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2 Die Begründung des Arbeitsverhältnisses

Aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen setzt die Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Stellensuche voraus. Bei erfolgreicher Suche kommt es anschließend zu einem Vertragsschluss. Vor dem Vertragsschluss muss geprüft werden, ob der Vertragsinhalt für die ArbeitnehmerInnen annehmbar ist.

2.1 Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Für das Suchen einer freien Stelle nach einer Kündigung besteht gegen die ArbeitgeberInnen ein Anspruch auf Freizeit zur Stellungssuche gem. § 629 BGB. Aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen besteht eine Möglichkeit zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses im Lesen von Stellenanzeigen. Sowohl für die Beurteilung von Stellenanzeigen also auch für die Einschätzung von Fragen im Vorstellungsgespräch und anschließenden Absagen ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bedeutsam.

Übersicht 3

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

1. Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1

1.1 Schutzbereich

1.1.1 persönlich: Beschäftigte (§ 6 Abs. 1)

1.1.2 sachlich: Diskriminierungen i. S.v. § 1 u. a. in arbeitsrechtlichen Kontexten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2

1.2 Eingriff

1.3 Rechtfertigung: Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen

1.3.1 des Alters (§ 10)

1.3.2 der Religion oder Weltanschauung (§ 9)

1.3.3 beruflicher Anforderungen (§ 8)

1.3.4 positiver Maßnahmen (§ 5)

2. Rechtsfolge bei Verstoß gegen § 7 Abs. 1

2.1 Entschädigung und Schadenersatz nach § 15

2.2 Unwirksamkeit von Verträgen nach §§ 134 BGB, 7 Abs. 2 AGG

2.3 Verletzung einer Vertragspflicht gem. § 7 Abs. 3

2.1.1 Stellenanzeige

Eine Stellenanzeige beinhaltet eine Aufforderung von ArbeitgeberInnen zur Bewerbung auf eine Beschäftigungsmöglichkeit (Schaub/Koch 2018, 617). Nach § 11 AGG darf eine Stellenanzeige nicht gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG verstoßen. Wenn die Ausschreibung gegen dieses Verbot verstößt, wird gem. § 22 AGG vermutet, dass die ArbeitgeberInnen gegen das Benachteiligungsverbot bei der Personenauswahl verstoßen haben. Die ArbeitgeberInnen müssen dann Tatsachen vortragen, welche diese Vermutung widerlegen. Wenn solche Tatsachen nicht vorgetragen werden, kann dies zu einem Entschädigungsanspruch der BewerberInnen gegen die ArbeitgeberInnen führen (LAG Hessen 15.6.2015 – SA 1619/14).

Wenn beispielsweise mit einer Stellenanzeige ein junger Sozialarbeiter für ein Frauenhaus mit Lichtbild gesucht wird, kann die Anzeige gegen das Benachteiligungsverbot wegen Benachteiligungen aus Gründen des Alters, des Geschlechtes und der ethnischen Herkunft im Sinne von § 1 AGG verstoßen.

Der Verstoß aus Gründen der ethnischen Herkunft kann sich aus der Anforderung des Lichtbilds ergeben. Demnach liegt eine Vermutung nach § 22 AGG vor. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn Tatsachen vorgebracht werden, aus denen hervorgeht, dass eine unerlaubte Diskriminierung nicht vorlag.

In Bezug auf das Alter und die ethnische Herkunft kann dies widerlegt werden, wenn das Bewerbungsverfahren dokumentiert worden ist und aus der Dokumentation hervorgeht, dass BewerberInnen jeden Alters und jeder ethnischer Herkunft eingeladen worden sind und die am besten qualifizierten BewerberInnen ausgewählt worden sind.

Bezüglich des Geschlechts kann die Vermutung einer Benachteiligung widerlegt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass bisher nur Frauen im Frauenhaus arbeiten aufgrund der Gewalterfahrungen der Nutzerinnen durch Männer und dass nun ein Mann als positives Vorbild zur Betreuung der Kinder der Frauen eingestellt werden soll. Dann ist diese Diskriminierung gem. § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.Wenn dagegen die Nachweise nicht gelingen, kommt gem. § 15 Abs. 2 AGG ein Anspruch auf Entschädigung in Betracht.

2.1.2 Vorstellungsgespräch

Im Rahmen der Stellensuche bzw. im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens findet in der Regel ein Vorstellungsgespräch statt. Im Rahmen dieses Vorstellungsgespräches können sich ArbeitgeberInnen und BewerberInnen jeweils übereinander informieren durch gegenseitiges Fragen. Aus der Bewerbungsperspektive stellt sich dabei die Frage, ob auf sämtliche Fragen der ArbeitgeberInnen wahrheitsgemäß geantwortet werden muss.

In Bezug auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen ist zwischen dem Interesse der ArbeitgeberInnen an einer bestmöglichen Stellenbesetzung und dem Interesse der BewerberInnen an der Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts abzuwägen. Unter dem Persönlichkeitsrecht wird dabei die Freiheit der BewerberInnen verstanden, zu entscheiden, was sie von sich preisgeben möchten und was nicht. Zwar kann niemand zu einer Antwort gezwungen werden, jedoch beinhaltet auch ein Schweigen auf eine Frage eine Aussage.

Deswegen wird in diesem Zusammenhang zwischen erlaubten und unerlaubten Fragen unterschieden. Während die BewerberInnen auf erlaubte bzw. zulässige Fragen wahrheitsgemäß antworten müssen, dürfen sie bei unzulässigen Fragen lügen. Wenn BewerberInnen auf zulässige Fragen wahrheitswidrig antworten, kann bei Zustandekommen eines Arbeitsvertrages ein Anfechtungsrecht der ArbeitgeberInnen gem. §§ 119, 123 BGB entstehen. Die wahrheitswidrige Beantwortung von unerlaubten Fragen der ArbeitgeberInnen hat für die BewerberInnen dagegen keine Konsequenzen (Schaub / Koch 2018, 359).

Fraglich ist, wann es sich bei einem Vorstellungsgespräch für eine Stelle in der Sozialen Arbeit um eine erlaubte Frage handelt, bei der wahrheitsgemäß geantwortet werden muss, und wann es sich um eine unerlaubte Frage handelt, bei der wahrheitswidrig geantwortet werden darf. Ausschließlich tätigkeitsbezogene Fragen sind zulässig. Wenn die Frage nicht tätigkeitsbezogen ist und gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verstößt und/oder gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ist sie unzulässig (Schaub/Koch aaO.).

So sind auf die Stelle bezogene Wissensfragen und Fragen nach der Berufserfahrung als SozialarbeiterIn als tätigkeitsbezogene Fragen zulässig. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist dagegen aufgrund einer Benachteiligung des Geschlechts im Sinne von § 1 AGG stets unzulässig (Schaub / Koch 2018, 360) genauso wie die Frage nach der sexuellen Orientierung. Problematisch ist, ob die Frage nach der sexuellen Orientierung einer SozialarbeiterIn ausnahmsweise nach § 9 AGG gerechtfertigt sein kann. Dagegen spricht, dass nach § 9 AGG nur Benachteiligungen wegen der Religion oder Weltanschauung gerechtfertigt werden können, nicht aber unterschiedliche Behandlungen wegen der sexuellen Orientierung (Birk 2012, 120). Somit können zwar kirchliche Einrichtungen eine Frage nach der Religionszugehörigkeit im Vorstellungsgespräch aufgrund § 9 AGG stellen, eine Frage in Bezug auf die sexuelle Orientierung jedoch nicht. SozialarbeiterInnen dürfen daher nach der hier vertretenen Auffassung bei einer solchen Frage lügen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ist gem. § 9 Abs. 1 Abt. 2 AGG nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt (BAG 25.10.2018-8 AZ R 501/14).

2.1.3 Absagen und Aufwendungsersatz

ArbeitgeberInnen dürfen BewerberInnen mangels anderweitiger Regelung ohne Begründung absagen. Wenn eine Absage eine Begründung enthält, kann die Formulierung der Begründung Indizien im Sinne von § 22 AGG enthalten für eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Die Formulierung „Sehr geehrter Herr leider müssen wir Ihnen absagen, da wir uns für eine Sozialarbeiterin entschieden haben.“ kann ein solches Indiz enthalten.

Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz der BewerberInnen kann sich aus § 670 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift werden den Beauftragten Aufwendungen ersetzt, die sie für die Ausführung des Auftrags den Umständen nach für erforderlich halten durften. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kann im Gegensatz zu einer Stellenanzeige als ein Angebot für einen Auftrag des Arbeitgebers im Sinne von § 662 BGB gewertet werden. Mit der Annahme der Einladung nimmt die BewerberIn den Auftrag an. Sie kann daher diejenigen Ausgaben ersetzt verlangen, die sie im Zusammenhang mit der Einladung getätigt hat, sofern sie diese für erforderlich halten durfte. Für erforderlich halten dürfen BewerberInnen keine Vorstellungskosten, wenn die ArbeitgeberInnen diese zuvor ausgeschlossen haben. Wenn dies nicht der Fall ist, können notwendige Fahrt- und Übernachtungskosten für erforderlich gehalten werden (Schaub / Koch 2018, 711).

2.2 Vertragsschluss

Die Rechte und Pflichten in einem Arbeitsverhältnis werden durch einen wirksamen Vertragsschluss begründet. Im Folgenden werden die Merkmale eines wirksamen Vertragsschlusses erörtert.

2.2.1 Vertragsfreiheit

Die Vertragsfreiheit ist durch die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Neben einer durch Gesetze beschränkten Freiheit des Vertragsinhalts beinhaltet die Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht, dass ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn jeweils entscheiden können, ob und mit wem sie einen Arbeitsvertrag eingehen wollen.

Auch bei einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durch ArbeitgeberInnen liegt gem. § 15 Abs. 6 kein Anspruch auf eine Einstellung vor. Ein Anspruch auf Einstellung kann sich dagegen im Öffentlichen Dienst aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, wenn eine ermessensfehlerfreie Einstellung nur bei einer BewerberIn möglich ist (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 99). Unter diesen Voraussetzungen kann zum Beispiel ein Bewerber eine Einstellung als Sozialarbeiter bei einem kommunalen Arbeitgeber im Rahmen eines TVÖD-Vertrages verlangen (vgl. LAG Hessen 23.4.2010 - 19/3 Sa47/09).

Weitere gesetzliche Einstellungs- bzw. Wiedereinstellungs- und Weiterbeschäftigungsansprüche können sich ergeben aus §§ 91 Abs. 6 SGB XI; 2 Abs. 5 ArbplschG und 78a Abs. 2 BetrVG (Dütz/ Thüsing 2017, Rn. 100 f.).

2.2.2 Angebot und Annahme

Ein Arbeitsvertrag setzt ein Angebot und eine Annahme voraus (vgl. §§ 145 ff. BGB). Ein Angebot beinhaltet eine Willenserklärung, welche mit dem Zugang gem. § 130 BGB wirksam wird (Palandt 2014, § 145 BGB Rn. 1). Eine Annahme setzt ebenfalls eine empfangsbedürftige Willenserklärung voraus (Palandt 2014, § 147 BGB Rn. 1). Eine Willenserklärung äußert einen Willen, der auf die Erzielung einer Rechtsfolge gerichtet ist (Palandt 2014, Einf v § 116 BGB Rn. 1).

Eine Stellenanzeige stellt kein Angebot des Arbeitgebers dar, weil der Arbeitgeber durch die Anzeige selbst noch nicht den Abschluss eines bestimmten Arbeitsvertrages erzielen will.

Eine Willensäußerung kann auch durch schlüssiges Verhalten entstehen. Wenn die Leiterin eines Jugendhauses eine Sozialarbeiterin fragt, ob diese im Jugendhaus ab dem nächsten Monat arbeiten will und die Sozialarbeiterin mit Wissen der Leiterin ohne weitere Absprachen ab dem nächsten Monat zu arbeiten beginnt, liegt ein Arbeitsvertrag vor, auch wenn über eine Vergütung nicht gesprochen wurde. Die Vergütung beurteilt sich dann gem. § 612 Abs. 2 BGB nach der in diesen Fällen üblichen Vergütung.

Gesetzliche Abschlussverbote, wie zum Beispiel das Beschäftigungsverbot von Kindern, verhindern das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages (vgl. § 5 JArbSchG i. V. m. § 134 BGB). Öffentlichrechtliche Beschäftigungsverbote wirken sich dagegen nicht auf die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages aus (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 106). Ein solches Beschäftigungsverbot stellt § 72a SGB VIII dar. Nach dieser Vorschrift dürfen Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen, welche wegen bestimmter Straftaten, z.B. Sexualstraftaten, verurteilt worden sind. Wenn also beispielsweise ein Sozialarbeiter, der rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 StGB verurteilt worden ist, von einem Jugendamt eingestellt wird, dann ist dieser Arbeitsvertrag nicht nach § 134 BGB unwirksam.

2.2.3 Form

Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit in der Regel keiner besonderen Form, so dass eine Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages nach § 125 BGB bei Nichteinhalten der Form nicht in Betracht kommt. Formerfordernisse nach einem Tarifvertrag, z.B. nach § 2 Abs. 1 TVöD, nach § 2 NachweisG oder nach § 11 BBiG haben keine konstitutive Bedeutung bzw. sind keine Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages. Sie dienen ArbeitnehmerInnen zur Beweiserleichterung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Wenn die schriftliche Nachweispflicht nach § 2 NachweisG bzw. § 11 BBiG nicht beachtet wird, kann dies einen Schadensersatzanspruch der ArbeitnehmerInnen nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 111).

Wenn eine Sozialarbeiterin sich mündlich mit einem freien Träger über einen Arbeitsvertrag einigt und nach über einem Monat nach dem vereinbarten Arbeitsvertragsbeginn entgegen § 2 Abs. 1 NachweisG noch keinen schriftlichen Arbeitsvertrag über die in der Vorschrift genannten Punkte bekommen hat, dann ist bzw. wird dieser Arbeitsvertrag nicht unwirksam. Allerdings kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch der Sozialarbeiterin ergeben, wenn ihr durch die Nichtaufzeichnung des Vertrages ein Schaden entstanden ist.

2.3 Inhalt des Arbeitsvertrages

Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages beurteilen sich die Rechte und Pflichten im künftigen Arbeitsverhältnis. Im Folgenden werden nach einer Übersicht die wesentlichen und möglichen sonstigen Inhalte eines Arbeitsvertrages allgemein dargestellt. Die Arbeitszeit wird als für die Soziale Arbeit besonders bedeutsamer Punkt gesondert erörtert.

Übersicht 4

Inhalt eines Arbeitsvertrages

1. Wesentlicher Inhalt (vgl. § 2 Abs. 1 NachweisG)

1.1 Name und Anschrift der Vertragsparteien

1.2 Beginn und ggfs. Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. §§ 14–23 TzBfG)

1.3 Arbeitsort bzw. Arbeitsorte

1.4 vom Arbeitnehmer zu leistende Tätigkeit

1.5 Arbeitsentgelt und Fälligkeit

1.6 Arbeitszeit (vgl. ArbZG, §§ 1–13, 22–23 TzBfG)

1.7 Urlaub (vgl. BUrlG)

1.8 Kündigungsfristen (vgl. § 622 BGB)

1.9 ggfs. Tarifvertrag, Betriebs- o. Dienstvereinbarung

2. Sonstiger möglicher Inhalt, z. B.

2.1 Probezeit (vgl. § 622 Abs. 3 BGB)

2.2 Nebentätigkeit

2.3 Urheberrecht

2.4 Ausschlussfrist

2.5 Einwilligung zur Datenverwaltung

2.6 Salvatorische Klausel

2.3.1 Wesentlicher Inhalt eines Arbeitsvertrages

Als wesentlicher Inhalt eines Arbeitsvertrages werden in diesem Zusammenhang Vertragspunkte verstanden, welche von der Nachweispflicht gem. § 2 Abs. 1 NachweisG erfasst sind. Für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages an sich ist die Vereinbarung sämtlicher von der Nachweispflicht erfasster Vertragspunkte nicht erforderlich. Vielmehr dient die Fixierung der Vertragsbedingungen der Beweiserleichterung für den Arbeitnehmer (vgl. Kap 2.2.3) Für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages ist aufgrund § 612 Abs. 2 BGB lediglich erforderlich, dass sich zwei Vertragspartnerinnen darüber einig sind, dass an einem bestimmten Arbeitsort eine bestimmte Tätigkeit als Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber ausgeführt wird (vgl. Kap. 2.2.2).

2.3.2 Arbeitszeit

Das Arbeitszeitgesetz beinhaltet Mindestanforderungen in Bezug auf die Arbeitszeit, welche einzelvertraglich nicht umgangen werden dürfen. Unter Arbeitszeit wird in der Regel die Zeit der Arbeit ohne Ruhepausen verstanden (§ 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG). Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden, also 48 Stunden in der Woche nicht überschreiten, wobei sie auf zehn Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche ausgedehnt werden kann, wenn ein Ausgleich so erfolgt, dass acht Stunden täglich im Durchschnitt innerhalb von 24 Wochen oder sechs Kalendermonaten nicht überschritten werden.

Gem. § 4 ArbZG müssen bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten. zuvor eingeplant worden sein, bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden eine Ruhepause von mindestens 45 Minuten. Zwischen zwei täglichen Arbeitszeiten muss der Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 ArbZG mindestens eine Ruhezeit von ununterbrochen elf Stunden haben. Unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 des § 5 ArbZG kann in Einrichtungen zur Betreuung von Personen die Dauer der Ruhezeit herabgesetzt werden. Die für die Soziale Arbeit insbesondere in Wohngruppen relevante Nacht- und Schichtarbeit wird in § 6 ArbZG geregelt und die bedeutsame Sonn- und Feiertagsbeschäftigung in §§ 10 ff. ArbZG.

Für die Soziale Arbeit in Wohngruppen ist ebenfalls insbesondere bedeutsam, dass gem. §§ 7, 12 ArbzG tarifvertraglich Änderungen zu den genannten Regelungen zugelassen werden können. So kann beispielsweise nach § 7 Abs. 1 Nr. 1a) abweichend von § 3 ArbZG die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich verlängert werden, wenn die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst beinhaltet. Während Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit generell zählen, fällt in der Rufbereitschaft nur die tatsächlich geleistete Arbeit unter die Arbeitszeit. Unter der Arbeitsbereitschaft wird die Bereitschaft zur bzw. Aufmerksamkeit für die Arbeit verstanden, auch wenn keine tatsächliche Arbeit anfällt, wie zum Beispiel die Arbeit an der Pforte, wenn niemand herein oder heraus geht. Beim Bereitschaftsdienst befinden sich die ArbeitnehmerInnen unmittelbar am Arbeitsplatz, z.B. nachts in der Wohngruppe als Sozialarbeiterin, auch wenn keine tatsächliche Arbeit anfällt. Eine Sozialarbeiterin kann dann bei einer tatsächlichen Arbeitserfordernis, z.B. Streit in der Wohngruppe, tätig werden. Bei der Rufbereitschaft dagegen befinden sich die ArbeitnehmerInnen nicht am Arbeitsplatz, sondern halten sich an einem frei gewählten Ort auf, von dem der Arbeitsplatz leicht erreichbar ist. Dadurch können sie bei einem Arbeitsanfall sofort zur Arbeitsstätte kommen (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 142).

2.3.3 Sonstiger möglicher Vertragsinhalt

Aufgrund der Vertragsfreiheit können je nach Bedarf weitere Regelungen zu den nach dem Nachweisgesetz aufzeichnungspflichtigen Regelungen hinzugenommen werden. Die in der Übersicht genannten Punkte, welche in einem Arbeitsvertrag geregelt werden können, stellen eine exemplarische Auswahl dar.

Literatur

Degener, T., Dern, S., Dieball, H., Frings, D., Oberlies, D., Zinsmeister, J. (2008): Antidiskriminierungsrecht. Handbuch für Lehre und Beratungspraxis. Mit Lösungsbeispielen für typische Fallgestaltungen. Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main

2.4 Der praktische Fall: Fragen und Lügen

Der 50-jährige anerkannte Sozialarbeiter Simon aus Wolfsburg will in seine Heimatstadt Hamburg zurückkehren. Als eine Stelle in der Stadt Hamburg für eine Jugendamtsleitung ausgeschrieben wird, bewirbt er sich auf diese Stelle, obwohl in der Anzeige ausschließlich eine Sozialarbeiterin gesucht wird. Er wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Beim Gespräch wird er unter anderem gefragt, ob er einer Kirche angehöre, wie hoch sein letztes Einkommen gewesen sei, ob er schwul sei, ob er bei der Stasi gewesen sei und wie viele Jahre Berufserfahrung er als Sozialarbeiter habe. Bei sämtlichen Fragen lügt Simon. Die Kirchenzugehörigkeit verneint er, obwohl er der evangelischen Kirche angehört. Er gibt wahrheitswidrig an, homosexuell zu sein. Seine Tätigkeit als Informeller Mitarbeiter der Stasi verschweigt er. Zudem gibt er eine 20-jährige Berufstätigkeit als Sozialarbeiter in einer Jugendeinrichtung an, obwohl er dort 20 Jahre ausschließlich als Hausmeister tätig war. Auf sein letztes Gehalt schlägt er schließlich 1.500,00 Euro auf.

1. Wie ist die Rechtslage, wenn Simon die Stelle bekommt?

2. Wie ist die Rechtslage, wenn er die Stelle nicht bekommt?

Grundkurs Berufsrecht für die Soziale Arbeit

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