Читать книгу ... Ich will nur mit dir reden - Thriller - Marlene Lang - Страница 4
ОглавлениеVor einem Jahr
Die Sonne schien schon Stunden durchs Fenster, aber Marion schlief weiter. Ein unbewusster Alptraum wollte sie festhalten, aber ihr Bewusstsein wehrte sich dagegen. Sie wurde verfolgt, hatte Angst und musste sich verstecken. Ihr Herz pochte als wolle es ihr aus der Haut springen. Die Körpertemperatur stieg und sie floh so schnell sie konnte während Angstperlen ihre Stirn bedeckten.
Der Traum war plötzlich weg, als sie mit mörderischen Kopfschmerzen aufwachte. Ihre Gedanken schwirrten im Kreis. Wann hatte sie die Party gestern verlassen? Wie viel hatte sie getrunken? Himmel, tat der Kopf weh! Sie wollte sich betrinken um zu vergessen und dafür musste sie jetzt büßen. Der Kopf fühlte sich an wie von einer Weinpresse gedrückt.
Hatte sie es getan? Sie überlegte. Irgendwann wollte sie während der Party ihr Handy zur Hand nehmen und Franz eine SMS schicken. Aber sie hatte es zu Hause vergessen und als sie um drei Uhr nach Hause kam, suchte sie es sofort. Selbst wenn sie es nicht dürfe, sie konnte nicht anders, sie musste es einfach. Ihre Vernunft wurde durch den Alkohol unterdrückt.
Ein schneller Blick zur Uhr verriet ihr, es war schon elf. Zuerst baumelten die Füße aus dem Bett und dann erhob sich der schwere Körper. Der Kopf! Mit halb geöffneten Augen ging sie zur Toilette. Da lag ihr Handy.
Sie traute sich nicht es anzuschauen um nicht mit der Tatsache konfrontiert zu sein, sie habe eine große Dummheit begangen. Aber irgendwie ahnte sie es und klappte es bewegungslos langsam auf. Sie hatte es doch getan! Scheiße! Was wird er ihr wohl als Antwort schicken? „Du bist eine blöde Kuh!“, oder „Lass mich endlich in Ruhe!“, oder „Ich zeige dich an!“
Marion fühlte sich scheußlich und verzweifelt denn gestern Nacht trank sie einfach zu viel Alkohol und wurde deswegen sentimental. Wochenlang konnte sie sich zurückhalten und war so stolz auf sich weil sie endlich dachte, sie könne ohne ihn leben. Ihre Therapie bei ihrer Psychologin Kerstin Klein in der Bamberger Nervenklinik wirkte. Bis gestern.
Etliche Wochen versuchte sie sich einzureden, sie liebe ihn nicht mehr; sie brauche ihn nicht und kann vergessen, was er ihr angetan habe. Aber, wenn man zu viel Alkohol trank, wurde man leichtsinnig und da bekamen die Gefühle plötzlich Flügel und suchten einen Ausweg. Woher kam diese Sehnsucht? In der Nachricht bat sie ihn um Vergebung - was immer sie auch getan haben sollte, denn sie wusste es immer noch nicht. Er sollte erkennen, dass sie immer noch an ihn dachte. Nach so einer langen Zeit, einer Ewigkeit, wollte sie ihre Bereitschaft für eine neue Freundschaft zeigen - falls es ihn interessieren sollte.
Mit zitternden Händen legte Marion das Handy in die Schublade zurück. Ihr Herz tat so weh und ein Gefühl der Ohnmacht überwältigte sie. Ihr war schwindlig und dieser Kater machte keinen Spaß und so konnte sie nur versuchen den Tag normal zu verbringen. Wie jeden Tag! Was war schon normal? Die Hölle konnte nicht schlimmer sein und ihre Gedanken kreisten nur immer um ihre Beziehung, die kaputt gegangen war. Ihre große Liebe war der Mann, der sie ablehnte. Wieso tat die Liebe so weh?
Was würde er schreiben? Es dauerte nicht lange und sie schaute nochmal nach. Gar nichts. Ihr Herz pochte vor lauter Aufregung weil sie Angst hatte, er würde böse mit ihr sein. Wenn die Antwort was Schlimmes werde, zerbreche es ihr Herz. Aber es wurde schon gebrochen! Seit damals, als er mit ihr Schluss machte. Per SMS! Ohne Grund! Einfach so! Unglaublich! Sie dachte er liebe sie und er war so nett. Am Anfang. Als sie ihn kennen lernte, war er so ein Schatz und so lieb.
Sie schaute durchs Fenster und sah dunkle hässliche Wolken den blauen Himmel verdecken. Als sie ihn in der Disco kennenlernte, war er so großzügig und liebenswert. Sie spielte zuerst die Uninteressierte, so dass er das Gefühl bekam, er war der Eroberer.
Sie folgte damals allen bekannten Regeln um einen großen Fisch ans Land zu ziehen. Er war perfekt. Diesen Mann musste sie für sich gewinnen und sie durfte ihn nie mehr loslassen. Sie war so glücklich wie schon lange nicht mehr.
Jedes Mal wenn sie ihn sah - diesen sportlichen Körper- überrumpelte sie diese Begierde. Sie mussten sich lieben, leidenschaftlich, so oft wie möglich. Da war er wie ein wildes Tier. Ihrer Kleider konnten sie sich nicht schnell genug entledigen. Er hatte keine Erektion-Probleme und wusste, wie er eine Frau befriedigen konnte. Erst heiße Küsse, die einem den Atem raubten während seine Hände ihren Weg zwischen die Oberschenkel suchten. Da konnte keine Frau widerstehen und alle Berührungen steigerten die Lust. Er wusste, was eine Frau brauchte.
Aber das Glück wurde ihr nicht sehr lange gewährt und sie wusste bis heute noch nicht, was sie falsch gemacht hatte.
Franz, Anfang 30 - braune Haare und verführerische dunkle Augen - trat in ihr Leben und sie wollte ihn nicht mehr loslassen. Er war zwar nur ein Sanitäter - ein Arzt wäre ihr lieber gewesen - aber dafür war er wunderschön, einfach unwiderstehlich. Der allerschönste Mann auf der ganzen Welt! Sie schloss kurz ihre Augen, und stellte ihn sich bildlich vor. Besonders sein schönes Lächeln machte sie willenlos.
Was erlebten sie bisher schon alles! Man könnte ihn mit einem Casanova vergleichen, aber Marion war sich sicher, sie konnte ihn angeln. So kam es ihr eine Zeitlang vor. Ein Traum der zum Alptraum wurde.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken holen?“, fragte er damals in der Disco in Bamberg und schaute sie liebevoll an. Die Musik klang sehr laut und überall waren Menschen, die gerne tanzten oder einfach Spaß haben wollten. In dieser Disco schien immer eine „Über 30“-Party zu sein, denn junge Leute sah man hier kaum. Die ältere Generation der Geschiedenen, Getrennten und Opfer missglückter Beziehungen tummelte sich hier. Marion beobachtete eine Frau, die sicher schon über 40 war, wie sie nach erst mach mehrmaligen Anläufen einen Tanzpartner fand. Manche wollten nur tanzen während andere einen Sexpartner für die Nacht suchten.
Marion tanzte sehr gerne und fragte Franz ob er auch gerne tanze, aber er sagte gleich ab. Er könne es nicht. Während die Foxmusik spielte, bewegte sich Marions Körper automatisch. Sie konnte kaum stillstehen wenn sie Musik hörte und begriff oft nicht, wie manche bei so einer tollen Musik wie Statuen versteinert stehen bleiben. Ihre Kollegin Melanie kam mit einem Mann zur Theke, um etwas zum Trinken zu holen. Sie grüßte kurz Marion und versuchte mit Franz ein Gespräch zu starten. Aber der Mann an ihrer Seite wollte ihr ein Getränk bezahlen und störte sie dauernd, bis sie ihr Vorhaben aufgab. Melanie war sichtlich genervt aber der Mann wich nicht von ihrer Seite. Marion kannte das Gefühl wenn einer nicht begreifen wollte, dass man kein Interesse an ihm habe und es offensichtlich nicht bemerkt.
Am liebsten möchte sie sterben! Alles kam wieder hoch wie auch der Inhalt des Magens. Schnell zur Toilette. Wieso benahm sie sich wieder wie ein Teenager und trank alles durcheinander? Das konnte nicht gut gehen. Sie fühlte sich niedergeschmettert, verlassen. So alleine. So beschissen. So verletzt.