Читать книгу Im Wesentlichen Nichts - Markus Saga - Страница 26
Nora
ОглавлениеHeute ist Markttag, da wird es hier im Laden nicht so voll sein. Wir liegen einfach zu weit außerhalb. Trotzdem will ich mich nicht beklagen. Letzten Monat war spitze. Und jetzt beginnt zusätzlich die Touristensaison. Da steht schon einer. Ganz kurze Haare, fast wie ein Soldat. Hat der sich verirrt? Schaut auch ganz misstrauisch. Ich bleibe erst mal lieber in meiner Ecke. Er hat mich noch nicht gesehen. Mit Räucherstäbchen und Duftkerzen kann ich dem nicht kommen. Er besieht sich die Statuen. Das scheint auch nichts für ihn zu sein. Meinen monumentalen Engel starrt er sogar fast feindselig an. Wieso bleibt er dann trotzdem? Vielleicht ein geheimer Sinnsucher. Ich versuche mal mein Glück, bevor er doch wieder abhaut, und heiße ihn herzlich willkommen. Er mustert verstohlen mein Kleid und schaut mich an, als begegne er einem seltenen Tier. Bestimmt schätzt er mein Alter. Sein Blick ist wach. Es liegt ihm was auf der Seele. Na, mal sehen.
„Womit kann ich dir helfen?“, frage ich.
„Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen“, sagt er.
„Es gibt keine Zufälle. Schau dich ruhig um.“ Ich sehe ihn bewusst freundlich an und entschwinde wieder in meine Ecke. Er braucht noch ein bisschen.
Er nimmt eine Klangschale in die Hand und eine der Buddhafiguren. Dann geht er zur Steinsammlung. Ich sortiere mal die Bücher. Vor der Vitrine mit dem Halsschmuck scheint er nachzudenken. Er besieht sich jedes einzelne Stück, wandert am Ende trotzdem weiter. Zum Glück kommen jetzt noch ein paar andere Kunden. Es geht um den Kurs am nächsten Wochenende. Die Anmeldeliste ist fast voll. Yes! Als ich fertig bin, steht mein Soldat hinter der Säule. Er scheint etwas gefunden zu haben. Ich bin schon zur Stelle.
„Fündig geworden?“
Er blickte sich fast erschrocken um. Strahlend blaue Augen.
„Kann ich dieses Stück mal sehen?“
„Natürlich“, sage ich und hole den Schlüssel für die Vitrine. Die Versicherung besteht auf den Quatsch. Ich nehme das silbrig-schwarze Amulett in die Hand. Es ist viel schwerer, als es aussieht. Gusseisen. Wieder scheint er ein wenig enttäuscht zu sein. Er versucht, die Buchstaben auf der Rückseite zu entziffern.
„Es wirkt bei jedem anders“, erkläre ich ihm.
„Wie meinst du das?“
„Halte es mal vor deine Brust.“
Er tut, worum ich ihn gebeten habe, und ich schließe die Augen.
„Es wird dir deine Würde zurückgeben“, sage ich nach einer Weile und mache die Augen wieder auf.
Er blickt erst mich und dann sein Amulett fragend an, auf dem er die Runen entdeckt, ohne sie einordnen zu können. Ich erkläre es ihm.
„Und was bedeuten sie im Einzelnen?“
„Da müsste ich nachschlagen. Wenn du willst, kannst du das auch selbst tun. Ich leihe dir ein Buch, da steht die Bedeutung der einzelnen Runen drin. Du kannst es benutzen, wenn du hier bist.“
„Und was ist das für ein Tempel in der Mitte?“
„Das ist Stonehenge.“
Ich muss lachen. Sorry. Er hat wirklich keine Ahnung und lächelt verlegen.
„Was meintest du eben mit der Würde und was hast du da überhaupt gemacht?“
„Ich bin hellfühlig. Weißt du, was das ist?“
Er verneint.
„Ich kann Dinge fühlen, die man normalerweise nicht so ohne Weiteres fühlen kann“, versuche ich es möglichst einfach.
Er scheint das spannend zu finden.
„Das Amulett wird dir helfen, deine Würde wiederzuerlangen. Du hattest einmal viel Macht, aber du hast sie verloren. Ich weiß nicht warum. Nur, dass es so ist. Das Amulett wird dir auf deinem Weg helfen.“
Er kauft es und packt es zu einem Buch mit dem Titel Alter Sack, was nun?