Читать книгу Frühlings Erwachen - Markus Orths - Страница 4

Erster Akt

Оглавление

Erste Szene

Wendlas Zimmer. Musik: Christina Aguilera. Wendla liegt auf dem Bett und tanzt. Ihre Mutter rüttelt an der Klinke, klopft stärker an die Tür.

Frau Bergmann ( geht an ihr vorbei hinein)

Ich denke, du machst Hausaufgaben? Mit Musik...?

Wendla

...kann ich mir Vokabeln besser merken.

Frau Bergmann

Was für Vokabeln?

Wendla

Words don’t bring me down. To bring someone down. Oder to fall down. To go down. (plötzlich lachend) To go down ON SOMEONE. Weißt du, was das heißt?

Frau Bergmann

Wendla, du darfst dein Talent nicht vergeuden.

Wendla

Ich darf meine Zeit nicht vergeuden.

Frau Bergmann

Du könntest, wenn du wolltest...

Wendla

Ich könnte viel.

Frau Bergmann

Wenn du nicht so faul wärst, du...

Wendla (singt und hält sich die Ohren zu)

„Words don’t bring me down…“

Frau Bergmann

Der Direktor hat gerade angerufen.

Wendla

Sonnenstich?

Frau Bergmann

Herr Doktor Sonnenschein.

Wendla

Was wollte er?

Frau Bergmann

Es gab Beschwerden. Über deine Kleidung. Die Lehrer fühlen sich irritiert. Kein Wunder. Man weiß ja gar nicht mehr, wo man hinschauen soll, wenn man dich sieht.

Wendla

Mir ist egal, was sie sagen. (Singt) „I’m beautiful.“

Frau Bergmann (deutet auf Wendlas Kleidung)

Findest du das schön?

Wendla

Was willst du denn? Soll ich etwa rumlaufen wie die Schneider? Da kann doch niemand mehr erkennen, ob das überhaupt eine Frau ist! Das nennt sich Feminismus? Dass sich die Frauen genauso anziehen wie die Männer? Bei mir gibt es nun mal Dinge, die sich sehen lassen können. Und Dinge, die sich sehen lassen können, wollen gezeigt werden.

Frau Bergmann

Also man verlangt jedenfalls, dass du dich in der Schule gesitteter kleidest.

Wendla

Warum denn?

Frau Bergmann

Weil ... weil ... deine Kleidung ablenkt!

Wendla

Wen?

Frau Bergmann

Die ... Lehrer, die ... Schüler, einfach alle.

Wendla

Wovon?

Frau Bergmann

Vom ... vom Wesentlichen.

Wendla

Was ist das Wesentliche?

Frau Bergmann

Das Wesentliche ist ... Wendla. Es ist ... Es ist das Leben. Ich meine das WIRKLICHE Leben. Das RICHTIGE Leben. Das hat nicht immer was mit ... mit Lust und Leichtigkeit zu tun. Es sind tausend Möglichkeiten, die vor dir liegen, Wege, die irgendwohin führen. Du kannst wählen, Wendla, auswählen, dir steht alles offen! Aber dazu brauchst du die Schule. Du musst dich reinhängen. Konzentrieren. Deine Fähigkeiten ausschöpfen. Wirf nicht alles fort für kurzfristige ... Vergnügungen. Das Leben hat den längeren Atem, Wendla.

Wendla (ernst)

Ich denke oft daran, wie es ist, nicht mehr zu sein.

Frau Bergmann

Was meinst du?

Wendla

Die Gedanken kommen nachts. Wenn ich nicht schlafen kann. Dann sehe ich plötzlich einen Atemzug vor mir und weiß, das ist der letzte. Mir zerfallen die Zähne im Mund. Es ist alles leer. (schreibt den Aguilera-Satz ins Vokabelheft) Trying hard to fill the emptiness. Aber ich weiß dann: Ich muss jeden Zug, der mir noch bleibt, auf der Zunge zergehen lassen. Das ist alles, was zählt. Ich weiß auch schon wie, Mutter. Da ist noch etwas in mir, das sich...

Frau Bergmann

Das ist nur das Alter.

Wendla

Was?

Frau Bergmann

Das geht vorbei, Wendla, das geht vorbei.

Wendla (nachdenklich)

Was geht sonst noch vorbei, Mutter?

Frau Bergmann

In Zukunft will ich keine nackte Haut mehr sehen, wenn du in die Schule gehst. Ist das klar?

Wendla

Was geht sonst noch vorbei, Mutter?

Frau Bergmann

Genug geredet. Lern jetzt weiter, Wendla, lern weiter! Ab

Wendla (allein)

Was geht sonst noch vorbei?

Frühlings Erwachen

Подняться наверх