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4. Yoko Ono

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... „Bumm!!!“ Es tat einen abgrundtief dumpfen Schlag und danach waberndes Scheppern, wie von den Blechen und Kunststoff-Lamellen im Theater am Turm(am Willy-Brand-Platz, der früher Weißfrauen-Platz in Frankfurt hieß) um damit Gewitter-Donner zu erzeugen, als Martin mit der Grundschul-Klasse in dem Kinder-Theaterstück „Peter Pan“ als achtjähriger Mobbel war, dabei sein musste, obwohl er lieber in die Natur ins Neuenhainer Tal auf Wandertag mitgegangen wäre.

Martin musste Bären-laut lachen und kugelte sich auf der Holzbank, auf der er auf Franzi wartete, weil sie unbedingt zum „Roten Telefon“ im Glas-Labyrinth der „Yoko Ono – Ausstellung“ in der „Schirn“ in Frankfurt, die vom 15.Februar bis 05.Mai eröffnet war, wollte. Sie entschlossen sich, gleich in der darauf folgenden Woche nach der Eröffnung am Freitag die Ausstellung „in the wind“ sich anzutun. Franziska musste aber absagen und so vertagten sie das auf ein anderes Mal. Daraus wurde dann der letzte Freitag im April. Um zur Schirn zu gelangen stiegen sie aus der S-3, aus Bad Soden kommend, an der Hauptwache aus und schlenderten runter zum Römerberg, wo links vor der Abrißbaustelle des Technischen Rathaus die Treppen hoch zur Kunsthalle Schirn ging, an der Stelle, wo einst vor der Bombenzerstörungen des 2.Weltkrieges der Fünffinger-Platz lag. Martin amüsierte es, dass irgend ein Sprayer ein täuschend echte Banane an die mit Sandstein-Platten verkleidete Fassade der Schirn gesprüht hatte und machte gleich ein Photo mit seinem alten Handy davon.


Und erneut ertönte ein schmerzhaftes „Bumm!“

„Ja, Schatzi. Jezze weisst Du, warum ich da nicht rein will. Ich habe zwar neh Haftpflicht, aber wenn ich gegen die Plexi-Glasscheiben als zierlicher 4-Tonner donner, fällt das Kunstwerk wie ein Kartenhaus zusammen und außerdem habe ich keine Lust auf eine blutige Nase…“ lästerte Martin Bär zu seiner Umschulungs-Kollegin, die sich die schmerzende Nase hielt und lachend ein „Du Arsch“ zu ihm durch das Labyrinth schickte. Die beiden Aufseherinnen mussten ob der Szene auch lachen und wandten tröstend zu Franzi ein, dass das jedem mindestens einmal passieren würde.

„Bumm!!!“

Martin musste wieder lachen und lästerte: „Franzi, Du bist außergewöhnlich! Du hast die Statistik auf die positive Seite verschoben, außergewöhnlich zu sein, denn Du hast schon mehr als nur mindestens einmal die Scheiben somit geküsst…“

„Warte nur, bis ich raus komme, dann wirst Du was erleben!!!“ lachte sie, wieder die schmerzende Nase haltend.

„Mach aber langsam, sonst brichst Du nur noch gänzlich aus der Standard-Abweichung der Gauß´schen Normalverteilung um mehr als ein Sigma heraus und denk dabei an Deine Nase! Ich gehe derweil mal auf ein Stückchen Torte und nenn Kaffee. Du weißt ja, wo das Café ist…“ feixte Martin halb unverständlich den Tränen vor Lachen nahe in das Folter-Kunstwerk aus Plexi-Glas. „Ich weiß schon, warum ich Telefone meide…“ ärgerte er seine Kollegin weiter. Die Aufseherinnen des Museums konnten auch sich bald nicht mehr zurückhalten, mussten aber die Cotenanz eingebildeter Weise wahren. Doch Franzi konnte sich selbst bald nicht mehr halten vor Lachen und tastete nun sich händisch aus dem Labyrinth und ging auf Martin los, der nur noch um so mehr lachen musste, bis beiden die Puste ausging.

„Komm lass uns erst einmal Pause auf ein Stück Kuchen und nenn Kaffee unten machen. Ich lade Dich auch ein. Ich habe ja letztlich keinen Eintritt wegen meinem Ehrenamtsausweis zahlen müssen…“

„Okay!“ lachte Franzi immer noch außer Atem, „da kannst Du mir auch gleich erzählen, wie Du zu diesem Ausweis gekommen bist.“

„Das mache ich gerne und Du wirst Dich schlapp lachen, so wie ich mich eben noch über Dich. Du wirst über den Landrat des Main-Taunus-Kreis nur noch den Kopf schütteln. Beinhart, kann ich Dir sagen. Und so etwas regiert uns. Naja. Wallmann und Willy Brand hatten ja auch nicht umsonst den Kose-Namen Whisky-Wally bzw. Whisky-Willy, wenn ich mich Recht erinnere....“schloß Martin.


Franziska und Martin stiegen die Treppen hinab und schlenderten durch die Eingangshalle, um dann ins Schirn-Café zu gelangen, dass auch relativ leer war. Zur Freude von Martin befanden sich auch keine alleinerziehende Öko-Mammis in lilafarbener Batik Indi-Look-Frotter-Kleidung, Nasen-Piercing und Skorpion-Tatoo auf der Schulter oder am Arsch mit ihren anti-autoritär, also gar nicht erzogenen, lärmenden Drecksgören im Café, um ihr pseudo-intellektuelles Kaffee-Kränzchen zu halten. Franziska und Martin hatten gemeinsam eine Umschulung zum Steuerfachangestellten begonnen, doch Franzi hatte einen Psycho-Burn-Out und unterbrach für ein halbes Jahr die Ausbildung. Im Kaffee deuteten sie als ein Spiel jeweils einen aus den anwesenden Gäste aus, um zu erraten, welcher Berufsgruppe derjenge angehören könnten. Vom letzten Sommer hatten sie darin schon Übung, als sie mal einen Tagesausflug nach Weinheim machten und unterhalb vom Marktplatz an einen gut positionierten Tisch am Eis-Café Platz nahmen, um Wetten abzuschließen, welche von den jungen Mädchen, bis alternden Schlampen, die dort Revue-passierten, ein Arsch-Geweih oder einen ge-piercten Bauchnabel hatten oder nicht. Beide lagen immer richtig in ihren Einschätzungen und waren nicht gelangweilt, sondern fertig vor Lachen. Wozu Drogen, wenn man nur die eigene Tierart beobachten muss, um sich zu amüsieren?


Jedenfalls der schnieke Typ in nächster Nähe am runden Carrara-Marmor-Eiscafé-Tisch im Schirn-Café tat sehr wirtschaftsgebildet, in dem er die hellorange-farbene Financial-Times Deutschland auf seiner Laptop-Tragetasche auf einen der zum Tisch passenden Eisdielen-Stühlen liegen hatte. Martin analysierte natürlich gezielt „Das kann nur ein Scharlatan, ein Aufschneider sein, sonst würde er die englische Ausgabe lesen und die hätte dann auch schon ordentlich Knitter und Falten vom „Gelesen-Werden“. Und auf seinem Laptop guckt er sich sicher nur anzügliche Bilder an und hackt ein Bißchen auf der Tastatur herum um unauffällig, aber auffällig beschäftigt zu wirken, schlussfolgerte er … „Franzi, lass Dich bloß nicht auf den ein. Das ist garantiert ein Heiratsschwindler, der nur an Deine Kohle ran will!!!“

Franziska war gerade im Begriff, die Cappucino-Tasse anzusetzen, um ein kleines Schlück´chen Café mit viel viel Sahne auf der Zunge zergehen zu lassen, doch konnte sie gerade noch die Tasse absetzen, ohne eine Überschwemmung auf dem Tisch anzurichten oder gar die Schwarzwälder Kirsch-Torte in Cappucino zu ersäufen und mußte loslachen und schimpfte „Martin, Du bist wirklich ein Depp. Mit Dir kann man nirgends hingehen, ohne sich zu blamieren!“

Martin grinste fragend: „Wieso? Du hattest doch das Spielchen vorgeschlagen zu erraten, `wer von Beruf was ist´! Immer bin ich an allem Schuld! Das ist Männer feindlich, das ist Minderheiten-Diskriminierung. Immerhin gehöre ich einer Minderheit an. Zweiundfünfzig Prozent der Weltbevölkerung sind Frauen. Daraus resultiert, dass achtundvierzig Prozent Männer sind. Ich bin also eine Minderheit. Zugegeben, den meisten Blödsinn, wie Kriege und den ganzen Börsen-, Geld- und Finanz-Schwachsinn verbocken die Männer. Es könnten daher ruhig noch mehr Frauen und weniger Männer auf der Welt sein. Aber dadurch würden die Männer nicht weniger Schwachsinn verzapfen oder die Frauen deren Platz übernehmen und das ganze kopierte Fehlverhalten dann mit `Emanzipation, Gleichberechtigung´ rechtfertigen, auch den selben Mist, wie das Kopf-schwache, Instinkt-gesteuerte, Fußball-Schädel tragende Geschlecht verbocken. Aber nichts desto trotz möchte ich betonen, dass ich einer Minderheit angehöre, die zu schützen ist. Aber ich sag nichts mehr. Nachher verschluckst Du Dich noch und ich bin dran Schuld...“ grinste er weiter, nahm die Kuchengabel und drückte mit der linken Kante der Kuchengabel ein Eck seines `Hessischen Apfeltraum´ ab, denn er ist Rechtshänder und führte genuß-süchtig das Stück Sahne-Biskuit zu seinen Lippen und ließ es langsam auf der Zunge zerschmelzen. Hessischer Apfeltraum ist eine Erfindung seiner Freundin, eine super-leckere Löffelbiskuit-Torte mit Mascarpone, Zimt und aromatischen Äpfeln in Anlehnung an Tirra-Missou und haut jeden vor Begeisterung um, der diese Torte das erste Mal kostet. Der Pächter des Cafés ist ein Freund seiner Freundin und daher gibt es den Hessischen Apfeltraum im Schirn-Café. Der Wirt beobachtete Franzi und Martin amüsiert schon eine Zeit lang und brachte beiden unaufgefordert eine weitere Tasse Cappuccino und jedem ein Glas Wasser. Martin und Franzi beendeten im beiderseitigem Einvernehmen ihr Spielchen und unterhielten sich lieber über den Teil der Ausstellung, den sie bereits angeschaut hatten. Zuvor musste er ihr aber berichten, wie seine mündliche Steuer-Abschluss-Prüfung verlief, was erneut ein Attentat an Franzis Zwerchfell war.

Viele Dinge der Yoko Ono – Ausstellung gefielen Martin nicht, viele Dinge gefielen Martin hingegen sehr. Doch fragte er sich, warum für jedes Kunstwerk sich Yoko Ono immer erklären müsse. Er war der Meinung, dass es doch scheiß-egal ist, was der Antrieb war, ein Kunstwerk zu schaffen. Dass man etwas einfach so drauf los kreiert, darf offenbar nicht sein oder gelte als unserieuse. Ein Name für ein Kunstwerk wäre schon irgendwie nötig, um eben ein Kunstwerk titulieren zu können, über das man gemeinsam redet. Doch es muss doch nicht alles eine Begründung haben. Entweder es gefällt oder eben nicht. Sein Onkel wäre auch Künstler und dieser meint, dass er intuitiv und nicht rationell arbeite, jedoch natürlich Techniken für die Erstellung seine Werke verwende, die er im Laufe seines Schaffens sich angeeignet habe. Aber eine Begründung, eine Erklärung, warum und wieso das Werk entstanden sei, wäre reiner Blödsinn, denn Kunst sei intuitiv und nicht rationell. Wenn man natürlich naturalistisch arbeite, wäre das was anderes. Da will man was kopieren, im Grunde auch im Kubismus oder im Impressionismus. Das wurde seinem Onkel auch im Städl so bestätigt, nachdem er nach seiner Flucht aus Radeberg, damals noch DDR, nach dem Kunststudium in Dresden dort angenommen wurde und studieren durfte. Jedes Kind braucht aber seinen Namen und daher erhalten die Kunstwerke auch einen Namen. Fertig. Die Argumentation seines Onkel Otto, so heißt er, nicht zu verwechseln mit dem Pausen-Männchen im Hessischen Rundfunk, das durch Werbung wegrationalisiert wurde, empfand Martin nur als logisch, erklärte er seiner Begleiterin.


Franziska wunderte sich über die unbestellten Getränke und schaute Martin fragend an. Martin erhob sich und bot dem Wirt die Hand: „Franzi darf ich Dir Andreas vorstellen. Er hat mit meiner Freundin zusammen in unserer Schule gleichfalls eine Umschulung gemacht, allerdings Jahre vor unserer Zeit. Beide haben in einer Klasse zusammen Industrie-Kaufmann gelernt. Und Andreas hat später dann die Gelegenheit beim Schopf erfolgreich gepackt und das Café pachten können. Andreas, dass ist meine Kollegin Franziska. Wir machten gemeinsam die Ausbildung und wir hatten in Rechnungswesen auch euren Dozenten Friedhelm Mopp aus Michelbach im Odenwald, der ja jetzt, wie ich auch, in Sulzbach wohnt, allerdings nicht im selben Viertel wie ich und wahrscheinlich auch nicht so schön wie ich, sondern eher aufgesetzt spießig, wie halt Otto-Normal-Bürger. Ich habe ihn noch nie in Sulzbach gesehen. Falsch, das ist nicht richtig. Auf einem Altstadtfest hatten wir einen Info-Stand von der Bürgerinitiative und da kam auch unser CDU-Bundestags-Abgeordnete Riesenhubert an unserm Stand vorbei, reichte mir die Hand und gratulierte mir, dass ich(!), nicht etwa die Bürgerinitiative, dem arroganten Eschborner CDU-Bürgermeister, so erfolgreich die Stirn geboten habe. Es gibt Fotos davon, wie´s Riesenhuberle mir die Hand schüttelt, mit mir kollegial Späße macht und mir freundschaftlich auf die Schulter klopft. Ist mir zwar peinlich, aber auch wiederum spaßig, nicht wahr?“

Franziska staunte Bauklötze und erhob sich gleichfalls, das heißt, sie versuchte es, denn Andreas nahm statt dessen einen Stuhl und setzte sich zu ihnen, zwischen beide und winkte seiner Bedienung zu, sie möge ihm bitte auch das gleiche bringen. Andreas erklärte, er habe von vornherein diese Ausbildung nur machen wollen, um das Know-How des Buchhaltungswesens zu lernen, denn er wollte keinen Chef mehr über sich haben, sondern selbständig sein. Sein Medizin-Studium habe er abgebrochen, weil die Professoren in Münster, glaube er, war das, mit den Leichen in der Anatomie umgingen, wie mit Dreck, wie die Nazis eben. Als ein Prof. in einer Vorlesung streng und ernst sagte, dass Studentinnen, die ihre Tage hätten, sich doch bitte in den oberen Reihen platzieren sollten, weil er den Menstruations-Geruch so Ekel erregend fände, war Schluß. In der Anatomie-Übung wären die menschlichen Gehirne vom Prof. zu den Präparations-Tisch in seiner nächsten Nähe wie Handbälle den Studenten zugeworfen worden. Das war an einer anderen Uni, an die er gewechselt ist. Genau weiß er es aber nicht mehr, was in welcher Uni vorgefallen war Bochum oder Hannover. Er mochte daher nicht mehr Medizin weiterstudieren. Dann wechselte er das Studium. Und eigentlich wäre er Diplom Sozialpädagoge, doch den ganzen Tag mit Verhaltensauffälligen oder mit durch die Medien und Computer-Spielen aufgedrehten Schülern umgehen zu müssen, hätte ihn auf Dauer umgebracht. Daher musste er etwas anderes machen und kehrte nach Frankfurt zurück. Franzi war Feuer und Flamme und Andreas war auch nicht abgeneigt. Wie Martin wusste, waren ja beide ungebunden und so machte er sich jetzt einen Spass und fragte: „Hi Kinder. Wenn ich störe, kann ich mich ja alleine künstlerisch weiterbilden. Soll ich gehen?“ fragte er frech. Beide wurden sichtbar rot und schauten Martin böse an, konnten seinem blöden, breiten Grinsen aber nicht widerstehen, grinsten dann auch und Franzi holte aus, um Martin angedeutet eine `runter zu hauen´ weil Martin sie beide beim Flirten ertappt hat und frech sie aus dem Schmachten mit einem Eimer kalten Wasser verbal Schock therapierte.

„Es freut mich sehr, dass Ihr Gefallen aneinander gefunden habt. Ich finde das klasse! Franzi, wollen wir uns überhaupt noch die Ausstellung weiter anschauen? Denn alles zusammen würde doch auch ganz schön anstrengend werden“, stellte Martin in den Raum.

Andreas musste leider zugegeben, dass er auch nicht viel Zeit hätte und in seinen anderen Laden, das Café Nordend nach dem Rechten schauen gehen müsste, daher auch bald aufbrechen wird.


„Martin, klar gucken wir uns die Ausstellung, soweit wir können, noch an. Du wolltest mir ja auch die Kleinmarkthalle noch zeigen. Die möchte ich schon gerne kennen lernen.“ Verlegen und dabei wieder rot werdend, bat sie Martin´s Freund um dessen E-mail oder Telefon-Nummer und Andreas gab ihr beides und betonte, er würde sich über ein Treffen riesig freuen.

Sie verabschiedeten sich von einander und Martin und Franzi setzten ihren Rundgang fort. Viel Schrott war aber zu sehen: Halbierte, weiss getünchte Stühle, die an eine ebenfalls weiße Wand in über-Kopf-Höhe montiert wurden etc. Da mache solche Arbeiten nur der Name des Künstlers diese Werke zu Kunstwerken, wobei Franzi Martin in seiner Meinung Recht gab. Aber so ist es ja häufig in fast jeder Kunstrichtung, aber auch in der Politik, in der Mode und bei den Marken-Autos, wie BMW, Audi, Mercedes Benz, VW, Porsche, Ferrari, Bentley und wie sie alle heissen...

Bald beschleunigten beide das Tempo etwas und überflogen nur noch die einzelnen Objekte, scannten sie oberflächlich ab, ohne sie eigentlich noch richtig wahr zu nehmen. Irgendwann urplötzlich schlugen sie sich gleichzeitig gegenseitig vor, ob man nicht lieber Schluß machen sollte, um in der Kleinmarkthalle etwas Deftiges zu Essen und ein zwei Bier zu trinken, denn was hier noch geboten werde, wäre eh nur noch Schrott. Die automatisch anhörbare Schallplatten-Sammlung war auch noch ganz lustig, aber es würde langen, meinten beide.

Martin war glücklich, dass Franzi die selbe Eingebung hatte. Sie machten aber keine Eile und zogen es vor, langsam zu machen, „easy going“, wie es Franzi nannte.


Es war ein normaler Wochentag, daher hatte die Kleinmarkthalle bis spät Nachmittag offen. Sie waren ja schon frühzeitig mit der S-Bahn von Bad Soden reingefahren, also konnten sie noch ausgiebig die Kleinmarkthalle anschauen und dort an einem Freßstand etwas Essen und quatschen.

Als sie über den Römer zur Zeil zurückkehrten, war die Fußgängerzone proppe voll. Alles Kaufrausch-Süchtige. Martin hasste solche Einkaufs-Shopping-Promenaden. Franzi war auch kein Freund davon. Sie schauten sich die Zeil-Galerie von außen kurz an, gingen kurz rein, um sich einen Eindruck davon zu machen und urteilten: Braucht keine Sau! Und verliessen das Gebäude schnell wieder mit dem Kommentar: „Und deswegen ist Schneider in den Knast gekommen? Recht so!!!“ lachten sie dabei.

In der Kleinmarkthalle beschloss Franzi Martin vorzuschlagen, dass sie mal durchgehen und sich das Aussergewöhnliche näher anschauen mögen, es aber mehr bei einem Überblick belassen, stattdessen eher etwas essen sollten, um sich dabei zu unterhalten. Martin empfand den Vorschlag in seinem Sinne.


Martin zeigte Franzi die seines Erachtens attraktivsten Stände mit Südfrüchten, südländischen Hülsen- und Getreide-Sorten sowie Unmengen von Gewürzen, die auch ansprechend drappiert feil geboten wurden. Der Duft der Gewürze wirkte auf beide berauschend. Viele Gewürze werden auch als Rauschmittel in ihren Herkunftsländern verwendet, wovon der mitteleuropäische oder US-amerikanische Nutzer kaum eine Ahnung hat. Nur die Junkee´s und experimentierfreudigen Kids von heute kennen sich da bestens aus, erklärte Martin seiner Kollegin und dass es regelrechte Austausch-Plattformen im Internet und Foren gäbe, um Erfahrungen oder Saatgut auszustauschen. Also nicht nur die verbotenen Drogen haben einen Markt, sondern auch die legalen. Martin erklärte ihr auch, als sie am Blumen und Sämereien-Stand am Ende der Markthalle angelangt waren, dort wo sich auch im Ausgangsbereich ein Fahrradladen und gegenüber eine Remitenten-Buchladen befindet, warum der Meskal-Kaktus aus Mexico, der eigentlich verboten ist, in Deutschland bzw. in der europäischen Union als Zierpflanze frei verkäuflich sei und zeigte auf einen vollkommen unscheinbaren und häßlichen Kugelkaktus. Generell ist Martin ein Freund von Kakteen, Sukkulenten und Orchideen, eigentlich alles, was er als hübsch und natürlich empfindet. Doch der Meskal-Kaktus ist nicht sein Ding.

„Schau Franzi! Dieses hässliche Gewächs ist ein Meskal-Kaktus. Der ist bei Kiffern und pseudo-Intellektuellen als Zierpflanze äußerst beliebt. Bei einem Vereinstreffen fragte ich mal einen Toxikologen der Uni-Frankfurt, der auch in der Gerichtsmedizin arbeitet, warum man die Dinger auf jeder Kakteen-Börse und in fast jedem Blumenladen und auch hier in der Kleinmarkthalle kaufen kann. Seine Antwort war sehr überzeugend. Er erklärte, die Lichtintensität und die Spektral-Zusammensetzung des Lichtes über der Sonora-Wüste könne nur unter extremen technischen und hohem Energie-Aufwand künstlich erzeut werden. Daher haben nur die natürlichen Vorkommen des Lophophorum williamsii, so heisst dieses mit Hässlichkeit gestrafte Geschöpf Gottes mit wissenschaftlicher Bezeichnung, einen hohen Anteil an Meskalin, letztlich LSD. Man müsste schon eine Batterie aus passenden Glühbirnen direkt an ein Kernkraftwerk anschliessen, damit sich eventuell Meskalin im Kaktus bilden würde. Weiter erklärte Professor Stebs, dass es genug andere Pflanzen legal auf den Wiesen und Weiden zu pflücken gäbe, um sich rechtlich unbedentlich in den Vollrausch zu begeben. Man muss sich einfach nur entsprechend weiterbilden. Das Internet habe Türen und Tore geöffnet, sich zielgerichtet unverbindlich informieren zu können. Er bleibe aber bei seinem geliebten Bier, weswegen er ja auch die entsprechende Plautze hätte und da wären genug Drogen drinne. Gerne würde ja von der Bier-Industrie tot-geschwiegen, dass Hopfen auch nur ein Hanfgewächs sei, der zwar kein Canabinol als Droge beinhalte, doch ein Derivat von Canabinol, das nicht gelistet ist, aber die selbe Wirkung in abgeschwächter Weise zeige. Die Wirkung von zuviel Bier sei nicht der reine Alkohol-Rausch, erklärte er mir weiter, Franzi. Nicht schlecht, gelle. Da bekommt die Biersorten-Bezeichnung Rauchbier schon eine ganz andere Bedeutung. Nicht war?“ grinste Martin.


Martin bemerkte nicht, dass sich zwischenzeitlich zu der Zuhörerschafft, die sich gebildet hatte, auch ein uniformierter Polizist gesellte, der sich Martin näherte, nach dem er mit seinem Referat abschloss.


„Guter Vortrag. Eigentlich müssten wir Sie als Gast-Dozent auf die Polizei-Schule ins LKA einladen. Ihr Vortrag hat mir wirklich sehr gut gefallen!“ Klopfte der Uniformierte Martin anerkennend auf die Schulter.

„Vielen Dank für Ihr Kompliment! Leider kann ich Ihnen nicht mit einer Karte dienen, da ich keine Visiten-Karte besitze. Doch kann ich Ihnen gerne meinen Personalausweis zeigen, damit Sie sich meine Adresse notieren können, Telephonnummer und E-Mail-Adresse würde ich dann dazu diktieren. Für ein kleines Zubrot bin ich immer sehr dankbar. Aber sie sehen, Hanf-Bier ist somit nur doppelt-gemoppelt, denn im Hopfen sind ja schon halluzinogene Substanzen zur genüge drinnen.“

„Das ist mir auch neu gewesen, Herr...?“

„Bär, mein Name.“

„Herr Bär. Auch die Detailes um den Meskal-Kaktus sind mir neu und mich wunderte es auch sehr, dass der frei im Handel zu kaufen ist. Bei uns in den Schulungsbüchern für den Zoll ist er als illegal gelistet. Aber das klingt logisch. Und wie ist es mit in natürlicher Umgebung angebauten Meskal-Kaktus? Ist der auch voller Meskalin?“

„Offenbar nein. Meskalin sei zwar individuell vorhanden. Doch ist wohl auch das Alter und bestimmte Spuren-Elemente oder gar Symbiosen mit speziellen Pilzen für die Bildung von Meskalin und nicht nur das Licht Voraussetzung für eine hohe Meskalin-Konzentration. Ich tippe eher auf Pilze. Das LSD im Mutterkorn ist ja auch nur vom Pilz im Getreide-Korn gebildet worden. Ich nehme an, ein symbiontischer Pilz bildet auch das Meskalin und der Kaktus nimmt das Gift zum Schutz vor Fress-Feinden oder anderen Pilzen in sich auf und bleibt selbst dabei schadfrei. Anders, besser gesagt, so könnte ich mir das vorstellen. Oder der Pilz schafft symbiontisch die Voraussetzung durch Erschließung von Spuren-Elementen, dass der Kaktus Meskalin bilden kann. Da ist noch ein weites Forschungsfeld offen. Doch soll das mal die Drogen-Mafia selbst erforschen, statt dass ich denen auch noch gratis Anbau-Hilfen gäbe. Leider sind die natürlichen Bestände durch diese idiotische High-Society Mescalin-Konsum-Mode fast erloschen. Die Indianer in Mexico haben das Zeug nur für entsprechende Zeremonien verwendet, dass heißt die Medizin-Männer haben sich ausnahmsweise mal nicht nur mit Tequila in andere Sphären geschossen, sondern dazu noch getrocknete Kaktus-Schnitzel gekaut, um damit die Sterne am geistigen Firmament bunter zu sehen und dumm Zeuch dazu gebabbelt, ähnlich unserer Politiker ...“ führte Martin aus, worauf der Polizist lachen mußte, Franzi aber auch.

„Ich bleib bei Bier und Wein und dann und wann einen guten Schnapps. Mit Kiffen oder gar sich eine Nadel in den Arm zu stechen oder ein weißes Pulver wie Schnupf-Tabak sich einzuverleiben, kann ich kein kulinarisches Empfinden verbinden. Daher halte ich mich von so einem Mist fern. In der Schulzeit hatte ich zwar Erfahrungen machen können mit Marihuana, doch fand ich das genauso bescheuert, wie das Rauchen an sich. Schmeckt nicht und tut nicht gut. Also gleich zwei Ausschluß-Kriterien, die den Konsum durch mich verhindern. Zuviel Alkohol kann am nächsten Tag auch schlimm sein, hat aber während des Konsums geschmeckt und gut getan. Zumal meist in Verbindung mit einem guten Essen. Wenn man mit dem letzten Schluck am Abend ein-zwei Aspirin mit runter spült, ist man am nächsten Tag ohne Kater, schlechtesten Falls noch rest-besoffen. Bei den illegalen Drogen gibt es ja überhaupt kein belohnendes Erlebnis, das zum Konsum primär führen würde, außer dass man durch den Konsum der Droge an sich, zu der man ja von anderen anfänglich verführt wurde, durch ein angeblich schönes Schwindelgefühl mit Halluzinationen gelangt. Daran kann ich nichts abgewinnen“, endete Martin.

Der Polizei-Beamte lüpfte ein wenig das rechte Augenbrauen und schaute erstaunt Martin an: „Eine interessante Argumentation.“

„Nicht nur das. Diese ganzen illegalen Drogen sind in der Form, wie sie aufgenommen werden auch vollkommen unnatürlich. Natürliche Drogen an sich dienen in der Natur häufig als Belohnung für die Nahrungsaufnahme, überreifes Obst oder spezielle Pflanzen geruchlich besser aufzufinden. Beide Lebensformen haben einen Vorteil davon, denn der, der sie frisst, findet diese Nahrung leichter durch den Geruch und der Pflanze wird durch die Verbreitung der Samen aus den Früchten auch erheblich geholfen. Beide Seiten haben somit die super neu-deutsche Win-Win-Situation vor den Spekulanten und Prokern an der Börse oder in den Geld-Waschtürmen der internationalen Banken Frankfurts für sich entdeckt. Und die Konzentration der natürlichen Drogen in der Nahrung ist nicht schädlich, sondern sogar fördernd für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Auf diesem Weg verbreitete sich der Wildapfel in Europa aus dem Kaukasus. Der Braunbär liebt vergorene Äpfel und Wölfe auch. Und diese haben innerhalb der Verdauungspassage von vielen Stunden ein Bewegungsradius von leicht 30-50 km. Auch bei Marihuana, das ursprünglich einen homöopatische Grad von unter zwei Prozent THC hatte und vorwiegend die armen Leute auf dem Land zum gut Einschlafen rauchten oder sich einen Tee kochten. In meiner Schulzeit hatte Cannabis schon einen durch Zuchtwahl hochgepuschten THC-Gehalt von gut 10 Prozent in der Trockenmasse, heute durch Genmanipulation sind es schon weit mehr als 30 Prozent. Doch das ganze unnatürlich hoch-konzentrierte Zeug, chemisch aufgepeppt oder gar es durch Chemie zu einen unnatürlichen Wirkstoff umgewandelt, kann ja nur als Gift bezeichnet werden, dass wirklich nur unter ärztlicher Kontrolle appliziert werden darf und dazu zählt nach meiner Meinung nun auch das Marihuana, was kommerziell illegal vermarktet wird.“ Wie bei einer Schweige-Minute wirkte die Stille. „Und jetzt halten Sie sich fest. Als Polizei-Beamter dürfen Sie ja keine politische Meinung haben im Gegensatz zu unseren mehr oder minder geistig auf der Höhe befindlichen Landes- und Bundespolitiker, doch ich bin für die Legalisierung der illegalen Drogen, aber nur auf ärztliches Rezept. Das läßt sich besser kontrollieren und wenn es zu einer Suchtkrankheit durch Abusus kommt, gibt es keine Beschaffungskriminalität mehr. Der Suchtkranke wird nicht kriminalisiert und kann besser rehabilitiert werden und ist ein ganz normaler Mensch, der therapiert werden kann, und zwar mit sinnvoll anerkannten Methoden, wie sie die Israelis beispielsweise gut beherrschen. Lediglich die Schwarzhändler sind Kriminelle. Und zwar hochgradig, denn wer junge Leute von Gift abhängig macht, ist nichts anderes als ein mieses Dreckschwein. Das bisschen Kiffen ist nicht das Problem. Früher hatte Hanf eine Cannabinol-Konzentration von weit weniger als fünf Prozent, wie ich schon sagte, jezze genmanipuliert schon über 30 Prozent. Wenn das kein Suchtpotential ergibt. Das ist wie, wenn sie nicht ein Bier trinken, sondern gleich ein halb-Liter-Glas mit Vodka den Jugendlichen mehrmals täglich im Gruppenzwang ja nun `ein Erwachsener zu sein´ letztlich aufzwingen und den Jungen Leuten dann einreden, das würde nicht süchtig machen.... Super!“ Martin machte eine Denkpause bevor er neu ansetzte: „Doch die Hanfproblematik hatte hintergründig eine ganz andere Ursache. Die Stahl-, Erdöl- und Baumwollmagnaten in den USA sahen eine Gefahr ihrer Gewinne in der Textil-, Mineralöl- und Auto-Branche schwinden, denn selbst Henry Ford hatte die Hanf-Faser und das Hanf-Öl für seine Automoblile bereits 1920 längst entdeckt: Ein Gemisch aus Hanf-Öl und Methanol als Treibstoff und die Karrosserie aus Hanf-Faser-verstärkten Kunststoff. Die Karrosserie wog nur zwei Drittel einer Blech-Karrosse und war zehn Mal stossfester und rostete nicht. Und durch das geringere Gewicht wurde weniger Treibstoff benötigt. Hanffasern sind fast bis zur Seidenqualität fraktionierbar, Jeansstoff aus Hanffasern war unkaputtbar, was man bei Baumwolle nicht sagen konnte. Das war auch der Grund für das Verbot von Hanf in den USA. Und die hörigen Satelitten-Staaten der Ammis, im vorauseilendem Gehorsam die Deutschen, folgten stante pede nach dem 2.Weltkrieg mit dem Verbot von Hanf, obwohl sie bereits hervorragende Zuchtsorten für feinste Fasern in Seiden-Qualität aus Hanf Ende der 50iger Jahre vorweisen konnten. Wegen den bescheuerten Kiffern und den daraus resultierenden künstlich hohen THC Gehalt traut sich kein Land, Hanf als nachwachsenden Rohstoff beispielsweise zuzulassen. Alles durch den Merkantilismus der scheiß Ammi-Regierungs-Mafia, egal, ob Obama, Reagan oder Nixon drann sind oder waren. )


„Ich glaube, ich brauche nun doch Ihre Adresse Herr Bär. Ihre Ausführungen sind ja ausdrücklich nachvollziehbar stringent. Ich muß das mit meinen Kollegen und in Wiesbaden besprechen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich bin wirklich fassungslos über Ihre Argumentation. Das ist äußerst überzeugend!“

„Gerne. Ich würde aber auch sehr gerne Ihren Namen erfahren, Dienststelle et cetera“, bat Martin freundlich den Polizei-Beamten.

„Oh, Entschuldigung. Ich war so fasziniert von ihrem Vortrag, dass ich total vergessen habe, mich Ihnen vorzustellen. Doch machen wird das lieber dort drüben bei dem Metzger-Stand, der auch gegrillte Haxen, Schnitzel mit Kochkäs und so weiter anbietet. Der kommt aus dem Odenwald, wie Ihre Freundin.“ und deutete mit einm Kopfnicken und Blicken dabei auf Franzi. Franzi antwortete, „Ich stamme nicht aus dem Odenwald, sondern aus Kölle“ gab Franzi zurück.

„Entschuldigen Sie bitte hübsche Frau, dann sollte ich besser meinen Job als Polizist an den Nagel hängen, wenn ich Ihren leichten Dialekt als Bergsträsser fehlgedeutet habe“, bat Herr Zimmermann errötend um Entschuldigung, mit diesem Namen der Beamte sich nun zwischenzeitlich vorgestellt hatte.

Erst viel viel später wurde Martin bewusst (gemacht), dass es sich bei der Aussage vom Polizei-Beamten Zimmermann `stammt aus dem Odenwald, wie Ihre Freundin´ nicht um eine Fehldeutung, sondern um einen Ausrutscher und um eine Verwechslung handelte. Denn Martin seine Freundin stammt zwar nicht aus dem Odenwald, sondern gebürtig aus Bad Camberg, wohnt aber als Witwe in Heppenheim mit ihrer Schwiegermutter und ihrer Tochter mitten in den Weinbergen direkt unterhalb der Starkenburg, in der sich eine Jugendherberge befindet.


Die beiden hatten einen riesigen Hunger, daher bestellten sie sich auch etwas. Martin war frech. Aber er hatte Glück und Verständnis beim Metzger und seiner Verkäuferin, denn er bestellte sich eine gegrillte Schweins-Haxe mit Kochkäs und Bratkartoffeln. Eine äußerst ungewöhnliche Kombination, aber alles andere als von den Aromen unverträglich, sondern äußerst lecker, konnte Franzi bei ihm kostend gleichfalls feststellen. Dazu bat er aber trotzdem um etwas Meerettich. Kraut hätte womöglich auch noch dazu gepaßt, doch obwohl Martin ein Fan von Sauerkraut ist, hat er eine Milchsäure-Unverträglichkeit und nannte daher Sauerkraut `Rohrputzer´. Denn nach dem er Sauerkraut gegessen hatte, durfte er sich nicht allzu weit von der nächsten Toilette entfernen, bis alles wieder draußen war. Das hielt ihn aber nicht davon ab, oft und gerne Sauerkraut zu essen, aber nur zu Hause. Besonders sein in einem Steinbottich aus geschnittenem Weisskohl selbst bereitetes Sauerkraut, dass er auch noch mit Kräutern zusammen fermentierte und in Schweine-Schmalz in der Bratpfanne garte, mundete ihn. Hatte er kein eigenes, tat es auch das industriell gefertigte, musste aber besonders gewürzt und mit etwas Bicarbonat entsäuert werden.

Franzi bestellte sich ein Kochkäs-Schnitzel mit Pommes und Herr Zimmermann aß ein Leberkäs mit Bratkartoffeln. Doch der Leberkäs heißt ja nun nicht mehr Leberkäs und darf nur noch unter den Namen Fleischkäs verkauft werden, weil traditionsgemäß im Leberkäs genauso viel Leber drinn ist, wie in Fleischwurst. Nämlich keine! Nur die Freistaatler Bayern hatten in ihrem Dauer-Ausnahme-Zustand das Recht, Fleischkäs als Leberkäs zu verkaufen, mit oder ohne Leber drinnen.


Nachdem sich Herr Zimmermann verabschiedet hatte, schlenderten beide noch etwas in der Kleinmarkthalle herum und Martin zeigte ihr darüber hinaus, dass es auch eine Galerie in der Kleinmarkthalle gibt und im Keller ein Main-Fischer seine Karpfen und Welse am Sonnabend-Vormittag verkaufe, das aber nicht so brikelnd sei. Auf der Galerie gäbe es aus dem Vogelsberg einen Bio-Metzger, bei dem sein ältester Bruder gerne mit dem Geld seiner Frau teures Fleisch einkauft. Aber die Tiere werden mit den selben konventionellen Futtermittel-Mischungen gefüttert, wie nicht-Bio-Säue, mit dem Unterschied, dass deren Futtergetreide ohne Kunstdünger oder Pestizide angebaut werde und die Säue Gehege im Freiland zur Verfügung hätten und damit nicht im Baby-Alter von fünf Monaten und zwei Wochen mit 120 kg geschlachtet werden, sondern deswegen älter würden, weil sie keinen Zuwachs von täglich 800g schaffen, zumindest nach Bio-Richtlinien. Das Fleisch ist daher fester, zum Teil auch zäh, schmeckt aber im wesentlichen nicht anders, weil es die gleiche fade, geschmacklose Futtermischung gibt, wie bei konventioneller Schweine-Mast, nur dass das Getreide eben „bio“ ist. Die Bioland-Freigehege sind häufig auch nur Betonflächen mit Stroh ausgestreut. Die lassen sich leichter reinigen. Nur wenn sich die Schweine auch noch mit Wildkräutern, Eicheln, Bucheckern etc. auf Naturweiden oder im Wald selbst versorgen können, ändert sich auch das Aroma im Fleisch. Die Tiere würzen sich sozusagen selbst. Dass „Bio“ daher unbedingt besser schmecken muss, stimmt in Martin seinen Augen ausdrücklich nicht. Um natürliches Bio-Aroma zu erhalten, werden den Futtermischungen in der konventionellen Haltung sogar Kräuter und Eicheln beigemengt, um den Bio-Charakter zu türken, lästerte Martin, was er aus einer Fachzeitschrift entnahm.


Letztlich landeten beide abschließend doch noch in der Zeil-Galerie, eine riesigen gläserne Halle, die Martin, Franzi aber auch, furchtbar fand, nicht jedoch bevor sie im Kult-Laden „2001“ Am Kornmarkt noch mal nach Büchern und CD´s geschaut hatten.

Martin wurde es schwummrig, mit den freien Rolltreppen in die Höhe zu fahren. Er hatte nicht generell Höhen-Angst, sondern nur auf künstlichen Bauwerken oder Konstruktionen. Am Rand einer Klippe in den Alpen oder am Meer konnte er sich ohne Schwierigkeiten nähern und runterschauen. Doch auf dem Dach eines Hochhauses konnte er nicht über die Brüstung des Geländers schauen, ohne dass ihn etwas `nach unten zog´, was einem Drang entsprach, der nachdrücklichen Aufforderung zu folgen, vom Dach in die Tiefe zu springen. Er übte seit Jahren schon, indem er so oft es ging, auf den Hardtberg-Turm in Mammolshain die 98 Stufen stieg, Halbszeit seiner Lieblings-Fahrrad-Tour oberhalb vom Opelzoo in Kronberg. Es half aber nichts. Auf der längsten freien Rolltreppe hoch zum Café hatte er dieses Gefühl wieder und er klammerte sich mit aller Kraft an den Gummi-Handlauf. Runterzus nahmen sie aber auf Bitten von ihm den Fahrstuhl.


„Wie hast Du nun endlich die Ehrenamtskarte bekommen, dass Du ohne Eintritt in die Schirn durftest?“ fragte Franzi ihn, als sie nun endlich wieder saßen, diesmal aber nur einen Capuccino ohne Kuchen bestellten, da sie noch satt vom späten Mittagessen waren, aber auch keine Lust mehr hatten herum zu laufen oder weitere Eindrücke in der Kleinmarkthalle zu gewinnen. Franzi wusste nun, wo die Kleinmarkthalle an der Hasengasse ist und konnte jederzeit dort hingehen und stöbern und auch einkaufen, wenn sie wollte, sich womöglich mit Andreas auch dort verabreden, lächelte Martin. Aber im Grunde konnte sie ja fast alles selber in ihrem Aldi-Discounter kaufen, wo sie in Königstein als Fillialleiterin arbeitete und musste nicht um „gesehen zu werden“ als vermeintliche Öko-Tusse beim „Alnatura“ einkaufen gehen, um Aufmerksamkeit bei Männern zu erlangen. Sie ist eine hübsche, mitt-dreißiger Frau mit fünfzig Prozent indianischen Blutes und daher konnte sie überall einkaufen gehen und trotzdem beachteten beiderlei Geschlecht ihre Erscheinung. Die Frauen aus Neid, vielleicht auch Mißgunst, weil sie in ihrer Schlichtheit trotzdem eine Schönheit, ein Hingucker, ist, was eben wohl an ihrem indianischen Blut lag und die Männer, weil Männer einfach nur geil sind und nix anderes als Autos, Fußball und Vögeln im Hirn haben, viele saufen als Ersatzbefriedigung auch noch, andere, die sich als gebildeter empfinden, kiffen halt oder Koksen a là Friedmann & Co und ficken kleine Mädchen. Ist ja in der Presse und den Medien hinlänglich breit getreten worden. Und jetzt darf dieser Typ auch noch im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen seine eigene Talk-Show hoch dotiert betreiben. Und die Zuschauer von Talk-Shows sind in der Regel Frauen. Super. Dabei ist der Typ so eine Cellulitis-Narben-Fresse, wie der hessische Ex-Ministerpräsident... dachte sich Martin im Stillen, als er beobachtete, wie zwei abgetakelte End-Vierzigerinnen Franzi abscannten. Er könnte immer kotzen, wenn er solch ein Volk sieht, musste aber nur mitleidig lächeln. Lächeln und dementsprechend die Gesichtsmuskulatur zu betätigen, bewirkt einen leichten Endorphin-Ausstoß. Damit kann man selbst schlechte Laune vertreiben. Man muss mal versuchen, „Schlechte Gedanken“ beim bewussten Lächeln zu haben. Man muss unwillkürlich darüber lachen. Man kann beim Lächeln keine schlechte Laune haben, man kann nur schlechte Gedanken schmieden und sich über diesen Blödsinn amüsieren.


„Du weißt ja, Franzi, wie mies es mir ging, als letzten November am Vortag zum ersten Advent meine Mutter in meinen Armen ihre letzten Atemzüge tat, als ich sie Vorfand, nachdem ich am Nachmittag Tee bei ihr getrunken und wir Kekse meiner Freundin gegessen hatten. Ich war danach kurz mal in den Keller gegangen, um nach meinen Tieren zu schauen, was sie so in den Aquarien und Terrarien so treiben. Als ich keine Viertel Stunde später zurückkehrte, fand ich meine Mutter in den letzten Zügen vor. Ihr war nicht mehr zu helfen. Die Notärzte machten zwar ihre Arbeit, aber es war nichts mehr zu machen. Hammer war aber, dass ein Sanitäter die vergeblich verwendete Herz-Kanüle offenbar bei mir in die noch volle Tee-Tasse warf und ich, als der Notarzt dann weg war, noch austrank und die dicke Nadel dann im Mund hatte.

Meine Geschwister Ullrich und Magda machten mir die Hölle heiß und meine Schwester betrieb eine Rufmord-Campagne gegen mich, in dem Tenor, ich hätte meine Mutter umgebracht. Sei´s drumm. Jedenfalls meinte einer meiner Naturschutzkollegen, er müsse mich damit aufbauen, indem er mich als Kandidaten für den Ehrenamtspreis beim Landrat des Main-Taunus-Kreis nominiert. Tatsächlich wurde ich dann auch einer der Preis-Träger. Meine Freundin begleitete mich zur Preis-Verleihung am zweiten Dezember keinen Monat nach dem Tod meiner Mutter. Mir war alles andere als danach zumute, mir diesen politischen Alibi-Schwachsinn anzutun. Ich hatte ja keinen Wagen. Wie sollte ich mir auch einen leisten? Naja. Wir fuhren so um sechs am Abend los und es fing an zu schneien und schneite und schneite und in Hofheim konnte man gerade noch so den Weg erkennen, wie es zur Löwenburg ging, so dicht fiel der Schnee. Löwenburg nennt sich dieser Verwaltungskomplex im größenwahnsinnigen Stil des Hitler-Architekten Geer und in Klinker-Bauweise. Das neue Landratsamt wurde vom damaligen Landrat Löwenberg, im übrigen der Vater von der Krimi-Autorin und Schwalbacherin Nele Neuhaus, in Planung gegeben und gebaut, daher Löwenburg. Er liess ließ sich damals in Nazi-Gigantomanie für 85 Millionen Mark seinen Palast bauen, ganz so wie der Bischoff von Limburg, jüngst.

Wir gelangten in den kleinen Plenar-Saal, wo die Festveranstaltung statt fand und die überflüssigen Festreden von honoren Persönlichkeiten vor der Preis-Verleihung gehalten wurden.

Meine Freundin ist ja eine bildschöne Frau. Man konnte richtig erahnen, was ich jezze in meiner Dir bekannten euphemistischen Art beschreiben werde:

Auf der Tribüne saßen der erste Kreis-Beigeordnete, der zweite Kreis-Beigeordnete, der Landrat und deren Diener, äh Assistenten. Und alle stierten mit ihren geilen Blicken auf meine Freundin, was sie aber selbst zum Glück nicht wahr nahm. Man konnte die Geilheit von diesen Böcken in ihren Augen aus Tausend Meter Entfernung wahrnehmen. Der Landrat war dabei die Krönung. Der wandte garnicht mehr seinen Blick ab und war, wie an seinen glasigen Augen zu vermuten war, strunts besoffen. Die Kerle hatten, sag ich Dir, alle neh Latte in der Hose, dass sie ernsthaft daran arbeiten mussten, sie los zu bekommen, sobald sie mit ihrem Part der Festrede dran waren, aufstehen und zum Podium gehen mussten. Der derzeitige Landrat, der damalige erste Kreis-Beigeordnete, löste das recht geschickt und ließ sich nichts anmerken, bewegte sich elegant seitlich zum Podium mit offenem weitem Jacket und drehte sich erst direkt vor dem Podium frontal zum Publikum, um dann das Manuskript seitlich vom Latz hin zum Pult und dort abzulegen. Beim Aufstehen konnte man es aber kurz jedoch sehen. Bei der Rede fixierte er aber auffallend häufig meine Freundin, was sie aber garnicht bemerkte, denn sie guckte sich den Plenar-Saal an, die ganzen Fahnen der Käffer des Landkreises und die Dekoration und alles an, hörte auch nicht größer auf das mehr oder minder intelligente Geschwätz und Gelalle von den Papp-Nasen. Der zweite Kreis-Beigeordnete hielt von vorne herein sein Manuskript zur Rede bis zum Podium vor seinen Latz. Das Podium bot ja ab Manuskript-Ablage bis zum Boden Sichtschutz. Und der Landrat selber als letzter Redner, war vollkommen ressistent bezüglich Schamgefühl im Suff, dass er erst gar keine Anstalten machte, seine Latte zu verbergen, stolperte zum Podium, lallte seinen Stuss an Rede herunter und eine recht hübsche Assistentin übernahm nun die Veranstaltung. Sie gab die Namen der Nominierten bekannt, die brav, nach dem sie und ihre ehrenamtliche Arbeit vorgestellt wurden, einer nach dem anderen zur Tribüne emporstiegen, um ihren Preis entgegen zu nehmen, den geilen Böcken die Hand schüttelten, was man doppel-deutig nehmen kann, sich noch ein Wenig das Suff-Gelalle vom Landrat ins Ohr drücken lassen mussten und dann wieder brav zur ihrer Begleitung ins Publikum zu ihrem Platz hinabstiegen. Als Dankes-Geschenk gab es passender Weise einen bergsträßer Wein-Wanderführer. Als mein Name aufgerufen wurde und mein Tätigkeitsfeld beschrieben wurde, war nicht nur die Presse aufmerksam, wer da nun aufstehen würde, sondern auch die drei geilen Böcke waren hocherstaunt, dass da kein verkifft aussehender unrasierter Langhaar-Trottel erschien, sondern ein mit Kravatte und Anzug bekleideter, gestandener Mann neben dieser blonden Schönheit sich erhob. Allen dreien ging richtig das Maul auf, deren Kinnlade fiel regelrecht vor Staunen herab. Dem Landrat fiel die Kinnlade fast aus den Angeln, konnte sein Maul aber mit aller Anstrengung wieder schließen.“

Martin nahm einen Schluck Cappuccino und Franzi grinste kopfschüttelnd über beide Ohren. „Als dann der ganze Spuk vorbei war, wurde von der hübschen Assistentin zum Buffet im Voyer geladen, wo auch allerlei Getränke geboten wurden. Wie die Geier hechteten alle, besonders der Landrat auf das Buffet, packte sich seinen Teller mit Canapées zu einer Pyramide gestapelt voll, holte sich nenn Glas Weißwein, trank es in einem Schluck aus und nahm sich ein Neues.


Als er dann meine Freundin, mich und meinen ältesten Bruder an der Bar sah, hatte er nur noch Blicke für meine Freundin, fixierte sie und ging gerade wegs auf sie zu, in der einen Hand ein halb volles Glas, um mit der anderen Hand sich eine Gasse zu uns zwischen den anderen Gästen frei zu schieben. Hemmungslos quatschte er sie frech an, schüttete meinem Bruder die Hälfte des Glasinhaltes in seinem Suff über dessen Jacke und Hose, bemerkte das aber und entschuldigte sich nicht, sagte lediglich „macht nix, ist eh nur Wasser“ und ignorierte ihn dann wieder, um meine Freundin anzubaggern: „Wie kommt so eine schöne Frau wie sie in den Main-Taunus-Kreis?“ fragte er. Sie konterte passend: „Das frage ich mich auch. Es ließ sich nicht vermeinden, sonst hätte ich meinen Freund als Preis-Träger beleidigt und ohne mich, wäre er ohnehin nicht zu diesem Affentanz an Preis-Verleihung erschienen. Ich musste also unvermeidlich hier her kommen.“ lachte sie den besoffenen Landrat fröhlich an, „denn sonst hätte ich liebend gerne drauff verzichtet. Hätte ich vorher gewußt, was das für eine Alibi-Aufführung ist, hätte ich meinen Freund zugestimmt und wir wären daheim geblieben!“ endete sie ihren Hammerschlag gegen diesen Voll-Trottel.

„Woher stammen Sie denn wirklich, schöne Frau?“ fragte er direkt. Mich beachtete er garnicht. Meine Freundin lenkte dann die Aufmerksamkeit auf mich und der Landrat stammelte vor sich hin, „ach richtig, Sie haben ja den Sportpark im Arboretum mit Ihrer Bürgerinitiative verhindert... „Ein Glück, dass ich auch noch den Hangar im Arboretum unter Denkmalschutz gestellt habe“, log Dall. „Hätte ich den Antrag dazu nicht eingereicht, wer weiss, was mit dem wertvollen denkmalwürdigen Flugplatz-Gebäude geschehen wäre...“ Ich lächelte den Landrat an und meinte: „Herr Landrat, ich denke Sie verdrehen da etwas und bringen den Sachverhalt vollkommen durcheinander. Ich und niemand anderes hat den Antrag zum Denkmalschutz für den Hangar Arboretum gestellt. Das würde ja selbst auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sogar in der Bild-Zeitung Frankfurt richtig berichtet. Da müssen Sie Ihre Darstellungen selbst ein Wenig korrigieren. Das glaubt Ihnen ohnehin niemand mehr, nachdem mehrer Tage hintereinander in allen großen Frankfurter Tageszeitungen unter Nennung meines Namens davon berichtet wurde. Sie sind noch nicht einmal Genehmigungsbehörde. Die sitzt in Wiesbaden und nennt sich Landesamt für Denkmalschutz und nicht Landrat des Main-Taunus-Kreises... „ grinste ich, meine Berichtigung abschließend.

Der Landrat wurde sichtlich verärgert und meine Freundin strahlte vor Belustigung, wie ich den Landrat bloß stellte oder besser gesagt seine Dummheit entlarvte. An der Bar gab es viele Zuhörer, die das alles verfolgten.

Plötzlich wandte sich der Landrat, ein Lächeln auf sein verärgertes Gesicht legend, zu meiner Freundin von mir ab, sodass sie regelrecht erschrak und polterte los: „Schöne Frau, darf ich Ihnen mein Reich zeigen?“ und packte sie forsch an ihrer freien Hand und zog sie durch die Menschenmenge hinter sich her. Sie rief mich um Hilfe und ich folgte ihr sehr irritiert, was nun für ein Schauspiel auf uns zukäme....


Dem Landrat ging das natürlich an die Leber und ihm stieg die Galle hoch, aber er musste Gute Miene zum Bösen Spiel machen und lächeln, notgedrungenermaßen zustimmen, sonst wäre sicher etwas sehr schlimmes passiert, den bei mir kann „nomen est omen“ durchaus auch der Kragen platzen und dann wird aus einem Bären ein gefährlicher Grizzly-Bär, der sogar töten könnte, wenn es darauf ankäme. So riss sich meine Freundin Maria los und schlang sich um meine wohl gefüllte Hüfte und wir folgten gemeinsam den stark angeheiterten, um nicht zu sagen, stinkbesoffenen Landrat, bei dem die ungewohnt massiven Widerworte, da er überhaupt keine Widerworte duldete, von niemanden, natürlich einen ordentlichen Adrenalin-Schub auslöste, was widerum seinen Blutdruck hochschnellen ließ. Das war an seiner roten Birne zu erkennen.

Meine Freundin und ich wurden vor eine große Fensterfassade geführt, vor deren Glastür, die auf einen sehr geräumigen Balkon führte, sich der Landrat postierte, um uns diese aufzuhalten. Es schneite immer noch sehr stark, aber die Temperaturen waren relativ warm. Riesige Schnee-Flocken schwebten wie kleine Wattebäuche zu Boden. Es wirkte alles sehr unwirklich. Die Schnee-Flocken beschrieben eine Corona um die kugelrunden Laternen in der Arena der Löwenburg, den Innenhof des U-förmigen Gebäudes. Die Eisdecke des Teiches am Kreishaus, der den Übergang zu einen kleinen hübschen Park bildet, an den ein Hochzeitsbaum-Obstbaum-Grundstück anschließt, war bereits mit einer sicher zehn Zentimeter dicken Schnee-Schicht bedeckt. Der Landrat wieß uns mit der rechten Hand auf den Balkon zu treten, mit der Linken hielt er die Tür auf. Zuletzt betrat die oberste Polizei-Behörde des Main-Taunus-Kreises in Form eines immer mehr ernüchternden CDU-Politiker den Balkon. Er trat an das Geländer, schaute zu meiner Freundin, Blickkontakt einfordernd, während sie sich an mich kuschelte und holte mit seiner Rechten theatralisch-hochherrschaftlich, zu einem Halbkreis über das Geländer des Balkons formend, aus. Mit inbrünstiger Stimme, wie in einem Bühnendrama hob der Landrat an: „Schauen Sie, meine Liebe, wie schön diese Winterlandschaft ist. Das wollte ich Ihnen nur zeigen. All das ist mein Reich!“ beendete er im vollen Ernste von sich selbst überzeugt seine improvisierte, Theater-reife Aufführung. Maria, meine Freundin, glaubte nicht, was sie da hörte und wusste nicht, ob sie loslachen soll oder sich an den Kopf greifen und laut zu sich selbst vor erstaunen sagen solle „Was für ein Idiot ist das denn? Ich glaub´s ja nicht! Hab ich ja noch einmal Glück gehabt, nicht mehr in Schwalbach zu wohnen! Der ist ja vollkommen übergeschnappt!“

Ich musste einen Lachanfall unterdrücken, um meine Freundin nicht zu blamieren. Ein Glück, dass es nun relativ frisch war und die Luft feucht, nahe dem Tau-Punkt und ich nur ein Jacket anhatte, sonst hätte ich vor Anstrengung, mein Lachen unterdrücken zu müssen, sicher angefangen, wie ein Pferd zu schwitzen. Maria signalisierte mir überdeutlich, dass ich mich beherrschen solle, indem sie mir in ihrer Umarmung in meine fülligen Hüfte ihre frisch geschärften Fingernägel im festen Griff hinein bohrte. Das war unmißverständlich und ich zeigte nur ein kurzes, durch einen stechenden Schmerz verursachtes Zucken im Mundwinkel. Die Botschaft kam also an. Maria setzte intuitiv zu einer Übersprungshandlung an und übernahm das Ruder: „Ist das nicht schön! Der erste Schnee in diesem Winter und gleich so schön! Da möchte man doch am liebsten eine Schneeball-Schlacht machen, wie in der Kindheit...“ schmachtete Maria gedankenvertieft vor sich hin. Der Landrat glaubte sich zum roten Sandstein-Geländer drehen zu müssen, um aus dem Schnee auf dem Geländer einen leichten Schnee-Ball zu formen und diesen im Glauben ungestraft zu bleiben, verschmitzt andeutungsweise Richtung Maria werfen zu können. Maria reagierte prompt, machte ihm gleich, formte aber aus dem pulfrigen Schnee, so fest es ging, einen dicken Schnee-Ball und warf ihn treffgenau an die Stirn des Landrates, der ihm Reflex den Kopf noch etwas senkte, sonst wäre ihm der Schnee-Ball mitten auf´s Auge gedonnert. So zersprang er pulvrig an dessen Stirn, und zerstäubte hauptsächlich in Richtung des offenen Kragens des getroffenen Opfers und spritze ihn unters Hemd. Augenblicklich war der Landrat wieder nüchtern und hellwach, aber vollkommen irritiert. Seine Kontenenze sammelnd und legere – serieuse wirken wollend, schlug er etwas steif vor: „Lassen Sie uns wieder rein gehen. Es wird doch etwas frisch!“ und versuchte unbeholfen, noch etwas überrumpelt ob seiner eigenen Einfalt, relativ erfolglos den Schnee aus dem Hemd zu nesteln. Stattdessen rutschte dieser immer tiefer von Kragenhöhe auf die Brust und dann erschien es ihm auch sinnlos, knöpfte seinen Kragen zu und rückte, dabei diese festziehend, die Kravatte zurecht. Mich hingegen straften noch ein paar gallige, tötenden Blicke, offenbar weil ich scheinbar unbeteiligt in den Raum warf, „ach das macht nichts, das ist ja nur Wasser...“ und erntete erneut von meiner Freundin einen festen Messergriff in meine feiste Hüfte, die Maria schon wieder umschlungen hatte, diesmal, das ich nichts mehr äußern solle, sonst würde sie selber loslachen oder sich die Lippen blutig beißen müssen, um ihr Lachen zu unterdrücken.

Der Landrat bot uns beiden erneut den Weg mit seiner Rechten, diesmal jedoch von draußen nach drinnen, sichtlich erheblich reservierter. Er führte uns zurück durch das Foyée zur Bar und zog sich dann zurück. Wir erzählten das unseren Begleitern von der Bürgerinitiative, die auch zur Preisverleihung erschienen und ich meinen ältesten Bruder, der sich an der Bar mit Canapées und Wein versorgte. Maria fuhr ja und nicht ich. So konnte ich mir noch die Kante geben, wie der Landrat zuvor. Der Landrat wird froh gewesen sein, dass keine weiteren Zeugen anwesend waren, außer vielleicht an den Überwachungskameras. Doch werden sich einige über sein durchnässtes Hemd gewundert haben, oder auch nicht, wenn er womöglich im Landratsamt, wie unser einstiger Ministerpräsident und Ex-Oberbürgermeister von Frankfurt in der Staatskanzlei stinkbesoffen mit verpissten Hosen durch die Gänge gestolpert oder in diesem Zustand sogar im Aufzug eingepennt sein soll...

Jetzt kennst Du die Geschichte, wie ich zur Ehrenamtskarte gelangt bin, Franzi. Das glaubt doch keine Sau, die Storry. Und von solchen selbstherrlichen Hohlblocksteinen werden wir regiert. Du glaubst doch nicht, dass es in der Landesregierung oder in der Bundesregierung anders zugeht.“ hielt Martin sich den Bauch vor Lachen. Das Schlimme ist, wir können uns diese Hohlroller nicht selber aussuchen. Wir kriegen von den Parteien ein paar Papp-Nasen vorgesetzt, die wir alle fünf Jahre, früher alle vier Jahre, mal wählen dürfen. Doch haben wir danach keinen Einfluß mehr auf sie, dass sie Politik nach unseren Wünschen auch verwirklichen, wofür wir sie aufgrund derer falschen Versprechen gewählt haben. Und die Direktmandate werden auch vom Parteivorstand zur Wahl auf die Liste und nicht von den Partei-Mitgliedern selbst zur Wahl auf einen Listenplatz vorgeschlagen. Und der Partei-Vorstand eines Wahlkreises widerum erhält seine Weisungen von „oben“. Von wegen Demokratie: Das ist die absolute Hierachie! Innerhalb der Legislatur-Periode können wir sie nicht wieder nach Abmahnungen durch Bürger-Befragungen aus dem Amt heraus scheuchen. Bei den ollen Griechen, die die Demokratie erfunden haben, ging dies aber anders, da gab es den nicht zu verachtenden Schierlings-Becher. Aber deren System hat ja auch nur für die freien Bürger und nicht für die Sklaven gegolten, auch nicht bei den Römern. Doch deren Demokratie ging ja letztlich nach einigen Jahrhunderten auch nach und nach durch Korruption vor die Hunde. Bin gespannt, wie lange wir noch dazu benötigen.

Franzi war froh, dass Martin die Beschreibung seiner Preisverleihung auf ernstere Themen verlegte, denn sie konnte nicht mehr vor lachen und hatte schon Bauchweh und darüber hinaus auch ihre Tage, wenn auch ausklingend, ohne zu bluten. Das waren jedoch schon Unterleibsschmerzen genug ...



Sie entschlossen sich langsam, auch die Heimreise anzutreten und fuhren mit dem Aufzug ins Parterre, gingen hinaus auf die Zeil und schlenderten langsam zur Hauptwache. Bevor sie in die B-Ebene mit der Rolltreppe hinabfuhren, passierten sie noch vor der Ampelanlage an der Kaiserstraße einen Stand von pluderhosigen, Turban-bestückten Lang-Bärten, die ihnen recht aufdringlich einen Koran gegen eine satte Spende aufzwingen wollten. Martin mag keine Religionen. Schon gar keine mono-theistischen Religionen. Sie sind seines Erachtens die Vorstufe, dass dumme Volk so auf einen Führer einzupeitschen, dass der Weg zu einem Diktator nicht mehr weit ist. Man sah es an Hitler, Stalin, Mao, Mosselini, Franco, Idi Amin, Eiatolla Komeini im Iran und wie sie alles heißen. Daher fragte Martin recht beiläufig, um diese Deppen gezielt zu beleidigen: „Sind die Bärte echt oder sind das Schleier für Männer?“ und ging grinsend ohne eine Antwort abzuwarten weiter. Natürlich wetterte ihm ein Schwall von Flüchen hinterher, weswegen er lachen und Franzi auf der Rolltreppe eine Erklärung abgeben musste. Das tat er auch zu gerne. „Du bist so ein Arsch!“ warf Franzi ihm amüsiert an den Kopf. „Irgendwann stechen Dich so ein paar Ziegenficker ab!“

„Um das zu vermeiden, halte ich ja auch Abstand zu diesen Theo-Terroristen. Die Katholen haben, aber abgesehen davon, immer noch jährlich mehr Leben unschuldiger Menschen auf dem Gewissen, als alle Terroranschläge der Islamisten seit dem diese so militant geworden sind, zusammen gerechnet. Das wird aber von der Presse und von den westlichen Regierungen zensiert und verschwiegen, soll aber nicht heißen, dass mir deswegen die Ziegenficker lieber wären. Das sind die selben Drecksäcke wie die Katholen. Die wollen alle nur an die Macht und solche Hansel wie eben lassen sich in ihrem fanatischen Glauben in leichtester Weise instrumentalisieren, schicken sogar ihre eigenen Kinder mit Sprenggürtel ausgestattet in den Tod. Das ist schon alles nervig. Auch deswegen keine Kinder. Wird Zeit, dass ich irgendwo auf´s Land komme und nenn kleinen Bauernhof für mich bewirtschafte, am liebsten in Süd-Spanien. Italien wäre auch nett, aber die sind mir zu quirlig und ausserdem hat man gleich irgendwelche Mafia-Säcke am Hals, die von einem Schutzgeld haben wollen, sonst stecken sie Dir die Bude an oder bringen deine Tiere um. In Süd-Spanien kiffen die ein Bisserl vor sich hin und lassen den lieben Gott nenn guten Mann sein, versuchen die Fremden zwar auch zu betrügen, werden dabei aber nicht erpresserisch-gewalttätig. Und ausserdem sind die meisten, entgegen aller Ansichten alles andere als katholisch. Auf dem Land schon, sonst würde die Oma die Kinder enterben, wenn die aus der Kirche austreten würden. Doch sobald die Oma unter der Erde ist, sind die auch aus der Kirche draussen. Mit Hilfe weiter Bereiche der katholischen Kirche hat Franco in seiner Diktatur die Bevölkerung ausspionieren und Separatisten entlarven und ermorden lassen können. Das hat das Volk gespalten. Mehr als vierzig Prozent der Erwachsenen bekennen sich offiziel dazu, Atheisten zu sein. Insofern ist das auch ein Argument für Spanien. Katholisch bleiben sie nur, wenn es darum geht, ihre Feiertage vor der Abschaffung zu bewahren. Hammse auch Recht! Und ausserdem sind die Festveranstaltungen nach den Prozessionen in Sevilla, El Rocío, Granada oder sonst wo oder der Karneval-Umzug in Badajoz oder in Las Palmas recht schön. Wusstest Du, dass auf Teneriffa weltweit der zweit grösste Karnevals-Umzug, nach Rio de Janeiro, statt findet?“ setzte Martin hinzu.

„Echt jetzt?“ fragte Franziska rethorisch nach. „Das heißt, um solch fantastische Samba-Schulen bewundern zu dürfen, muss man nur rechtzeitig auf die Kanaren buchen, um günstig unterzukommen und man kann Wintersonne tanken und so was Tolles sich anschauen und Party feiern. Spanisch kann ich und Portugiesisch nicht. Außerdem habe ich keinen Bock auf Rio wegen der Kriminalität und auch wegen des langen Flugs dahin und außerdem kostet der soviel wie zwei bis drei Wochen Urlaub auf den Kanaren in einem ein-Sterne-Hotel inclusive Halb-Pension und Hin-und-Rückflug von Frankfurt aus. Das wäre eine Überlegung wert.

„Vielleicht einen Winterurlaub mit Andreas zusammen...“ lächelte Martin sie an. Franzi erötete ein klein Wenig, was eigentlich bei ihr recht ungewöhnlich ist, denn sie ist hart im Nehmen, denn sie ist im Heim aufgewachsen, weil ihr Vater nach Perú ausgewiesen wurde und ihre Mutter drogenabhängig war. Sie hat also aus Überlebensgründen im Heim gelernt, Emotionen zu verdecken, um keine Schwächen zu zeigen, sonst wird man im Heim von den Mitbewohnern platt gemacht. Ein reiner Raubtierkäfig, in dem man zerrissen wird, wenn man nicht lernt, sich zu wehren.

„Du willst ja gar nichts über Andreas erfahren, Franziska! Woran liegt´s? Du bist ja richtig schüchtern, wenn ich das Thema anspreche. Soooo soooo sehr verguckt?“ lachte Martin. „Musst Dich nicht vor mir schämen. Ich, aber auch Andreas beißt nicht!“ fügte Martin hinzu.


„Das weiß ich schon. Aber Du weißt, dass ich schwierig bin und auch noch anspruchsvoll dazu. Ich habe keine Lust, mal wieder und erneut ins Klo zu greifen. Verstehst Du, Martin?“

„Ja, verstehe ich. Aber da musst Du keine Angst haben. Nur weil er Sozialpädagoge ist und auch Medizin studiert hatte, ist er noch lange kein arrogantes Arschloch, vor dem man Minderwertigkeitskomplexe automatisch haben muss. Du hast trotz aller Umstände doch Abi gemacht und sogar noch besser als ich die Umschulung abgeschlossen. Gut. Das mit den Arbeitsstellen ist ja auch nicht so gelaufen. Aber offenbar scheinen die Mehrzahl der Steuerberater, zumindest die, die wir als Arbeitgeber kennen gelernt hatten, Arschlöcher zu sein, die selber keinen Bock auf ihren Job haben, anderen bei Steuer-Hinterziehen helfen und dafür auch noch nur ein Bruchteil der hinterzogenen Millionen-Beträge mit ein paar Prozent abgefunden zu werden, daheim neh nervige Luxus-Alte sitzen haben, die einem das Geld aus der Tasche zieht und aufgrund all der Umstände jeden morgen als Alkoholiker verkatert in die eigene Kanzlei kommen, eigenlich lieber kotzen und aussteigen wollen, statt diesen Mist ewig weiter machen zu müssen. Haben im Osten noch nenn Zusatz-Büro, um wenigstens einmal im Monat für eine Woche ihrer Luxus-Alten und den Alltag in Frankfurt zu entfliehen und begründen sich das selbst mit der Abschreibungs-technischen Notwendigkeit der gut laufenden Kanzlei in Frankfurt gegenüber. Und das habe ich bei jedem dieser Deppen gesehen, bei denen ich gearbeitet hatte, haben nenn tiefer gelegtes Feuerwehrauto der Marke Ferrarri in der Tiefgarage abgemeldet stehen, das sie als Wertanlage und Prestige-Objekt sich zugelegt haben. Ein lachhaftes Klientel, die Steuerberater. Sei froh, dass Du nun beim Aldi Filialleiterin bist. Da bist Du einigermaßen Dein eigener Herr und verdienst gut und bist finanziell unabhängig. Warum sollst Du da nicht selbstbewusst und stolz auf Deine Leistungen sein? Schau mich doch im Vergleich an: Ich bin Ingenieur, Steuerfach-Tarzan und dauerarbeitslos, weil alle Angst vor mir haben, mich einzustellen, dass ich mein in den Kanzleien erlangtes Know-How nutzen könnte, selbst die Steuerberater-Prüfung machen zu können. Warum bin ich denn beim letzten nicht fest eingestellt worden? Drei Monate hätten mir dann nur noch gefehlt und ich hätte die Berater-Prüfung machen können, eben weil mein Studium als Wirtschafts-Fachhochschul-Studium gewertet wird. Das wissen die alle und sind so missgünstig. Und Du willst Dich da wegen Deines Werdeganges schämen müssen, vor einem, naja, nicht sehr hässlichen Georg-Clooney, in den Du Dich verguckt hast? Ich habe mich zu schämen, weil ich so hoch qualifiziert bin und keinen Job daher bekomme. Also Schatzi, mach Dir da mah keine Sorgen wegen Andreas, gelle. Der beißt nicht und ist ein ganz ein Lieber. Der hat doch auch keinen Bock auf den allgemeinen Trott und ist deswegen ausgestiegen, hat aber auch seinem ganzen Kiffer-Umfeld die Tür gewiesen, damit er sich nicht herunter ziehen läßt. Der weiss sehr gut, was es heisst und wie schwierig es ist, sich durchbeissen zu müssen, wenn man keine Familie oder Vitamin B im Hintergrung hat. Und ausserdem findet er Fussball scheiße, ist also kein Hirn-amputierte Macho-Trottel.“ grinste Martin sie an, ihr dabei mit dem Handrücken die linke Wange streichelnd. „Soll ich Euch beiden das Händchen halten?“ lachte Martin auf einmal und erhielt dafür spontan einen derben Faustschlag auf die Brust und ein „Du Arschloch“ an den Kopf von einer sich auf einmal vor Lachen auf die Oberschenkel klatschenden Franzi, die sich fast auf den Boden vor Lachen wiegte.

„Naja“, rieb sich Martin die Brust, „an diesem Part müssten wir vielleicht noch arbeiten...“ prustet Martin mit Tränen in den Augen zurück und rieb sich die schmerzende Brust.

„Oh, da ist meine Bahn!“ rief Franzi und sprang in die sich gerade schliessen wollende Tür. Martin schaffte es gerade noch, sich durch die Schiebetüren hineinzuquetschen und Franzi guckte ihn wie ein Kuh, wenn´s Blitz an und fragte: „Was willst Du denn in meiner Bahn?“

Martin fragte nur süffisant lächelnd: „Wo steht noch Dein Wagen?“

Franzi griff sich an den Kopf und meinte nur, sich selbst als bescheuert titulierend: „Und ich will nach Niedernhausen fahren. Wie blöd muss man da sein?“

„Oder womöglich verliebt?“ fügte Martin hinzu. „Wir können ja an der Taunus-Anlage oder am Hauptbahnhof wieder aussteigen und auf die S-3 nach Bad Soden warten. Hauptbahnhof wäre mir lieber. Okay?“

Also stiegen sie am Hauptbahnhof wieder aus.


Das war ein Schock. Überall Polizei und Bundespolizei, wie der BGS heute heißt. Sie fuhren mit der Rolltreppe vom S-Bahnhof hoch in die B-Ebene und von dort aus weiter hoch in die Fernzughalle. Dort waren noch mehr Polizisten, auch mit automatischen Waffen. Das war Martin dann doch nicht mehr geheuer und er ging schnurr straks auf die nächste Polizisten-Gruppe zu und fragte unverhohlen, was denn der Anlass für dieses Aufgebot sei, nicht etwa ein Fussball-Spiel der Eintracht? „Doch, ein Eintrachtspiel gegen Dynamo-Dresden und es werden erhebliche Ausschreitungen erwartet...“ Martin bedankte sich höflich bei den Beamten und wandte sich zu Franzi um und sagte unmißverständlich, „Lass uns hier verschwinden. Ich habe keine Lust, in Krawalle mit diesen Fussball-Idioten zu geraten. Das braucht keine Sau! Wenn wir Glück haben, erwischen wir die S-Bahn noch nach Friedrichsdorf beziehungsweise Bad Homburg und steigen in Frankfurt-West erst einmal aus und dann kommt schon auch bald die nach Bad Soden.“

Martin hatte richtige Panik, denn er ahnte aus Erfahrung, dass er aufgrund seiner Bären-haften Figur gerne als Opfer für eine Mutprobe besoffener und bekiffter Halbstarker ausgedeutet wird, die im Rausch sich überschätzen, Martin so etwas auf jeden Fall vermeiden will, schon alleine, weil er auch ein paar Schrammen abbekommen könnte. Unten bei den Abfahrt-Gleisen drei und vier angekommen, wurde gerade per Lautsprecher-Ansage durchgegeben, dass die S 6 nach Bad Homburg / Friedrichsdorf einige Minuten Verspätung hätte. Es blieb also Zeit und er entfernte sich einige Meter von Franzi, um ein Pfefferminz-Bonbon-Papier in einen dreiteiligen Edelstahl-Mülltrennungs-Container zu werfen, als drei kurz-rasierte Halbstarke mit Bierflaschen in der Hand in fixierten und direkt auf ihn zu gingen. Martin ahnte schon, was nun kommt, verdrehte die Augen, griff in seine rechte Hosentasche und umfaßte sein Pfefferspay schon vorsichtshalber einmal.


„Hey Alter! Du bist doch sicher für die Eintracht!“ prohlte ihm einer von den unrasierten spät-pubertierenden, angesoffenen Halbaffen entgegen. Eine Dreier-Gruppe von Grenzschutz-Beamten, unter denen sich eine bildhübsche Blondine befand, die Martin sehr zusagte, wurde auf die Szenerie aufmerksam und unterbrach ihre Plauderei, um scheinbar unbeteiligt mithören zu können, was sich da zusammen braute.

Martin schaute wie ein Frage-Zeichen die Jungs an: „Ist heute ein Fussball-Spiel? So etwas aber auch. Da bin ich überhaupt nicht informiert drüber. Hm. Wer spielt denn gegen die Eintracht?“

Franzi beobachtete das aus Hörweite und ihr war klar, dass sie sich nicht zu Martin gehörig identifizieren lassen soll. Also blieb sie still und tat ebenso unbeteiligt.

„Wie? Das weißt Du nicht, Alter? Das kann ja wohl nicht sein! Die Eintracht spielt gegen die Ossis, gegen Dresden!“ blubberte es aus einem anderen des Halbstarken-Trios.

„Oh! Das ist aber interessant. Doch nicht etwa gegen Dynamo-Dresden.“ entgegnete Martin. „Meine Mutter, auch mein Vater, wißt Ihr Jungs, haben mich so erzogen, gastfreundlich zu sein. Daher versteht es sich, auch als gebürtiger Frankfurter, für mich von selbst, dass ich natürlich Dynamo-Dresden wünsche, dass sie das Spiel gewinnen“, fuhr Martin ruhig, im betonten Hochdeutsch fort, „ausserdem ist mein Vater gebürtiger Dresdner und darüber hinaus finde ich persönlich Fussball Abgrund tief scheiße und ist in meinen Augen eine Idioten-Sportart für Halbaffen. Und wenn ich wegen Euch kleinen besoffenen Wichsern meine S-Bahn verpasse, reiße ich Euch den Arsch bis zu den Kiemen auf und übergebe Euch im Anschluß der Polizei. Habt Ihr das verstanden? So, und jetzt verpisst Euch und seid schon artig und benehmt Euch! Ist das klar!“ Wobei Martin immer lauter wurde.

Die Buben hatten nicht damit gerechnet, dass sie eine Sturm-Frisur von Martin verpasst bekommen würden und guckten sich nur blöd an, drehten sich um und trollten sich. Martin nahm die Hand vom Tränengas und zog sie aus der Tasche, wischte sich erleichtert mit dem Handrücken die Stirn. Er war froh, dass das Poker-Spiel mal wieder geklappt hat, hätte aber auch anders ausgehen können. Das Polizisten-Trio lachte sich hingegen schlapp und schickten drei Daumen nach oben zu Martin rüber und er winkte dankend zurück. Ihm war aber alles andere als nach Erleichterung zu Mute. Er würde gerne mal so Typen richtig windelweich prügeln, dass sie sich mindestens drei Monate nicht mehr bewegen könnten. „Das ist also die Fan-Gemeinde der Fussballmannschaften bei Freundschaftsspielen. Einfach widerlich!“ dachte er sich laut. „Ja, meinte Franzi. In Köln ist es aber noch schlimmer. Aber wie Du weisst, ich bin Kölle-Fan und spielte selber in der Regional-Liga und ich weiss, was Du davon hälst“, grinste sie ihn an.


Irgendwie war Bär nun geschafft. Er war erleichtert, dass sie nun gleich wieder an der Luft waren, auch wenn es nur auf dem Hoch-Bahnsteig von Frankfurt-West war. Doch zum Glück fiel ihm noch rechtzeitig ein, dass sie ja auch in Frankfurt-Rödelheim aussteigen konnten, denn erst ab Rödelheim trennten sich die gemeinsamen Gleise von S-3/S-4 von denen der Linien S-5/S-6. Also stiegen sie erst in Rödelheim aus. Gewohnheitsmäßig kurz vorm Bahnhof Frankfurt-Rödelheim machte sich Martin bereit, in die Nidda, über die sie über eine eiserne Brücke fuhren, Strom-auf Strom-ab schnell mal einen Blick zu werfen, ob da was Interessantes zu sehen wäre. Es war aber nichts, nur dass die Nidda-Wehre wohl wegen den zur Fortpflanzung aufsteigenden Barben und Nasen, zwei Karpfen-Fischarten, geöffnet wurden, damit sie Strom-auf in die Nidda-Altarme ziehen konnten. Die Wehre an der Nidda sollten ja bald für immer offen bleiben und die Nidda weitestgehend renaturiert werden. Die durch Kanalisierung Schiffbar-Machung bis Bad Vilbel im 19.Jahrhundert war ja nicht geglückt und es kamen Lkw´s als Transportmittel nach der Erfindung des Autos auf. Treidel-Käne vom Main von Höchst hoch in die Wetterau zur Lastenbeförderung auf der Nidda waren somit überholt.


Die Bahn nach Bad Soden wäre die Nächste, die kommen müsste. Doch da irrte sich Martin. Auch die S-3 und die S-4 nach Kronberg beziehungsweise Bad Soden hatten Verspätungen.

So fuhr als nächste S-Bahn die S-4 nach Kronberg ein und eine Lautsprecheransage kündigte an, die nächste Bahn nach Bad Soden würde planmäßig in einer halben Stunde einfahren, die planmäßig jetzt einfahren sollende S-3 nach Bad Soden würde aus betriebstechnischen Gründen ausfallen. Super. Wohl wieder einer vorn Zug gesprungen, dachte Martin und lenkte sich von diesen schlimmen Gedanken ab mit einem blödsinnigen Einfall, dass das „S“ bei S-Bahn wohl Stadt-Bahn heißen soll, grübelte Martin das erste Mal für die Bahnen des FVV, jetzt RMV, nach, was das „S“ wohl bedeuten mag, sprach es aber nicht aus, um nicht als blöd vor Franzi dazustehen. Grundsätzlich ist es ihm egal, was die Leute über ihn denken. Er hält „die Leute“ ohnehin alle für unmündig, einschließlich sich selbst, gelenkt von der Werbung und der angeblich unabhängigen Nachrichten-Bericht-Erstattung der Öffentlich Rechtlichen Rundfunk-Anstalten, die alles andere als unzensiert berichten. Daher hat er kein Radio und auch kein Fernsehgerät. Sein PC ist so alt, dass er damit noch nicht einmal über Internet Dokumentationen in YouTube anschauen kann, was ihm wiederum recht Leid tut. Doch sich deswegen einen neuen gebrauchten Rechner kaufen, findet er schwachsinnig. Mit seiner Freundin trifft er sich einmal die Woche und ansonsten telefonieren sie täglich. Er hat ja eine flat-rate für Internet inklusive Telefonieren in der EU und der Schweiz.

Die Bad Sodener S-Bahn fuhr planmäßig dann auch tatsächlich ein, während die vorige außerplanmäßig eben nicht einfuhr. Während Martin vor sich so hinträumte, schaute sich Franzi die Bilder von der Ausstellung an, die sie mit ihrem Smartphone unerlaubt, aber trotzdem, gemacht hat. Yoko Ono wird’s schon verschmerzen. Hat ja als Witwe vom ermordeten Beatle John Lennon sicher genug geerbte und wird wohl auch neh Witwen-Rente bekommen. Manche Bilder zeigte Franzi ihm und sie unterhielten sich über die Ausstellung. Dann versank Martin wieder in sich und Franzi überlegte, ob sie Andreas schon anrufen soll oder es dabei belassen soll, dass sie seine E-Mail-Adresse und Telefon-Nummer einfach erst einmal in die Adressenliste auf ihrem Mobil-Telefon eintippt. Sie beließ es beim Eintippen.

Leicht müde bestiegen sie beide dann die S-3 nach Bad Soden und Martin genoß es erneut, zwischen Niederhöchstadt und Schwalbach-Limes den Blick auf den Altkönig in der Nachmittag-Sonne betrachten zu können, den sie vom Bahngleis in Rödelheim schon betrachten konnten. Er konnte sogar mit bloßen Auge das Opeljagdhaus sehen. Unterhalb davon liegt der Weinsteich. Ein Tümpel, der als Wildtränke vom Jagdherren angelegt wurde. An ihm führt nun ein Wanderweg vorbei. Vor ein paar Jahren waren er und einer Freundin, Rebecca, mit zwei ihrer Neffen im Rebstock-Bad. Das erste und einzige mal war Martin dort. Danach nie mehr. Dort müssen wohl täglich ganze Grundschulklassen reinpissen, dachte sich damals Martin, weil das Wasser ja fast nur noch aus Chlor bestand. Am Montag darauf hatte Martin seine mündliche Abschluss-Prüfung für seine Steuer-Umschulung, auf die er sich aber nicht vorbereitete, weil er ja sowieso sich nicht verschlechtern konnte, so gut hatte er in der schriftlichen Prüfung im Ronneburg-Haus in Frankfurt-Preungesheim vor der Steuerberater-Kammer abgeschlossen.

Am nächsten Tag nach dem Chlor-Bad fuhr er mit dem Radl hoch zum Weinsteich, indem er die Straße von Kronberg im kleinsten Gang direkt zum Königsteiner Ortsteil Falkenstein in Schnecken-Tempo hoch leierte, um dann am Friedhof in den Waldweg zum Tümpel einzubiegen. Auf der anderen Seite des Waldweges hangabwärts entdeckte er eine Wildschwein-Suhle und war neugierig, ob da vielleicht schon Feuersalamander-Larven drinnen wären. Dem war auch so, obgleich das für so hoch oben recht früh im Jahr, Anfang März ungewöhnlich war. Martin wunderte sich anfänglich, warum es so nach Aas roch. Doch sagte er sich, dass da wohl mal wieder von einem besoffenen Jäger ein Reh oder eine Wutz „krank-geschossen“ wurde und nun in der Nähe der Kadaver vergammeln und die frische Waldluft so aromatisieren würde, dass einem die Kotze in Kragen-Höhe aufstieg. Denn für Stink-Morcheln, die genauso appetitlich duften, war es noch erheblich zu früh im Jahr. Er kannte diesen Aas-Geruch zur Genüge aus Venezuela, wo er auf einer annähernd Tausend Quadrat-Kilometer großen Farm seine Diplom-Arbeit über Wildtierbewirtschaftung verfasste und immer wieder auf seinen Exkursionen von weitem schon riechen konnte, dass er bald auf einen Kadaver von eine Brahman-Rind oder ein Criollo-Pferd treffen würde. Meist waren es aber nur noch die Mumien der Kadaver, weil die Geier schon den Körper ausgehöhlt hatten und unter der Haut nur noch Knochen übrig waren. Viele Pferde und Kühe sind einfach an Infektionen erlegen oder an Knochen-Brüchen die aufgrund des Sadismus der Farm-Arbeiter herrührten, denn wenn so ein Vieh abkratzt, würde es ja den Großgrundbesitzer schädigen, stand als Logik dahinter. Das Leid der Tiere war diesen primitiven Menschen vollkommen außer Acht.


Dass Martin mit einem vergammelnden Kadaver richtig lag, konnte er einige Tage nach seiner mündlichen Prüfung bestätigt sehen. Doch handelte es sich um die Leiche einer Lufthansa-Stewardess, die dort in der Nähe lag. Das arme Mädchen soll von zwei Russen vergewaltigt und umgebracht worden sein, war an Steckbriefen, die überall an Laternen-Masten in Falkenstein und in der Umgebung im Wald angeklebt waren, zu lesen. Der Schlag, wo die Leiche gefunden und der Weinsteich lag, befand sich noch in der Gemarkung Kronberg. Die dreckig-rost-braun befleckte Baseball-Mütze, die dem Revierförster vom Revier Kronberg und vom Arboretum, von seinem Leonberger bei einem Reviergang damals aportiert wurde, gefiel dem Förster recht gut. Daher warf er sie nicht in den nächsten Mülleimer an einer Sitzbank in seinem Revier, sondern nahm sie mit Heim und warf sie in die Waschmaschine bei 60°C. Es war kein Dreck, sondern angetrocknetes, durch Luftsauerstoff braun gewordenes Blut von der ermordeten jungen Frau, berichtete er an einem Hüttenabend der Naturschutz-Hütte am Roten Hang. Martin war froh, dass er nicht über die Leiche gestolpert war, als er vom Weg ab zu Wildschwein-Suhle hinabgestiegen war um nach Feuersalamander-Larven zu schauen. DNA-Spuren waren durch die 60°-Wäsche somit hinüber. Spaziergänger im Wald hatten den Leichnam gefunden, die ihren Köter im Wald einsammeln mussten, weil der sich an einer Stelle fest-gebellt hatte und auf energisches Rufen und Androhung von Leckerli-Entzug sich auch nicht zurück auf den Waldweg locken ließ.

Martin änderte aufgrund dessen seine Radtour erheblich, nachdem er wenige Tage darauf auch noch schwere Explosionen unterhalb davon im Wald Richtung Hühnerbergwiesen hörte und einen Tag darauf auf dem Sockel der Gedenk-Tafel zum Andenken des am Altkönig abgestürzten Privat-Piloten Krummlauf, dem Vater eines Mitschülers von Martin und seiner Freundin, die dazugehörigen Sicherheits-Ringe der zwei Handgranaten entdeckt hatte. Vom Fahrrad geholt zu werden, indem ein paar besoffene Russen „Abwerfen“ mit Handgranaten spielten, wollte er auch nicht. So änderte er seine fast allabendliche Radtour darin, dass er stattdessen hoch nach Mammolshain zum Hardtberg-Turm Königstein radelte, zurück über den Opelzoo nach Kronberg am Schloßpark am Bleichweiher über den Quellenpark im Kronthal „Mineral-Wasser tankend“ oder im Sommer auch im mit natürlicher Kohlensäure haltigen Mineral-Wasser gespeisten Kneipp-Becken zur Erfrischung baden ging.


Plötzlich wurde es dunkel und Martin wurde aus seinen Träumen wach. Sie fuhren in den Tief-Bahnhof unter dem Marktplatz der Limesstadt in Schwalbach ein. Die nächste Haltestelle, Sulzbach-Nord mussten sie raus.

Franzi hatte bei der Bahnfahrt ab Rödelheim Martin die ganze Zeit beobachtet und war fasziniert, wie sich seine Mimik von vollkommen entspannt über Ekel bis hin zu Schrecken-verzehrt laufend änderte und fragte ihn damit überraschend, was er den gedacht hätte, als er so „tief“ in den Altkönig schaute.

Martin versprach Franzi, dass er ihr das erzählen würde, sobald sie in einem Bogen durch den Eichwald zu ihm laufen würden. Das wäre zwar ein Umweg, doch immerhin ein schöner, statt die hässlichen Reihenhäuser sich auf dem direkten Heimweg antun zu müssen. Franzi war entsetzt über die Geschichte, wie es nicht anders zu erwarten war. Die Täter sind natürlich nicht gefasst worden. Es wurde inoffiziell spekuliert, dass es wohl irgendwelche Auto-Schieber der Russen-Mafia auf der Durchreise waren, die noch nirgends polizeilich aufgefallen und daher nicht registriert waren, denn Interpol arbeite zwar schlecht, aber in solchen Fällen doch recht flüssig zusammen. Vielleicht erwischt man diese Drecksäcke ja in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Man hat ja deren genetischen Fingerabdruck durch das Sperma der Vergewaltiger. Erst einmal in der Kartei, wird alles abgeglichen, international. Da hat man keine Chance mehr.


Franzi schlug Martin vor, am Abend noch gemeinsam in Bad Soden etwas zu unternehmen. Es ist ja von ihm zu Fuß nicht weit nach Bad Soden und sie hätte Morgen erst Spätschicht, müsste also erst am frühen Nachmittag ihren Vertreter im Aldi in Königstein ablösen. Martin wandelte den Vorschlag ab in dem er meinte, man wäre heute so lange in Gebäuden gewesen, da hätte er nicht so richtig Lust, den Abend an so einen schönen sonnigen Tag auch noch in einer Kneipe abzuschließen. Man könne ja durch den Eichwald Richtung Neuenhain gemütlich laufen und auf der Anhöhe etwas in der Spät-Nachmittag-Sonne den Blick nach Frankfurt-City sich antun und dann durch die Villen-Siedlung alter Villen mit wunderschönen, großen Gärten in den Kurpark hinunter gehen, gegenüber der Königsteiner Straße in der Eisdiele Eis essen, im Anschluß etwas Einkaufen, um bei ihm dann zu kochen. Franzi war überhaupt nicht enttäuscht, sondern sagte: „Super Idee, Martin. Das wäre ein schönerer Abschluss, als einfach nur in einer Kneipe ein Bier trinken zu gehen. Die Leute interessieren mich ohnehin nicht, die Kerle schon garnicht. Bin ja nicht auf Jagd! Habe ja jetzt Andreas im Auge...“ lachte sie Martin an, „aber schon alleine deswegen, weil Deine Salat-Dressings so göttlich sind und Du so sagenhaft kochst. Das machen wir! Da freue ich mich schon drauf. Dann lass uns jetzt direkt zu Dir gehen und Sachen ablegen und gleich durch starten!“

„Mußt Du auf´s Klo oder hast Du Durst? Wasser habe ich dabei und im Kurpark gibt es auch genug trinkbare Quellen.“

„Durst hätte ich schon, doch von mir aus können wir gleich weiterlaufen, statt vorher zu Dir zu gehen.“

Martin nahm seinen kleinen Deuter-Tagesrucksack ab, den er von einer Bekannten aus dem Nachlass ihres Mannes geschenkt bekommen hatte und reichte Franzi die ungeöffnete 1,5 Liter-Wasserflasche mit Kohlensäure.

„Du bist ja verrückt, Martin, dass Du 1,5 kg Ballast den ganzen Tag schon mit Dir rumschleppst. Auf der Zeil und überall haben doch heute noch die Läden offen gehabt und ein Aldi wäre fast an der Hauptwache in der Schäfergasse gewesen...“

„Ja. Hast ja Recht. Habe sie einfach nur vergessen, aus dem Rucksack heute herauszunehmen und sie durch zwei Halb-Liter-Flaschen zu ersetzen. Aber ich sehe das nicht so tragisch, ich sehe das sportlich als Kraft-Training.“

Franzi schüttelte den Kopf und hielt sich die Hände an den nicht vorhandenen Bauch vor Lachen, „Du bist schon ein Spinner, aber ein lieber Spinner, Bär!“ küsste ihn auf die Wange und nahm ihm die Flasche ab. Sie nahm einen kräftigen Schluck und danach noch ein paar kleinere Schlucke und fragte Martin, ob er auch trinken möchte, dann würde sie die Flasche offen lassen. Er bejahte und sie gab ihm die Flasche mit nur leicht zugeschraubten Verschluss zurück. Martin trank auch kräftige Züge und verpackte die PET-Flasche wieder in seinen Rucksack, den er sogleich schulterte. Ihnen war nach Bewegung. Sie marschierten daher zügig den Hauptweg nach Schwalbach durch den Wald, bogen aber Höhe des Kreiskrankenhauses Richtung nord-westen nach links ab.

Der Eichwald ist weitestgehend langweilig. Aber Martin hat schon manchmal einen Schwarzspecht gesehen. Wildsäue soll es hier auch geben. Die hat er noch nie gesehen. Doch gibt es keine Gewässer im Eichwald, auch keinen Quellbach, daher empfindet Martin den Wald als etwas trostlos. So auch die Wildschweine, die zum Trinken an den Waldbach in Schwalbach unterhalb der Hochhäuser am Westring nachts pilgern müssen, wo die Schwalbacher Bürgermeisterin einen Wohnsitz-Adresse hat, aber in Wirklichkeit in Kronberg in einer Arme-Leute-Villa bei ihrem Ehemann wohnt.


Unweit vom Bad Sodener Krankenhaus überquerten sie die Kronberger Straße und nun wurde es etwas steiler. Sie spazierten flott, aber gemütlich einen beliebten Jogger-Pfad bergan. Der Boden ist auch schöner schwarzer Wald-Humus-Boden und kein grober Wegschotter, der den Füßen schmerzt. Doch trotz seines Hüftgoldes kam Martin beim Anstieg nicht ins Schwitzen. Oben angelangt traten sie aus dem Wald und hatten am Waldrand entlang über Schwalbach hinweg einen Blick auf die Sky-Line Frankfurt.

„Weißt Du, dass wir vor sieben Hundert Jahren hier weder im Wald gestanden, noch soweit das Auge reicht, Wald gesehen hätten. Alles kahl und Ackerland. Die Pest und der Dreißig-Jährige Krieg haben dafür gesorgt, dass der Wald wieder entstehen konnte. All der Wald war gerodet für Holzkohle zur Verhüttung für die Metallgewinnung, Gebrauchs-Keramik-Brennen oder einfach nur für´s Kochen und für´s Heizen. Weg. Nix mehr da. Das Magdalenen-Hochwasser an Rhein, Main und Donau und ihren Nebenflüssen und Unwetter in ganz Europa, weil überall die Wälder weg waren, haben dann noch den letzten Überlebenden der Pest den Rest genommen. Weil zuvor eine Dürre den Boden ausgetrocknet hatte, konnte der trockene Boden den plötzlichen über Tage hinweg dauernden Stark-Regen nicht sofort aufsaugen und die Saat auf den Feldern wurden samt Erde die Flüsse hinab geschwemmt. Richtige Schlammlawinen müssen das gewesen sein. Viel Menschen sind einfach im Schlamm ersoffen oder samt Dörfer in die Flüsse gespült worden. Man sieht diese Gräben auch noch im Limes-Stadtwald von Schwalbach. Sie werden teilweise fälschlich als alte Postweg-Routen bezeichnet. Das ist reiner Blödsinn. Ein Teil der Hohl-Wege sind Postwege, das stimmt schon. Doch die anderen sind keine Hohlwege, es sind durch die Schlammlawinen ausgewaschene Erosionsgräben.“ Franzi staunte Bauklötze: „Und nun ist Hessen das waldreichste Bundesland! Das ist kaum zu glauben!“

„Stell Dir einfach mal die Sky-Line und Frankfurt ohne Wald an allen Seiten herum vor. Die Wetterau hat ja jetzt auch kaum Wald und ist Agrar-Wüste. Drum herum um Frankfurt so naggisch ohne Wald, wie die Wetterau. Selbst der Odenwald ohne Wald. Ich kann mir das zwar nicht vorstellen, es würde aber sicher noch übler aussehen...“

„Ich finde die Sky-Line sehenswert.“ sagte Franzi.

„Es sind schon technische Leistungen, die Wolken-Kratzer. Aber im Vergleich zu der Statik eines Grashalmes im Wind, sind die technischen Leistungen der Natur unvergleichlich und die Leistungen des Menschen ein lächerlicher Abklatsch. Womöglich ist es das, was mich an der Sky-Line absolut nicht beeindruckt, sind diese Pseudo-Leistungen. Auch die sportlichen Leistungen des Menschen messe ich an dem, was in der Natur geboten wird und die Natur ist eindrucksvoller: Gewichtheben bei Ameisen, Weit- und Hochsprung beim Hunde-Floh, Schwimmen beim Taumelkäfer und unzähliges mehr. Das Rad wird pausenlos von uns Menschen neu erfunden, statt doch gleich die Natur zu erforschen mit den technischen Möglichkeiten, die wir heute haben, deren Meisterleistungen als Vorbild zu nehmen und sich danach zu richten. Ja. Ich bin ein Miese-Peter, Franzi. Aber ich habe Recht und das weiß ich!“ grinste Martin sie an. Sport betreibe ich nur, um mich körperlich fit zu halten, nicht aber, um mich mit oder an den Leistungen anderer zu messen. Das ist eh Unfug und schädigt den Körper und die Gesundheit. Es soll Spaß machen, sich zu bewegen und keinen Leistungsdruck bedeuten. Den haben wir doch schon eh die ganze Zeit. Man muss doch nur die Glotze andrehen und schon steht man als Frau unter den Druck, genauso jung und hübsch sein zu müssen, wie die dummen Fick-Mäuse, die sich in der Werbung auf Kühlerhauben von neuen Kfz-Modellen rekeln oder Rochet-Schoko-Kugeln Georg Clooney oder dessen Espresso klauen oder sonst einen Mist. Und der Alte steht unter dem Druck, eben so einen neue Limousine sich kaufen zu müssen, auf deren Kühlerhaube sich eine hübsch bebeinte Fick-Maus in der Glotze rekelt. Super!“ Martin sprach Wahrheiten an, die sonst keiner in seinem Umfeld wahrnahm. Franzi dachte wohl über das gesagte nach, kam es Martin so vor. Er umschlang ihre Hüfte und sagte: „Franzi denk nicht so viel über meinen Blödsinn nach. Es stimmt schon, was ich sage, aber es langt schon, dass man sich das gerade dann bewusst macht, wenn man sich besonders unter Druck gesetzt fühlt. Dann merkt man, dass man durch die Werbung Wünsche auf´s Auge gedrückt bekommt, die man ohne TV gar nicht haben würde, weil es eh nur Trug-Vorstellungen sind. Daher sollte man sich nicht von der Werbung und all dem Leistungsdruck fangen lassen. Das ist alles künstlich. Man macht ihn sich häufig nur selbst, diesen Stress und die Werbung will, dass man durch Konsum dieser Creme oder Kauf eines neuen Autos sich Ersatzbefriedigung schafft, die man normal nie brauchen würde. Doch solange die Sonne noch wärmt, sollten wir beide noch draußen sein. Machen wir uns daher lieber auf den Weg zum Kurpark, statt hier zu philosophieren. Das können wir nachher auch noch beim Kochen und beim Abendessen.“ Sie spazierten einen steilen Weg hinab zur Kronberger Straße, um aber zuvor Richtung Stadtmitte von Bad Soden nach rechts in die Allee namens Waldstraße einzubiegen, deren beider Fahrtrichtungen mit einem breiten Grünstreifen voneinander getrennt sind. Der Grünstreifen, aus kurz gehaltener Wiese gestaltet, auf der locker Birken wuchsen, wurde von einzelnen Sträuchern unterbrochen. Aus der Wiese wuchsen in dieser Jahreszeit verschieden-farbige Iris-Lilien und Anemonen, vereinzelt schon hier und da eine verfrühte Tulpe oder noch eine Narzisse.

Martin erzählte ihr, dass diese Allee in jeder Jahreszeit wunderschön ist, außer natürlich bei Regen im Winter, denn es blüht immer etwas. Im Vorfrühling blühen in Massen auf der Wiese Winterlinge, zitronen-gelbe Anemonen und gleichzeitig Unmengen von Schneeglöckchen, die dann nahtlos von tausenden von blass-lila-farbenen Elfen-Krokusse in ihrer Blütenpracht abgelöst werden. Auch machte er auf verschiedene Gärten der alten Villen aufmerksam, die noch Stil-voll angelegt wurden und nicht so Plastik-elastik neo-modern wie die ganz-körper-isolierten blüten-weißen Wohnwürfel, die heutzutage in schlichtester Geschmacklosigkeit von neureichen möchte-gern Brokern auf große Grundstücke gestellt werden und deren Hausfassade mit gekalkten Kieselsteinen eingefasst sind, an jeder Haus-Ecke ein Buchsbaum steht, die Bewohner aber garantiert namentlich nicht wissen, was das für ein Unkraut ist und es nur deswegen gepflanzt wurde, weil es kaum Pflege braucht, selten geschnitten werden muss, wenn überhaupt und vom Designer-Gärtner hoch-preisig überteuert für viel Geld den Hohlkörpern namens Hauseigentümer angedreht wurde. Ganz im Gegensatz zu den alten Villen hier oberhalb vom Kurpark, wo die Wiesen durchsetzt mit wild wachsenden Duft-Veilchen, Krokusse aller Farben und Anemonen erblühten. Es waren noch Park-ähnliche weiträumige Erholungsgärten im Kleinen, den Park-Anlagen englischer Herrschaftsanwesen nachempfunden und kein minimalistisches Roll-Rasen-Design geschmackloser Koks-Nasen aus der virtuellen Finanz-Welt. Franzi war überwältigt von der Schönheit der Anwesen. Wohnen müsse sie nicht darin, betonte sie. Aber es ist so schön, sich das ansehen zu können.

„In Königstein-Mammolshain gibt es auch noch tollere Anwesen. Neben dran hat man aber als Kontrast die von mir dargestellten koks-weißen Wohnwürfel futuristischer Architekten, eingebettet in einer riesen Fläche aus Roll-Rasen mit hochsicherheits-Technik Video-Überwacht, drauf gepflanzt. Hier hingegen ist diese Villensiedlung noch in sich harmonisch und nicht so grundsätzlich zerrissen, wie in Mammolshain. Da hat im übrigen die Familie meines Ex-Arbeitgebers aus Venezuela eine Villa. Bei einer Radtour ist mir auch einer seiner Leibwachen, Romulus, aus Caracas und eine seiner bildhübschen Enkel-Töchter, Cecilia, über den Weg gelaufen. Doch haben sie mich nicht erkannt, denn sie haben hier nicht mit mir gerechnet und ich hatte keine Lust gehabt, mich zu erkennen zu geben. Es war jedenfalls ein Schock für mich, das dann auch noch bestätigt zu bekommen. Ich hatte ja selbst nicht damit gerechnet. Doch Dr. Trebell hat bestätigt, dass die hier eine Villa hätten.“


Die Terrasse der Eisdiele hatte schon lange keine Sonne mehr, denn sie zeigte nach Osten und war daher von der Häuserfront am Nachmittag beschattet. Das hatte Martin nicht auf dem Schirm. Daher holten Sie sich jeder eine Eis-Waffel und gingen zurück in den Park und setzten sich in die Sonne. Als die Sonne weg war, war das Eis bei beiden auch aufgegessen und sie beschlossen nun, gemütlich einkaufen zu gehen. Tengelmann und Rewe sind beiden zu teuer und die Qualität ist auch nur eingebildet besser als bei den Discountern. Deswegen gingen sie beim Lidl einkaufen, der eingegrenzt zwischen der Sulzbacher und der Königsteiner Straße liegt. Sie brauchten nur Puten-Brust und Salat. Astrid, eine ehemalig Mietschülerin von Martin und Maria hat gerade „Dienst“ in der Leibnitz-Bäckerei im Vorraum vom Lidl und er sah sie. Doch er hatte keine Lust, sie zu begrüßen und sie nahm ihn auch nicht war. Ob sie ihn mit einer „Anderen“ einkaufen gehen sehen würde, war im ziemlich scheiß-egal und er erzählte auch Franzi, dass die Frau an der Theke, die auch noch nicht ganz unattraktiv sei, aber eben ausgeprägt gehirn-blond wie Stroh, mit ihm und Maria die Schulbank gedrückt hätte. Franzi zeigte sich besorgt, weil sie selber sehr eifersüchtig sei, doch Martin beruhigte sie, denn Maria wisse, dass beide heute zusammen unterwegs seien. Dass Astrid das Maria brühwarm auftischen würde, sei Glas klar, aber wurscht, weil angekündigt.

Daher kauften sie auch ein Baguette im Lidl, weil frisch aus dem Elektro-Back-Offen die selben vorgebackenen Industrie-Baguette und Brötchen, wie draußen im Vorraum, im Lidl um fast die Hälfte billiger sind. Alles andere hatte Martin zu Hause in seinem Kräutergarten beziehungsweise in seiner Küche. Er bereite seinen Essig und sein Salat-Öl selber her, indem er Kräuter in billigem Essig (oder Essig aus billigen Wein selbst vergoren) und in Sonnenblumenöl einlegte und somit aromatisierte. Das träufelte er einfach so über den Salat herüber, Pfeffer und Salz und damit langte es ihm. Doch ab dem Frühjahr wucherte bei ihm der ganze Kräutergarten und so holte er Büschel-weise, schon die Taschenlampe benützend, Salbei, Thymian, Rosmarin, Ysop, Oregano, Basilikum, Brunnenkresse, Brenn-Nessel-, Erdbeer- und Brombeer-Blätter ins Haus, wusch sie kurz ab und klopfte sie in einem Küchensieb einigermaßen trocken. Dann gab er sie in einen hohen Topf, einem Meßbecher, goss Öl, Essig und Wein dran, warf eine oder einige Knoblauchzehen dazu und eine geschälte und grob zerschnitten Zwiebel ebenfalls. Zucker und Salz und Pfeffer kamen auch noch dran. Das alles wurde mit Milch aufgegossen und mit einem Pürier-Stab im zylindrischen Becher klein gemixt. Fertig war das Jogurt-Salat-Dressing. Die Säure im Essig oder Zitronensaft lässt die Milch gerinnen, weswegen man auch keinen Joghurt benötigt. Abschmecken und genießen. Das gelang immer.


Zu Hause bei Martin bereiteten sie sich erst einmal einen Espresso, denn sie waren doch schon ziemlich mitgenommen. Martin wusch sich noch das Gesicht und die Arme bis zum Ellenbogen kalt, damit er wacher wurde. Franzi tat im gleich.

In der Küche packte er Putenbrust und den Eisbergsalat aus. Letzteres ist eigentlich eine fade Partie, doch mit den frischen Salatkräutern kann auch ein Eisbergsalat, zudem noch mit Martin´s Spezial-Dressing, lecker schmecken. Es ist wie mit dem Fleisch: Man kann aus dem letzten Mist was Leckeres machen, wenn man Ideen hat und kochen kann. Die meisten können es nur „regular“, heißt es im Spanischen, was durchschnittlich heißt, aber im Grunde nur „schlecht“ bedeutet.

Da beide großen Hunger durch die frische Luft und den ganzen Ausflugs-Tag hatten, entschloss sich Martin zu schnell und kurz Gebratenem. Aus der Putenbrust schnitt er mit seinem feinsten Küchenmesser Schnitzel, die er im Anschluss mit einem Gummi-Hammer feiner klopfte, salzte und pfefferte ein Wenig eine Seite des Schnitzel, legte frische Salbei-Blätter auf die eine Hälfte des Schnitzelstückes und faltete es. Mit einem kleinen Edelstahl-Spieß, mit dem eigentlich Rouladen zusammengehalten werden, steckte er die beiden gefalteten Hälften zusammen und drückte sie mit seiner Hand fest, bis alle Schnitzel so verarbeitet waren. Dann öffnete er eine Flasche Rotwein goss ihm und Franzi ein langstieliges Rotwein-Glas ein Drittel voll, riss sich ein Bier auf, setzte an, trank die Halb-Liter Flasche in einem Ansatz aus und fragte dann erst, ob Franzi auch eins haben will. „Ja“ war die Antwort und, „das habe ich auch noch nicht gesehen! In einem Zug ohne Luft zu holen, und weg war es. Du musst ja einen Brand wie eine Kuh haben, äh, wie ein Bär!“ lachte Franzi. „Ja!“ sagte er und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Es war nicht auszuhalten. Aber bevor die Hauptarbeit nicht erledigt war, wollte ich mich dem archaischen Laster des Durst-Löschens nicht hingeben, schon gar nicht mit Bier denn danach werde ich erfahrungsgemäß ziemlich faul...“ Erst dann füllte Martin einen Halb-Liter Krug mit kaltem Leitungswasser und schüttete es in einem Zug hinterher.

Franzi fragte, ob sie irgendwie helfen kann und Martin bat sie vom Eisbergsalat-Kopf soviel abzureißen, wie sie glaubt, dass beide zusammen essen würden. Er gab ihr eine Edelstahl-Schüssel, wo sie die grob zerrissenen Blätter hinein geben konnte. Martin hatte seine eigene Methode, Salat und frische Kräuter klein zu schneide. Die runden Seitenwände seiner Edelstahl-Schüsseln erlaubten ihn, mit einer Edelstahl-Buchsbaum-Schere am Schüssel-Rand in den Salat hinein zu stoßen und gleichzeitig mit der sich selbst öffnenden Schere zu zu schneiden, so dass, wenn er die Schüssel auf dem Schoß immer ein Stück weiter drehte, in kürzester Zeit fein geschnittenen Salat hatte. Die Kräuter schnitt er auf gleicher Weise in einer kleineren Schüssel noch feiner und mischte sie dann unter. Das Salat-Dressing kam erst direkt vor dem Verzehr auf den Salat. Darüber noch ein paar Fingerspitzen voll frisch gehackter Brunnen-Kresse und ein paar Scheiben Tomaten. Das hatte er bereits vorbereitet, während Franzi sich zwischenzeitlich in Martin seiner rot-gelb-rot gestreiften Hängematte etwas entspannte, nach dem er die Salbei-Schmetterlings-Schnitzel bereitete. Während er den Salat und das Dressing bereitete, konnten die ätherischen Öle des Salbei schon einmal in das Fleisch vorm Braten einziehen. Er goß vor dem Einheizen etwas Weißwein in die Bratpfanne zu den Schnitzeln und wendete sie nach einigen Minuten.


„So Franzi. Bald ist es soweit. Ich wisch den Tisch noch schnell ab und decke ihn ein und mach die Pfannen heiß. Ich möchte Bratkartoffeln dazu machen. Ich habe schön saubere Kartoffeln, die ich dafür normal nicht schäle, weil die erstklassig maschinell gewaschen sind, also die Schale dünn und sauber ist. Wenn Du die Bratkartoffeln lieber ohne Schale möchtest, müsstest Du mir das jezze sagen, bevor ich die Kartoffeln in Scheiben schneide!“

„Nein. Martin. Ich bin kein Pienzchen. Ich schäle die Kartoffeln auch nicht, wenn sie schön sauber sind.“

Super. Direkt unter der Schale sind auch die meisten hochwertigen Nährstoffe, die man sonst in die Tonne kloppen würde und auch die Aromen. Die Giftstoffe in den Kartoffeln sind soweit in den üblichen Sorten herausgezüchtet, dass man am Tag 2,8 kg frische, schon grüne Kartoffeln essen müsste, um nach einiger Zeit Vergiftungserscheinungen bei einem Erwachsenen bemerken zu können, las ich in Wikipedia oder sonst wo. Was also früher galt, muss heute an alten Weisheiten nicht mehr von Bedeutung sein. Ein Glück. Und wenn die Kartoffeln dreckig sind, kommen sie direkt im 5kg Sack bei mir in die Waschmaschine und werden mit mehreren klar-spül-Gängen einfach nur kalt gewaschen und schon ist´s erledigt. Die zehn Kilogramm Bärlauch, die ich jeden April im Niedwald an der Nidda am Hotel Ramada sammele, wasche ich auch so, allerdings mit zweifachem Schleudergang danach, bevor ich das Zeug einfriere und nach und nach mit Sonnenblumen-Öl zu Bärlauch-Pesto verarbeite.“ erzählte Martin während er die Pfannen vorheizte. Den Tisch hatte er schon eingedeckt. Franzi krümmte sich in der Hängematte vor Lachen, über die Erzählung, wie Martin sein Gemüse wäscht.

„Und frischen Spinat vom Türken vom Limes-Marktplatz drüben in Schwalbach, der ist relativ sandig. Den wasch ich auch mit der Waschmaschine allerdings nur einmal schleudern...“ setzte er oben drauf. „Dafür habe ich extra ein großes Netz aus Nylon-Gardinen genäht, damit ich das Zeug in der Waschmaschine waschen kann.“

Franzi konnte sich nicht mehr halten und ermahnte Martin aufzuhören, sonst hätte sie morgen den ganzen Tag Muskelkater und das wäre gar nicht lustig, denn morgen wird sie die Frisch-Obst-und-Gemüse-Theke als erstes in Ordnung bringen müssen und schwere Bananen-Kisten hin und her wuchten müssen, was sie normal unter Kraft-Training wegstecke, ihre Mitarbeiter allerdings als Qual ansehen würden, obwohl sie zehn Jahre jünger sind als Franzi, sagte sie.

„Dann solltest Du langsam zu Tisch kommen, denn wenn wir essen darf ich nicht reden, sagt mir meine Erziehung. Zumindest haben wir von unserem Vater, wenn wir sonntags zusammen zu Mittag aßen, immer mit dem Handrücken von ihm recht schmerzhaft auf den Mund gehauen bekommen. War schon ein Arschloch, der Typ. FDP-Alt-Nazi halt.

Martin hatte zu den Bratkartoffeln und den Salbei-Schnitzeln noch schnell ein Bärlauch-Quark aus Bärlauch-Pesto und Sahne-Quark bereitet. Er hat im Kühlschrank das ganze Jahr über Bärlauch-Pesto zur Verfügung. Das verlangt schon sein Name. Letztlich ist das aber auch nur ein Kult. Man kann genauso gut Zwiebel-Lauch statt Bärlauch nehmen und dazu ein paar Knoblauch-Zehen oder frischen Lauch vom Knoblauch-Pflanzen geben. Es sind letztlich die selben Inhaltsstoffen und Aromen. Nur „gekeimte“ Zwiebeln werden ja von der modernen Hausfrau als „schlecht“ weggeworfen. Aber Schalotten werden roh gegessen. Die Leute sind so ungebildet und das im heutigen Internet- und Fernseh-Zeitalter, wo man sich so leicht und mannigfaltig informieren und weiterbilden kann. Es ist erschreckend.

Franzi war überrascht, dass Martin so schön den Tisch decken konnte, die Teller fein mit frischer, selbst gezogener Kresse, einem Salatblatt, ein paar Salbei-Blättern und einer Tomaten-Scheibe dekorierte und alles so hübsch angerichtet hatte. Doch die Pfannen mit dem Fleisch und den Bratkartoffeln stellte er direkt auf den Tisch auf zwei Holz-Teller. Der dekorative, garantiert wohl mundende Inhalt entschuldigte diese Formlosigkeit um ein Vielfaches. In den heißen Pfannen blieben die Salbei-Schnitzel wenigstens auch heiß.

Der Bärlauch-Quark, der Salat mit dem Joghurt-Dressing und den frischen Kräutern und der leicht scharfen Brunnenkresse waren ein Traum, hervorragend zu dem deftigen, doch schnell bereiteten Gericht. Franzi konnte daran sehen, dass Martin tatsächlich während des Studiums drei Mal in der Woche in einem Restaurant in der Küche als Aushilfe arbeitete, um sich nach dem Tod seines Vaters sein Studium noch zu retten, weil er es selber finanzieren musste. Bafög bekam er keines, denn dafür war er nun zu alt. Und zu Lebzeiten seines Vaters hatte sein Vater zu viel Geld verdient, durfte ihn aber, als er krebs-krank wurde, zwei Jahre lang in den Tod pflegen, was ihm für´s Studium nicht angerechnet wurde. Geerbt hat keiner etwas, man hat alles der Mutter überlassen, wobei nach und nach seine Geschwister ihr das Geld aus der Tasche zogen bis sie nichts mehr hatte und wollten ihr auch nichts mehr zurück zahlen, besonders sein mieser Pseudo-Journalisten-Bruder, der Ober-Schwachkopf, erzählte er Franzi. Ist so, vorbei! „Doch eines der schönsten Highlights, die ich mit diesem Trottel hatte, war ein Herbst-Spaziergang zum Schwalbacher Wald unterhalb vom kleinen Feldberg am Fuchstanz, bevor diese Nutte an Opportunist sich von der Flughafen-Aktien-Gesellschaft als Redakteur der Hauszeitung hat einkaufen lassen. Erwin hatte noch lange glatte Haare bis zum Arsch“, berichtete er, aber eine Narben-Fresse wie Ronald Bäcker und stank aus dem Maul wie eine Kuh aus dem Arsch. Dass er soviel hübsche Mädchen flach legen konnte, lag wohl daran, dass er sie erst einmal mit Haschisch oder Marihuana im Sinkkasten auf der Zeil willenlos geil machte, dass sie gar nichts mehr wahrnehmen konnten und nur noch gefickt werden wollten, von wem auch immer, er sie nur noch in Pappas Zweitwagen, einen Bordeau-Farbenen Audi 80, schubsen musste und zum Durchnudeln nach Schwalbach fuhr.“ Franzi konnte sich nicht mehr halten von Martin seiner Art und Weise alles so bildlich-ordinär darstellen zu können, wobei er gar nicht bösartig das ganze artikulierte, sondern eher karikierte. Obszön - ob schön?!?

„Jetzt weiß ich auch, warum Du von Deinem Vater immer auf´s Mal beim Sonntagsbraten bekommen hattest, weil ihm sonst vor Lachen das ganze Essen aus dem Mund gefallen wäre...“

„Das war nicht ganz so. Viel eher war der Grund, weil er sonst seinen eigenen Schwachsinn als Familien-Oberhaupt nicht den Kindern und seiner armen Frau ins Ohr drücken konnte, wenn die süßen Kleinen ihn nicht zu Wort kommen ließen ...“ erklärte Martin gleichfalls die Hand vor den Mund haltend. „Wir Jungens mussten im weißen Hemd mit Schlipps oder Fliege brav am Tisch sitzend, Hände auf dem Tisch, Handgelenke etwas über die Tischkante auf den Tisch liegend warten bis Mamma das Essen für jeden auf den Teller gelegt hatte. Diese ganze Kacke war für mich ein zusätzlicher Grund, warum ich mich weigerte, mich Konfirmieren zu lassen, die Kommunion der Protestanten. Ich war ein rebellierender Protestant und schiss daher auch auf die Lutheraner genauso. Hat mir viel Prügel eingebracht. Eines Sonntags traf ich mich mit einem Klassenkameraden nach dem Mittagessen bei ihm im elterlichen Garten in der Kronberger Straße in Schwalbach. Ich durfte das Haus nur so aufpoliert in weißem Hemd und Kulturstrick um den Hals und schwarzen Stoffhosen am Sonntag verlassen. Manfred hatte auch ein weißes Hemd an und eine Fliege oder Krawatte, oder so, um. Dumm nur, dass ausgerechnet an diesem Wochenende, die Schattenmorellen, Sauerkirschen, reif waren. Wir Jungens aßen die überreifen, sauren Früchte, die aber auch schon viel Zucker hatte und danach wurden wir etwas übermutig. Wir duellierten uns: Mit Sauerkirschen. Unsere Hemden sahen aus, als wenn wir Hundertfach erschossen worden wären. Manfred bekam geschimpft, aber seine Eltern lachten darüber. Ich wusste, dass meine dummen Eltern nicht lachen würden. Dachte mir aber, „Scheiß-egal!“ Danach gingen Manfred und ich in der nahen Eichendorf-Anlage, naja, sicher etwas mehr als einen Kilometer von der Kronberger Straße entfernt, Baden und Molche fangen. Wir waren stolz darauf, dass wir auch einen hübschen Bergmolch-Mann erwischten. Der Weiher in der Eichendorff-Anlage wurde zwei Wochen zuvor sauber gemacht. Es war für die damaligen Spießer-Verhältnisse ein super schöner Weiher mit Himmel blauen Schwimmbad PVC-Anstrich mit hoher Wasser-Fontaine etc. Ich schaffte es zum Glück, dass daraus dreißig Jahre später ein Natur nahe gestaltetes Gewässer wurde. Den Obelix-Hinkelstein hätten die sich als Deko aber sparen können...

Zu Hause wieder angekommen erwartete mich eine ordentliche Tracht Prügel, die mich aber für immer und ewig als Kind davor befreite, mir diese idiotischen Klamotten sonntags anziehen zu müssen, wenn jedes Kind auch Wochenende hat, aber spielen will. Schlimm genug, dass damals die Kinder von Drachen-Weibern in der Grundschule noch von Montag-Samstag gequält wurden, irgend eine Scheiße zu lernen, die damals noch von Alt-Nazis in ministeriellen Lehrplänen vorgegeben wurden. Der alte Martin war jedenfalls abgehakt und der neue Martin mit dieser Aktion geboren. Die Prügel war es das Sauerkirschen-Duell aber alle Mal Wert, damit diese Kinder-Quälerei abgestellt zu haben“, lachte Martin abschließend.


Man beschloss Rede-Pause zu machen, damit man in Ruhe essen konnte, vielmehr das im Mund befindliche wohl gekaut den Verdauungsapparat zukommen zu lassen, bevor noch ein weiteres Wort fallen durfte. Beide kriegten sich wieder ein und prosteten sich mit Bier und Wein zu, bevor Martin doch weiter fuhr: „Um wieder auf Erwin, meinen bescheuerten Journalisten-Bruder zurück zu kommen: Jedenfalls war ja das Schreckgespenst des Waldsterbens durch den „Sauren Regen“ damals aktuell, dass aber immer noch nicht eingetreten ist und über das er sich so hemmungslos als Naturschutz-Aktivist, als Steine-Werfer an der Startbahn-West-Baustelle seines zukünftigen Arbeitgebers so ereiferte und ich mich plötzlich in Höhe des Bildstocks unterhalb des Fuchstanz an der Roten-Kreuz-Hütte nach oben schauend entsetzt äußerte, „mein Gott, der Saure Regen ist auch hier schon angekommen und die Fichten verlieren auch hier schon die Nadeln, die schon ganz gelb sind und unablässig herabregnen. Siehst Du das nicht, Erwin?“ Erwin ereiferte sich auch hier wieder und beschimpfte die Farbwerke Höchst, BASF und auch einen weiteren seiner zukünftigen Arbeitgeber, Bayer-Leverkusen. Martin grinste innerlich. Als sie wieder zu Hause angekommen waren, sagte Martin nur kurz und trocken zu Erwin: „Erwin, bei uns gibt es keinen Sauren Regen, nur im Winter Kunstschnee an den Industrie-Schornsteinen der Farbwerke. Bevor Du irgend einen Mist verbockst, lass Dir gesagt sein, es waren keine Fichten am Fuchstanz, es sind Lärchen, die verlieren jeden Herbst zu Beginn der ersten Fröste alle ihre Nadeln, jedes Jahr. Wenn Du jemals ernst zu nehmender Journalist werden willst, dann bilde Dich in der Materie fort, über die Du schreiben möchtest. Für die Bildzeitung langt Deine Schreibe jedenfalls noch lange nicht und in unserem Dorf-Käse-Blatt wird Dein Kram eh nicht gelesen. Von Natur und Ökologie hast Du jedenfalls keine Ahnung, vom Schreiben vielleicht bedingt, aber von dagegen sein und andere aufzuwiegeln, wie mich eben am Fuchstanz, das ist Deine Masche, auf die ich allerdings nicht reinfalle.“


„Meine Herren, Martin, den hast Du aber ganz schön ans Bein gepisst, aber er scheint ja auch unglaublich blöd zu sein und nur andere für seine Zwecke benutzen zu wollen. Und wie ging es weiter?“

„Mit einem atheistischem `Gott sei Dank´ hatte ich diesen Trottel dann endgültig los und er ging mir nicht mehr auf die Nerven mit seinen Versuchen, mich manipulieren zu wollen. Er ging dann dazu über, mich direkt zu schädigen und bei anderen schlecht zu reden. Doch die anderen kannten mich und ihn und ließen dann von ihm und nicht von mir, ab. Den anderen Mist kennst Du ja schon, wie er sich dann von der FAG hat kaufen lassen. Naja. So sind halt viele Charaktere unter uns Menschen. Was soll´s. Jedenfalls habe ich den, wie meine anderen Geschwister auch bald gänzlich vom Hals, sobald die Erbgeschichte durchgestanden ist. Es ist noch sicher mit verschiedenen Schlammschlachten zu rechnen, doch hoffe ich, diese durchstehen zu können. Wichtig ist, aus diesem lächerlichen Familien-Zwängen heraus zu kommen. Widerlich! Aber deswegen sollten wir das Essen nicht kalt werden lassen, gelle?“ grinste er Franzi an.

Die Salbei-Schnitzel waren auch zu köstlich. Alles ging restlos weg bis auf den vorgeschnittenen Salat. Den konnte er aber, da ja noch kein Dressing dran war, abdecken und in den Kühlschrank stellen und morgen aufessen.

Aus Spanien hatte Martin einen besonderen Likör mitgebracht, der in Deutschland vollkommen unbekannt ist und köstlich schmeckt: Eichel-Likör. Er ließ Franzi probieren und sagte, „Jetzt gibt es noch einen wunderbaren Nachtisch, aber alles nur gekauft: Walnuss-Eis mit Stein-Eichel-Likör.“

„Ja gerne. Das ist alles so lecker, was Du machst, aber danach muss ich mindestens drei Wochen fasten, aber es lohnt sich!“ setzte Franzi hinzu.

Beide waren vollgefressen bis zum Anschlag und konnten sich nicht mehr bewegen. Martin beschloss, „Franzi, komm trink noch einen Stein-Eichel-Likör und dann gehen wir noch neh Runde im Eichwald spazieren. Und schlafen kannst Du bei mir. Bis morgen werden Black-Foot und White-Head, Deine Meersäue, auch ohne Dich auskommen, denke ich mal. Du musst ja morgen nicht gleich um sechs Uhr früh in Königstein beim Aldi Gewehr bei Fuß stehen und Bananen-Kisten rumschubsen.“

Franzi nahm den Vorschlag dankbar an, im Grunde alle Vorschläge: Verdauungs-Schnaps, Verdauungs-Spaziergang und nicht mehr fahren müssen! Er gönnte sich auch noch ein Likör´chen und kostete intensiv dieses süßlich-herbe Aroma, dass wie Rost-Kastanien vom Feuer, gemischt mit Amaretto-Mandel-Likör schmeckte, einfach sensationell. Bevor er sein Gläs´chen geleert hatte, öffnete er noch eine Flasche Bier, trank diese in einem Zug aus und goß ebenfalls noch einen halben Liter Wasser hinterher, um dann erneut das Aroma des letzten Tropfens dieses sensationellen Likörs aus dem Schnaps-Glas mit der Zunge heraus zu lecken und zu genießen, bevor sie spazieren gingen. Sie wollte keinen Likör mehr.


Beim Tür-Abschließen klingelte das Telefon. Aber er hatte keine Lust ran zu gehen. Seine Freundin konnte es nicht sein, denn sie war mit ihrer Freundin auf Wanderurlaub in Tirol, wo es zwar WLAN gab, aber sie vereinbarten, in der Woche Abends nicht miteinander zu skypen, da sie ja mit ihrer Freundin unterwegs, von ihr zum Urlaub eingeladen sei und sie Petra nicht beleidigen wolle, statt mit ihr gemütliche Hütten-Abende zu verbringen, mit ihrem arbeitslosen Scheich stundenlang zu skypen. Das war schon okay so. Man konnte ja vorm Frühstücks-Buffet miteinander Skypen, wenn sie zuerst mit dem Duschen fertig war und nur noch auf Petra warten musste. „Also drauf geschissen“, dachte er sich laut mit sich sprechend, „es wird wieder nur so ein Depp sein, der wieder einen dummen Naturschützer sucht, der ihm gratis den Karren aus´m Dreck ziehen soll. Der Arsch soll auf den AB sprechen.“ „Es lebe die unbefriedigte Neugier!“ und schickte einem Stinkefinger Richtung Telefon und brachte Franzi erneut damit zum Lachen.


Sie hatten es ja nicht weit zum Eichwald. Letztlich mussten sie nur ein kurzes Stück aufwärts gehen und schon waren sie in der Straße `Am Eichwald´, von wo aus mehrere Sparzierwege in den Wald führten, die allmorgendlich von Joggern, Hundebesitzer, die ihre Hunde zum Auskacken in den Wald führten und Schülern, die mit dem Radel in die Friedrich-Ebert-Schule oder zum Albert-Einstein-Gymnasium nach Schwalbach fuhren, bevölkert wurden.


Kaum betraten sie den Wald, wurde es frischer. In heißen Sommern hatte es schon was, einen erfrischenden Wald vor der Haustür zu haben. Im Winter, wenn die Sonne tief stand, war der Schattenschlag vom Eichwald weniger ermunternd, den Tag zu beginnen, sollte die Sonne mal über Schwalbach aufgehen...

Sie spazierten eine Runde indem sie den Hauptweg durch bis zur Neuenhainer Straße gingen, von wo aus sie die einzelnen beleuchteten Wohnungen der Hochhäuser im Nachbau der Hochhaus-Ghettos der Frankfurter Nordweststadt sehen konnten. Dort wohnte einst mal ein befreundetes Pärchen, er eine extrem-Kiffer aus Fulda, der in Niederhöchstadt bei der Polizei arbeitete, aber durch interne Weiterbildung und Schulung es zur Kripo schaffte und sie, eine durchgeknallte, pseudo-Hippie-Katholin, ebenfalls aus Fulda, die Physio-Therapeutin ist und beide fremd gingen und rumvögelten, als wenn sie damit dringend ins Guinnes-Buch der Rekorde Einzug halten wollten. Hätten sie sich für´s Fremd-Gehen bezahlen lassen, wäre sie sicher beide, jeder für sich, Multimillionäre...

Die Freundschaft löste sich dann nach und nach auf, nachdem Martin bewusst wurde, allerdings relativ spät, dass er von ihr, beziehungsweise von beiden, ohnehin nur als Statist sich hat benutzen lassen, um einen Intelligenten unter sich zu haben, weil ihnen sonst zu langweilig wurde, wenn sie sich mit sich selbst in Kneipen oder Diskotheken, wie dem Nassauer Hof in Wörsdorf, den Alten Bahnhof in Bad Homburg oder die Bauern-Disko in Waldems-Esch `Club 77´ oder wie das Ding noch hieß, befassen mussten. War das eine Verschwendung von Lebenszeit, schämte sich Martin immer wieder im Nachhinein. Er ließ sich von seinen Projekten und Hobbies von solch einem Viehzeug immer ablenken, um letztlich nicht als Außenseiter zu gelten, wie er sich auch von vielen anderen Arschgeigen hat ausnutzen lassen, nur weil er nicht energisch `Nein!´ sagen konnte. Diese scheiß Gruppenzwänge. Immerhin hat er sich von Drogen, bis auf Alkohol fern halten können. Geraucht hatte er wohl eine Zeitlang, das war aber auch nur Produkt des leidvollen Gruppenzwanges. Und jetzt wohnt dieses kranke Pärchen in der übernächsten Parallel-Straße, mittlerweile verheiratet mit einer verzogenen Göre als Strafe an der Backe, wobei es nicht richtig klar ist, ob der Papa auch wirklich der Papa ist. Und sie Alkohol-abhängig. Doch ist er ihnen zum Glück nie begegnet. Das ist auch gut so.

Als Franzi und Martin Richtung Bad Sodener Wald-Krankenhaus den Rückweg antraten, hängte sich Franzi bei Martin ein und schmiegte sich an ihn. Martin wehrte sich nicht dagegen. Diese körperliche Nähe gefiel ihm sehr. Sie gelangten an die Sodener Kronberger Straße, über die sie nun aber nicht mehr gehen mussten, um wieder nach Hause zu kommen. Statt dessen nahmen sie den Weg hinter dem Reitplatz des Reit- und Fahrverein Bad Soden und gelangten nach einer Viertel Stunde an das obere Ende der Straße `Am Eichwald´, der sie am Waldrand bergab an der Kurklinik vorbei nach Hause zu Martin brachte.


Die frische Luft sorgte dafür, dass ihnen der Alkohol ordentlich in die Glieder fuhr, so dass sie daheim angekommen zwar nicht froren aber doch ganz schön kaputt waren. Franzi nahm noch eine warme Dusche, die Martin ihr vorschlug. Danach duschte er auch. Er hatte sogar noch einen einigermaßen passenden Bademantel für Franzi, der seiner verstorbenen Mutter gehörte, trotz dem Franzi ein Meter achtzig maß. Als Martin aus der Dusche kam, ebenfalls, aber seinen eigenen Bademantel trug, döste Franzi in der Hängematte vor sich hin und schaute ein Video in YouTube auf Martin seinen Großbildschirm „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Eine Liebeskomödie aus einer Gegend, in der Martin gerne leben würde, zwischen Rosenheim und Chiemsee am Fuße des Wendelstein. Bei einer Luftaufnahme hob Martin an zu erzählen, dass er als Sechsjähriger einst mit seinem Vater und seinem damals achtjährigen Bruder Ullrich mit der Zahnradbahn in den Wintermonaten dort auf der Bergstation während eines Urlaubs waren. Die Sonne schien, doch zuvor fiel Meter hoher Schnee und die Flachdächer mussten mit Schubschlitten von der Schneelast befreit werden, damit sie nicht einbrachen, wie vor einigen Jahren die Eissporthalle in Bad Reichenhall. Direkt unter der Flachdach-Kante der Wetterstation baute Martin gerade seinen Schnee-Mann und sein Vater saß mit Ullrich gegenüber im Kaffee draußen auf der Terrasse. Sein Vater genoss die Wintersonne und achtete nicht auf Martin, berichtete er. Doch Ullrich beobachtete Martin und warnte seinen kleinen Bruder nicht, als gerade eine Ladung mit dem Schnee-Schub-Schlitten von einem Gewicht mehrerer Zentner Schnee direkt auf Martin abgeladen werden sollte und auch Punkt genau auf seinem Kopf niedergingen. Ullrich lachte sich schlapp, sein Vater rannte aufgeschreckt zu Martin und knallte ihm erst einmal eine, um danach erst zu schauen, ob Martin etwas abbekommen hätte. Es waren auch keine Flatterbänder zur Absicherung angebracht, so dass mit keiner Gefahr zu rechnen sei. Aber man empfand es allgemein nicht als nötig, Martin ins Krankenhaus zur Untersuchung zu fahren. Eine Halswirbelsäulen-Stauchung war zu erwarten. Das Genick hätte durch sein können und Ullrich lachte sich weiterhin zynisch dumm und dämlich, erzählte Martin Franzi, als ob er gehofft hätte, Martin würde dabei drauf gehen. Sie waren zwischenzeitlich mit dem Likör und Bier in Martin sein Riesen-Bett umgezogen, was er sich selbst aus Lärchen-Holz gebaut hatte und übrig von einer unnötigen Balkon-Sanierung seines Elternhauses blieb. Martin erzählte weiter, dass sie zu siebt in der Gießener Straße Nr. 136 im obersten Stock gewohnt hatten, gegenüber vom Ronneburg-Haus, wo sie ihre schriftliche Steuerfachangestellten-Prüfung absolvierten, Franzi ein halbes Jahr später als Martin. Am Parkplatz vom Ronneburg-Haus war ein Hügel als Aushub aufgehäuft, auf dem Martin als Kleinkind gerne spielte, erzählte er. Der Hügel war seit den vergangenen Jahrzehnten schön bewachsen mit Zwergmispeln, Cotoneaster und Potentilla, aber auch ein Feld-Ahorn thronte obenauf, erinnerte sich auch Franzi, zumindest erinnerte sie sich an einen Baum. Damals als Fünfjähriger spielte Martin mit anderen Kindern auf dem Hügel „Cowboy und Indianer“ berichtete er und die „großen Kinder“ spielten „Dart“ mit echten Metall-Spitzen. Unter den Großen war auch Ullrich mit seinem Freund Holger Kaiserwetter. Ullrich fing auf einmal an, Dart-Pfeile auf Martin zu werfen. Holger lief entsetzt weg und in der Knie-Scheibe und Stirn von Martin blieben jeweils ein Pfeil stecken. Holgers Mutter kam aufgelöst angerannt, klebte Ullrich eine gepfefferte, nahm die Dart-Pfeile weg und brachte Klein-Martin zu seiner Mutter, die für ihre Brut gerade das Raubtier-Futter bereitete. Ullrich hatte keine Konsequenzen daraus ziehen müssen.

Ein weiteres Beispiel war, wie Ullrich Martin ersaufen lassen wollte. Deren Vater als Bauingenieur hatte einen Kollegen bei der Hessischen Landgesellschaft, der in Steinau an der Straße im Hessichen Spessart ein Ferienhaus mit Schwimmbad und Forellenteich besaß, wohin sie im Sommer immer wieder eingeladen wurden. Seine Frau hatte eine Firma namens Treppenjäger. Martin angelte für sein Leben gerne und erfreute sich als Kind schon an Schlangen und Blindschleichen und anderen Eidechsen. Das fand er auch dort alles und konnte auch angeln. Herr Jäger hatte einen Narren ein klein Moppel-Martin gefressen, was wohl Ullrich eifersüchtig machte. In einem unbeobachteten Augenblick lockte Ullrich den Nicht-Schwimmer Klein-Martin zum Schwimmbecken, er solle doch auch rein springen, es wäre nicht tief und er müsse keine Angst haben. Er zwang regelrecht Martin und beschimpfte ihn als Feigling und kleinen dummen Fettsack bis Martin endlich sprang. Das Wasser war natürlich für den Drei-Käse-Hoch viel zu tief und Martin soff ab. Ullrich stieg aus dem Schwimmbecken über die Edelstahlleiter, von der er Martin weit genug weggelockt hatte, so dass Martin nicht an sie heranreichen konnte und Ullrich verduftete, als wenn nichts gewesen wäre. Der ältere Bruder Erwin sucht Klein-Martin und fragte Ullrich, wo er sei und dieser log, dass er keine Ahnung habe. Er wollte Martin also ersaufen lassen. Erwin suchte in Hausnähe Martin und hörte ein Rufen und planschen und fand Martin um sein Leben ringend strampelnd im Pool. Erwin sprang rein und rettete seinen jüngsten Bruder und pumpte ihm das Wasser aus Bauch und Lunge.

All solche Erlebnisse verfolgten Martin durch sein ganzes Leben mit seinem Bruder, als ob Ullrich seinen jüngsten Bruder mit festem Willen umbringen wollte. Auch als er ihn in Venezuela besuchte, wo er auf einer Hundert-Tausend Hektar Farm „Hato el Frío“ eine Zeit lang arbeitete. Schließlich änderte Martin seine Zweifel und meinte, dass offenbar die Eifersucht und die Missgunst um die Mutterbrust des Zweit-Jüngsten gegenüber dem Jüngsten offenbar doch so stark sei, dass dieser wohl umgebracht werden solle, damit der Zweit-Jüngste länger an Mammas Brüsten weiter saugen konnte. Das eskaliert nun um so heftiger in den Erbauseinandersetzungen. Doch worin läge der biologische Sinn, fragte er sich selbst, Franzi dabei anschauend. Franzi näherte sich Martin, zog ihre Bettdecke über Martin, küsste ihn leidenschaftlich zärtlich, öffnete seinen Bademantel und streichelte ihn über den Bauch bis unter die Gürtellinie. Alsbald fielen sie in Ekstase mit Pausen immer wieder über einander her, bis sie endlich erschöpft einschliefen.


Am nächsten Morgen wurde Martin vom Kaffee-Duft wach, den Franzi bereits aufgebrüht hatte. Sie war sogar schon Croissants beim Schnell-Bäcker im Lidl kaufen. Der Rest war ja schon im Kühlschrank: Butter, Käse, Milch, Wurst und Brombeer-Feigen- sowie Quitten-Marmelade, die Martin selber bereitete, jedes Jahr 20 kg Früchte -mehr, als er selbst verbraucht- und verschenkte sie an Freunde zu Geburtstagen oder einfach so. Nur den Kastanien-Honig, den machte er nicht selbst. Er würde gerne Bienenstöcke haben, doch alles zu seiner Zeit. Vielleicht irgendwann einmal in Spanien.

Martin frühstückt sonst nie oder selten, nur wenn seine Freundin über Nacht blieb. Er begnügte sich mit zwei sehr gehaltvollen Mahlzeiten, die ihn vollschlank bleiben ließen. Er trank meist nur Schwarzen Tee mit Milch gesüßt mit Süßstoff und hieb dafür mittags, besonders aber abends um so kräftiger hin und gönnte sich dazu noch ein Six-Pack, meist noch als Krönung ein-zwei Schnaps-Gläser vom selbstgekelterten Weißwein obenauf, ein Riesling, den er bei einem Besuch vom Kloster-Eberbach als Zweig einst mit seinem Vater vor dreißig Jahren mal abschnitt, tatsächlich auch zum Anwurzeln brachte und an der Hauswand heranzog. Selbstverständlich illegal, da Wein-Reben in der Europäischen Union wegen der Reblaus nur auf resistenten Unterlagen gepfropft gezogen werden dürfen, um ein erneutes Aufkommen der Reblaus zu verhindern, die einst viele Winzer in den Ruin trieb. Die Reblaus ist ein Ammi. Die Reblaus-resistente Unterlage auch.


Franzi und Martin frühstückten im Bett. Franzi bereitete einen provisorischen Tisch für´s Bett und stellte noch obendrauf einen brennenden dicken Kerzen-Stumpen. Auch fand sie hübsche Servierten, die sie in Martin´s Junggesellenhaushalt gar nicht erwartet hatte und zauberte einen wunderschönen Frühstücks-Tisch. Martin stand auf, weil er Pippi machen musste, putze sich die Zähne und ging in seinen Vorgarten, wo er noch schnell ein paar hübsche Blümchen schnitt, blühenden Salbei, Thymian und Rosmarin und eine leuchtend rosa blühende Rispe einer Schmetterlings-Blume, die den hässlichen Namen „Purpurfarbene Brandblume“ trägt. Die hatte er vorletztes Jahr aus der Extremadura mitgebracht, wo er zu einer Naturschutz-Tagung nach Sevilla eingeladen war und einen Abstecher in die Sierra Morena machte, bei der Gelegenheit ein paar kleine Fincas besichtigte. Zafra war sein Traum, dort landen zu können, erzählte er Franzi die Geschichte über die hübsche Blume mit dem hässlichen Namen. Er berichtete, dass an seinem Geburtstag, am 07.Oktober in Sevilla ein Europa-Treffen der Hells-Angels statt fand und von denen der gesamte Platz der Kathedrale von Harleys voll war, voller Typen wie die von ZZ-Topp und gerade starteten, als er am Abend eintraf, um in seine Herberge, das Sevilla-Inn, zu gelangen. Die Harleys fuhren mit einem dröhnenden Donnern alle an ihm durch die Gasse der Stierkampfarena vorbei, von der es einen Nachbau in Caracas, der Hauptstadt von Venezuela gibt und die er beide kannte. Der Boden vibrierte und die Guardia Civil ließ sich nicht lumpen und wartete gleichfalls, aber schwerbewaffnet mit Harleys auf und eskortierte das Rocker- Aufgebot durch ganz Sevilla. Martin konnte das auch filmen. Er war vollkommen überwältigt von diesem Schauspiel der Rocker, die dieses Spektakel an seinem Geburtstag veranstalteten. Franzi war ganz fasziniert von Martin seinen Darstellungen, dass der Boden und die Luft vibrierten, als ob Panzer-Kolonnen durch die Gassen rollten, führte er fort. Und die dazugehörigen Weiber, die natürlich bei diesem ganz-Körper-tätoviertem Chauvi-Drogen-Dealer-Zuhälter-Pack hinten auf dem Sozius sich an ihren Alten wie ein Äffchen festkrallen mussten, hatten natürlich alle ein Arsch-Geweih, feixte Martin und bracht Franzi zum Prusten, so dass sie sich fast verschluckte, weil sie gerade am Herunter-Schlucken eines Bissens vom Croissant mit Butter und Brombär-Marmelade war, der zwar gut gekaut trotzdem noch blättert... Blätterteig eben... Er konnte Franzi die Videos von diesem Ereignis, als das es Martin auch ehrlich empfand, auf seinem Laptop vorführen.


Martin hatte etwas Bammel, weil er nicht gerne log und daher war er froh, dass Maria, seine Freundin, heute keine Gelegenheit hatte, ihn aus ihrem Urlaub am Vormittag an zu skypen. So ging es eben unter, da beim nächsten Skype-Video mit seiner Freundin es nicht thematisiert wurde, was er so „getrieben“ hatte(dass Franzi bei ihm und mit ihm gepennt hatte), sondern nur sie von ihren traumhaften Wandereindrücken in den Tiroler Alpen berichtete. Für eine längere geführte Tour mussten sie und ihre Freundin schon, oh Schreck, im Morgen-Grauen aus den Federn. Damit erübrigte sich das alles, dass sie nicht, wie gewohnt und es auch für Marias Urlaub so verabredet war, miteinander skypen konnten und verlor sich in ihren Erzählungen. Maria wusste aber, dass Martin mit Franzi in der Schirn bei der Yoko-Ono - Ausstellung sein wollten. So konnten sie ohne große Beklemmungen das Frühstück im Bett genießen.

Franzi raucht. Also musste sie nach dem Frühstück wieder aufstehen zog sich den Bademantel an, unter dem sie in ihrer ganzen Schönheit nackt war, drehte sich eine Zigarette „Schwarze Hand“ und setzte sich vor die Haustür auf ein Kissen, das ihr Martin aufnötigte, damit sie sich ihren Hintern nicht verkühle oder gar eine Blasen-Entzündung hole, in die Sonne und qualmte. Martin raucht auch dann und wann, aber Zigarillos, Schwarze, die aber auch über Lunge und nur dann, wenn er zu viel nach seinem guten Essen getrunken hatte. Das kam aber selten vor. Sein Essen war aber immer gut, befanden spontane Gäste, die immer wieder bestätigten, sie als Single würden nie für sich so einen Aufwand für das Essen-Bereiten betreiben, was Martin aber damit konterte, dass er lieber lecker koche, als seine wertvolle Zeit mit Fernsehen zu vergeuden und sich verblöden zu lassen, um sich irgendeinen Fast-Food-Mikrowellen Convenience-Fraß in den Hals zu schieben oder essen zu gehen(was er sich sowieso nicht leisten konnte), denn er weiß, wie es auch in guten Restaurant-Küchen zu geht, aber mangels amtlicher Kontrolle so gut wie nie aufgedeckt werden würde. Außerdem würden dort in der Regel auch Fertiggerichte häufig nur in die Mikrowelle gestellt oder in einem Heißwasser-Bad erwärmt und auf dem Teller nur mit frisch gehackter Petersilie oder dergleichen bestreut und fertig. Dafür gab man ihm aber ausnahmslos immer Recht, auch wenn die Befürworter an ihrem Lebensstil nichts änderten.

Martin hatte aber auch eine Mikrowelle, aber nur um das eigene Essen warm zu machen, denn Mikrowellen sind Energie sparender als normale elektrische Herdplatten. Und dass man, wenn man sein Essen in der Mikrowelle warm macht, dann automatisch zu einem Gen-manipulierten Mais-Kolben mutieren würde, konnte er nicht so richtig glauben, trat er mit dieser Argumentation gerne irgendwelchen Öko-Ärschen in die Klöten, die Mikrowellen schlecht redeten. Allen voran seinem ältesten Bruder, bis der sich irgendwann auf Betreiben seiner Frau in die Küche eine stellte und sein ewig scheiß-kluges Maul hielt.

Franzi hatte ihre Nikotin-Sucht befriedigt und kehrte zu Martin zurück ins Bett. Martin hatte den Bademantel an, Franzi auch aber nicht zu gebunden. Martin drückte sie daraufhin ganz fest an sich, ohne ihr weh zu tun und küsste sie erneut

Franzi wurde nachdem sie sich abermals ausgeruht hatten unruhig und meinte, sie müsse nun doch langsam sich auf den Weg machen und möchte sich zuvor aber noch duschen und spöttelte, das müsse sein, denn wenn ihre Mitarbeiterin diesen hemmungslosen Sex an ihr riechen würden, würden sie womöglich nach der Schicht in der Fußgängerzone oder im Gerichtspark in Königstein über jegliche Männer herfallen und wegen Schwangerschaft und Mutterschaft ausfallen und sie würde dann ganz alleine den Aldi schmeißen müssen, worauf sie aber keine Lust hätte. Martin musste lachen und äußerte, der hätte von ihm sein können, worauf Franzi entgegnete, dass es sein kreativer Einfluss auf sie sei, solch eine Logik entwickelt zu haben, in der Form um die Ecke denken zu können. Am liebsten würde sie bleiben, aber sie müsse nun mal um 14 h die Schicht übernehmen und verschwand unter der Dusche. Martin duschte nicht nach ihr. Er wollte noch den ganzen Tag nach Sex und Franzi riechen. Ein Duft, den kein Parfum-Designer je entwickeln könnte. Martin freute sich schon auf Maria, lächelte er.

Martin blieb im Bademantel und nach der Dusche warteten passgenau ein Espresso und ein paar Sesam-Honig-Plätzchen auf Franzi. „Davon werde ich doch nur fett!“ schimpfte sie gespielt. „Franzi, daher habe ich Dir auch einen kleinen Schwarzen gemacht und noch was Süßes dazu. Davon wirst Du aber ganz sicher nicht dick, denn wir waren ja ganz schön Feuer und Flamme. Das hat genug verbraucht. Da müsstest Du heute noch zwei Liter Walnuss-Eis essen, um auf Dein Super-Idealgewicht wieder zu kommen.“

Franzi trank zum Espresso noch ein Glas Wasser, zog sich an, nahm ihre Sachen, biss Martin ins Ohr zum Abschied an der halboffenen Wohnungstür und hauchte ihm ins Ohr: „Bis heute Abend, mein Stier.“ Martin packte sie ein letztes Mal an den Hüften mit der Rechten, griff mit der linken in ihr volles, langes, glattes, schwarzes Indianer-Haar, drückte seinen Mund an ihren und sie küssten sich noch einmal leidenschaftlich-gierig.

Am Auto angelangt, winkte sie und Martin ihr zurück. Er schloss die Wohnungstür, ging wieder ins Bett. Er schlief bis drei Uhr am Nachmittag und duschte sich dann erst einmal, nicht zu warm und nicht zu kalt, denn sie würde ja bald wieder da sein und er durfte ihren Duft erneut inhalieren ...


Maria schickte ihm eine lange E-mail, dass sie heute auf einem Empfangs-Büffet für die neuen Gäste am Abend eingeladen seien und morgen wieder sehr früh raus müssen, daher sie erst frühestens am morgigen Sonntag-Nachmittag wieder skypen könnten, da sie am heutigen Nachmittag mit ihrer Freundin noch shoppen gehen würde, verkaufslanger Samstag in Süd-Tirol.

Martin war zufrieden. Franzi konnte also bis nächsten Mittag über Nacht ohne Sorge wieder bleiben und er müsste nicht ins Internet gehen. Ein Smartphone hatte er ja, Gott sei Dank, keines. Er wollte auch nicht überall erreichbar sein. Sein altes Handy langte ihm, um gegebenenfalls einen Notruf zu tätigen, wenn er mit dem Fahrrad gegen einen Baum gefahren sein sollte oder wenn im alten denkmalgeschützten Flugzeug-Hangar des Hitler-Flugplatzes im Arboretum wieder irgendwelche Paintballer rum randalierten, er mal wieder die Polizei rufen mußte, wie das letzte Mal, als in einer Bunkeranlage ein Dealer sein Drogen-Depot ansteckte, der dem Zugriff der Polizei durch einen verdeckten Ermittler im nahe gelegenen, neu gebauten Hotel des Gewerbegebietes Camp Phönix, sich gerade noch so entziehen konnte, dummerweise von Martin aber beobachtet wurde, wie er Feuer legte.

Und zu der Tamagotchi <fütter-mich-fütter-mich> Generation gehörte er nicht, war also nicht auf Entzug von mobilen Computer-Spielzeugen, sobald er das Haus verließ.









Taunus-Schnee

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