise komplexen Zusammenhänge verschiedenster Themen verständlicher werden, gibt es eingangs ein eigenes Kapitel mit Grundlagen zu Krankheitserregern, Infektionskrankheiten, unserem Immunsystem, Impfung und Impfstoff, sowie dem Zulassungsverfahren und einigen Hintergründen des Impfkalenders. Auch wenn unser Immunsystem sehr komplex aufgebaut ist, sodass nicht alles auf Anhieb verständlich sein mag, sind einzelne Grundkenntnisse darüber für das weitere Verständnis sehr wertvoll.

Dass es aus Sicht der Wissenschaft, immer sehr viele Punkte gibt, über die wir nur begrenztes Wissen haben können, zeigt das Kapitel Wissenschaft und Impfungen. Es wird einerseits aufgezeigt, wie man überhaupt zu Erkenntnissen kommt und andererseits dargelegt, was dies für eine Gesellschaft bedeutet. Radfahren lernt man nur, indem man lernt nicht hinzufallen. Man muss hierfür die Fehler erkennen - geschieht hier unbewusst - und dann lernen, diese nicht mehr zu machen - auch dies geschieht hier unbewusst. Würde dieser Vorgang oder dieses Erlernen bewusst ausgeführt, dann könnte man von Wissenschaft sprechen.

Dass man hierbei auch in Aussagen für eine Grundgesamtheit (Bevölkerung) und jene für das Individuum unterscheiden muss, wird ausführlich in einem eigenen Abschnitt dargelegt und aufgezeigt, dass dies in manchen Situationen zu widersprüchlichen Aussagen führen kann. Das Erkennen dieser Widersprüchlichkeit ist fundamental, da viele Belange in der Impfdebatte durch diese genährt werden. Dass diese Widersprüchlichkeit auch mathematisch beschreibbar ist, zeigt der Abschnitt über das Nash-Gleichgewicht, der Film „A Beautiful Mind“ lässt grüßen, und dieses Gleichgewicht nimmt wesentlichen Einfluss auf die Impfbereitschaft und somit auch auf die erreichbaren Impfraten.

Neben zahlreichen wissenschaftlichen Belangen zum Thema Impfungen wird im Abschnitt Kosten-Nutzen auf den wohl wichtigsten Aspekt in der Impfdebatte eingegangen. Es lässt sich zeigen, dass es so etwas wie ein Überimpfen gibt. Damit ist gemeint, dass beim Überschreiten einer optimalen Impfrate, Impfungen mehr schaden als nützen. Ursache hierfür ist das rasche Abnehmen der Ausbreitungsfähigkeit von Krankheitserregern, sofern die Impfung gut wirksam ist. Bereits bei Impfraten ab 50% schützen geimpfte Personen indirekt die Ungeimpften. Dies ging bereits aus ersten Berechnungen (Bernoulli 1760) hervor und wir verwenden heutzutage hierfür den Begriff Herdenschutz. Dem Ausrottungsgedanken folgend, dient dieser den Entscheidungsträgern jedoch als Vorwand zur Einforderung hoher Impfraten. Bei Licht betrachtet sind dies aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Selbst wenn ernste Nebenwirkungen nach einer Impfung selten sind und normalerweise geringes Ausmaß haben, fallen diese, bei massenhafter Verabreichung, doch ins Gewicht. Dass der Sachverhalt des Überimpfens bisher nie oder kaum offen diskutiert und genauer untersucht wurde, mag vielen Faktoren geschuldet sein. Sicher ist jedoch, dass er von wesentlicher Bedeutung ist und zahlreiche Konsequenzen nach sich zieht. Man wird nicht drum herumkommen sich diesem Sachverhalt zu stellen, denn nur ein neues Bewusstsein Impfungen gegenüber, kann uns dazu verhelfen, die wesentlichen Fragen endgültig zu klären.

So wie konkurrierende Meinungen zu einem Nash-Gleichgewicht in der Bevölkerung führen, genauso wird daraus, in Zeiten geringer Erkrankungszahlen, eine Polarisierung der Impfdebatte. Das konsequente Kleinreden von Nebenwirkungen erschafft zwangsläufig Gegner - und Gegner rufen dann die Impffanatiker auf den Plan. Unabhängig davon, muss jeder für sich selbst eine Entscheidung treffen.

Wie der Einzelne damit umgehen kann und wie er schlussendlich zu einer Entscheidung kommt, wird im Abschnitt „Für oder gegen Impfungen“ behandelt. Es wird hierbei aufgezeigt, dass es gar nicht um die Beantwortung eines „Für“ oder „Gegen“ Impfungen geht, sondern schlichtweg um die Entscheidung selbst. Alles führt darauf hinaus, abzuwägen, mit welchen Konsequenzen man besser zurechtkommt.

Auf die Impfdebatte wird in einem eigenen Kapitel eingegangen und zunächst aufgezeigt welche Probleme vorliegen, um sie anschließend im Detail diskutieren zu können. Das wohl größte Problem hierbei ist die einseitige Sichtweise der Entscheidungsträger.

Wir wissen bei Medikamenten, hinsichtlich deren Wirksamkeit und Nebenwirkungen, recht gut Bescheid. Verschreibungspflichtige Medikamente dürfen nicht beworben werben und es obliegt dem behandelnden Arzt, die beste Therapie für den Patienten vorzuschlagen. In Abstimmung mit dem Patienten wird dann entschieden, wie die Behandlung aussehen soll. Manche Medikamente werden auch prophylaktisch verschrieben. So soll eine geringe Dosis an Acetylsalicylsäure (Cardio-Aspirin) helfen einen Schlaganfall zu vermeiden. Sehr viele ältere Menschen verwenden diese Medikation. Niemand käme auf die Idee, hierzu eine Medikamenten-Einnahmepflicht einzuführen. Wieso geschieht dies aber bei Impfungen? Hätte nicht auch bei Impfungen der Vertrauensarzt primäre Zuständigkeit?

Das postulierte Impfcredo, gepaart mit dem Ausrottungsgedanken, ist der eigentliche Grund für diese sehr einseitige Haltung Impfungen gegenüber und dies führt zwangsläufig zu einer Reihe gegenseitiger Abhängigkeiten. Das Ziel Formel-1 Weltmeisterin zu werden, zwingt die Fahrerin dazu mit dem Rennstall zusammenzuarbeiten, Sponsoren zu finden, eine gute Figur zu machen und im Rennen kompromisslos zu sein. Hat man das Ziel Krankheiten ausrotten zu wollen, dann muss man ähnlich kompromisslos vorgehen, da das Unterfangen an und für sich, bereits kaum erreichbar ist. Dies zwingt Politiker, Behörden und die Pharmaindustrie zur verstärkten Zusammenarbeit, wobei erstere möglichst viel Gutes tun wollen und letztere möglichst gut verdienen. Die eigentlichen Anliegen der schlussendlich Betroffenen, Arzt und Patient, werden hierbei kaum berücksichtigt, da man davon ausgeht, dass alles eh schon klar wäre.

All dies hat weitreichende Konsequenzen und führt zu einer Reihe von moralischen Fragestellungen. Die wichtigste hierzu ist die Impfpflicht. Wie sich diese aus der Perspektive einer optimalen, aber schwer ermittelbaren Impfrate darstellt, wird in der Diskussion ausführlich behandelt und auch in der Schlussfolgerung nochmals aufgegriffen.

Ein Optimierungsproblem, bei dem bestimmte Kosten und Auswirkungen nur subjektiv eingeschätzt werden können, führt zwangsläufig zu einer Debatte. Angenommen, man könnte die optimale Impfrate quantitativ bestimmen, dann würde sich in Abhängigkeit von Erkrankung und Impfstoff eine exakte Zahl ergeben. Aus Sicht der Bevölkerung müsste man dann zusehen immer sehr nahe an dieser Zahl zu liegen. Ist die Impfrate zu niedrig, dann müsste man werben. Ist sie zu hoch, dann müsste man einzelnen Personen die Impfung vorenthalten. Dass dies praktisch nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand und wäre somit keine Lösung. Egal, wie man es dreht und wendet, es bleibt immer ein Problem, das nicht allgemeingültig gelöst werden kann, sodass nur eine gut geführte Impfdebatte zu Impfraten führt, die nahe am Optimum liegen.

Die Impfdebatte

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