Читать книгу Fuchsi auf Hühnerjagd und andere Begebenheiten - Marlies Kühr - Страница 8
Die beiden Schildkröten
ОглавлениеEine Fabel
Die beiden Landschildkröten Rinchen und Linchen lebten bereits das zweite Jahr gemeinsam im Haus und im Garten einer jungen Familie.
Gerade hatten sie ihre Winterruhe beendet und begaben sich erstmals wieder hinaus in den sonnigen Frühlingsgarten. Sie rannten, was ihre kleinen Schildkrötenbeine nur hergaben. Jede wollte die Erste sein in dem viel versprechenden Gelände. Sie lechzten nach frischem Frühlingsgrün. Die ersten zarten Hälmchen und Triebe schmeckten immer am besten. Und es gab ja noch nicht so viel wie im Sommer. Sie suchten nach den hellsten Sonnenplätzen. Dabei wackelten ihren Köpfchen nach rechts und links.
Plötzlich hatte Rinchen etwas entdeckt. Dort in der Sonne leuchtete es frischgrün und glitzerte feucht. Und wie das duftete, lecker!
Nur hin, nur schnell hin! Ihre Beinchen aber waren nicht so flink, wie ihr Kopf dachte. Sie stolperte. Fast überschlug sie sich …
Das etwas kleinere Linchen hatte sofort erfasst, worum es ging.
„Nein!“, rief sie. „Du nicht allein! Ich will die Hälfte haben.“
Das passte dem Minchen gar nicht.
„Der Salat gehört mir! Ich habe ihn schließlich entdeckt.“
„Aber es ist auch mein Garten und ich habe zuerst daran gedacht, hinaus zu gehen. Also musst du mit mir teilen!“
Inzwischen waren sie am Salatblatt angelangt. Linchen versuchte, sich seitlich zwischen das Rinchen und die Mahlzeit zu schieben.
Das kräftigere Rinchen schob zurück.
Schließlich hatte jede von ihnen eine Ecke des Blattes, welches groß genug für beide war, erwischt. So standen sie sich gegenüber und ließen sich nicht aus den Augen. Dabei machte jede den ersten Biss mit ihrem kleinen Mäulchen.
Auf der hohen Linde über ihnen saß ein Rabe, der den Streit genau verfolgt hatte.
„Na, wonach ihr so gierig seid, das schmeckt mir gewiss auch. Woll’n doch mal sehen, wem die Beute gehört!“, dachte er.
Während sich die beiden Schildkröten noch argwöhnisch beobachteten, dass die andere ja nicht zu viel bekäme, ließ sich der Rabe vom Baum herunter mitten auf das Salatblatt gleiten, griff mit dem Schnabel das große Mittelstück, gleichzeitig mit den Krallen die rechte und linke Seite des Blattes und erhob sich Flügel schlagend in die Höhe.
Ehe es sich die beiden Freund-Feindinnen versahen, saß er im Baumwipfel und zerhackte und verschlang das leckere Grünfutter.