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3. Rota - Costa Ballena
Оглавление„Hi, Mein Engel! Wie geht es Dir? Ich bin ja so froh, dass Du zu Hause bist und ich Dich antreffe!“
„Wo bist Du Martin? Schon am Meer?“
„Ja, Mein Engel. Ich bin auf einem Campingplatz bei Rota, wo der größte Militär-Flughafen der Ammis in Europa nach Wiesbaden-Erbenheim liegt, konnte ich zufällig feststellen. Dass mir das auch immer passiert. Ich bin also theoretisch in zwei einhalb Stunden wieder im Main-Taunus-Kreis, wenn ich hier neh Galaxie besteige, freiwillig oder unfreiwillig, denn die haben zur Zeit stündlich Shuttle-Verkehr mit Wiesbaden. Die Aire-Base hat sogar ihren eigenen Hafen, direkt in Rota. Der Flugverkehr hat wohl mit der Vorbereitung des IS-Krieges zu tun. Aber deswegen bin ich ja nicht hier. Ich wollte nur ans Meer, mich entspannen und nach Tieren gucken…“
„Martin. Du hast auch immer so ein Pech, dass Dich solche Zufälle begleiten.“
„Manchmal frage ich mich wirklich, ob das noch Zufälle sind oder Fügungen von `oben´“ lachte Martin ins Mikro, am Internet-Café vom Camping-Platz, wo er mit dem Tablett von seiner Freundin WLAN hatte, so dass Maria auch spontan mit lachen musste.
„Aber scheinbar lässt Du es Dir gut gehen, denn ich sehe im Hintergrund eine schöne grüne Hecke, schön rot blühende Oleander, eine Dattelpalme, Sand und Ginster. Du liegst auch in einer Hängematte mit spanischen Nationalfarben: Rot und Gelb! Wo hast Du die denn her? Gehört die zum Café? Es scheint ja ganz knuffig zu sein, wo Du da gelandet bist, trotz der Ammi-Aire-Base.“
„Der Camping-Platz heißt “Camping Agua Dulce Costa Ballena” http://www.playaaguadulce.com/content.php. Die Hängematte habe ich gestern Vormittag noch in Sevilla gekauft. Ich durfte sie hier zwischen zwei Bäumen an der Terrasse vom Café aufhängen und schob mir gleich noch einen Tisch dazu heran, wo mir dann die Bedienung meine Tubos abstellen kann, die ich bestelle. Tubo heißt eigentlich Röhre, sind aber in einer Kneipe Röhren-förmige Gläser mit einem Viertel Liter Inhalt und darin bekommt man dann sein Bier, schlankere Kölsch-Gläser, sozusagen. Ich war beim Lidl in Sevilla noch Proviant für den Abend einkaufen, weil ich ja am Nachmittag mit dem Bus nach Rota fahren wollte, nach Rota, weil mir die Naturschützer in Sevilla sagten, dort am Strand wären die Chamäleons besonders häufig und leicht zu finden. Und da gab es im Lidl zufällig ein Angebot für Hängematten. 10 Euro das Stück, hergestellt in Hamburg.“
„Die sieht ja klasse aus! Und für 10 Euro. Bei uns im Lidl gibt es die nie im Angebot. Gab es die nur in Rot-Gelb?“
„Die Verkäuferin sagte, dieses Angebot gäbe es einmal im Jahr idiotischer Weise erst Ende August, wenn die großen Schulferien in Spanien bald wieder vorbei gehen. Die Hängematten sind schön stabil und aus fester, dicker Baumwolle. Alleine der Stoff hat einen Wert von mehr als 10 Euro. Es sind immerhin 2 qm feste Baumwolle. Es gab drei Farb-Kombinationen: Meine, dann Grün mit dünnen gelben und blauen Streifen und dann noch eine mit Beige dominant mit dünnen schwarzbraunen und dicken blauen Streifen. Die Grüne hätte Dir auch gefallen!“
„Bestimmt!“
„Daher habe ich sie auch gekauft…“
„Ach Bär! Das ist aber lieb von Dir. Da freue ich mich schon drauf und hoffe, wir haben dann noch ein paar warme Herbsttage, dass ich die Hängematte auch im Garten aufhängen kann…“
„Kannst Du Dir vorstellen, der halbe Tisch war noch voll im Lidl. Die Dinger verkaufen sich hier nicht. Bei uns würden die für den Preis weggehen wie warme Semmel und dann sind die Dinger noch aus Deutschland und kommen aus Hamburg! Das verstehe wer will! Ich hätte noch eine Beige kaufen können aber so viel Gepäck kann ich ja mit Ryan-Air nicht mitnehmen.
Es ist schon zum Brüllen: Ballena heißt Wal. Und weil hier mal ein Pottwal tot an den Strand gespült wurde, weil er wohl mit einem amerikanischen U-Boot kollidiert ist, kamen Touri-Werbe-Leute auf die super Idee, den Küstenabschnitt Costa Ballena zu nennen. Es ist zum schief lachen. Im größten Verkehrs-Kreisels der Hotel-Siedlung ist in einem Springbrunnen eine Wal-Finne eines abtauchenden Wal aus Edelstahl drappiert. Pott-häßlich! Ein Wal-Kadaver als Namens-Geber! Das ist doch zum Tod-Lachen. Green-Peace ist nicht so kreativ...“ Martin schaukelte vor Lachen in der Hängematte, so dass Maria an der anderen Seite der Leitung schimpfte, er soll nicht so wild schaukeln, sonst würde sie See-Krank werden. Martin musste um so mehr lachen und Maria ließ sich anstecken, schaute aber nicht mehr in das Display ihres Laptop, damit ihr nicht schlecht würde. Martin beruhigte sich wieder und erzählte, er habe auch schon am Vormittag mit einem Biologen aus Rota eine Exkursion in die Dünen gemacht und er habe von ihm verschiedene Vorkommen von Chamäleons gezeigt bekommen, leider auch ein überfahrenes gefunden, das so blöd war, auf einem landwirtschaftlichen Weg an einem Grasbüschel seine Nest-Röhre bauen zu wollen. Auch habe er schon einige tolle Aufnahme gemacht.
„Die Bilder schicke ich Dir heute Abend, Mein Engel. Ich bin gerade am Schreiben und am Auswerten der Bilder. Hier sitzt quasi auf jedem Ginster-Busch ein Chamäleon in den Dünen, selbst in der Hecke im Campingplatz. Sie sind aber sehr schwer zu entdecken, Chamäleons halt, wie der Name schon sagt. Die scheinen hier nicht selten zu sein. Bei dem Futterangebot: Die Dünen sind über Sommer von den Urlaubern zugeschissen worden, hasde was kannsde und daher gibt es hier viele dicke fette Fliegen und Mistkäfer. Das reinste Schlaraffen-Land für die Chamäleons. Die Strände sind schon leer, weil die Ferien seit 10 Tagen um sind und der Strand weitgehend vom Abfall sauber geräumt ist. Selbst die Strand-Kioske werden abgeräumt. Der Besitzer des Camping-Platzes rief einen Freund an, der sich für Chamäleons interessiert und der kam gleich, um mit mir auf Exkursion zu gehen. Es stellte sich dabei heraus, dass er Biologe sei und sich, wie ich bei uns, in seiner Region für den Naturschutz einsetze.
Es ist aber schon der Hammer mit dem Namen für die Küste: Costa Ballena, weil hier mal ein toter Pottwal gestrandet ist. Hört sich aber gut an. Alles ist hier mit Golf-Hotels zugepflasert, damit ein paar Monate im Jahr ein Sack voll deutscher und britischer Touris im Sommer Golf spielen können, während die Kinder am Strand mit Mutti als Aufsicht Sandburgen bauen. Dafür wird das Grundwasser abgepumpt. Aber das ist eigentlich Wurscht, ob es für Baumwollfelder oder für Golf-Rasen verschwendet wird. Hier fließt es Boden-nah ohnehin unterirdisch ins Meer. Es sieht halt scheiße aus. Jetzt haben die Hotel-Komplexe eine Wirkung wie eine Geisterstadt. Die Supermärkte und Tankstellen haben auch nur in der Saison offen. Wie am Osisacher See in Kärnten. Das ist schon bitter, wie sich manch eine Region schonungslos an den Tourismus verkauft.
Jedenfalls beginn ich hier in der Hängematte schon einmal mit dem Manuskript für den Bericht über die Chamäleons zu schreiben, auch damit ich im Senckenberg-Museum einen Vortrag in einer Fachtagung über die Viehcher halten kann. Da kam es plötzlich über mich. Ich weiß nicht wie. Ein Gedanken-Blitz: Meine Eltern haben sich schon während des Krieges gekannt!
Mutter und Vater haben sich im Sport-Palast in Berlin bei der Rede von Goebbels wohl schon im Februar 1943 kennen gelernt und nicht erst in Radeberg an der Lehmgrube im Sommer nach dem Krieg beim Baden. Die haben gelogen. Ich bin ja auch so unglaublich doof, dass ich erst jetzt das merke. Mich würde es nun auch nicht mehr wundern, wenn mein Vater ein Jung-SS-Mann war, denn er hatte eine Brandnarbe unter dem Oberarm, wo die Nazi den SS-Leuten ihre Dienstnummer hin tätowierten. Immer wich er mir auf die Frage, als ich kleiner Junge war, aus, ob er im Krieg auch Leute erschossen hätte. Angeblich war er in Radeberg bei der NSPAP-Jugend persönlicher Feind vom Fähnchen-Führer der Jung-Nazi-Bande. Jugendliche lassen sich ja auch heute leicht verführen, wenn sie ohne Perspektive sind. Man denke nur an die Selbstmord-Attentäter, die sich im Namen Allah´s mit Sprenggürteln selbst in die Luft jagen und andere mit in den Tod reißen, von der psychischen Versklavung in den Tod geschickt. Die Mechanismen sind letztlich überall die selben und meine Eltern waren ja auch in der jugendlichen Sturm-und-Drang-Phase, wo man leicht halbe Kinder, die aber erwachsen sein wollen, für perfide politische Zwecke angeln und mißbrauchen kann. Aber die Lebenslüge bis zum Tode hin, die ist schon erschütternd, statt das aufzuarbeiten. Andererseits war Vater zeitlebens ein Juden-Hasser und voll von vielen unverbesserlichen Nazi-Ansichten. Mutter hingegen unterstütze uns Jungs alle gegen ihn, weil wir nicht zur Bundeswehr wollten. Naja. Vorbei. Drauf geschissen! Ich wollte es nur los werden. Wir können ja am Montag drüber reden, wenn wir im Garten die Hängematten ausprobieren. Ich komme ja am Freitag wieder, also zwei Tage nach meinem Geburtstag.
Ich werde Mutter aber darauf nicht hin ansprechen. Das bringt sie mit Sicherheit um. Und das wollen ja meine Geschwister, um an das Erbe ran zu kommen.
Dienstag fahre ich wieder zurück nach Sevilla, da ich am Mittwoch eine Finca in der Extremadura besichtigen werde, die der Naturschutzgesellschaft gehört. Das Kaff heißt Malcocinado, was übersetzt „schlecht gekocht“ heißt. Die haben schon klasse Namen hier. Es heißt, nach der Rekonquista der Spanier der durch die Araber besetzten Regionen, hätte Carl der Fünfte eine Versammlung in Sevilla auf der Plaza España einberufen und alle Landesherren sind mit ihrem Hofstaat sternförmig in ihren Ochsen- und Pferdekarren-Tross angereist. Ein Lehnsherr der Extremadura machte eine Übernachtungsrast im südlichsten Dorf seines Herrschaftsgebietes und ließ sich dort zur Nacht bewirten, um die letzte Etappe nach Sevilla am nächsten Tag zu absolvieren. Das Essen sei aber so schlecht gewesen, dass er per Dekret den Namen des Dorfes in „schlecht gekocht“ – Malcocinado umwandelte. Ob das stimmt oder nur im Nachhinein erfunden wurde, wie auch die Bedeutung des spanischen Bundeslandes `Extremadura´ aus dem Namen fälschlicher Weise hergeleitet wird, auch von den Spaniern selbst, die nicht gescheiter sind, als der deutsche Durchschnittsbürger, weil die sich einen Scheiß um ihre eigene Geschichte kümmern, würde mich nicht wundern. Aber immerhin hört sich die Geschichte ganz gut an.“
Maria schmunzelte auch sehr über die Namensgebung, besonders über den Ursprung der Golf-Touristen-Hochburg „Wal-Küste“.