Читать книгу Disziplin! - Marli Huijer - Страница 15

|39|Mehr als nur ein homo ludens

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Die kulturelle Revolution der Sechziger wirkt heute noch nach. Doch es wird immer häufiger bezweifelt, dass die Welt dadurch besser geworden ist. Die niederländische Soziologin Noortje Thijssen (* 1983) erforschte, was niederländische Führungskräfte mit den sechziger Jahren verbinden. Fünf Aussagen kristallisierten sich heraus: 1. Die sechziger Jahre sind eine Inspirationsquelle. 2. Die sechziger Jahre brachten zahlreiche gesellschaftliche Fortschritte mit sich. 3. Diese Errungenschaften sind heute bedroht. 4. Die sechziger Jahre waren destruktiv. 5. Nach anfänglicher positiver Entwicklung entartete das Gedankengut der sechziger Jahre zu bloßem Egoismus, Hedonismus und Relativismus.41

Noch kann ich keine dieser Aussagen unterstreichen. Ich will mir erst Klarheit über das sich in den sechziger Jahren neu formende Verhältnis zwischen Disziplin und persönlicher Freiheit schaffen und prüfen, welche Folgen der Prozess des Disziplinabbaus auf die Gesellschaft hatte. Als Ergebnisse sind bisher festzuhalten: Die Abkehr von der Disziplin weckte den Wunsch nach größerer persönlicher Freiheit, rief die antiautoritäre Erziehung ins Leben, führte zu einer Befreiung auf dem Gebiet von Sex und Drogen und schürte das Streben nach einem weniger kapitalistischen und konsumorientierten Lebensstil. Dennoch verschwand die persönliche Disziplin nicht ganz. Es gab immer noch eine kleine Gruppe von Denkern und Aktivisten, die wussten, dass ein vollkommener Verzicht auf die Disziplin unmöglich war, wenn man eine bessere Gesellschaft errichten wollte. In den Niederlanden machte sich Anfang der siebziger Jahre der „Provo“ und „Kabouter“ Roel van Duijn (* 1943) große Sorgen über den Disziplinmangel beim „Provotariat“, jener Gemeinschaft aus Jugendlichen, Studenten und Angehörigen der Ränder der Gesellschaft, die die neue Welt erschaffen sollten. So manche Protestaktion scheiterte an diesem Mangel an Disziplin, woraus van Duijn die negative Schlussfolgerung zog: „Eine Gegenkultur |40|kann nicht mit einem Minimum an Arbeit und Disziplin errichtet werden. Es reicht nicht aus, nur ein homo ludens zu sein.“42 Widerstand gegen die Disziplin des Establishments fand er prima, solange sich dieser Widerstand gegen die herrschenden Mächte richtete; doch mit der Verweigerung der Disziplin in den eigenen Reihen war das Provotariat für den politischen Kampf nur schlecht gerüstet.

Disziplin!

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