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ОглавлениеVerbindungen des Rückenmarks zum peripheren Nervensystem
Mikroskopischer Aufbau des Rückenmarks
Spinalnerven und periphere Nerven
Prinzipieller Aufbau eines Reflexbogens
Das vegetative Nervensystem im Rückenmark
Rückenmark und Spinalnerven
Das Rückenmark gehört neben dem Gehirn zum Zentralnervensystem. In ihm treffen ankommende Nervenbahnen (Afferenzen) und wegführende Nervenbahnen (Efferenzen) zusammen. Sie sorgen über Nervensignale (Aktionspotenziale) u. a. für den den Informationsaustausch zwischen dem Gehirn auf der einen Seite und Skelettmuskulatur, Sinnesorganen sowie inneren Organen auf der anderen Seite. Das Rückenmarksgewebe ist zusammen mit dem Gewebe des Gehirns das empfindlichste des menschlichen Körpers. Der Wirbelkanal und die Rückenmarkshäute sorgen dafür, dass es gut geschützt ist. Einen weiteren Schutz bietet außerdem der Liquor cerebrospinalis. Er umgibt nicht nur das Gehirn, sondern auch die Gesamtheit des Rückenmarks. Gehirn und Rückenmark „schwimmen“ somit quasi im Liquor cerebrospinalis.
Nach Entfernung der Wirbelbögen, welche bogenförmig die Rückseite des Wirbelkanals (Canalis vertebralis) umschließen, erhält man einen Blick auf das Rückenmark.
Abb. 3.1
Eröffneter Wirbelkanal mit Blick auf das gesamte Rückenmark
Im Hals- und im Lendenbereich lassen sich Verdickungen (Intumeszenzen) ausmachen. Sie sind Ausdruck der intensiven nervalen Versorgung der Extremitäten, da hier besonders viele motorische Nervenfasern aus- und sensible Nervenfasern eintreten.
1Medulla spinalis, Intumescentia cervicalis
2Medulla spinalis, Intumescentia lumbosacralis
Abb. 3.2
Zervikales Rückenmark
Weichteile des Hinterhaupts unddes oberen dorsalen Halses entfernt; Schädeldecke oberhalb der Schädelbasis sowie Wirbelkanal eröffnet; Ansicht von dorsal
1Cerebellum
2Cerebellum, Tonsilla cerebelli
3Atlas, Arcus posterior, Anschnitt
4Nervi spinales, Fila radicularia posteriora
5Axis, Arcus, Anschnitt
6Vertebrum C3, Arcus, Anschnitt
7Sinus transversus, eröffnet
8Dura mater encephali, Falx cerebelli
9Arachnoidea mater encephali über der Cisterna cerebello-medullaris
10rechte Arteria vertebralis
11Vena spinalis posterior in der Pia mater spinalis auf dem Rückenmark
12Medulla spinalis, Anschnitt
Das Rückenmark verläuft als etwa fingerdicker Strang vom Hals bis zur Lende und setzt sich histologisch aus Faserbündeln, Nervenzellen und Gliazellen zusammen. Kranial geht es etwa auf Höhe des großen Hinterhauptlochs (Foramen magnum) ohne scharfe Grenze in das verlängerte Mark des Hirnstamms, Medulla oblongata, über. Willkürlich kann eine Grenze am Abgang des ersten zervikalen Spinalnervenpaares gezogen werden. Bezogen auf die das Rückenmark knöchern umgebenden entsprechenden Wirbel kann ein zervikaler, thorakaler, lumbaler und sakraler Anteil unterschieden werden (siehe Abb. 3.5).
Ventral-mittig scheint das Rückenmark durch die Fissura mediana anterior in eine rechte und eine linke Hälfte geteilt zu sein. An der Dorsalfläche ist diese Zweiteilung weniger stark ausgeprägt, wir sprechen hier lediglich vom Sulcus medianus posterior. Dieser Unterschied hilft bei der ventro-dorsalen Orientierung am histologischen Rückenmarkspräparat.
Abb. 3.3
Arterielle Versorgung des Rückenmarks
Querschnitt auf Höhe der BWS; Ansicht von kranio-ventral
Dorsal verläuft beidseits des Sulcus medianus posterior eine A. spinalis posterior. Ventral verläuft innerhalb der Fissura mediana anterior die unpaare A. spinalis anterior.
Beidseits des Sulcus medianus posterior verläuft je eine Arteria spinalis posterior. Ihr Hauptzufluss erfolgt im Halsbereich über die Arteria vertebralis, darüber hinaus erhält sie segmentale Zuflüsse von umgebenden Arterien.
Ventrale Gebiete des Rückenmarks werden von der unpaaren Arteria spinalis anterior mit Blut versorgt. Als vordere Rückenmarksarterie bildet sie sich aus den beiden Arteriae vertebrales in Höhe der Pyramidenbahnkreuzung (Decussatio pyramidum) und verläuft entlang der Fissura mediana anterior an der Vorderseite des Rückenmarks nach kaudal. Auch sie erhält zahlreiche segmentale Zuflüsse. Die Arteria spinalis anterior anastomosiert über wiederum zahlreiche, um das Rückenmark verlaufende Äste mit den beiden Arteriae spinales posteriores.
In seinem zervikalen und lumbalen Bereich ist das Rückenmark makroskopisch verdickt, man spricht von der Intumescentia cervicalis und der Intumescentia lumbosacralis. Auf Ebenen der Intumeszenzen (lat. tumor – „Schwellung“) liegen besonders viele Nervenzellen zur motorischen und sensiblen Versorgung der Extremitäten. Entsprechend treten hier auch viele motorische Fasern aus dem Rückenmark aus bzw. ziehen viele sensible Fasern in das Rückenmark hinein. Die beiden Intumeszenzen sind also Ausdruck der intensiven nervalen Versorgung der Extremitäten. Am kaudalen Ende verjüngt sich das Rückenmark kegelförmig zum Conus medullaris (Markkegel), dessen Spitze fadenförmig in einem Filum terminale (Endfaden) endet.
Verbindungen des Rückenmarks zum peripheren Nervensystem
Betrachten wir den Aufbau des Rückenmarks im Querschnitt, so fällt zuallererst die innen liegende graue Substanz, umgeben von weißer Substanz auf (Abb. 3.4). Noch einmal soll darauf hingewiesen werden, dass in der grauen Substanz die neuronalen Zellkörper, in der weißen Substanz deren Fortsätze (vor allem Axone) zu finden sind. Das Rückenmark verlassen vorne und hinten mehrere Nervenfaserbündel, die Wurzeln genannt werden (Radix anterior et posterior; auch Fila radicularia). Aufgrund ihrer Funktion spricht man auch von einer motorischen Vorderwurzel und einer sensorischen Hinterwurzel. Funktionell betrachtet verlassen demnach nur die Vorderwurzeln das Rückenmark, denn sie transportieren motorische Impulse vom Rückenmark in die Peripherie. Im Gegensatz dazu leiten die Hinterwurzeln dem Rückenmark sensible Impulse zur weiteren Verarbeitung zu, sie treten also in das Rückenmark von hinten ein. In Abb. 3.4 ist die „Flussrichtung“ der Aktionspotenziale mit zwei Pfeilen hervorgehoben.
In dieser Abbildung sind die Rückenmarkshäute entfernt, man sieht nun deutlich das Spinalganglion als Verdickung der sensiblen Hinterwurzel.
Die jeweilige Verlaufsrichtung der Aktionspotenziale ist mit einem Pfeil hervorgehoben.
Die motorischen Vorderwurzeln treten am Sulcus lateralis anterior aus dem Rückenmark aus, die sensiblen Hinterwurzeln treten am Sulcus lateralis posterior in das Rückenmark ein.
Letzterer beherbergt auch die beiden hinteren Rückenmarksarterien.
Das Rückenmark lässt eine zentral gelegene graue Substanz erkennen (Schmetterlingsfigur), allseits umgeben von weißer Substanz. Man unterscheidet in der grauen Substanz ein motorisches Vorderhorn von einem sensiblen Hinterhorn. Die größten Zellen des motorischen Vorderhorns nennt man α-Motoneurone. Die Gesamtheit ihrer Axone innervieren die quergestreifte Skelettmuskulatur. Nicht dargestellt ist das vegetative Seitenhorn.
Die weiße Substanz kann in drei Faszikel untergliedert werden. In ihnen verlaufen aufsteigende und absteigende Bahnsysteme. Dazu und zu den hier bereits dargestellten Rückenmarkshäuten später mehr.
Merke
Vorderwurzeln = motorische Efferenzen des Rückenmarks
Hinterwurzeln = sensible Afferenzen des Rückenmarks
Mehrere Vorder- und Hinterwurzeln vereinigen sich im Bereich eines jeden Foramen intervertebrale zu einem Spinalnerven (Nervus spinalis). Die knöcherne Begrenzung der Foramina intervertebralia wird durch die Wirbelbogenfüßchen (Pediculi arcus vertebrae) gebildet, die nach oben und unten etwas eingezogen sind, so dass sich die Incisurae vertebrales inferior et superior ausbilden. Je zwei Inzisuren bilden dann die Öffnung zum Durchtritt der Spinalnerven (siehe Lehrbücher der Osteologie). Die Spinalnerven werden relativ zur Höhe ihrer Durchtrittsstelle benannt. Um aber die Nomenklatur der Spinalnerven verstehen zu können, werfen wir zuerst einen Blick auf die Nomenklatur und die Anzahl der knöchernen Wirbelkörper.
Die knöcherne Wirbelsäule setzt sich aus sieben Halswirbeln, zwölf Brustwirbeln, fünf Lendenwirbeln, fünf Sakralwirbeln und drei bis fünf Steißwirbeln zusammen.
Über den obersten Halswirbel, dem Atlas, steht die knöcherne Wirbelsäule in Form des oberen Kopfgelenkes mit dem Os occipitale in Verbindung. Zwischen Atlas und dem zweiten Halswirbel, dem Axis, besteht eine weitere gelenkige Verbindung, das untere Kopfgelenk. Die fünf Sakralwirbel sind in der Regel miteinander verschmolzen, die Steißwirbel sind meist nur rudimentär angelegt. Das Paar der beiden obersten Spinalnerven tritt direkt unter dem Os occipitale aus, also oberhalb des ersten Halswirbels (Atlas). Da auch noch das unterhalb des siebenten Halswirbels austretende Spinalnervenpaar (C8) dem Halsbereich zugeordnet wird, gibt es acht zervikale Spinalnervenpaare bei nur sieben Halswirbeln (siehe Abb. 3.5, die Spinalnervenpaare sind hier grün hervorgehoben). Die weiter kaudal folgenden Spinalnerven tragen dann gleiche Namen und Nummern wie der jeweils darüber liegende Wirbelkörper.
Insgesamt beherbergt das Rückenmark somit 31–32 Spinalnervenpaare:
•8 zervikale Spinalnervenpaare aus dem Halsmark (lat. cervix – „Hals“)
•12 thorakale Nervenpaare aus dem Brustmark (griech. θώραξ – „Rumpf, Brustraum“)
•5 Lumbalnervenpaare aus dem Lendenmark (lat. lumbus – „Lende“)
•5 Sakralnervenpaare aus dem Kreuzbeinmark (lat. Os sacrum – „Kreuzbein“) und
•1–2 Kokzygealnervenpaare aus dem Steißbeinmark (lat. Os coccygis – „Steißbein“).
Den Ursprungsort jeder Vorder- und Hinterwurzel, die sich dann auf Höhe der Foramina intervertebralia zum Spinalnerv vereinigen, nennt man entsprechend Rückenmarksegment. Das Rückenmark besteht demnach aus acht zervikalen, zwölf thorakalen, fünf lumbalen, fünf sakralen, und ein bis zwei kokzygealen Rückenmarksegmenten. Es soll darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Rückenmarksegmente ohne anatomische Grenze ineinander übergehen, die Einteilung ist eine rein topographisch-funktionelle.
Die Wirbelsäule besteht aus sieben Halswirbeln (C1–7), zwölf Brustwirbeln (Th1–12), fünf Lendenwirbeln (L1–5), dem Kreuz- und dem Steißbein (in der Abbildung rosa beschriftet).
Das Rückenmark beginnt auf Höhe des Foramen magnum als kaudale Fortsetzung der Medulla oblongata. Die Spinalnervenpaare werden nach ihrem zugehörigen (dem jeweils über ihnen liegendem) Wirbel benannt (in der Abbildung gelb beschriftet). Eine Ausnahme bildet die HWS: Hier tritt der Spinalnerv
C1 oberhalb des ersten Halswirbels aus. Es ergeben sich also acht zervikale Spinalnervenpaare (C1–8) bei sieben Halswirbeln. Demnach wird im Bereich der HWS ein Spinalnerv nach dem Wirbelkörper benannt, der sich unter ihm befindet.
Das Rückenmark endet als Conus medullaris (Pfeil) auf Höhe der Wirbel L1/L2. Unterhalb befindet sich im Sack der Dura mater die Cauda equina.
Unterhalb des Conus medullaris kann gefahrlos eine Nadel zur Abnahme von Liquor in den spinalen Subarachnoidalraum (Liquorraum) eingeführt werden.
Der Durasack ist kranial am Foramen magnum, kaudal am Os coccygis befestigt.
Bei genauerer Betrachtung der Spinalnerven fällt im Bereich der Hinterwurzeln, kurz vor Zusammenschluss zum Spinalnerven im Foramen intervertebrale, eine Verdickung auf. Es handelt sich hierbei um die Spinalganglien. Ein Spinalganglion (siehe Abb. 3.4) ist eine Ansammlung von Nervenzellkörpern (dies ist die Definition eines Ganglions), die man an der dorsalen Wurzel (Radix posterior) jedes Spinalnerven antrifft. In ihnen liegen die Zellkörper des ersten sensiblen Neurons. Die Spinalganglien enthalten aus histologischer Sicht die Zellkörper pseudounipolarer Nervenzellen.
Zur Wiederholung: Bei einem pseudounipolaren Neuron handelt es sich um eine Nervenzelle mit zwei Fortsätzen. Der eine ist in die Peripherie gerichtet, der andere in Richtung des Zentralnervensystems. Beide Fortsätze sind in der Nähe ihres Zellkörpers (Soma) zu einem gemeinsamen Nervenzellfortsatz verschmolzen (vgl. Abb. 1.7).
Vergleicht man den knöchernen Wirbelkanal und das Rückenmark in seiner kranio-kaudalen Ausbreitung, fällt auf, dass es mit seinem Conus medullaris weiter oben als der knöcherne Wirbelkanal endet (Pfeil in Abb. 3.5). Denn während das postnatale Längenwachstum des Rückenmarks begrenzt ist, wächst vor allem der untere Teil des umgebenden Wirbelkanals beträchtlich. Bezogen auf den Wirbelkanal „steigt“ der Conus medullaris im ersten Lebensjahrzent quasi auf. Man spricht auch von einem Aszensus (Aufstieg) des Rückenmarks. Beim Kleinkind erreicht das Rückenmark das Ende des 3. Lumbalwirbels, beim erwachsenen Menschen den 1. oder 2. Lumbalwirbel.
Ab Höhe des Conus medullaris ist der Wirbelkanal mit der Cauda equina (lat. cauda – „Schwanz, Schweif“ und equus – „Pferd“, also „Pferdeschweif“) ausgefüllt. Die Cauda equina ist eine Ansammlung intradural verlaufender Spinalnervenwurzeln am kaudalen Ende des Rückenmarks. Doch wie kommt sie zustande? Beim Fötus liegen die einzelnen Rückenmarksegmente auf gleicher Höhe wie die zugehörigen Spinalnervenpaare. Die Spinalnerven gehen zunächst also beinahe rechtwinklig vom Rückenmark ab und verlaufen somit weitestgehend horizontal auf „ihr“ Foramen intervertebrale zu. Die Cauda equina entsteht nun durch das oben beschriebene ungleiche Längenwachstum von Rückenmark und Wirbelsäule, während die einzelnen Spinalnervenpaare in ihrem jeweiligen Foramen intervertebrale bereits fixiert sind. Als Folge verlaufen die Spinalnervenwurzeln der unteren Rückenmarksegmente wie ein „Pferdeschweif“ vom unteren Ende des Rückenmarks zu „ihrem“ Foramen intervertebrale, wo sie dann aus der Wirbelsäule austreten. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass es sich bei der Cauda equina um Spinalwurzeln, und nicht um Spinalnerven handelt. Spinalnerven heißen sie erst nach ihrer Vereinigung im Foramen intervertebrale.
Klinik
Mithilfe der Lumbalpunktion wird dem Rückenmark eine Probe des Liquor cerebrospinalis, kurz Liquor, entnommen. Das geschieht über einen kleinen Einstich in den Rückenmarkskanal in Höhe der Lendenwirbelsäule. Der entnommene Liquor wird u. a. auf Farbe, Zellbestandteile als auch Zusammensetzung untersucht und kann so wichtige Hinweise auf Erkrankungen des Zentralnervensystems liefern. Bei der Lumbalpunktion handelt es sich vor allem in der Neurologie und Neurochirurgie um eine Routinemethode. Es besteht jedoch die Gefahr, das Gewebe des Rückenmarks bei der Punktion zu verletzen. Deswegen muss die Nadel unbedingt unterhalb des Conus medullaris in den Liquorraum eingeführt werden. Die dort verlaufenden Vorder- und Hinterwurzeln (Cauda equina) weichen der Nadel aus und werden in aller Regel nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die relative Lage des Conus medullaris (Ende des Rückenmarks) bezogen auf die knöchernen Wirbelkörper ist somit klinisch für die Lumbalpunktion von herausragender Bedeutung und muss sich eingeprägt werden: Das Rückenmark endet auf Höhe der Wirbelkörper L1/L2!
Auf die Rückenmarkshäute soll an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden, denn ihr prinzipieller Aufbau wird in Kapitel 4 besprochen. Gehirn und Rückenmark sind nicht nur von Schädelknochen, Wirbelkanal und Liquor geschützt. Zusätzlich umgeben bindegewebsartige Häute (Meningen, von griech. μήνιγξ – „Haut“) das empfindliche Gewebe und nehmen somit zugleich eine Schutzfunktion ein. Als Verlängerung der Hirnhäute umschließen die Rückenmarkshäute das Rückenmark und die Spinalnervenwurzeln im Wirbelkanal. Wie bei der Hirnhaut lassen sich auch in den Rückenmarkshäuten drei Schichten ausmachen:
•harte Rückenmarkshaut (Dura mater spinalis)
•Spinnengewebshaut des Rückenmarks (Arachnoidea mater spinalis)
•weiche Rückenmarkshaut (Pia mater spinalis)
Die harte Rückenmarkshaut (Durasack) ist am Übergang von Gehirn zum Rückenmark (Hinterhauptloch, Foramen magnum) und an den Zwischenwirbelkörpern befestigt – sie erstreckt sich bis zum zweiten Kreuzbeinwirbel. Zwischen dem Knochen des Wirbelkanals und der Dura mater spinalis befindet sich ein mit Fettgewebe gefüllter Zwischenraum, der ein Netz an venösen Blutgefäßen enthält. Es handelt sich hierbei um den Epiduralraum, welcher im Bereich des Rückenmarks physiologisch ist (vgl. hierzu den pathologischen Epiduralraum um das Gehirn; Kapitel 4).
Die Arachnoidea mater spinalis liegt der harten Dura mater direkt an. Daran grenzt ein weiterer Zwischenraum (Subarachnoidalraum), in dem sich die Rückenmarksflüssigkeit befindet. Auf der anderen Seite begrenzt die Pia mater spinalis den Subarachnoidalraum. Spinngewebshaut und weiche Rückenmarkshaut sind, wie im Bereich des Gehirns, durch feine Bindegewebsstränge miteinander verbunden (Abb. 3.6).
Dieser Querschnitt durch die Wirbelsäule zeigt die topographischen Bezüge vom Rückenmark und seinen Hüllen. Ganz außen liegt zwischen dem Periost und der Dura mater spinalis der im Rückenmark physiologische Epiduralraum. Zwischen Dura mater spinalis und der dem Rückenmark direkt anliegenden Pia mater spinalis ist die Arachnoidea mater spinalis aufgespannt. Hier liegt der Subarachnoidalraum (Liquorraum). Die Pia mater selbst ist fein und makroskopisch nicht zu erkennen. Beidseits geht aus der motorischen Vorderwurzel und der sensiblen Hinterwurzel ein Spinalnerv hervor. Im Bereich des Foramen intervertebrale scheint dieser verdickt. In dieser Verdickung, dem Spinalganglion, liegen die Zellkörper pseudounipolarer sensibler Nervenzellen.
Die Pia mater spinalis folgt, ähnlich wie die Pia mater encephali, allen Unebenheiten des Rückenmarks, wie etwa dem Sulcus medianus posterior oder der Fissura mediana anterior. Darüber hinaus setzt sie sich auch ein Stück weit auf die Vorder- und Hinterwurzeln fort. Mit bloßem Auge ist sie nicht zu erkennen.
Klinik
Zwei Möglichkeiten, die Schmerzleitung zum Rückenmark zu unterdrücken, bieten die Epiduralanästhesie (EDA), auch Periduralanästhesie (PDA) genannt, und die Spinalanästhesie. Beides sind rückenmarksnahe Anästhesieverfahren, welche zur Schmerzausschaltung bei Eingriffen im Bereich des Unterleibs, Bauchs und des Brustkorbs zum Einsatz kommen. Beide Methoden unterscheiden sich jedoch hinsichtlich des Applikationsortes der Anästhetika.
Während bei der Spinalanästhesie das Lokalanästhetikum in das Nervenwasser gegeben wird (zwischen Arachnoidea mater spinalis und Pia mater spinalis, also in den Subarachnoidalraum), erfolgt bei der Epiduralanästhesie die Applikation zwischen Wirbelkörper und Dura mater spinalis (Epiduralraum). Durch das reichlich vorhandene Fettgewebe breitet sich das Anästhetikum nur wenig aus und die Innervation von nur wenigen Segmenten wird lahmgelegt. Bei der Spinalanästhesie kann sich das injizierte Lokalanästhetikum im Liquor cerebrospinalis des Subarachnoidalraumes frei verteilen. Durch die Ausbreitung der Medikamente ist in der Regel die gesamte untere Körperhälfte unterhalb der Punktionsstelle betäubt.
Mikroskopischer Aufbau des Rückenmarks
Wir haben nun die wesentlichen makroskopischen Komponenten des Rückenmarks kennengelernt. Betrachten wir als nächstes einen horizontalen Schnitt auf Höhe des Halsmarks (Abb. 3.7).
Im Querschnitt durch das Rückenmark fällt als erstes die graue Schmetterlingsform ins Auge. Sie erscheint grau, da sich hier die Perikaryen der Neurone befinden, die im Gegensatz zu den Axonen, die sich in der weißen Substanz befinden, nicht mit Myelin ummantelt sind. Durch das Vorderhorn verlassen Axone der Motoneurone das Rückenmark, durch das Hinterhorn treten sensible Axone ein. Da es sich hier um einen Querschnitt auf Höhe der HWS handelt, ist kein Seitenhorn auszumachen.
Im Mittelpunkt des Rückenmarks lässt sich die Substantia grisea in Form eines Schmetterlings erkennen. In ihr befinden sich vor allem die Nervenzellkörper der Neurone. Die Substantia grisea ist allseits umgeben von der Substantia alba, in der hauptsächlich markhaltige Nervenfasern der auf- und absteigenden Nervenbahnen verlaufen. Auf jeder Seite gibt es zwei Vorwölbungen der grauen Substanz. Diese werden unterteilt in Vorderhorn (Cornu anterius) und Hinterhorn (Cornu posterius). Auf Höhe des thorakalen, des oberen lumbalen und des sakralen Rückenmarks findet man zwischen Vorderhorn und Hinterhorn das Seitenhorn (Cornu laterale; nicht dargestellt in Abb. 3.7).
Das Vorderhorn enthält vor allem somato-motorische Nervenzellen (man spricht von Motoneuronen). Die größten von ihnen, die α-Motoneurone, verlassen mit ihrem Axon das Rückenmark über die vordere Wurzel. Die Vorderwurzel besteht demnach im Wesentlichen aus Axonen der α-Motoneurone. Sie leiten Signale zur Skelettmuskulatur weiter. Auf der entgegengesetzten Seite, im Hinterhorn, befinden sich Zellen der Somatosensibilität. Hier sitzen die Zellkörper der zweiten sensiblen Neurone. Den Sitz der Zellkörper der ersten sensiblen Neurone haben wir bereits kennengelernt: Sie liegen im Spinalganglion.
Sensible Impulse werden also von den peripheren Fortsätzen (Dendriten) der pseudo-unipolaren Ganglienzellen des Spinalganglions aufgenommen und über deren zentrale Fortsätze (Neuriten) als Hinterwurzel dem Hinterhorn zugeleitet. Dort wird die sensible Information auf das zweite sensible Neuron verschaltet, welches dann den Impuls weiterleitet. Streng genommen trifft dies nicht auf alle sensiblen Impulse zu, darauf soll aber erst später eingegangen werden. An dieser Stelle reicht es zu verinnerlichen, dass das Vorderhorn im Dienste der Somatomotorik und das Hinterhorn im Dienste der Somatosensibilität steht. In den Seitenhörnern, die wie schon erwähnt nicht in allen Bereichen des Rückenmarks zu finden sind, arbeiten motorische Nervenzellen des vegetativen Nervensystems. Viszero-motorische Impulse verlassen über die Vorderwurzel (also gemeinsam mit den somato-motorischen Impulsen) das Rückenmark und ziehen in die Peripherie zu ihren Erfolgsorganen. Dies sind beispielsweise Drüsen, innere Organe oder Blutgefäße. Wie in Kapitel 2 bereits erwähnt, lassen sich diese viszero-motorischen Impulse funktionell in Sympathikus und Parasympathikus untergliedern.
Im Querschnitt des Rückenmarks lassen sich weitere wichtige Strukturen erkennen. Mittig, in einer Brücke grauer Substanz, welche den rechten und den linken Anteil der Schmetterlingsfigur miteinander verbindet (Commissura grisea), befindet sich eine kleine Öffnung, der Canalis centralis (Zentralkanal). Er ist mit Ependym ausgekleidet und enthält den Liquor cerebrospinalis. Dieser Kanal erstreckt sich über die gesamte Länge des Rückenmarks und entspricht den inneren Liquorräumen des Gehirns. Kranial grenzt der Zentralkanal an den vierten Ventrikel des Rhombencephalons – dieser Ort wird auch Obex genannt. Im histologischen Präparat ist der Zentralkanal oft obliteriert, man orientiert sich bei seiner Suche am besten an der charakteristischen Morphologie der Ependymzellen. Direkt ventral der Commissura grisea liegt die Commissura alba anterior. In ihr kreuzen Fasern (Axone) von der einen auf die andere Seite des Rückenmarks.
Die Stelle, an der die motorischen Vorderwurzeln das Rückenmark verlassen, bezeichnet man als Sulcus lateralis anterior (vordere Seitenfurche). Weiter hinten, dort wo die sensiblen Hinterwurzeln in das Rückenmark eintreten, bildet sich entsprechend ein Sulcus lateralis posterior (siehe Abb. 3.4).
Die weiße Substanz kann grob in drei sogenannte Stränge (Funiculi) unterteilt werden. Vorne, von den beiden motorischen Vorderhörnern umgeben, liegt jeweils ein Vorderstrang (Funiculus anterior). Seitlich folgt beidseits ein Seitenstrang (Funiculus lateralis). Die Grenze zwischen Funiculus anterior und lateralis wird durch den Sulcus lateralis anterior, also die Austrittstelle der Vorderwurzeln, markiert. Zwischen den beiden dorsalen Ausläufern des sensiblen Hinterhorns befindet sich jeweils ein Hinterstrang (Funiculus posterior). Medial wird jeder einzelne Hinterstrang vom Sulcus medianus posterior, lateral vom Sulcus lateralis posterior begrenzt.
In den Vorder-, Seiten- und Hintersträngen verlaufen wichtige auf- und absteigende Bahnen. Die Lage der Wichtigsten sowie deren Funktion sollen hier schon einmal aufgegriffen werden. Ihre Einbettung in funktionelle Systeme erfolgt später. Aus didaktischen Gründen werden aufsteigende und absteigende Bahnsysteme getrennt besprochen.
Absteigende Bahnen (in Abb. 3.8 blau dargestellt) findet man im Funiculus anterior und lateralis. Der größte Bereich des Funiculus lateralis wird vom Tractus corticospinalis lateralis eingenommen (Abb. 3.8-1a). Der Tractus corticospinalis enthält die Fasern der Pyramidenbahn. Diese entspringt im Bereich des Gyrus praecentralis und steigt über die Corona radiata, die Capsula interna und durch den Hirnstamm ab. Es handelt sich also um ein Projektionsfasersystem. Auf Höhe der Medulla oblongata kreuzen etwa 80 % der Fasern auf die Gegenseite. Diese Kreuzungsstelle ist gut in der Basalansicht des Gehirns erkennbar (Decussatio pyramidum; Abb. 2.13-17). Die gekreuzten Fasern verlaufen dann im Tractus corticospinalis lateralis nach kaudal und gehen mit den α-Motoneuronen des Vorderhorns synaptische Kontakte ein. Schon anhand der Nomenklatur wird klar, wo diese Bahn entspringt und wohin sie zieht: vom Kortex zum Rückenmark. Die Pyramidenbahn wird als pyramidal-motorisches System dem somato-motorischen System zugeordnet und dient dabei vor allem der willkürlichen Motorik. Bewegen Sie einmal ihren rechten großen Zeh. Dabei sind Nervenzellen im linken (!) Gyrus praecentralis des Kortex aktiv und senden Signale über die Pyramidenbahn im Seitenstrang zu α-Motoneuronen im Vorderhorn des Rückenmarks. Dort werden die Impulse verschaltet und über entsprechende periphere Nerven zur Muskulatur des großen Zehs weitergeleitet. Das ist ein ziemlich weiter Weg!
Klinik
Eine Schädigung der Pyramidenbahn z. B. durch einen Apoplex (Schlaganfall) oder eine Verletzung des Rückenmarks hat zunächst eine schlaffe Lähmung (Parese) zur Folge. Nach einer kurzen Periode geht die schlaffe Lähmung in eine spastische Lähmung über.
Fasern des Tractus corticospinalis, die nicht auf Höhe der Decussatio pyramidum zur Gegenseite kreuzen, verlaufen im Tractus corticospinalis anterior (Abb. 3.8-1b) im Vorderstrang nach unten. Kurz bevor sie zu den α-Motoneuronen ziehen, kreuzen auch diese Fasern zur Gegenseite und zwar in der Commissura alba anterior. Somit werden bei der Willkürmotorik Skelettmuskeln der rechten Körperhälfte vom linken Kortex gesteuert. Für die linke Körperhälfte gilt dasselbe vice versa.
Andere motorische Bahnsystem kreuzen nicht auf Höhe der Pyramide zur Gegenseite, und werden topographisch dem pyramidalen System als extrapyramidales System gegenübergestellt. Zu den extrapyramidalen Bahnen gehören der Tractus rubrospinalis im Seitenstrang (Abb. 3.8-2a), Tractus reticulospinalis anterior und lateralis (jeweils im Seiten- und Vorderstrang; Abb. 3.8-2b), Tractus vestibulospinalis (Abb. 3.8-2c), und Tractus olivospinalis (Abb. 3.8-2d). Auch hier lässt sich der Herkunftsort der einzelnen Bahnen recht einfach herleiten: Nucleus ruber, Formatio reticularis, Vestibularkerne und Olive. All diese absteigenden Fasersysteme beteiligen sich mehr oder weniger an der Regulation der Somatomotorik. Auf die Funktionen dieser einzelnen Fasertrakte soll hier nicht weiter eingegangen werden. Später stoßen wir in diesem Lehrbuch noch einmal auf den Begriff des extrapyramidalen Systems (siehe Kapitel 11 über Motorik).
Schematische Darstellung der Lage der wichtigsten aufsteigenden und absteigenden Bahnen des Rückenmarks
Absteigende/motorische Bahnen (links, blau)
1Pyramidenbahn
1aTractus corticospinalis lateralis
1bTractus corticospinalis anterior
2Extrapyramidale Bahnen
2aTractus rubrospinalis
2bTractus reticulospinalis
2cTractus vestibulospinalis
2dTractus olivospinalis
Aufsteigende/sensible Bahnen (rechts, rot)
3Hinterstrangbahnen
3aFasciculus gracilis
3bFasciculus cuneatus
4Kleinhirnseitenstrangbahnen
4aTractus spinocerebellaris posterior
4bTractus spinocerebellaris anterior
5Sensible Vorderstrangseitenbahnen
5aTractus spinothalamicus lateralis
5bTractus spinothalamicus anterior
6Tractus spinoolivaris
Aufsteigende Bahnen verlaufen in allen drei Funiculi. Um die Bedeutung der einzelnen Bahnsysteme verstehen zu können, muss man sich klarmachen, dass funktionell drei verschiedene Qualitäten der Sensibilität grob unterschieden werden können. Dies sind die epikritische, die protopathische und die propriozeptive Sensibilität.
Als epikritische Sensibilität werden die Körperempfindungen zusammengefasst, die der diskriminatorischen Wahrnehmung von Druck, Berührung und Vibration (Feinwahrnehmung) dienen. Diese Art der Empfindung ist nicht unbedingt zum Überleben notwendig, fördert aber zweifelsohne soziale Interaktionen. Das wohlwollende Streicheln des/r Partners/-in wird uns beispielweise durch das epikritische System zugeleitet. In den Hintersträngen verlaufen medial der Fasciculus gracilis (Abb. 3.8-3a), seitlich davon der Fasciculus cuneatus (Abb. 3.8-3b). Beide leiten Impulse der epikritischen Sensibilität. Der Fasciculus gracilis leitet hierbei Informationen der unteren Körperhälfte, der Fasciculus cuneatus Informationen der oberen. Dementsprechend besteht im lumbalen und thorakalen Rückenmark jeder Hinterstrang nur aus dem Fasciculus gracilis, der Fasciculus cuneatus kommt erst im Halsbereich hinzu. Am besten merken Sie sich, dass der Musculus gracilis an der unteren Extremität zu finden ist – dementsprechend leitet der Fasciculus gracilis Informationen aus der unteren Körperhälfte. Fasciculus cuneatus und gracilis leiten die Information der epikritischen Sensibilität (nach Verschaltung) zum Thalamus. Dort wird die Information noch einmal kontrolliert und erreicht dann den sensiblen Gyrus postcentralis. Jetzt erst können die Impulse bewusst wahrgenommen werden.
Als protopathische Sensibilität werden alle Körperempfindungen zusammengefasst, die eine Bedrohung der Vitalsphäre darstellen (Grobwahrnehmung). Dazu gehören die Schmerzwahrnehmung (Nozizeption), die Temperaturwahrnehmung und die grobe Mechanorezeption. Die Bahnen der protopathischen Sensibilität laufen getrennt von denen der epikritischen als Tractus spinothalamicus anterior (Abb. 3.8-5b) und lateralis (Abb. 3.8-5a) im Vorderstrang bzw. Seitenstrang. Es ist strittig, ob beide Faserbündel verschiedene sensible Qualitäten vermitteln, klinisch aber auch nicht wirklich relevant. Eine isolierte Läsion des anterioren oder lateralen Tractus spinothalamicus ist aufgrund ihrer engen räumlichen Beziehung extrem selten. Bei einer Beschädigung fallen demnach fast immer alle genannten Qualitäten aus oder sind zumindest stark eingeschränkt. Der Tractus spinothalamicus leitet die Informationen der protopathischen Sensibilität zum Thalamus. Von dort wird sie ebenfalls dem Gyrus postcentralis zugeleitet. Auch protopathische Impulse können bewusst wahrgenommen werden. Der Tractus spinothalamicus projiziert jedoch direkt oder indirekt auch auf andere wichtige neuronale Zentren, um den Körper z. B. bei starken Schmerzen in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Klinik
Manchmal weiß das Gehirn nicht so richtig, wo Schmerz herkommt. Phantomschmerzen sind hier ein gutes Beispiel. Unter Phantomschmerz versteht man Schmerzen in einem Körperteil, der nicht mehr vorhanden ist, meist in Folge einer Amputation. Nach der Amputation spürt ein Großteil der Betroffenen weiterhin die nicht mehr vorhandene Extremität, beispielsweise seine Länge, den Umfang, oft auch eine bestimmte Haltung. Gelegentlich wird über nicht schmerzhafte Empfindungen, wie Kribbeln, Berührungsempfindungen oder Zucken berichtet. Etwa 60–80 % der Amputierten nehmen Schmerzen im amputierten Körperteil wahr. Früher ging man davon aus, dass sich Amputierte den Phantomschmerz „einbilden“. Schließlich war der Teil des Körpers nicht mehr vorhanden. Wie sollten dann Schmerzen spürbar sein? Heute glaubt man, dass Veränderungen wie beispielsweise eine schlechte Vernarbung im Stumpf eine Rolle spielen. Der Nerv bzw. die Nerven, welche für die sensible Versorgung der amputierten Extremität verantwortlich waren, werden in ihrem Verlauf durch das Narbengewebe gereizt. Nur kann das Gehirn nicht zuordnen, wo genau die Reizung stattfindet. Es geht weiter davon aus, dass diese Nerven an ihrem physiologischen Ende gereizt werden, also im Bereich des Amputats. Deswegen wird Schmerz im amputierten Körperteil wahrgenommen, obwohl es gar nicht mehr da ist.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Head’schen Zonen. Die Head-Zone, benannt nach dem englischen Neurologen Sir Henry Head (1861–1940), wird als ein Hautareal definiert, in dem aufgrund des metameren Körperaufbaus eine Beziehung zu bestimmten inneren Organen besteht. Bei einem Herzinfarkt beispielsweise verspüren Patienten oft Schmerzen im Bereich des linken Schulterblattes bzw. des linken Armes. Grundlage hierfür sind „falsche“ nervale Verschaltungen. Sensible Impulse aus dem Herz treten gemeinsam mit sensiblen Impulsen des Armes und der Schulter in das Rückenmark ein und aktivieren sensible Nervenzellen des Hinterhorns. Von dort ziehen die Impulse weiter zur sensiblen Hirnrinde. Ähnlich wie beim Phantomschmerz weiß das Gehirn nicht mehr, woher der Schmerz eigentlich kommt und nimmt fälschlicherweise an, die sensiblen Impulse des Herzens stammen aus der linken oberen Extremität. Man spricht hier auch von neuronaler Konvergenz: Mehrere verschiedene Signale konvergieren auf eine Gruppe von Nervenzellen. Für viele verschiedene innere Organe sind heute Head’sche Zonen bekannt, nicht nur für das Herz.
Der äußere Teil des Seitenstrangs wird vom Tractus spinocerebellaris anterior (Abb. 3.8-4b) et posterior (Abb. 3.8-4a) eingenommen. Über beide Bahnen werden dem Kleinhirn Informationen über die Stellung und Lage der Gelenke zugeleitet (Propriozeption). Diese Sensoren der Propriozeption sitzen in den Muskeln, Sehnen, Bändern sowie Gelenken und reagieren in unterschiedlicher Weise auf Druck oder Verformung (vgl. entsprechende Bücher der Histologie und Physiologie). Aus den Signalen der Propriozeptoren leitet das Gehirn Entscheidungen über mögliche oder gar notwendige Positionsveränderungen des Körpers ab. In diesem „koordinativen Regelkreis“ spielt das Kleinhirn eine wichtige Rolle, weswegen diese Informationen überwiegend im Kleinhirn enden.
An dieser Stelle soll schon darauf hingewiesen werden, dass nicht die gesamte propriozeptive Information über den Tractus spinocerebellaris anterior et posterior geleitet wird. Wie erwähnt, enden beide Fasertrakte im Kleinhirn und können somit prinzipiell nicht bewusst wahrgenommen werden. Nur Afferenzen, die im Kortex des Großhirns enden, werden bewusst! Wir wissen jedoch, dass wir sehr wohl die Lage und Stellung der Gelenke, also die Propriozeption, bewusst wahrnehmen und auch wiedergeben können. Testen Sie dies einfach einmal an einem Freiwilligen. Er soll die Augen schließen und die Hand ausstrecken. Als Untersucher fassen Sie den Zeigefinger und bewegen ihn nur ein wenig nach oben oder unten. Ist ihr Proband gesund, wird er Ihnen sagen können, ob Sie den Finger nach oben oder unten bewegt haben. Das ist bewusst wahrgenommene Propriozeption. Der Grund dafür, dass wir dies für gewöhnlich wahrnehmen können liegt darin, dass ein Teil der propriozeptiven Information über die Hinterstränge nach oben steigt und somit über den Thalamus dem Kortex zugeleitet wird.
Als letzte aufsteigende Bahn ist in Abb. 3.8 noch der Tractus spinoolivaris gezeigt. Dieser Fasertrakt ist auch in die Funktion des Kleinhirns eingebettet, soll aber hier nicht weiter besprochen werden.
Spinalnerven und periphere Nerven
Den prinzipiellen Aufbau von Spinalnerven betrachtet man am besten anhand eines Querschnitts auf Höhe des thorakalen Rückenmarks.
Beidseits des Dornfortsatzes der Wirbelkörper befindet sich die autochthone Rückenmuskulatur. Im vorderen Bereich lagert sich an den Wirbelkörpern die Aorta thoracica an. Zwischen Corpus und Arcus vertebrae befindet sich das Rückenmark im knöchernen Kanal der Wirbelsäule. Wie bereits besprochen, treten vorne die motorischen Vorderwurzeln aus dem Rückenmark aus, von hinten treten die sensiblen Hinterwurzeln in das Rückenmark ein. In Abb. 3.9 sehen Sie jetzt auch alle drei Hörner, das Cornu anterior, posterior und laterale. Des Weiteren ist das Ganglion spinale (Spinalganglion) als Anhäufung der Zellkörper sensibler pseudounipolarer Nervenzellen deutlich zu erkennen. Unmittelbar hinter dem Spinalganglion, also auf Ebene der Foramina intervertebralia, vereinigen sich Vorder- und Hinterwurzel zum Spinalnerven. Spinalnerven sind demnach in aller Regel gemischte Nerven mit motorischen und sensiblen Anteilen.
Bisher müsste Ihnen das bekannt vorgekommen sein, jetzt wird es aber spannend. Nach einer kurzen Strecke teilt sich jeder Spinalnerv in einen nach dorsal gerichteten Ramus dorsalis für die Versorgung der wirbelsäulennahen Haut und Muskulatur (der autochthonen Rückenmuskulatur) und einen nach ventral gerichteten Ramus ventralis auf, der für die Versorgung der Haut und Muskulatur des wirbelsäulenfernen Rückens sowie der seitlichen und bauchseitigen Körperabschnitte zuständig ist. Da auf Höhe der Brustwirbelsäule die Rami ventrales zwischen den Rippen verlaufen, werden sie auch Nervi intercostales genannt. Zwei weitere Zweige der Spinalnerven werden Ramus communicans albus et griseus genannt. Sie dienen der Weiterleitung viszero-efferenter (vizero-motorischer) Informationen (siehe auch Kapitel 5 über Hirnnerven). Das von einem Spinalnerven versorgte und somit von einem einzigen Rückenmarksegment innervierte Hautgebiet bezeichnet man als Dermatom, die versorgten Muskeln als Myotom.
Auf Höhe des thorakalen Rückenmarks kann man in der grauen Substanz beidseits drei Hörner erkennen: Cornu anterius, posterius und laterale. Letzteres steht funktionell mit dem vegetativen Nervensystem in Verbindung. Die Spinalnerven teilen sich unmittelbar nach ihrem Durchtritt durch das Foramen intervertebrale in einen Ramus ventralis und einen Ramus dorsalis auf. Beides sind gemischte Nerven, transportieren also motorische und sensible Informationen. Der Ramus dorsalis innerviert die dorsale (autochthone) Rückenmuskulatur und mit seinen Endästen die diese bedeckende Haut. Der Ramus ventralis zieht als Nervus intercostalis zwischen den Rippen nach ventral. Dabei versorgt er sowohl motorisch als auch sensibel die Haut und Muskulatur des Thorax. Dies geschieht in segmentaler Höhe ihrer Austrittsstellen.
Wie bereits erwähnt, können am Rückenmark funktionell einzelne Segmente voneinander abgegrenzt werden. Daraus resultiert eine vergleichbare segmentale Anordnung der Dermatome und der Myotome. Die segmentale Anordnung von Dermatomen ist auf Höhe des Thorax und des Abdomens sowohl ventral als auch dorsal besonders gut zu erkennen: Wir sprechen von segmentaler Innervation. Wie Handtücher in einem Schrank liegen die einzelnen Dermatome übereinander.
Das Hautareal, welches in Abb. 3.10 mit Th7 markiert ist, wird vom siebten thorakalen Spinalnervenpaar sensibel innerviert (= Dermatom Th7). Das Hautareal, welches mit Th12 markiert ist, wird entsprechend vom zwölften thorakalen Spinalnervenpaar sensibel innerviert (= Dermatom Th12) usw. Ein Dermatom ist somit der Hautbereich, der von den sensiblen Fasern eines Rückenmarksegmentes versorgt wird. Durch Kenntnis der Lage der Dermatome können bei Sensibilitätsstörungen eventuelle Ausfälle einem bestimmten Rückenmarksegment zugeordnet werden. Klagt ein Patient beispielsweise über Sensibilitätsstörungen in den Dermatomen Th7/Th8 wäre zu vermuten, dass auf dieser Ebene des Rückenmarks ein krankhafter Prozess zu finden ist. Es ist ratsam, sich diesen Bereich dann im MRT genau anzuschauen. Natürlich wäre auch eine Schädigung der Spinalnerven in ihrem peripheren Verlauf denkbar, dann würde man aber eher eine einseitige Störung der Sensibilität erwarten. Vergleichbar versteht man unter einem Myotom die Muskulatur, die von einem Rückenmarksegment innerviert wird. Damit ist ein Myotom das muskuläre Pendant eines Dermatoms und kann entsprechend zu diagnostischen Zwecken herangezogen werden.
Übersicht über die Dermatome
Ein Dermatom ist der Hautbereich, der von den sensiblen Fasern eines Rückenmarksegments versorgt wird.
Das Dermatom Th7 wird also vom siebten thorakalen Spinalnerv innerviert. Die segmentale Innervation der Dermatome ist im Bereich von Thorax und Abdomen besonders gut zu erkennen.
Im Bereich der Extremitäten hingegen lässt sich die segmentale Innervation nicht mehr ganz so einfach nachvollziehen. Der hier abgebildete Vierfüßlerstand hilft zwar, zum nachhaltigen Verständnis ist eine Beschäftigung mit der Plexusbildung jedoch unvermeidlich (siehe Abb. 3.11).
Etwas komplizierter gestaltet sich die Sache jedoch abseits des thorakalen Rückenmarks. Auch dort teilt sich jeder Spinalnerv in einen Ramus dorsalis und Ramus ventralis auf. Der Ramus dorsalis versorgt, ähnlich wie im Brustbereich, die wirbelsäulennahe Haut und Muskulatur. Die Rami ventrales ziehen jedoch nicht „einfach“ in die Peripherie, sondern bilden Nervengeflechte (Nervenplexus).
Während die segmentale Innervation im Bereich des Rumpfes einfach nachzuvollziehen ist, geht sie im Bereich der Extremitäten teilweise verloren. Grund hierfür ist die Plexusbildung der Rami ventrales der Spinalnerven (siehe Text).
Die Information eines Dermatoms (farblich unterschiedlich hervorgehobene Felder) verteilt sich nunmehr auf mehrere periphere Nerven (mit grauen Linien abgetrennte Bereiche).
So setzt sich das Dermatom C5 beispielsweise aus vier verschiedenen peripheren Nerven zusammen: den Nn. supraclaviculares aus dem Plexus cervicalis, einem Hautnerven des N. axillaris, einem Hautnerven des N. radialis und einem Hautnerven des N. musculocutaneus.
Ebenso kann ein peripherer Muskel von mehreren Rückenmarksegmenten innerviert werden.
Makroskopisch erscheint ein Nervenplexus als ein Geflecht und Durcheinander verschiedener Rami ventrales. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen hoch organisierten Austausch von Nervenfasern. Der entscheidende Unterschied von Rami ventrales der Spinalnerven Th1–Th12 zu allen anderen ist demnach folgender: Rami ventrales von Th1–Th12 ziehen direkt als eigenständige Nerven in die Peripherie. Sie transportieren damit die Information nur eines Rückenmarksegmentes. Rami ventrales der zervikalen, lumbalen und sakralen Spinalnerven hingegen tauschen in Nervengeflechten Informationen verschiedener Rückenmarksegmente untereinander aus. Die aus den Nervenplexus hervorgehenden peripheren Nerven führen als Folge der Plexusbildung Informationen mehrerer Rückenmarksegmente. Umgekehrt kann man folgern, dass ein Dermatom und Myotom nun nicht mehr von einem sondern von mehreren peripheren Nerven versorgt wird.
Schauen wir uns die Plexusbildung etwas genauer an. In Abb. 3.11 sind die Dermatome C4–Th6 farblich hervorgehoben. Um zu verdeutlichen, dass hier jedes Dermatom von verschiedenen peripheren Nerven versorgt wird, sind die entsprechenden Versorgungsgebiete der peripheren Nerven ebenfalls in die Abbildung eingezeichnet.
Wie zu sehen ist, beteiligen sich mindestens vier periphere Nerven an der sensiblen Versorgung des Dermatoms C5: Nervi supraclaviculares, zwei Hautäste aus dem Nervus axillaris und ein Hautast aus dem Nervus musculocutaneus. Im Zuge der Plexusbildung im Hals- und Armbereich haben sie alle einen Teil der sensiblen Information des Rückenmarksegmentes C5 aufgenommen. Andererseits führt ein peripherer Nerv sensible Informationen mehrerer Rückenmarksegmente. Sie teilen sich quasi die Arbeit. Ähnlich verhält es sich mit Myotomen. Der Musculus biceps brachii wird von motorischen Nervenzellen der Segmente C5–C7 aktiviert. Diese werden ihm durch den Nervus musculocutaneus zugeleitet. Auch hier führt ein peripherer Nerv die Information mehrerer Rückenmarksegmente. Der „evolutionäre Vorteil“ einer solchen Plexusbildung liegt auf der Hand: Bei einer traumatischen Durchtrennung eines peripheren Nervens fällt eine Teilfunktion mehrerer Rückenmarksegmente aus, nie aber die gesamte Funktion eines ganzen Rückenmarksegments. In unserem Beispiel würde eine Schädigung des Nervus cutaneus antebrachii medialis nur Teile des Dermatoms C5 lahmlegen, nicht aber das gesamte Dermatom C5. Auf der anderen Seite werden natürlich auch krankhafte Prozesse im Rückenmark „abgepuffert“. Ist ein Rückenmarksegment verletzt (z. B. C5) erhält der Musculus biceps brachii immer noch Signale der beiden anderen Segmente, C6 und C7. Eine Restfunktion ist gesichert, der Wolf kann im Kampf noch immer erlegt und dann verspeist werden.
Am besten stellt man hier einen Vergleich zum Aktienhandel an: Risikofreudige Händler setzen ihr gesamtes Kapital auf nur eine Aktie. Bei schlechter Kurslage können die Verluste immens sein. Weniger risikofreudige Händler verteilen ihr Kapital auf mehrere verschiedene Aktien. Stürzt eine Aktie ab, halten sich die Gesamtverluste in Grenzen. Ganz ähnlich funktioniert die Plexusbildung.
Die Lage und der genaue Aufbau der Plexus werden in Lehreinheiten über den Bewegungsapparat abgehandelt. Merken sollte man sich jedoch, welche Nervengeflechte es gibt: Plexus cervicalis, brachialis und lumbosacralis.
Der Plexus cervicalis ist ein Nervengeflecht, das aus den Rami ventrales der Spinalnerven C1 bis C5 gebildet wird. Er entsendet motorische Äste zur Halsmuskulatur (Musculus sternocleidomastoideus, Musculus trapezius, Musculus levator scapulae, Musculi scaleni, Musculus geniohyoideus), zur infrahyalen Muskulatur sowie zum Zwerchfell (Nervus phrenicus). Seine sensiblen Äste ziehen zum Ohr, zum Hals, zur Haut über dem Schlüsselbein und in Richtung Schulter.
Der Plexus brachialis ist ein Nervengeflecht, das aus den Rami ventrales der Spinalnerven C5–C8 und Th1 gebildet wird. Seine Äste vereinigen sich nach Durchtritt durch die hintere Skalenuslücke (dem Spalt zwischen dem vorderen und mittleren Musculus scalenus) zu drei Hauptstämmen (Trunci) und anschließend zu mehreren, untereinander verbundenen Strängen, den Fasciculi. Aus dem Plexus brachialis gehen Nerven für Arm, Schulter und Brust hervor.
Der Plexus lumbosacralis ist eine funktionelle Einheit aus zwei Nervengeflechten der unteren Körperregion, die häufig aus didaktischen Gründen getrennt besprochen werden, eigentlich aber eng zusammenhängen: Plexus lumbalis (Segmente L1–L3, mit einzelnen Fasern aus Th12 und L4) und Plexus sacralis (Segmente L5–S3, mit einzelnen Fasern aus L4 und S4). Der Plexus lumbalis versorgt motorisch die unteren Abschnitte der Bauchwandmuskulatur, sensibel die Haut des Unterbauchs und der Genitalregion sowie motorisch und sensibel die vordere Oberschenkelregion. Einige sensible Fasern erreichen auch den Unterschenkel. Der Plexus sacralis versorgt motorisch die Gesäßmuskulatur, die Muskulatur des hinteren Oberschenkels, des Unterschenkels und Fußes. Darüber hinaus schickt er sensible Fasern zur Haut des Afters, des hinteren Oberschenkels, großer Teile des Unterschenkels und des Fußes.
Prinzipieller Aufbau eines Reflexbogens
Viele Aktionen im täglichen Leben führen wir nicht bewusst und willkürlich, sondern reflexartig aus. Wenn wir beispielsweise unsere Hand versehentlich auf die heiße Herdplatte legen, denken wir nicht etwa „oh, das ist jetzt aber echt heiß und gefährlich“, sondern wir ziehen die Hand reflektorisch zurück – und zwar noch bevor uns der Schmerz bewusst wird. Reflexe dienen also dazu, uns zu schützen und werden recht schnell ausgeführt. Ein Reflex ist demnach eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen bestimmten Reiz.
Reflexe können vom einfachen Reflexbogen bis hin zu aufwändigen Reflexkreisen „höherer“ Art unterschiedlich komplex sein. Das allgemeine Prinzip ist in Abb. 3.12 dargestellt.
Einfacher Reflexbogen
Ein Reflex umfasst:
–Reiz
–afferente Zuleitung zum ZNS
–Verschaltung
–efferente Zuleitung zumErfolgsorgan
–Reaktion
Ein Reiz, beispielsweise Schmerz, wird dem Zentralnervensystem zugeleitet und dort verschaltet. Über den efferenten Teil des Reflexbogens wird dann eine Reaktion zur Ausführung gebracht. Ein Reflex, den wohl jeder kennt, ist der Kniesehnenreflex bzw. Patellarsehnenreflex. Bei einem leichten Schlag unterhalb der Kniescheibe reagiert das Bein mit einer wippenden Vorwärtsbewegung. Schauen wir uns diesen Reflex etwas genauer an.
Der Patellarsehnenreflex, kurz PSR, ist ein Eigenreflex: Nach einem Schlag auf die Patellarsehne löst er eine Kontraktion der Streckmuskulatur des Oberschenkels, des Musculus quadriceps femoris, und damit eine Streckung im Kniegelenk aus. Es besteht lediglich eine synaptische Verschaltung, weswegen solche Reflexe auch monosynaptische Reflexe genannt werden. Durch den Schlag auf die Patellarsehne wird der Muskel lokal gedehnt. Dehnungsrezeptoren, die Muskelspindeln, registrieren diese Dehnung, werden aktiviert und leiten die Dehnungsinformation dem Hinterhorn des Rückenmarks zu. Die Afferenzen laufen größtenteils über Nervenfasern der Klasse Ia (siehe Lehrbücher der Physiologie). Die Aktionspotenzialfrequenz der Ia-Fasern ist dabei proportional zur Längenzunahme eines Muskels sowie zur Geschwindigkeit, mit der sich eine Längenänderung vollzieht. Diese Ia-Fasern aktivieren die gleichseitigen α-Motoneurone. Über den Nervus femoralis gelangen diese motorischen Impulse zum Musculus quadriceps femoris, das Knie streckt sich. Gleichzeitig werden über Querverknüpfungen (Interneurone) α-Motoneurone der Antagonisten, in diesem Fall der ischiokruralen Muskulatur, inhibiert. Das macht Sinn, denn nur so kann das Kniegelenk gestreckt werden. Da beim beschriebenen Patellarsehnenreflex der Reiz (Schlag mit dem Hammer) und die Antwort (Kontraktion des Musculus quadriceps femoris) in einem Organ liegen, sprechen wir auch vom Muskeleigenreflex.
Abb. 3.13
Mono- und polysynaptischer Reflex
Beim monosynaptischen Reflex besteht der Reflexbogen aus afferentem Neuron (rot) und efferentem Neuron (blau).
Bei polysynaptischen Reflexen sind zusätzlich Interneurone (lila) in den Schaltkreis eingebettet.
Klinik
Neben dem Patellarsehnenreflex gibt es noch viele andere Muskeleigenreflexe wie etwa den Achillessehnenreflex oder den Bizepssehnenreflex (siehe Tabelle 3.1). Die Reflexprüfung ist ein Teil jeder allgemeinen körperlichen Untersuchung. Sie dient der Kontrolle der physiologisch vorhandenen Reflexe und dem Aufspüren pathologischer Reflexe. Das Ergebnis der Reflexprüfung bezeichnet man als Reflexstatus eines Patienten. Die Reflexe werden immer im Seitenvergleich geprüft, um die Reflexantwort besser beurteilen zu können. Die Dokumentation der Reflexantwort erfolgt in der Regel semiquantitativ, indem der Reflex als „normal“, „vermindert“ bzw. „abgeschwächt“, „gesteigert“ oder „fehlend“ eingeordnet wird. Sind Muskeleigenreflexe entweder einseitig oder im Vergleich zu anderen Muskeleigenreflexen über das normale Maß hinaus gesteigert oder erloschen, sollte man dies als Hinweis auf einen pathologischen Prozess werten. Bei einem Bandscheibenvorfall beispielsweise können Reflexe mitunter nicht mehr auslösbar sein, weil die Signalweiterleitung gestört ist. Da Muskeleigenreflexe meistens von einem oder zwei Rückenmarksegmenten ausgeführt werden, kann das Erheben eines genauen Reflexstatus wichtige Hinweise über die Lage pathologischer Prozesse liefern.
Eigenreflexe
Nerven- wurzeln | Eigenreflexe | Durchführung |
C5–C6 | Bizepssehnen-reflex (BSR) | Der Untersucher legt den eigenen Daumen auf die Bizepssehne des Patienten, schlägt mit dem Reflexhammer auf das Grundglied seines Daumens und löst damit eine Beugung des Unterarmes aus. |
Brachioradialisreflex (BRR) /Radiusperiostreflex (RPR) | Durch Beklopfen des distalen Radius mit dem Reflexhammer wird eine Beugebewegung im Unterarm ausgelöst. | |
C7–C8 | Trizepssehnenreflex (TSR) | Der Untersucher hält den Arm des Patienten im angewinkelten Zustand und klopft mit dem Reflexhammer auf die Trizepssehne, wodurch eine Extension im Ellenbogengelenk ausgelöst wird. |
Trömner-Reflex | Die meisten Reflexhämmer verfügen an ihrem Kopf über zwei unterschiedlich große Gummieinsätze. Bei der Prüfung des Trömner-Reflexes wird der kleinere Gummieinsatz benutzt. Mit diesem wird auf die Beugeseite des Mittelfingerendglieds geklopft. Bei Störungen des Nervensystems beugen sich jedoch reflektorisch die Finger. Man spricht dann von einem positiven Trömner-Reflex. |
Tabelle 3.1b
Eigenreflexe
Nerven-wurzeln | Eigenreflexe | Durchführung |
L2–L4 | Adduktorenreflex | Zu einer Adduktionsbewegung der Beine kommt es beim Beklopfen der Sehnen oberhalb des Condylus medialis femoris. |
Patellarsehnenreflex (PSR) | In leicht angewinkelter Haltung der Beine beklopft der Untersucher die Sehne unterhalb der Patella und bewirkt damit eine Extension im Kniegelenk. | |
L5 | Tibialis-posterior-Reflex (TPR) | Der Untersucher schlägt hierbei mit dem Reflexhammer auf die Sehne des M. tibialis posterior. Der Reflex wird positiv gewertet, wenn eine Inversion des Fußes beobachtet werden kann. |
S1–S2 | Achillessehnenreflex (ASR) | Der Schlag auf die Achillessehne mit dem Reflexhammer bewirkt eine Plantarflexion des Fußes. Alternativ kann der Reflex auch durch einen Schlag gegen den Fußballen ausgelöst werden. |
Wie bereits erwähnt, werden Muskeleigenreflexe auch monosynaptische Eigenreflexe genannt, da der Reflexbogen nur über eine Synapse verläuft, die zwei Neurone miteinander verbindet: ein afferentes, sensibles Neuron und ein efferentes, motorisches Neuron. Rezeptor- und Effektororgan sind identisch. Fremdreflexe werden solche Reflexe genannt, bei denen Rezeptor und Effektor i. d. R. nicht im gleichen Organ liegen. Ihre Verschaltung verläuft über mehrere Synapsen und wird daher auch als polysynaptisch bezeichnet. Die Untersuchung der Fremdreflexe gehört in erster Linie nicht zur Standarduntersuchung bezüglich der Erhebung des neurologischen Status, sondern kann bei weiterführender Untersuchung erwogen werden. Wichtige Fremdreflexe sind in Tabelle 3.2 zusammengefasst.
Fremdreflexe
Nerven-wurzeln | Fremdreflexe | Durchführung |
Th6–Th12 | Bauchhautreflexe (BHR) | Die Bauchhautreflexe werden beim entspannt liegenden Patienten getestet. Der Untersucher streicht mit einem spitzen Gegenstand o. ä. von lateral nach medial auf beiden Seiten auf drei Etagen– unterhalb des Rippenbogens– auf Nabelhöhe– oberhalb des Leistenbandes.Physiologisch kommt es zu einer Kontraktion der Bauchmuskulatur, bei Störungen bleibt die Kontraktion aus. |
L1–L2 | Kremasterreflex | Zur Untersuchung des Kremasterreflexes bestreicht man den medialen Oberschenkel. Es kommt zu einer Hebung des gleichseitigen Hodens durch die Kontraktion des M. cremaster. |
Tabelle 3.2b
Fremdreflexe
Nerven-wurzeln | Fremdreflexe | Durchführung |
S3–S5 | Analreflex | Der Analreflex wird durch Bestreichen der Perianalregion mittels Spatel ausgelöst. In der Folge kommt es zu einer Kontraktion des Schließmuskels. |
Bulbokavernosusreflex | Der Bulbokavernosusreflex wird durch Kneifen der Glans penis oder der Klitoris provoziert und führt zur Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur. |
Zu guter Letzt gibt es noch die pathologischen Reflexe. Ein pathologischer Reflex ist eine automatische, unwillkürliche Körperreaktion (Reflex), die bei Gesunden nicht vorkommt. Bei Säuglingen sind solche Reflexe oft noch physiologisch und unbedenklich. Beim Erwachsenen kommen sie bei Erkrankungen des ZNS vor, z. B. bei zentralen Schädigungen. Beispiele von pathologischen Reflexen, die bei einer Schädigung der Pyramidenbahn auftreten, nennt man Pyramidenbahnzeichen.
Tabelle 3.3
Pathologische Reflexe
Pyramidenbahnzeichen | Auslösung durch | Klinische Beobachtung |
Babinski-Reflex | Kräftiges Bestreichen des Fußaußenrandes mit z. B. der Spitze des Griffs des Reflexhammers | Dorsalextension der Großzehe mit Beugung und Spreizen der Kleinzehen. Streckt sich lediglich die Großzehe, gilt der Test als fraglich positiv. |
Gordon-Zeichen | Kompression der Wadenmuskulatur | Dorsalextension der Großzehe (gilt als unsicheres Pyramidenbahnzeichen). |
Oppenheim-Zeichen | Kräftiges Bestreichen entlang der Tibiavorderkante | Dorsalextension der Großzehe und Spreizen der Kleinzehen. |
Strümpell-Zeichen | Beugung im Kniegelenk gegen Widerstand | Tonische Dorsalextension der Großzehe ggf. begleitet von Plantarflexion und Supination des Fußes. |
Das vegetative Nervensystem im Rückenmark
Auf funktioneller Ebene kann man das Nervensystem in ein somatisches und vegetatives Nervensystem unterteilen. Dem somatischen (auch „animalischen“) Nervensystem, das wir bewusst ansteuern können und das motorisch hauptsächlich die quer gestreifte Muskulatur innerviert, stellt man das vegetative (auch autonome oder viszerale) Nervensystem gegenüber. Diese Autonomie bezieht sich auf den Umstand, dass über das vegetative Nervensystem biologisch definierte, automatisch ablaufende innerkörperliche Vorgänge angepasst und reguliert werden, die deswegen vom Menschen willentlich nicht direkt, also allenfalls indirekt, beeinflusst werden können. Folglich innerviert das vegetative Nervensystem motorisch überwiegend die glatte Muskulatur der Eingeweide und Gefäße sowie exokrine und endokrine Drüsen. Es steuert dabei wichtige vegetative Parameter, wie z. B. Atmung, Kreislauf, Wasserhaushalt, Körpertemperatur, Stoffwechsel, Verdauung und Fortpflanzung.
Man untergliedert das vegetative Nervensystem nach funktionellen und anatomischen Gesichtspunkten in ein sympathisches Nervensystem (Sympathikus) und ein parasympathisches Nervensystem (Parasympathikus). Der Sympathikus hat in diesem System eine ergotrope Wirkung (griech. ‘rgoq – „Arbeit“, trøpoq – „Charakter“, „Sinn“), er erhöht also die nach außen gerichtete Handlungsbereitschaft. Der Parasympathikus wird auch als „Ruhenerv“ bezeichnet, da er dem Stoffwechsel, der Regeneration und dem Aufbau körpereigener Reserven dient (trophotrope Wirkung, griech. troføq – „Nahrung“, „Wachstum“). Er sorgt für Ruhe, Erholung und Schonung (weitere Ausführungen siehe Kapitel 5).
Wie bei vielen nervalen Funktionen sind auch beim vegetativen Nervensystem Nervenzellen in Ketten hintereinander geschaltet. Im Falle des Sympathikus und des Parasympathikus sind dies zwei. Wichtig ist hier die Lage der Zellkörper der ersten Neurone. Die ersten sympathischen Neurone liegen mit ihrem Zellkörper im Cornu laterale des Thorakalmarks und des oberen Lumbalmarks. Die ersten parasympathischen Neurone liegen mit ihrem Zellkörper im Hirnstamm (Nucleus Edinger-Westphal, Nucleus salivatorius superior et inferior und Nucleus dorsalis nervi vagi) und im Cornu laterale des Sakralmarks. Die Lage der parasympathischen Zentren ist also eine kraniosakrale, die der sympathischen eine thorakolumbale. Daher der Name „Para-sympathikus“, um den Sympathikus herum.
Klinik
Die Bandscheiben, auch Zwischenwirbel genannt, sind Knorpel, die sich als Bindeglieder zwischen den Wirbelkörpern befinden. Sie machen rund ein Viertel der gesamten Wirbelsäulenlänge aus. Die Knorpel bestehen jeweils aus einem Faserring (Anulus fibrosus) und einem Gallertkern (Nucleus pulposus). Während der Faserring mit dem Wirbelkörper verwoben ist und dadurch die Wirbelsäule kräftigt, hat der weiche Gallertkern die Funktion eines Kissens, das Stöße abfängt und Druck ausgleicht.
Im Verlauf eines Tages werden die Bandscheiben interessanterweise vorübergehend schmaler, weil sie durch die Tagesaktivitäten hoher Belastung ausgesetzt sind. Deswegen ist der Mensch abends ungefähr zwei Zentimeter kleiner als am Morgen.
Im fortgeschrittenen Alter oder aber durch andauernde Fehlbelastung verändert sich der Aufbau der Bandscheiben. Der Anulus fibrosus kann Risse bekommen und der Nucleus pulposus sich dazwischen nach außen vordrängen (Protrusion). Man spricht von einem Bandscheibenvorfall oder Prolaps (siehe Abb. 3.14). Am häufigsten (in ca. 90 % der Fälle) tritt ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf (lumbaler Bandscheibenvorfall, Bandscheibenvorfall der LWS). Manchmal ist auch der Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäule (thorakolumbal) oder von der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein (lumbosakral) betroffen. Deutlich seltener (in etwa 10 % der Fälle) kommt es an der Halswirbelsäule (HWS) zu einem Bandscheibenvorfall (zervikaler Bandscheibenvorfall, Bandscheibenvorfall der HWS). Die Beschwerden, die ein Bandscheibenvorfall auslöst, hängen davon ab, wo er auftritt, wie groß er ist und ob nur sensible oder auch motorische Nervenwurzeln beteiligt sind.
Drückt der Bandscheibenvorfall auf sensible Nervenwurzeln, die im Bereich der Lendenwirbelsäule in das Rückenmark hineinziehen, löst dies primär Schmerzen aus. Diese werden oft als andauernd, stechend und sich bei Bewegung verstärkend beschrieben. Am bekanntesten ist hier der „Ischiasschmerz“, der über das Gesäß bis ins Bein ausstrahlen kann und im Volksmund oft als „Hexenschuss“ bezeichnet wird. Im Bereich der Halswirbelsäule treten bei einem Bandscheibenvorfall Nackenschmerzen auf, die in den Arm ausstrahlen können. Werden auch motorische Fasern komprimiert, finden sich unter anderem Lähmungserscheinungen.
Die Häufigkeit von Bandscheibenvorfällen hat in den letzten Dekaden deutlich zugenommen. Mögliche Ursachen für den rasanten Anstieg in der heutigen Zeit sind Bewegungsmangel und Fehlhaltungen, vor allem bei Büroarbeiten. In einigen Studien konnte ein erhöhtes Risiko bei Übergewicht nach dem Body-Mass-Index gegenüber Bandscheibenveränderungen festgestellt werden. In einer finnischen Studie zeigte sich ein 2-fach erhöhtes Risiko einer stationären Behandlung von Bandscheibenerkrankungen bereits bei einem BMI > 27,5 kg/m2.1, 2
Pathophysiologie des Bandscheibenvorfalls
Im fortgeschrittenen Alter oder durch andauernde Fehlbelastung verändert sich der Aufbau der Bandscheiben. Der Faserring kann porös werden und sich der Gallertkern durch die entstehenden Risse hervorwölben. Dies nennt man Protrusion oder Bandscheibenvorfall, obwohl strenggenommen nur der innere Teil der Bandscheibe „vorfällt“.
Wenn durch diesen Vorfall die Nervenwurzel oder sogar das Rückenmark gereizt wird, kann dies verschiedene klinische Symptome zur Folge haben: Es kann zu Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheit kommen, bis hin zu motorischen Ausfällen oder gar einem Kontrollverlust über Blasen- und Mastdarmfunktion.
Das Rückenmark ist Teil des Zentralnervensystems. Es ist durch die Wirbelsäule und die Rückenmarkshäute geschützt. Epiduralraum und Subarachnoidalraum, in dem sich der Liquor cerebrospinalis befindet, dienen zusätzlich als Abpolsterung.
Im Rückenmark verlaufen vom Gehirn absteigende (motorische) und zum Gehirn aufsteigende (sensible) Bahnsysteme. Die absteigenden Bahnen bestehen aus dem pyramidalen und dem extrapyramidalen System. Bei den aufsteigenden Bahnen unterscheidet man drei verschiedene Qualitäten der Sensibilität – die epikritische, die protopathische und die propriozeptive. Diese drei Qualitäten werden im Rückenmark in getrennten Faserbündeln aus der Peripherie zum Gehirn geleitet.
Aus dem Rückenmark tritt seitlich unter jedem Wirbelkörper ein Spinalnervenpaar aus. Diese Paare werden nach ihrem zugehörigen, also dem jeweils über ihnen liegendem Wirbel benannt. Da das erste Spinalnervenpaar eine Ausnahme bildet und oberhalb des ersten Halswirbel austritt, existieren insgesamt 31–32 Spinalnervenpaare:
•8 zervikale Spinalnervenpaare (C1–8)
•12 thorakale Spinalnervenpaare (Th1–12)
•5 lumbale Spinalnervenpaare (L1–5)
•5 sakrale Spinalnervenpaare (S1–5)
•1–2 kokzygeale Spinalnervenpaare
Das Ende des Rückenmarks, der Conus medullaris, liegt auf Höhe der LWK 1–2. Darunter befindet sich im Spinalkanal die Cauda equina, die aus einzelnen Spinalnervenwurzeln besteht, die zu ihren jeweilgen Foramina intervertebralia ziehen.
Den Ursprungsort eines Spinalnervenpaares nennt man entsprechend Rückenmarksegment. Das von einem Rückenmarksegment sensibel versorgte Hautgebiet bezeichnet man als Dermatom, die von ihm versorgten Muskeln als Myotom. Drei Nervenplexus versorgen die Halsregion und die Extremitäten: Plexus cervicalis, Plexus brachialis und Plexus lumbosacralis.
Ein Reflex ist eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen bestimmten Reiz. Reflexe werden neuronal vermittelt. Man unterscheidet einerseits monosynaptische und polysynaptische Reflexe. Es können außerdem physiologische von pathologischen Reflexen voneinander abgegrenzt werden.
Es wurden schon Fragen zu einzelnen Kerngebieten des Rückenmarks gestellt. Der Nucleus intermediolateralis ist eine Zellsäule bzw. ein Kerngebiet des Sympathikus im Rückenmark. Es besteht aus einer Gruppe von Neuronen, die sich von Th1 bis L2 erstrecken. Als Teil des vegetativen Nervensystems befinden sich seine Zellkörper im Cornu laterale des Rückenmarks. Im Bereich des Hinterhorns können drei wichtige Kerngebiete voneinander abgegrenzt werden. Am weitesten dorsal liegt die Substantia gelatinosa. Hier befindet sich die erste Umschaltstation der Schmerz- und Temperaturbahn. Weiter ventral liegt der Nucleus proprius. Er ist Ziel sensibler Afferenzen der Tiefensensibilität und bildet in seinem kranialen (zum Kopf führenden) Verlauf den Tractus spinocerebellaris anterior. Am Übergang zum Seitenhorn liegt medial der Nucleus dorsalis (Nucleus Stilling-Clarke), der auch Nucleus thoracicus posterior genannt wird. Ebenso wie der Nucleus proprius erhält der Nucleus dorsalis Afferenzen der Tiefensensibilität (Muskelspindeln, Gelenk- und Sehnenrezeptoren), welche über den Tractus spinocerebellaris posterior zum Kleinhirn geleitet werden.
Ebenfalls oft gefragt wird nach der Innervation des Zwerchfells. Dieses wird vom Nervus phrenicus innerviert, der Fasern aus den Rami ventrales der Spinalnerven C3–C5 enthält. Hier ist der Merkspruch „C three, four and five keep the diaphragm alive“ hilfreich.
Über die Bedeutung der Lage des Conus medullaris (Höhe L2) für die Liquorpunktion wurde bereits hingewiesen. Im Herbst 2006 legte das IMPP dann noch einen drauf und fragte, auf welcher Höhe der Durasack (!) endet. Richtige Antwort: Höhe S2. Klinisch aber extrem irrelevant!
Die Rückenmarksarterien erhalten über die gesamte Länge des Rückenmarks segmentale Zuflüsse. Ein sehr wichtiger Zufluss befindet sich auf Thoraxebene als Arteria radicularis magna (Adamkiewicz-Arterie). Sie entspringt aus der Aorta abdominalis auf Höhe des 8.–10. thorakalen Rückenwirbels. Wie bei anderen Arterien gibt es aber auch hier Variationen der Norm. Sie tritt durch das Foramen intervertebrale, steigt ein wenig im Wirbelkanal auf und anastomosiert mit der Arteria spinalis anterior. Ein Verschluss der Arteria radicularis magna führt zu einem Rückenmarksinfarkt.
1.Im Regelfall endet das Rückenmark mit seinem Conus medullaris beim Erwachsenen in Höhe des Wirbelkörpers
(A)Th9–10
(B)Th11–12
(C)L1–2
(D)L3–4
(E)L5
2.Der Nucleus gracilis...... ist in eine aufsteigende Bahn eingeschaltet.... bildet mit seinen Axonen den Lemniscus lateralis....ist Endstation von Neuronen mit pseudounipolarer Morphologie.... erhält Informationen aus der oberen Extremität.
(A)nur 1 und 3 sind richtig
(B)nur 1 und 4 sind richtig
(C)nur 2 und 3 sind richtig
(D)nur 2 und 4 sind richtig
(E)nur 3 und 4 sind richtig
3.Eine Durchtrennung des rechten Tractus spinothalamicus lateralis im oberen Teil des Rückenmarks hat zur Folge eine
(A)Muskellähmung (Parese) im rechten Bein.
(B)Muskellähmung (Parese) im linken Bein.
(C)aufgehobene bzw. herabgesetzte Schmerzempfindung im rechten Bein.
(D)aufgehobene bzw. herabgesetzte Schmerzempfindung im linken Bein.
(E)Störung der Tiefensensibilität in beiden Beinen.
4.Eine einseitige Zerstörung der Hinterstrangbahnen führt auf der beschädigten Seite u. a. zu einem/r
(A)motorischen Lähmung (Parese).
(B)Verlust der Schmerzempfindung.
(C)Muskelzittern.
(D)Verlust der Temperaturempfindung.
(E)Verlust der Berührungsempfindung.
5.Welcher der genannten Reflexe ist nicht monosynaptisch?
(A)Tibialis-posterior-Reflex
(B)Trizepssehnenreflex
(C)Adduktorenreflex
(D)Achillessehnenreflex
(E)Kremasterreflex
A
α-Motoneuron 77
absteigende Bahnen 79
Adamkiewicz-Arterie siehe Arteria radicularis magna
Anulus fibrosus 93-94
Arachnoidea mater spinalis 75
Arteria radicularis magna 96
Arteria spinalis anterior 70
Arteria spinalis posterior 70
Aszensus siehe Rückenmark: Aszensus
Atlas 72
aufsteigende Bahnen 81
Axis 72
B
Bandscheibenvorfall 93 f.
C
Canalis centralis 78
Canalis vertebralis 68
Cauda equina 74
Commissura alba (anterior et posterior) 78
Commissura grisea (anterior et posterior) 78
Cornu anterius 77
Cornu laterale 77
Cornu posterius 77
D
Dura mater spinalis 75
E
Epiduralanästhesie 76
Epiduralraum 75
epikritische Sensibilität 81
extrapyramidalmotorisches System 79
F
Fasciculus cuneatus 81
Fasciculus gracilis 81
Feinwahrnehmung siehe epikritische Sensibilität
Fila radicularia 71
Filum terminale 70
Fissura mediana anterior 69
Foramen magnum 69
Foramina intervertebralia 72, 96
Fremdreflex siehe Reflex: polysynaptischer
Funiculus anterior 78
Funiculus lateralis 78
Funiculus posterior 78
G
Ganglion spinale siehe Spinalganglion
Grobwahrnehmung siehe protopathische Sensibilität
Gyrus postcentralis 81
Gyrus praecentralis 79
H
Head’sche Zone 82
Hinterhauptloch siehe Foramen magnum
Hinterhorn siehe Cornu posterius
Hinterstrang siehe Funiculus posterior
I
Incisura vertebralis 72
Interneuron 89
Intumescentia cervicalis 70
Intumescentia lumbosacralis 70
Ischiasschmerz 94
K
Kopfgelenk
oberes 72
unteres 72
L
Lähmung
schlaffe 79
spastische 79
Lumbalpunktion 75
M
Motoneuron 77
motorische Vorderwurzel siehe Radix anterior
Muskeleigenreflex siehe Reflex: monosynaptischer
Myotom 84
N
Nervenplexus 85
Nervi intercostales 84
Neuron
pseudounipolares 74
Nozizeption 81
Nucleus Edinger-Westphal 93
Nucleus intermediolateralis 96
Nucleus proprius 96
Nucleus pulposus 93 f.
Nucleus salivatorius inferior 93
Nucleus salivatorius superior 93
Nucleus Stilling-Clarke siehe Nucleus dorsalis
Nucleus thoracicus posterior siehe Nucleus dorsalis
O
Obex 78
P
Parasympathikus 93
Parese 79
Patellarsehnenreflex 89
Pediculus arcus vertebrae 72
Periduralanästhesie siehe Epiduralanästhesie
Phantomschmerzen 82
Pia mater spinalis 75
Plexusbildung 87
Plexus brachialis 87
Plexus cervicalis 87
Plexus lumbalis 87
Plexus sacralis 87
Propriozeption 82
protopathische Sensibilität 81
Pyramidenbahn 79
Pyramidenbahnkreuzung
siehe Decussatio pyramidum
R
Radix anterior 71
Ramus communicans albus 84
Ramus communicans griseus 84
Ramus dorsalis 83
Ramus ventralis 83
Reflex 88
monosynaptischer 89
pathologischer 92
polysynaptischer 91
Reflexbogen 88
Reflexstatus 90
Rückenmark 69
Aszensus 74
Meningen 75
Rückenmarksegment 72
S
Seitenhorn siehe Cornu laterale
sensorische Hinterwurzel siehe Radix posterior
Somatomotorik 78
Somatosensibilität 78
Spinalanästhesie 76
Spinalnerv 72
Austritt und Bezeichnung 72
Subarachnoidalraum 75
Substantia alba 77
Substantia gelatinosa 96
Substantia grisea 77
Sulcus lateralis anterior 78
Sulcus lateralis posterior 78
Sulcus medianus posterior 69
Sympathikus 93
T
Tractus corticospinalis anterior 79
Tractus corticospinalis lateralis 79
Tractus olivospinalis 80
Tractus reticulospinalis 79
Tractus rubrospinalis 80
Tractus spinocerebellaris 82
Tractus spinoolivaris 83
Tractus spinothalamicus 81
Tractus vestibulospinalis 80
V
Vorderhorn siehe Cornu anterius
W
Wirbelbogenfüßchen siehe Pediculus arcus vertebrae
Wirbelkanal siehe Canalis vertebralis
Z
Zentralkanal siehe Canalis centralis
1.Kaila-Kangas L, Leino-Arjas P, Riihimaki H, Luukkonen R, Kirjonen J (2003) Smoking and overweight as predictors of hospitalization for back disorders. Spine 28: 1860–68
2Rivinoja AE, Paananen MV, Taimela SP, et al. (2011) Sports, smoking, and overweight during adolescence as predictors of sciatica in adulthood: a 28-year follow-up study of a birth cohort. Am J Epidemiol 173: 890–97