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Des Teufels Wette

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Es war einmal vor sehr langer Zeit, da gab es eine Gegend, die sehr trocken war. Mütterchen Erde war müde, Getreide zu tragen, Rüben zu ernähren und dem Unkraut das Leben schön zu machen. Sie wollte nur eines: sich ausruhen. Und so kam es, dass der Regen nicht mehr regnete und der Schnee nicht mehr fallen wollte.

Mütterchen Erde trocknete langsam aus. Dies bemerkten mit großer Traurigkeit auch die Menschen, die sich hier niedergelassen hatten. Was war nur passiert?

Sehnsuchtsvoll schauten sie zum Himmel. Kamen Regenwolken auf, schöpften sie Hoffnung. Zog der Winter ins Land, warteten sie auf Schnee. Aber es war wie verhext! Die Regenwolken schoben sich vorbei, die dicken Schneewolken schienen zu flüstern: »Wir werden in den Bergen gebraucht, ade, ade!«

So konnte es bald nicht mehr weitergehen! Die Bauers­leute waren rechtschaffene, bescheidene Menschen, die sich mit Mütterchen Erdes Hilfe ernährten und ein wenig dazu verdienten.

Ein Bauer und seine Frau hatten dabei ein besonders glückliches Händchen. Egal, was die beiden auch immer begannen, es gelang ihnen und es wurde zu Geld. Zuerst gefiel das den anderen Bauern und ihren Familien, aber als dann Jahr für Jahr ihre Ernten immer karger wurden, machte sich in dieser Gegend ein hinterlistiger Geselle breit: der Neid.

Argwöhnisch schaute man auf die Felder des klugen Bauern. Warum wuchs bei ihm noch alles, währenddes­sen ihre eigenen Felder verdorrten? Man flüsterte heimlich hinter der vorgehaltenen Hand, dass dies nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Erst sprach man leise, dann wurde man lauter und Geselle Neid schaffte es, dass keiner mehr mit diesem klugen Bauern und seiner Frau sprach.

Die beiden Leutchen wunderten sich darüber und ahn­ten nicht, weshalb man sie mied. »Das kann nur mit dem Teufel zugehen«, wetterte der Dorfschulze am Abend, wenn die Männer zu ihm ins ›Bierstübchen‹ kamen. Und wenn er selbst etwas zu viel getrunken hatte, meinte er, den Pferdefuß und ein paar glühende Augen des Abends bei dem klugen Bauern bemerkt zu haben.

Erschrocken schauten sich die Männer um: »Leise, leise, du redest dich um Kopf und Kragen!« »Der Teufel fegt dir noch einmal deinen Kamin«, schimpfte die Frau des Dorfschulzen.

Natürlich sah auch sie mit neidischen Blicken zur Nachbarin. Deren Kleidung schien ihr auf den Leib gewachsen zu sein und der blonde Zopf glitzerte in der Sonne wie Gold. »Eine Schönheit«, sagte man – nicht ohne Unterton in der Stimme.

Und weil man die Stunden, die Tage und die Monate verrinnen ließ, ohne sich Gedanken um Mütterchen Erde zu machen, brach eine große Hungersnot aus. Nur eben beim klugen Bauern und seiner Frau waren noch Vorräte in Kammer und Scheune.

Während die einen ihre knurrenden Mägen so laut hörten, dass sie nicht schlafen konnten, lebte das kluge Bauernpaar bescheiden bei Wasser und Brot.

Da, eines Tages nahm Geselle Neid auch Besitz vom Herzen des Dorfschulzen. Er quälte ihn so sehr, dass dieser des Nachts aufstand, sich anzog und mit einer Fackel bewaffnet zum Haus des Bauern schlich.

Alles schlief. Die Fensterscheiben glänzten im Mondeslicht und hier und da schrie ein Käuzchen: »Kiwitt, kiwitt.« In seinem Neid und Zorn verstand der Dorfschulze: »Komm mit, komm mit.«

Bierselig und von der Finsternis umgarnt, stiefelte er mit der Fackel los. Plötzlich donnerte es in der Ferne. Nanu, dachte der Dorfschulze, zog jetzt ein Gewitter auf? Sollte er umkehren? Aber die Neugierde, der Neid und eben auch ein paar Bierchen zu viel, ließen ihn weiter gehen, besser gesagt, weiter stolpern.

Endlich war er an der Scheune des klugen Bauern angelangt. Mit dem spärlichen Licht der Fackel war nicht viel zu entdecken? Woher hatten die beiden Bauersleute bloß ihre guten Ernten?

Da hörte er leise Stimmen aus der Scheune. Vorsichtig, so gut es ging, schlich er noch näher. In seiner Tollpatschigkeit trat er auf einen Zweig, stolperte und fiel mitsamt der Fackel hin. »Aua, aua, verflixt noch mal – mein Fuß, mein Fuß!«

Sein lautes Wehklagen war auch in der Scheune zu hören und plötzlich verstummten die Stimmen. Ein Donnerschlag, der einem Blitz aus finsterem Himmel folgte, ließ den Dorfschulzen erstarren. Was war das? Er glaubte, leibhaftig den Teufel zu sehen, zu riechen!

»Ha, ha, ha, hi, hi, hi, habe ich dich erwischt? Bist du dem Gesellen Neid zum Opfer gefallen? Hättest du dem klugen Bauern die Scheune angezündet? Ha, ha, ha, braver Mann, so liebe ich die Menschen. Niemandem etwas gönnen, nur an sich selbst denken und dann jammern und zetern! Das sind meine Menschenkinder! Ha, ha, ha!«

Plötzlich war es still. Eine Rauchwolke verzog sich allmählich und der Dorfschulze rappelte sich langsam hoch. Hatte er geträumt oder war es wirklich geschehen? Hatte der Teufel sich mit ihm unterhalten?

Noch ehe er zu Ende gedacht hatte, flüsterte hinter ihm eine Stimme: »Ha, ha, ha, hi, hi, hi, ja das bin i – der Teufel persönlich, und ich sage dir: Ich lasse dich erst wieder frei, wenn du mit mir gewettet hast. Wetten ist mein Hobby. Da geht es um Kopf und Kragen!«

Der Dorfschulze begann zu zittern. Der Schweiß lief ihm von der Stirn. Was ist bloß los in dieser Nacht? Nie wieder, so schwor er, trinke er soviel des guten Bieres!

Vielleicht hatte er Albträume? Doch dieser eigenartige Geruch nach Schwefel ließ keine Zweifel zu – er musste einen Pakt, eine Wette mit dem Unhold eingehen. Was würde es wohl sein?

Noch ehe er weiterdenken konnte, raunte ihm der Teufel zu: »Bring mir das Haar der klugen Bäuerin. Ich spinne es zu Gold. Schaffst du es nicht, nehme ich mir deine Ochsen!« Das traf den Dorfschulzen hart. In seinem Kopf spukte es: goldenen Haare, Ochsen, Teufel … Ihm gelang kein klarer Gedanke mehr.

Inzwischen wurde es hell. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten den Dorfschulzen an der Nase. Dieser war wohl in seiner Verzweiflung doch noch eingeschlafen.

Durch den ersten Hahnenschrei erwachte er. Langsam, ganz langsam kam die Erinnerung zurück. Hatte er dies alles nur geträumt? Die Fackel in seiner Hand und die Spuren eines Pferdefußes belehrten ihn eines Besseren. Es war alles passiert?

Schweren Herzens machte er sich auf den Weg zur klugen Bäuerin. Wie sollte er dieser Frau erklären, dass er ihren Zopf brauchte? In Gedanken sah er schon, wie der Teufel seine Ochsen aus dem Stall holte. Wieder zitterte er und der Schweiß lief ihm von der Stirn.

Zaghaft klopfte er an die Tür des bescheidenen, aber schönen Häuschens. Langsam öffnete sich die Tür und die kluge Bauersfrau schaute den Dorfschulzen erstaunt an: »Ihr kommt zu uns? Was verschafft uns die Ehre? Haben wir unseren Pachtzins nicht bezahlt?«

Der Dorfschulze schnappte nach Luft. Wie sollte er …? Was sollte er …? Was machte er eigentlich hier? Die nette und wirklich sehr schöne Frau bat ihn hereinzukommen. Ihre Haare hatte sie zu einem langen Zopf geflochten. Trotz seiner Not erkannte der Dorfschulze diese Pracht. So etwas gab man doch nicht her!

Nach einem tiefen Seufzer erzählte er der Frau unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was ihm in der Nacht passiert war. Erst stockend, dann immer schneller, als würde es ihm dann leichter werden. Die kluge Bauersfrau hörte ihm kopfschüttelnd zu. Obwohl der Dorfschulze und die Nachbarn ihnen ja oft arg mitgespielt hatten, würde sie ihm gern helfen.

Der Bauer war nicht da. Er war mit den ersten Sonnenstrahlen aufs Feld gefahren. So konnte die schöne, kluge Bauersfrau offen reden. Denn auch sie hatte ein Geheimnis: Einmal im Jahr holten sich die Lutki den abgeschnittenen Zopf. Dafür bekamen sie Wasser fürs Vieh und ihre Felder. Mühsam war dies für die Bäuerin und die Angst, dass das Haar einmal nicht lang genug werden würde, saß ihr im Nacken.

Jetzt war das Geheimnis um den Bauernhof gelüftet. Der Dorfschulze saß sprachlos auf der Ofenbank. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass er jetzt schon die Wette mit dem Teufel verloren hatte. Weinend schlug er beide Hände über dem Kopf zusammen: »Ich Armer, ich Armer! Was soll ich ohne meine Ochsen tun? Die Felder werden nicht gepflügt! Das Korn, das Holz … Wer transportiert es mir?«

Wie ein Häufchen Unglück saß er da, und für Minuten hatte der Geselle Neid keine Chance. Die Frau zuckte traurig mit den Schultern. »Es tut mir leid, aber morgen kommen die Lutki nach meinem Zopf. Sie spinnen daraus goldene Fäden und die Spulen kommen in ihre Vorratskammern – für schlechte Zeiten!«

Langsam erhob sich der Dorfschulze und schleppte sich aus dem Haus. Als er zu Hause ankam, ging er in seinen Stall. Die Ochsen schauten, als ahnten sie, dass etwas nicht stimmte. Was sollte er seiner Frau sagen?

Er beschloss, im Stall zu bleiben, verriegelte die Tür, schloss die Klappen und legte sich ins Heu. Vielleicht ging dieser schwere Kelch an ihm vorüber. Über diesen Gedanken schlief er ein und wurde erst gegen Mitternacht durch Blitz und Donner geweckt. Erschrocken fuhr er auf und just in diesem Moment fegte ein Blitz durch die Dachritzen in den Stall. »Ha, ha, ha, hi, hi, hi, das bin i.«

Tatsächlich war der Teufel wieder zu ihm in den Stall gekommen. Der Dorfschulze saß zusammengekauert, zitternd und schweißtriefend in der dunkelsten Ecke. »Ich, ich, habe den Zopf nicht! Die schöne Frau konnte ihn mir nicht geben. Sie ist den Lutki verpflichtet!«

»Hör auf zu jammern, heule nicht! Denkst du, das weiß ich nicht? Seit Jahren spinnen diese winzigen Zwerge ihre Haare zu Gold. Sie werden immer reicher. Um Haaresbreite wären es meine Zöpfe geworden. Aber die Lutki waren schneller. Das geht so nicht! Mein Kumpan, der Geselle Neid hat mich scharf gemacht! Und nun so etwas! Du Versager! Du, du Nichtsnutz! Her mit deinen Ochsen!« Mit einem Tritt öffnete er die ohnehin schon recht morsche Stalltür. Ein greller Lichtschein erhellte den Stall, sodass die Ochsen ängstlich aus der Tür liefen. »Halt, halt«, schrie der Teufel in seiner Enttäuschung. Die Ochsen aber waren so erschrocken, dass sie immer schneller liefen.

Als der Teufel sie, nach Luft ringend, endlich zu fassen bekam, blieben die Tiere wie angewurzelt stehen. In seiner Wut legte er ihnen das Geschirr um und befestigte den Pflug. Wenn schon, denn schon, dachte er in seiner Rage. Die Peitsche in der Hand, drohte er den Tieren. »Hüh, hüh, los, ihr Faulenzer!«

Doch die beiden Ochsen rührten sich nicht. Das wurde nun dem Teufel zu viel. Er nahm die Peitsche und ließ sie über den Köpfen der Tiere laut knallen. In diesem Moment liefen sie los. Sie eilten hin, sie eilten her. Der Teufel sprang hinterdrein und konnte sie nicht mehr bändigen. Der Pflug zog Furchen, mal flach, mal tiefer und so entstand ein Labyrinth, wie es die Menschen noch nie gesehen hatten.

Am Morgen, mit den ersten Sonnenstrahlen, war der Spuk vorbei. Im Laufe des Tages zogen Regenwolken auf und es regnete. Stunden, Tage, Wochen. Die Furchen von des Teufels Pflug füllten sich mit Wasser. Mit den Monaten und Jahren wurden daraus Fließe.

Die Menschen aber gewannen ihr Umfeld lieb, sie nannten es Heimat, zimmerten sich aus Bäumen Gefährte, mit denen man auf den Fließen schwimmen konnte. Das Wasser aber ließ die Landschaft grünen und blühen und wenn dies hier kein Märchen wär, könnte man meinen, der Teufel hat den Spreewald gepflügt.

Die schöne Wodarka

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