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01 - Nicht meine Abteilung
ОглавлениеIch stand in der Eisenwarenabteilung eines Baumarkts. Weit und breit war kein Mitarbeiter zu sehen. Der Laden schien frei von ihnen zu sein. Da, endlich. Am Ende des Ganges, in dem ich stand, huschte eine Person in den Farben des Geschäftes vorbei. Mein Ziel war es jetzt, diese Person einzuholen. Ich hatte lediglich eine Frage bezüglich einer Schraubenart, die ich für mein Bauprojekt zu Hause benötigte. Als ich das Ende des Ganges erreichte, bog ich rechts ab. In diese Richtung verschwand die schemenhafte Person. Und tatsächlich. Keine 20 Schritte entfernt standen eine Frau und ein Mann in Dienstkleidung. Sie unterhielten sich miteinander. Über den beiden prangte ein großes Schild. Information stand in großen Buchstaben darauf. Hier war ich also richtig. Hier werde ich die ersehnte Antwort erhalten. Dachte ich.
Ich näherte mich den beiden. Dabei steuerte ich direkt auf sie zu und ließ auch keinen Zweifel aufkommen, dass ich eine Frage loswerden möchte. Sie unterhielten sich weiter. Scheinbar war ich nicht existent. Es ging offenbar um einen Kollegen, der krank war. Nichts Ernstes. Nur war er offenbar schon wieder krank und deswegen konnte sie mit ihrem Freund heute nicht zur Sommerausstellung fahren. Im Ernst, das war kein dringendes Gespräch, das einen veranlassen sollte, einen Kunden links – nein, ich befand mich tatsächlich rechts von ihr – stehen zu lassen. Ihr Kollege nippte an seiner Kaffeetasse, sah mich an und machte ein kurzes Geräusch und eine unmerkliche Augenbewegung. Offenbar ein Code für seine Kollegin, denn diese wandte sich mir jetzt zu und setzte ihr Verkäuferlächeln auf. „Kann ich Ihnen helfen?“
Mir fielen in diesem Augenblick wirklich eine Menge Antworten ein, die ich liebend gern losgeworden wäre. Ihr Kollege indes war verschwunden. Leise drehte er sich um und verschwand in einem der Gänge. Egal, ich hatte mein Ziel erreicht. Jetzt würde mir geholfen werden. „Ich habe eine Frage zu einer Schraube“, begann ich. „Ich ziehe gerade eine neue Wand in unser Wohnzimmer ein. So eine Trockenbauwand, verstehen Sie? Und ich muss daran ein Schränkchen für Gläser befestigen. Nichts Schweres. Ich benötige dazu also die richtigen Schrauben und wahrscheinlich auch spezielle Dübel?“
Schon inmitten meiner Frage setzte Sie zur Antwort an, besann sich dann aber vielleicht auf Ihre Ausbildung, oder Erziehung, und ließ mich zu Ende reden. Dann kam der Klassiker: „Tut mir leid. Das ist nicht meine Abteilung. Sie sind hier in der Sanitärabteilung. Wenn Sie hier den Gang wieder zurückgehen, kommen Sie direkt auf die Information der Eisenwarenabteilung zu. Können Sie gar nicht verfehlen. Da wird Ihnen sicher geholfen.“ Ein weiterer Kunde stand mittlerweile hinter mir. Er hatte einen Traps in der Hand. Sie gab ihr „Kann ich Ihnen helfen?“ von sich und verschwand sodann mit Ihm in einen der Gänge, in dem es wahrscheinlich die Trapse gab.
Ich hingegen stand wieder alleine da und sah in die Richtung, die mir angegeben wurde. Und tatsächlich. Da war ein weiteres Schild mit der Aufschrift INFORMAITON. Und darunter stand niemand. Sie war leer, verwaist, nicht besetzt. Ich fand dann schließlich doch noch einen Mitarbeiter, der mir knapp und wortkarg ein paar Schrauben und die passenden Hohlraumdübel in die Hand drückte und mit den Worten „Damit sollte es halten!“ wieder verschwand.
Ich stand in einem Baumarkt. Das wurde nicht „mein“ Baumarkt. Diesen Laden habe ich seitdem nicht mehr betreten. Kennen Sie auch solche oder ähnliche Situationen? Ich habe davon so einige erleben dürfen. Und jedes Mal war ich enttäuscht. Quatsch! Enttäuscht. Ich bitte Sie. Ich war sauer, genervt, wütend. Wenn ich meine Arbeit so erledigen würde. „Ah, Sie möchten einen Schaden melden? Oh das tut mir leid. Das ist gar nicht meine Abteilung. Ich bin Sachbearbeiter für Reparaturaufträge. Da rufen Sie doch bitte meinen Kollegen, der direkt neben mir sitzt, an. Sie erreichen ihn unter der 945 am Ende, anstatt der 944 die Sie gerade gewählt haben. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag!“. Ich hätte keine zehn Minuten später ein Gespräch mit meinem Chef gehabt. Das kann ich Ihnen garantieren.
Solche oder ähnliche Dinge sind unter anderem die Grundlage für einen Begriff, der in den 90er Jahren verstärkt aufkam: Dienstleistungswüste Deutschland. Mit zunehmender Globalisierung und dem krankhaften Wahn, immer mehr und mehr Gewinne erzielen zu müssen, blieb eines auf der Strecke: das Miteinander, die Freundlichkeit und das Entgegenkommen. Kurz, der Service am Kunden.
Die Gründe dafür, wie sich die Mitarbeiter des Baumarktes verhalten haben, können vielfältige Ursachen haben und sollen auch gar nicht Gegenstand dieses Buches sein. Wir beziehen uns allein auf die Situation an sich.
Schauen wir uns die Szene mit der Mitarbeiterin genauer an. Sie hat mich aussprechen lassen. Das ist immerhin schon ein Pluspunkt. Dann kam die Information, dass sie mir nicht weiterhelfen könne und wo ich die notwendige Hilfe bekommen könnte. Im Anschluss galt ihre Aufmerksamkeit einem anderen Kunden. Wenn man das so aufschreibt, ist doch alles in Ordnung, oder? Ja, wenn Sie keine Lust auf Kundenbindung oder positiver Weiterempfehlungen haben, ist das absolut der richtige Weg. Glauben Sie mir. Der Kunde wird Sie nicht so schnell vergessen.
Mittlerweile habe ich „meinen“ Baumarkt gefunden. Und wissen Sie was? Ich gehe gern dort hin. Man wird mit einem Lächeln begrüßt. Ein Hallo oder Guten Tag ist das mindeste, was man bekommt; und Aufmerksamkeit. Die Leute, die dort arbeiten, sehen sich um, während Sie untereinander reden und erkennen einen Kunden sofort. Sie unterbrechen die Unterhaltung und lassen den Kollegen auch stehen, nur um sich dem nähernden Kunden zur Verfügung zu stellen. Und dann das: „Hallo. Wie kann ich Ihnen helfen?“ WIE er mir helfen kann? Respekt. Ich gebe kurz einen typischen Dialog wieder.
„Ich suche Schrauben und wahrscheinlich passende Dübel.“
„Ja, da sind Sie bei mir richtig.“ Hört, hört. „Wofür brauchen Sie die Schrauben?“ Ich geh kaputt. Er wollte von sich aus wissen, was ich vorhabe? Warum?
„Ich ziehe eine Wand, in Trockenbauweise, in unser Wohnzimmer ein. Und an dieser Wand möchte ich ein kleines Schränkchen für Gläser anbringen. Nichts Schweres!“ Und dann ging es los. Er fragte mich nach der Beschaffenheit der Wand, also ob ich eine oder zwei Lagen Gipskartonplatten verwenden würde. Und ob ich in dem Ständerwerk auch Querstreben gezogen hätte. Ich war platt. Warum fragte er das alles? Nun, es stellte sich heraus, dass es einiges mehr zu beachten gab, als nur ein Ständerwerk und einige Platten dagegen zu nageln. Er erklärte mir die Gründe für die Fragen und ging dann mit mir gemeinsam in die Trockenbauabteilung, um mir zu zeigen, was er meinen würde. Noch einmal. Er verließ „seine“ Abteilung und zeigte mir etwas in einer „nicht-meine-Abteilung“!
In einer Sache war auch er sich nicht sicher und so zog er einen Kollegen, aus dieser Abteilung, heran, der uns dann, mehr oder weniger, beide beriet. Erst als ich alles zusammen hatte und „mein“ Verkäufer sicher war, dass mir vorerst keine weiteren Fragen auf den Lippen lagen, verabschiedete er sich und gab sich für den nächsten Kunden frei.
Bemerken Sie den Unterschied? Davon bin ich überzeugt. Ich bin mittlerweile Stammkunde dort und der Verkäufer ist inzwischen eine Art Baumarktkumpel geworden. Es macht Spaß, dort einzukaufen. Und ich empfehle den Laden gern weiter.
Warum erzähle ich Ihnen diese beiden Erlebnisse? Aus ihnen kann man ziemlich genau herauslesen, was vielleicht verbesserungswürdig oder gar zu vermeiden wäre. Natürlich sollte dafür der Mitarbeiter regelmäßige Schulungen bekommen. Die traurige Wahrheit aber ist, dass nicht jeder Arbeitgeber viel Wert darauf legt. Denn der Kunde muss ja früher oder später einkaufen gehen und dann auch in seinem Haus einkehren. Ich erwähnte bereits weiter oben, dass die Gründe, warum ein Arbeitgeber mögliche Schulungen anbietet oder nicht, oder warum das Verkaufspersonal augenscheinlich desinteressiert, lustlos oder misslaunig ist, eine Unmenge an Ursachen haben kann. Diese Gründe und deren Lösungsansätze sind nicht Teil dieses Buches.
Es geht hier tatsächlich nur um Sie. Als McGyver der Realität und des Alltags sozusagen. Es geht darum, Ihr Leben, oder Ihren Tag, stressfreier zu gestalten. Und nach alter McGyver-Manier, bekommen Sie nur die Dinge an die Hand, die Sie in der entsprechenden Situation vorfinden: meist nur sich selbst.
Schauen wir uns zunächst einmal an, was Sie in der Position eines Verkäufers oder Dienstleisters tun können. Obwohl einige dieser Punkte wahrscheinlich nicht erwähnt werden müssen, erwähne ich sie trotzdem.
1 Wenn Sie schlechte Laune haben oder gesundheitlich angeschlagen sind, dann ist das, ganz salopp gesagt, Ihr Problem. Der Kunde, Ihr Kunde, kann nichts dafür. Weder für Ihren Schnupfen, noch für die Ursachen Ihrer Unstimmigkeit. Sie wollen auch vernünftig behandelt werden. Also, handeln Sie entsprechend.
2 Es ist normal, dass man sich mit Kollegen unterhält. Wenn es die Zeit erlaubt, die Arbeit soweit erledigt oder der Kundenansturm sehr überschaubar ist, gibt es kaum etwas dagegen einzuwenden. Aber behalten Sie Ihr Umfeld im Auge. Unterbrechen Sie das Gespräch, sobald ein Kunde in die Nähe kommt. Es hat ihn nicht zu interessieren, wieviel Flaschen Wein auf der Party, am Wochenende, geleert wurden. Und glauben Sie mir: es interessiert Ihn auch nicht.
3 Lächeln Sie! Sie werden vielleicht feststellen, dass Ihr Kunde kurz verwirrt scheint, weil er es nicht gewohnt ist, angelächelt zu werden. In jedem Fall wird auch er zurück lächeln. In diesem Moment haben sie beide eine gemeinsame Basis geschaffen, auf der ein Beratungs- oder Verkaufsgespräch zielführend entstehen kann.
4 Stellen Sie ruhig ein paar Fragen. Zum einen signalisieren Sie, dass Sie daran interessiert sind, was Ihren Kunden bewegt, und zum anderen, können Sie ihn mit den gewonnen Informationen deutlich effektiver weiter helfen.
5 Lassen Sie ihn nicht wie einen Trottel stehen. Soweit es Ihnen möglich ist, begleiten Sie Ihren Kunden auf seiner Einkauftour. Natürlich sollen Sie ihn nicht betreuen und bis zu Kasse unterhalten! Und wenn er selbst zurechtkommt, macht es wenig Sinn, sich ihm aufzudrängen. Wenn Sie aufgrund Ihrer Fragen und den Antworten feststellen, dass vielleicht wichtige Dinge vom Kunden noch nicht bedacht wurden, dann sagen Sie ihm das. Und für den Fall, dass Sie Ihre Abteilung nicht verlassen können oder dürfen, schnappen Sie sich ihr Telefon, oder welches Kommunikationsgerät auch immer Sie bei sich tragen, und besorgen dem Kunden den nächsten Kollegen. Was im Baumarkt funktioniert, funktioniert bereits auch in dem einen oder anderen Lebensmittel-Discounter.
6 Sagen Sie nicht: „Da hab ich keine Ahnung von, fragen Sie mal den Kollegen dahinten. Vielleicht weiß der das!?“ Sagen Sie stattdessen besser: „Eine gute Frage, das wüsste ich auch gern. Wissen Sie was? Ich ruf mal eben einen Kollegen an, der uns da sicher behilflich sein kann.“
Ein lächelnder Kunde, ist in der Regel ein entspannter Kunde. Und ein entspannter Kunde, ist meist für jeden Verkäufer ein angenehmer Kunde. Machen Sie sich das Leben also nicht unnötig schwer.
Sind Sie Kunde, und das sind wir früher oder später alle einmal, dann stehen auch Ihnen durchaus einige Möglichkeiten offen. Ich verrate Ihnen wie ich meist vorgehe, wenn ich nicht gerade im Baumarkt einkaufen bin. Es funktioniert in der Regel überall.
1 Wenn Sie schlechte Laune haben oder gesundheitlich angeschlagen sind, dann ist das, ganz salopp gesagt, Ihr Problem. Ja, das gilt auch für Sie als Kunde. Sie sind als Kunde vielleicht König, aber. Sie sind weder Kaiser noch Gott. Es beruht in beiden Richtungen auf Selbstverständlichkeit, dass man sein Gegenüber behandelt, wie man selber behandelt werden möchte. Es gibt maximal eine Ausnahme, in der man als Kunde durchaus verärgert sein darf. Und zwar in dem Fall, wenn man falsch beraten wurde (was wiederum ein offenes Beratungsgespräch im Vorfeld voraussetzt). Haben Sie lange nach einem Parkplatz suchen müssen, ist das kein Grund, den Mitarbeiter mit Unverschämtheiten zu überschütten.
2 Suchen Sie nach einem Verkäufer.
3 Fragen Sie ihn höflich, ob er Ihnen zu Ihrem Thema behilflich sein kann. So vermeiden Sie unnötige Zeitverschwendungen auf beiden Seiten. Wenn der Mitarbeiter gerade aus der Pause kommt und im Lebensmittelbereich arbeitet, dann wird er Ihnen wahrscheinlich nichts zu den LED-Lampen sagen können, die Sie so toll finden.
4 Kann er Ihnen nicht helfen, lassen Sie sich nicht abschmettern. Fragen Sie nach jemand, der Ihnen nähere Informationen geben kann. Nicht jeder kann alles wissen. So kommen Sie dem Verkäufer entgegen und geben ihm die Möglichkeit, Sie als Kunden, nicht falsch zu beraten.
5 Fassen Sie das besprochene noch einmal zusammen, damit sie beide sicher sein können, den gleichen Wissensstand zu haben. Nichts ist ärgerlicher, als nach Hause zu kommen und festzustellen, dass Sie noch eine Frage haben.
Fordern Sie also ruhig Ihr Recht auf Beratung ein. Warten Sie nicht, bis Sie ein Mitarbeiter ansprechen wird. Das passiert in den wenigsten Fällen. Greifen Sie sich einen Mitarbeiter und klären ab, ob und wie er Ihnen helfen kann. Wenn Sie merken, er hat einfach keine Lust, kaufen Sie wo anders ein. Das klingt vielleicht beleidigt oder überzogen, aber im Grunde ist das die einzige Art, zum Umdenken zu bewegen.
Natürlich können Sie sich auch bei seinem Vorgesetzten beschweren. Fragen Sie sich dann bitte, was das eventuell bringen wird? Wie würden Sie reagieren, wenn ein Kunde wütend über einen Ihrer Mitarbeiter herzieht? Richtig. Sie würden Ihn beruhigen, sich entschuldigen, dem Kunden das Nötigste einräumen, um Ihn nicht zu verprellen und versichern, mit dem entsprechenden Mitarbeiter mal ein ernstes Wörtchen zu reden. Im perfidesten Fall geben Sie sich mit dem Mitarbeiter ein High-Five, sobald der nörgelnde Kunde den Laden verlassen hat und gehen wieder in Ihr Büro zurück.
Was also bringt es, sich auf diese Art zu beschweren? Bluthochdruck bei Ihnen, vermeintliches Verständnis, und beim nächsten Mal haben sie unter Umständen den gleichen Mitarbeiter vor sich. Vielleicht deutlich höflicher, aber ist er nun auch motivierter?