Читать книгу Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit - Maron Fuchs - Страница 13
Jagdsaison
Оглавление„Gut, wir müssen es kurz halten“, erklärte Ulrich. „Wir haben die Möglichkeit, die Schattenbringer handlungsunfähig zu machen.“
„Und wie?“, erkundigte ich mich erstaunt.
Jakob grinste breit. „Uns ist etwas eingefallen.“
Ich saß zusammen mit Ulrich, Jakob, Melodia und Haru in der Umkleide der Zweigstelle. Diesen Raum sah ich selten von innen, weil ich mich stets in meinem Zimmer umzog, damit mich niemand als Frau entlarvte. Die beiden Technikerinnen hatten rechts und links von mir auf der Holzbank, direkt vor dem leeren Schließfach mit meinem Pseudonym darauf, Platz genommen, die beiden Ranger saßen uns gegenüber auf einer anderen Bank.
„Übrigens, Mia, unser kleines Schauspiel heute Morgen hat funktioniert“, wechselte Melodia aufgeregt das Thema. „Mark hat mir danach gesagt, ich solle dir nicht so nahe kommen. Ich glaube, er war wirklich eifersüchtig.“
Ich lächelte schief. „Äh ... gern geschehen. Schätze ich.“
„Aber denk dran, Familienplanung muss man als Technikerin ankündigen“, erinnerte Haru sie und grinste breit.
Meine Grundschulfreundin wurde feuerrot im Gesicht. „Also bitte!“
„Ja, bitte!“, schnaubte Jakob. „Wechseln wir das Thema!“
„Genau, eure Idee“, fiel mir ein. „Worum geht’s? Warum verstecken wir uns hier in der Umkleide? Dürfen die anderen nichts davon wissen?“
„Wir wollten zuerst im Privaten mit dir reden“, antwortete Ulrich. „Wir sind immerhin die Einzigen, die den Boss der Organisation kennen. Und du bist die Einzige, die wissen könnte, wie sich die Schattenbringer finanzieren.“
„Durch Sponsoren, soviel ich mitbekommen habe.“
„Wer profitiert davon, wenn der Himmel verdunkelt wäre?“, warf Jakob ein.
Meine Augen weiteten sich. Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.
„Gute Frage. Wenn wir die Antwort darauf fänden, könnten wir ihnen den Geldhahn zudrehen.“
Der schwarzhaarige Mann nickte. „Genau, wir müssen nur diese Sponsoren ausfindig machen.“
„Aber die Schattenbringer haben den Plan geändert“, gab ich zu bedenken. „Sie haben vielleicht inzwischen neue Geldgeber.“
„Selbst wenn, es wäre schon ein Fortschritt, die alten zu finden“, äußerte sich Ulrich. „Jakob und ich haben uns schon Gedanken gemacht. Wenn keine Sonne mehr auf Fioria scheint, ergeben sich folgende Probleme: Dunkelheit, Kälte, keine Nahrungsmittel oder Sonnenenergie mehr, also Vitaminmangel.“
„Ohne Sonnenstrahlen benötigt der menschliche Körper Vitamin D über Medikamente“, murmelte ich. „Hersteller solcher Präparate könnten also wirklich ein Interesse an der Verdunklung des Himmels haben. Außerdem könnten wir nichts mehr anpflanzen, das Klima würde sich verändern, wir bräuchten viel mehr Strom, künstliche Beleuchtung ... Manche Energiekonzerne könnten dadurch einen ziemlich hohen Umsatz machen.“ Meine Augen weiteten sich. „Die Vorteile hätte nur die Industrie, die Menschen hingegen würden schrecklich leiden.“
„Genau das dachten wir auch“, stimmte Ulrich zu. „Unternehmer, besonders in der Energie- und Pharmaziebranche, könnten gewaltigen Profit machen, wenn sie vorher schon wüssten, auf welche Bedingungen sie sich einstellen müssten. Wenn wir herausfinden, wer die nötigen Vorkehrungen getroffen hat ...“
„... haben wir unsere Sponsoren“, beendete Jakob den Satz.
„Haru und ich haben schon einige Unternehmen durchleuchtet“, erzählte Melodia. „Wir finden die Verrückten, die den Schattenbringern helfen.“
„Großartig!“, freute ich mich. „Das ist super.“
„Leider müssen wir fünf uns darum kümmern“, seufzte Jakob. „Wir können den anderen ja nicht erzählen, dass die Schattenbringer den Himmel verdunkeln wollten. Woher sollten wir das wissen?“
Ich überlegte kurz. „Ich könnte behaupten, es von Lloyd gehört zu haben. Dann könnten alle mitarbeiten. Zusammen wären die Ermittlungen einfacher.“
„Und warum sollte Lloyd den großen Plan einem Ranger verraten haben?“, fragte Haru zweifelnd.
„Aus ... äh ... aus Übermut?“, schlug ich vor.
„Besser, als alles allein zu machen. Wie die Beschattung deines Hauses“, gab Ulrich zu. „Dann weihen wir die anderen morgen früh in unseren Plan ein. Inklusive den Rangern aus dem Hauptquartier.“
„Super. Ach, übrigens, Leute, ich ... ich wollte mich bedanken“, fiel mir ein.
„Warum?“, wunderte sich Jakob.
„Weil ihr versucht, mich zu entlasten“, erklärte ich. „Es ist schön, dass ich nicht mehr für eine Verbrecherin gehalten werde.“
„Du bist ja auch keine“, entgegnete Melodia und legte einen Arm um mich.
Ich drückte sie kurz. „Ihr seid die tollsten Freunde und Kollegen der Welt.“
„Nicht doch“, winkte Haru ab. „Ist doch selbstverständlich.“
Ulrich lächelte mich nur milde an, Jakob wandte verlegen den Blick ab und wurde sogar ein wenig rot um die Nase.
„So, wir bereiten das Essen vor“, kündigte Haru an. „Kommst du, Melodia?“
Meine Grundschulfreundin nickte und stand auf. Sie strich sich die blonden Locken zurecht und verkündete: „Legen wir los.“
Die Technikerinnen verließen die Umkleide, zu dritt blieben wir zurück. Ich sah Ulrich und Jakob an. „Allzu lange wird dieser Fall hoffentlich nicht mehr dauern“, merkte ich an.
Der Stationsleiter nickte. „Wir haben nun endlich einen ganz guten Plan.“
„Soll ich euch morgen die erste Lektion im Umgang mit den Animalia beibringen? Bevor ich nicht mehr hier bin ...“
Ulrich nickte. „Morgen findet sich bestimmt ein ruhiger Moment. Nachdem du uns schon die Wahrheit über die Legenden gesagt hast, würde ich zu gerne lernen, besser mit den Fiorita umzugehen.“ Er verzog keine Miene. Seine Stimme klang ruhig, aber nicht glücklich.
Auch Jakob wirkte nicht froh. Er starrte zu Boden. „Wie viel Zeit bleibt uns denn noch? Wann gehst du?“
„Wenn wir die Schattenbringer dingfest gemacht haben. Wie ausgemacht“, antwortete ich leise. Daraufhin schnaubte Jakob, stand auf und verließ die Umkleide. Verdutzt blickte ich ihm nach. „Was ... was hat er denn jetzt?“
Ulrich seufzte. „Ich vermute, ihm gefällt der Gedanke nicht, dass du uns bald verlassen wirst. Aber ihm ist klar, dass du nicht ewig als Mann verkleidet hier arbeiten kannst, ohne dass wir alle Schwierigkeiten bekommen. Darum weiß er nicht, was er sagen soll.“
Betrübt sah ich den dunkelblonden Stationsleiter an. „Ich will ja gar nicht weg. Es bleibt mir nur keine andere Wahl.“
Mein Gegenüber stand auf. „Das wissen wir. Mach dir keine Sorgen. Wir müssen uns nur an den Gedanken gewöhnen, bald ohne Takuto Matsui zu arbeiten.“ Er reichte mir seine Hand. „Gehen wir zum Essen.“ Ich griff danach und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. „Glaub mir, wir würden dich zu gern bei uns behalten“, merkte Ulrich an, bevor er die Tür zum Hauptzimmer der Zweigstelle öffnete.
„Aber sollte ich auffliegen, werdet ihr suspendiert“, flüsterte ich erstickt.
Er klopfte mir auf die Schulter. „Jetzt müssen sowieso erst mal die Schattenbringer aufgehalten werden. Dann sehen wir weiter.“
Ich nickte. „Hast recht.“ Im Stillen setzte ich hinzu: „Aber mit Jakob sollte ich trotzdem mal reden.“
Das Abendessen verlief ruhig, wir diskutierten darüber, wie der Vorsitzende wohl hieße und warum niemand etwas davon wüsste.
„Ich meine, er ist der führende Politiker Fiorias. Er leitet die Organisation der Ranger“, lachte Lasse. „Aber niemand weiß, wie er heißt.“
„Wahrscheinlich hat er einen schrecklich peinlichen Namen“, kicherte Melodia.
Ich aß den Rest meines Salats. „Wir müssten ihm mal den Ausweis klauen, um seinen Namen herauszufinden.“
„Meinst du, du Jungspund schaffst das?“, fragte Viktor amüsiert.
Ich schmunzelte und stand auf. „Abwarten. Jetzt gehe ich erst mal ins Bett. Ähm, Jakob, wolltest du nicht auch in dein Zimmer? Gehen wir zusammen?“
Mein Kollege sah mich verwundert an, verstand jedoch den Wink und nickte. „Klar. Gute Nacht, alle zusammen.“
Gemeinsam verließen wir die Zweigstelle, frischer Wind empfing uns. Ein paar Sekunden sagte niemand etwas, dann räusperte ich mich. „Wegen vorhin ...“
„Vergiss es einfach“, unterbrach er mich schnell. „Ich hab übertrieben.“
„Nein, Jakob, ich will nicht, dass du dich meinetwegen schlecht fühlst. Warum bist du einfach abgehauen?“, erkundigte ich mich vorsichtig.
„Weiß nicht“, murmelte er. „Ich will die Schattenbringer schnappen, wirklich, aber die Aussicht, dass du dann kündigst, gefällt mir nicht. Beschissene Situation. Du bist schon seit über zwei Jahren bei uns.“
„Nicht annähernd so lange wie die anderen Windfeld-Ranger“, merkte ich an und blieb vor dem Eingang des Appartementwohnhauses stehen.
„Trotzdem.“ Er schnaubte. „Du ... du bist eben eine besondere Kollegin für mich. Und obwohl du wegen deiner Identität gelogen hast, gehörst du zum Team! Es wäre ... anders, wenn du weg wärst.“
Gerührt sah ich ihn an. „Danke, Jakob. Danke für deine Freundschaft und deine Loyalität. Du bist auch ein besonderer Kollege für mich.“
Er lächelte schief. „Ähm ... danke.“
„Und genau darum muss ich irgendwann verschwinden“, griff ich das Thema wieder auf. „Sonst sitzen du, Ulrich, Melodia und Haru echt in der Tinte.“
„Vielleicht hätten wir besser nie herausgefunden, wer du wirklich bist.“ Er fuhr sich durchs dunkle Haar. „Dann könntest du bleiben.“
„Aber ich bin irgendwie froh, wenigstens euch vier nichts mehr vormachen zu müssen“, entgegnete ich und zupfte an meiner Uniformjacke. „Bei euch kann ich ich selbst sein. Das bedeutet mir viel.“
Jakob umarmte mich. „Immerhin ein Vorteil“, lachte er. „So, ich lege mich jetzt hin. Tut bestimmt mal ganz gut, mir nicht die halbe Nacht mit den anderen um die Ohren zu schlagen. Schlaf gut.“
„Du auch“, antwortete ich.
Er lächelte mich an, dann verschwand er im Gebäude. Auch ich schmunzelte. Jakob war inzwischen für mich wie der große Bruder, den ich nie hatte. Mal wütend, mal beleidigt, aber stets fürsorglich und liebenswert.
Kurz blickte ich zum recht dunklen Himmel, der nur noch an wenigen Stellen von orangefarbenen Streifen durchzogen war. Danach eilte ich in mein Zimmer und duschte mich. Das warme Wasser tat richtig gut. Ich wickelte mich in ein Handtuch und föhnte meine schulterlangen Haare. Mein Handy lag währenddessen am Rand des Waschbeckens, damit ich Lloyds Anruf nicht verpasste. Hoffentlich meldete er sich bald. Dann wanderte mein Blick zum Spiegel. Ich verzog das Gesicht, als ich meine wahre Augen- und Haarfarbe sah. Doch gerade als ich mir wieder einmal dachte, wie ätzend mein auffälliges Äußeres war, schickte mir Shadow dank unserer Verbindung eine Mahnung.
Ich kicherte. „Danke, Shadow. Ich weiß es ja, dass ich so aussehen muss. Und ich akzeptiere es.“ Ich war mir sicher, dass mich das Dämonenoberhaupt hören konnte oder zumindest meine Gefühle verstand.
Nachdem ich den Föhn zurück ins Regal gelegt hatte, schlüpfte ich in meinen Schlafanzug und schlurfte zum Bett. Auf dem Weg dorthin klingelte mein Handy. Sofort hob ich ab. „Hallo?“
„Hi“, meldete sich mein Freund. „Du warst ja schnell dran. Hast du schon auf meinen Anruf gewartet?“
„Ein bisschen“, gab ich ertappt zu.
Er lachte. „Ungeduldiges Ding. Na, alles klar? Wie war dein Nachmittag?“
„Ganz gut. Und deiner? Hat mein Vater gemerkt, dass du verschwunden warst?“
„Nein, alles super“, beruhigte er mich. „Nur der Flug war turbulent.“
Ich ließ mich aufs Bett fallen und lächelte. „Hauptsache, du bist nicht abgestürzt, du Anfänger“, neckte ich ihn.
„Ich? Niemals. Mir passiert nichts“, wies er meine spöttische Bemerkung zurück. „Was machst du gerade?“
Es tat richtig gut, seine Stimme zu hören und entspannt zu plaudern. Bis spät in die Nacht redeten wir. Beinahe wäre ich mit dem Handy am Ohr eingeschlafen, dann erst verabschiedeten wir uns voneinander.
„Und du musst noch deine E-Gitarre abholen“, murmelte ich.
„Bei Gelegenheit“, stimmte er zu. „Außerdem müssen wir mindestens einen halben Tag einplanen, wenn wir zu dir nach Hause gehen. Deine Mutter wird uns nicht weglassen, bevor wir nicht mit ihr gegessen und geredet haben.“
„Oh ja“, lachte ich. „Bei Gelegenheit dann also ...“
„Gute Nacht, Mia“, flüsterte er.
„Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“
„Schlaf gut“, wisperte ich noch, bevor ich auflegte.
Ich räumte nicht mal mehr das Handy weg, sondern rollte mich bloß auf die Seite, zog die Beine an, deckte mich zu und schlief ein.
„Takuto ist zu spät! Takuto ist zu spät!“, neckte mich Lasse, als ich während des Frühstücks völlig abgehetzt in die Zweigstelle stürmte.
„Ja, ja“, keuchte ich und setzte mich an den Tisch. „Ich hab meinen Wecker nicht gehört. Aber es ist nur eine Viertelstunde.“
„Du hast nichts verpasst“, beruhigte mich Melodia und reichte mir einen Teller, auf dem sich Toastbrot stapelte. „Toast?“
„Zu gerne, danke“, stimmte ich zu. Weil Mark mit am Tisch saß, ergänzte ich: „Du bist einfach ein Schatz.“
Melodia kicherte. „Für dich doch immer, mein Lieber.“
„Könnt ihr nicht endlich ein Paar werden und uns das Theater ersparen?“, maulte Riku und raufte sich das braune Haar. „Seit zwei Jahren flirtet ihr ohne Ende, langsam reicht es!“
Einige andere nickten zustimmend, Ulrich und Jakob verkniffen sich ein wissendes Lächeln, Haru verdrehte die Augen, während Melodia und ich uns verschwörerisch angrinsten. Mark starrte finster auf seinen Teller und aß wortlos weiter, sehr zur Freude meiner Komplizin.
„Danke“, wisperte sie. Ich zwinkerte ihr nur stumm zu.
„Gut, wir sind vollzählig. Oder kommen noch Ranger aus dem Hauptquartier?“, fragte Ulrich.
„Nein, nur ich werde euch unterstützen“, antwortete Mark genervt. „Ich bin der Einzige, der jeden verdammten Tag aus Aritiof herfliegen und vor Ort helfen muss.“
„Du wolltest doch unbedingt ins Hauptquartier versetzt werden“, merkte ich ohne Mitleid an, woraufhin ich einen finsteren Blick seinerseits erntete.
„Also gut, nachdem das geklärt ist“, unterbrach Ulrich unser Geplänkel, „habe ich etwas zu verkünden. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, die Sponsoren der Schattenbringer ausfindig zu machen.“
Augenblicklich hielten die Anwesenden inne und hörten zu essen auf. Jeder starrte den Stationsleiter gespannt an.
„Wie denn?“ Viktor klang aufgeregt. „Das wäre großartig! Ohne ihre Geldquellen können sie ihre wahnsinnigen Pläne bestimmt nicht durchführen.“
„Eigentlich ist es ziemlich naheliegend“, erzählte Ulrich. „Die Schattenbringer wollen mithilfe des Mädchens aus der Legende und der Dämonen einen riesigen Schatten über Fioria legen, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Das hätte katastrophale Folgen für Menschen und Fiorita. Diversen Konzernen allerdings würde dieser Zustand wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Und da setzen wir an.“
„Natürlich, es gibt bestimmt Firmen, die davon profitieren würden“, murmelte Leo, der nun als Einziger weiteraß. Er war stets derjenige, der mit Abstand am meisten verdrückte.
„Aha. Und wie habt ihr herausgefunden, dass die Schattenbringer den Himmel verdunkeln wollen?“, fragte Mark skeptisch. „Das höre ich zum ersten Mal.“
„Lloyd hat es ausgeplaudert“, antwortete ich schnell. „Ich hab ihn gestern zufällig getroffen und in seinem Größenwahn hat er mir von dem Plan erzählt. Ist eigentlich logisch, nicht umsonst nennt sich die Bande selbst die Schattenbringer.“ Ich wollte nicht so abfällig von meinem Freund reden, doch mir blieb keine Wahl, wenn uns die anderen Ranger glauben sollten. Leider.
„Wo bist du gestern einem Schattenbringer begegnet? Was ist passiert?“, wunderte sich Lasse. „Du hast nichts erzählt.“
„Ich war gestern echt fertig“, murmelte ich. „Getroffen haben wir uns jedenfalls in der Nähe von Gakuen. Also, zufällig ...“
Mark starrte mich misstrauisch an, ich wich seinem Blick aus. Hoffentlich kauften mir alle diese Geschichte ab.
„Und du hast ihn nicht festgenommen?“, fragte mein ehemaliger Mitschüler.
„Nein, Mark, aber viel Glück, wenn du ihn mal treffen solltest. Vielleicht schaffst du es ja, ihn dingfest zu machen“, entgegnete ich schnippisch.
„Der Kerl ist kaum zu fassen“, erinnerte sich Lasse. Ausnahmsweise wirkte er nicht unbedingt fröhlich. „Ulrich und ich hatten ihn fast mal, aber er ist zu gut ...“
„Wie dem auch sei“, wechselte der Stationsleiter schnell das Thema. „Wir haben bereits gestern Abend Nachforschungen betrieben. Melodia, Haru, euer Einsatz.“
Die Technikerinnen nickten. „Wir haben nach Firmen gesucht, die vom Plan der Schattenbringer profitieren könnten“, berichtete Haru. „Technik, Pharmazie, Energie, so was eben. Danach haben wir deren Finanzen überprüft. Vier der Unternehmen haben auffällige Überweisungen getätigt. Sie transferierten große Summen auf Konten, die auf den Namen von bereits Verstorbenen laufen.“
Anerkennend sah ich die beiden an. Die Spur war gut. Und dieses perfide Vorgehen passte zu meinem Vater.
„Das klingt vielversprechend. Welche Unternehmen sind es?“, lispelte Riku.
„Ashton Energie, Pharmadrake, Mills Systems und Lux Stanton“, zählte Melodia auf. „Ashton kennt wohl jeder, das ist der größte Stromlieferant in ganz Fioria. Drake produziert Medikamente, unter anderem Vitaminpräparate. Mills ist ein Technikunternehmen und Stanton stellt Beleuchtungssysteme her, darunter auch UV-Lampen.“
Damit hätten alle vier Firmen etwas von der Verdunklung des Himmels. Sie hatten offenbar tatsächlich die Organisation meines Vaters unterstützt. Obwohl diese Konzerne angesehen und erfolgreich waren. Als könnten sie nie genug Profit bekommen. Diese Einstellung machte mich krank.
„Dann nehmen wir sie hoch, oder?“, fragte Benjiro begeistert in die Runde.
„Was für eine Frage!“, lachte Lasse.
„Können wir auf dich zählen, Mark?“, erkundigte sich Ulrich.
Mein ehemaliger Mitschüler nickte. „Klar.“
„Dann fangen wir an.“
Ich atmete tief ein und aus, während ich meine Zimmerdecke anstarrte. Ich konnte mich nicht mehr rühren, weil ich dermaßen erschöpft war. Dieser Tag hatte es wirklich in sich gehabt.
Nur das Licht der Straßenlaternen fiel durchs offene Fenster herein. Draußen hörte ich Leute auf der Straße, auch einige Animalia, aber ich konzentrierte mich bloß auf meinen regelmäßigen Atem, die feuchten Spitzen meiner frisch gewaschenen Haare und das weiche Kissen unter meinem Kopf. Ich musste mich von den stechenden Schmerzen im Magenbereich ablenken.
Die Festnahme der verbrecherischen Geschäftsführer war erfolgreich gewesen. Sowohl Ashton und Drake als auch Mills und Stanton befanden sich nun hinter Gittern, mitsamt einigen Angestellten, die ebenfalls an den krummen Geschäften beteiligt gewesen waren. Der werte Herr Stanton und seine Chefsekretärin hatten es Jakob, Lasse und mir allerdings nicht leicht gemacht. Als wir sie mit den Vorwürfen und dem Haftbefehl konfrontiert hatten, war die Sekretärin weggelaufen. Lasse hatte sie sofort verfolgt, während sich der durchaus kräftige Stanton auf uns gestürzt hatte. Sein Schlag in meine Magengrube hatte gesessen. Im Gegenzug hatte ich ihm die Schulter ausgekugelt und Jakob hatte ihn festgenommen. Alles war gut ausgegangen, aber mein Rumpf tat trotzdem weh.
Natürlich war Mark deswegen ziemlich schadenfroh gewesen, doch Melodia hatte ihm sogleich das breite Grinsen aus dem Gesicht gewischt, indem sie mir einen Kuss auf die Wange gehaucht und mich in mein Zimmer gebracht hatte.
Ich wollte schlafen, konnte allerdings keine bequeme Position finden. Immerhin hatten wir einige wichtige Sponsoren festgenommen, auch wenn wir weitersuchen mussten. Diese vier hatten die Taten der Schattenbringer sicherlich nicht allein finanziert. Aber es war ein Anfang. Ein guter Anfang. Und vielleicht ergaben die Verhöre etwas. Vielleicht kam nun offiziell heraus, dass mein Vater der Boss dieser Verbrecher war. Dann mussten Ulrich, Jakob, Melodia und Haru kein Stillschweigen mehr bewahren und allein mein Elternhaus observieren.
Ein leises Brummen riss mich aus meinen Gedanken. Jemand rief mich an. Ich griff zum Nachtschrank, um nach meinem Handy zu angeln. Ungläubig starrte ich aufs Display. Es war mein Vater, der versuchte, mich zu erreichen!
Schnell schüttelte ich den Kopf und drückte den Anruf weg. Ich würde für kein Geld der Welt mit diesem Mistkerl sprechen. Er hatte meine Mutter und mich jahrelang belogen. Er hatte mir eine Falle gestellt, um mir Shadow zu entreißen. Er war nichts weiter als ein bösartiger Verbrecher.
Gleich darauf vibrierte mein Handy erneut. Genervt sah ich aufs Display, bereit, den Anruf wieder abzuweisen. Diesmal war es jedoch nicht mein Vater.
„Lloyd, hallo“, meldete ich mich überrascht.
„Hi Mia“, antwortete er. „Wie geht’s dir?“
„Ganz okay, hatte heute einen harten Einsatz und hab einen Schlag in den Magen abbekommen“, erzählte ich. „Und wie geht’s dir?“
Er seufzte. „Verdammt, du warst bei Stanton, oder? Ich hab gehört, dass ihr einige unserer alten Sponsoren festgenommen habt. Stanton hatte schon immer einen Hang zur Gewalt.“
„Du weißt davon?“, staunte ich. „Das hat sich ja schnell herumgesprochen.“
„Wenn so was passiert, verbreitet es sich wie ein Lauffeuer. Waren ja alles ziemlich bekannte Firmenbosse“, entgegnete er. „Tut dein Magen sehr weh?“
„Nein, ich halte es schon aus“, beruhigte ich ihn. „Der Erfolg ist die Schmerzen wert.“
„Klar, dass ihr Ranger begeistert seid.“ Lloyd zögerte, danach sprach er mit leiser Stimme weiter. „Uns habt ihr damit auch einen Gefallen getan. Ashton, Mills, Stanton und Drake waren echt wütend, weil wir unsere Pläne nach dem Fehlschlag geändert haben.“
„Hm. Helfen wollten wir euch eigentlich nicht damit“, lachte ich. „Egal. Ihr habt jetzt also andere Sponsoren für euren neuen Plan?“
„Dazu darf ich nichts sagen“, wimmelte er mich ab. „Aber ich soll dir etwas ausrichten.“
„Was denn? Von wem?“
„Von deinem Vater. Er ...“
„Vergiss es!“, unterbrach ich ihn sofort. „Ich will nichts von ihm hören.“
„Das hat er schon gemerkt, als du seinen Anruf abgewiesen hast. Er steht gerade neben mir.“ Lloyd räusperte sich. „Und es ist wirklich wichtig, was er dir zu sagen hat. Also, hör mir bitte zu.“
„Was soll denn bitte so wichtig sein?“, schnaubte ich.
„Dass du ab jetzt vorsichtig sein musst. Sehr vorsichtig. Genau wie deine Kollegen“, antwortete er. „Mit der Aktion heute habt ihr euch ... in gewissen Kreisen sehr unbeliebt gemacht. Die Festnahmen werden nicht ohne Folgen bleiben.“
„Was soll das heißen?“, fragte ich alarmiert.
„Dass ihr euch mit Leuten anlegt, die ihr euch besser nicht zum Feind machen solltet“, meldete sich mein Vater aus dem Hintergrund zu Wort. „Passt bloß auf! Und denkt das nächste Mal nach, bevor ihr so etwas durchzieht.“
„Wir haben Verbrecher bestraft, genau wie wir dich irgendwann einsperren werden!“, zischte ich. „Wir haben keine Angst vor solchen Widerlingen!“
„Das solltet ihr aber!“ Die Stimme meines Vaters klang so scharf, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Doch ich nahm nicht nur Wut darin wahr. Sondern auch Sorge und Angst.
Das gefiel mir gar nicht. Fürchtete sich mein Vater etwa vor seinen eigenen Sponsoren? Vor irgendwelchen Konzernbossen? Ausgerechnet er, der Leiter einer Verbrecherorganisation?
„Bitte sei vorsichtig“, fuhr er fort. „Ich will nicht, dass dir was passiert. Heute bist du noch glimpflich davongekommen, aber das nächste Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück.“
„J...ja ...“, murmelte ich. Ich war völlig durcheinander. Mein Vater wirkte regelrecht fürsorglich. Seine Stimme zu hören, seine Sorge, das verunsicherte mich. Ich musste dieses Gespräch schnell beenden, bevor ich vergaß, was für ein Monster hinter seiner scheinheiligen Fassade steckte. „Ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Liebes“, raunte mir mein Vater leise durch das Telefon zu.
„Schlaf gut, Mia“, meldete sich Lloyd nun wieder zu Wort. „Und träum süß.“
„Danke“, flüsterte ich, bevor ich schnell die Verbindung trennte.
Ich legte das Handy weg, deckte mich zu, schloss die Augen und zwang mich, nicht zu grübeln. Nicht an meinen Vater und seine guten Seiten zu denken. Mir nicht die möglichen Konsequenzen wegen der heutigen Festnahmen auszumalen.
Mit schmerzendem Magen schlief ich endlich ein.
„Dein Vater könnte recht haben. Die Festnahmen könnten sich rächen.“
„Mach mir nicht noch mehr Angst, Shadow!“, jammerte ich. „Das haben Ulrich und Jakob heute Morgen auch schon gesagt. Aber selbst wenn irgendwelche gierigen Wirtschaftsbosse versuchen, den Rangern etwas zu tun, wird es nichts bringen. Wir würden sie verhaften, genau wie Ashton und die anderen.“
„Unterschätze niemals die Skrupellosigkeit eines profitgierigen Unternehmers“, zitierte das Dämonenoberhaupt die Worte meines Vorgesetzten. „Da kann ich Ulrich nur zustimmen. Pass bloß auf dich auf, Mia!“
Leise seufzte ich, während ich dem nebligen Shadow in die weiß umrandeten Augen blickte. „Ja, ich bin vorsichtig“, versprach ich und setzte mich im Schneidersitz ins Gras. Die kühle Luft im Wald von Windfeld tat unendlich gut, zumal mir das sommerliche Wetter sehr zu schaffen machte. Die Uniform allein war schon schrecklich warm, aber die zusätzliche Jeansweste brachte mich fast um. Dummerweise musste ich meine weiblichen Kurven irgendwie verstecken. „Aber mal was anderes, gibt’s eurerseits Neuigkeiten zu den Schattenbringern?“
„Leider nicht“, antwortete Shadow. „Weder die Geister noch wir Dämonen haben etwas Nennenswertes beobachtet.“
„Verdammt“, seufzte ich.
„Lass den Kopf nicht hängen“, ermunterte er mich. „Der Vorsitzende ist sehr zufrieden mit eurer Arbeit. Ihr macht gute Fortschritte.“
„Ja, der Vorsitzende kann auch zufrieden sein“, maulte ich. „Wir behandeln den Fall so diskret, dass bisher kein Zivilist von den Schattenbringern weiß. Wir halten uns an seine bescheuerten politischen Vorgaben und geben trotzdem unser Bestes. Ich hasse es, dass unsere Arbeit so eingeschränkt wird, nur weil der Vorsitzende es so möchte.“
„Eure menschlichen Ansichten sind mir sowieso oft ein Rätsel“, gestand Shadow und lachte. „Immer geht es um Ruhm und Ansehen.“
„Genau! Als wäre das Ansehen der Ranger wichtiger als der Erfolg“, schnaubte ich. „Hauptsache, wir halten Verbrecher auf und beschützen die Fiorita und die Menschen. Aber nein! So einfach ist es dann doch nicht.“
„Weil Menschen alles unnötig kompliziert machen.“
„Die Fiorita sind viel leichter zu verstehen als die meisten Menschen“, brummte ich. „Gut, dass ich euch habe.“
Shadow schenkte mir ein warmes Lächeln. „Darüber sind auch wir sehr froh.“
Das Klingeln meines Telefons unterbrach unser Gespräch. Schnell zog ich das Handy aus der Hosentasche und hob ab. „Hallo?“
„Mi... Takuto! Bewaffneter Überfall in der Bank am Wasserplatz 14!“, rief Melodia aufgeregt ins Telefon. „Ulrich, Jakob und Viktor sind schon unterwegs, du sollst auch hin. Sofort!“
Meine Augen weiteten sich. „Ich beeile mich“, versprach ich und legte auf. Umgehend erhob ich mich, steckte das Handy ein und wandte mich an Shadow. „Ich muss los! Bewaffneter Überfall. Wir sprechen uns später.“
„Sei vorsichtig! Vergiss nicht, dass dir der Schlag von gestern immer noch zusetzt“, schärfte er mir ein, bevor er zurück in den Schattenkreis schwebte.
Reflexartig griff ich mir an den Magen. „Weiß ich doch“, murmelte ich. Dann lief ich los in Richtung Windfeld. Der Wald lag so nah am Wasserplatz, dass ich zu Fuß am schnellsten dort sein würde.
Obwohl ich keine zehn Minuten gebraucht hatte, kam ich zu spät. In der großen Bank fand ich keine Verbrecher, sondern nur verängstigte Menschen. Ich kniete mich zu einer weinenden Frau, die auf dem Boden lag und das Gesicht in ihren Händen vergrub.
„Was ist passiert?“, fragte ich. „Brauchen wir einen Notarzt?“
„Es ging alles so schnell“, schluchzte sie. „Ich wollte doch nur Geld abheben.“
Die Dame stand völlig unter Schock. Und den anderen Opfern erging es genauso. Deshalb zückte ich mein Handy und rief einen Notarzt. Zwar konnte ich keine schlimmen äußeren Verletzungen ausmachen, aber ich wollte sichergehen.
Ein Angestellter der Bank saß wie ein Häufchen Elend in der Ecke, die Hand- und Fußgelenke gefesselt. Außer ihm war niemand verschnürt, zum Glück. Ich löste seine Fesseln und half ihm auf die Beine, weil er unbedingt aufstehen wollte.
„Sollten Sie nicht lieber sitzen bleiben?“, erkundigte ich mich.
„Ich muss hier raus!“, rief er. „Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus!“
Bevor er allerdings Hals über Kopf hinausstürzen konnte, erreichten meine Kollegen die Bank. Ulrich, Jakob und Viktor trugen Elektroschocker bei sich, ein seltener Anblick. Als sie bemerkten, dass die Diebe bereits verschwunden waren, steckten sie die Waffen weg.
„Verdammt“, zischte Ulrich. „Sind sie schon weg?“
Ich nickte. „Sieht so aus. Ein Notarzt kommt gleich. Die Leute stehen unter Schock, sind aber wohl nicht ernsthaft verletzt.“
„Diese Monster hatten Waffen“, wimmerte eine junge Frau, die neben der anderen weinenden Dame auf dem Boden saß. „Einer hat seine Pistole direkt auf mich gerichtet!“
Alarmiert sahen Ulrich, Jakob, Viktor und ich uns an. Nicht mal Ranger waren bewaffnet! Wir kämpften mit bloßen Händen, nicht mit Hilfsmitteln, abgesehen von den Elektroschockern für absolute Notfälle. Das gehörte zur Philosophie unserer Organisation. Wir wollten Frieden stiften, keine Gewalt säen.
„Wie sind sie an Feuerwaffen gekommen?“, fragte Viktor besorgt. „Das ist fast unmöglich, seit die Ranger sie aus dem Verkehr gezogen haben.“
„Aber es gibt ein paar Provinzen, in denen die Ranger keine Macht haben“, gab Jakob zu bedenken. „An diesen Orten gibt es sicher noch Waffen. Vielleicht stammen die Einbrecher daher. Oder sie haben dort zumindest ihre Ausrüstung gekauft.“
„Das ist gar nicht gut“, murmelte Ulrich. „Aber zunächst sollten wir mal die Spuren sichern und die Opfer beruhigen. Takuto, Viktor, ihr kümmert euch um die Leute und nehmt ihre Aussagen auf. Jakob, wir sehen uns um.“
Der ältere grauhaarige Kollege und ich nickten uns zu. „Dann los.“
Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis wir die acht Leute, die sich zur Zeit des Überfalls in der Bank befunden hatten, befragt und beruhigt hatten. Der Notarzt versorgte drei Frauen und zwei Männer, die völlig unter Schock standen. Nur eine Frau und zwei andere Männer wirkten halbwegs gefasst.
„Also, was haben wir?“, fragte Ulrich, als wir uns mittags in der Zweigstelle eingefunden hatten. Er, Jakob, Viktor, Haru und ich saßen an Melodias Schreibtisch, die Blondine richtete eine kleine Brotzeit für uns her.
„Sieben maskierte Täter in dunkelgrauen Klamotten“, las ich von meinem Notizblock ab. „Alle bewaffnet, entweder mit Pistolen, Gewehren oder Messern. Der Stimme und dem Körperbau nach sind mindestens fünf davon Männer. Ein Anführer. Gut vorbereitet. Der Überfall ging schnell vonstatten. Immerhin keine Verletzten. Gestohlen haben sie das gesamte Geld im Tresor.“
„Unheimlich“, murmelte Haru. „Vor allem, dass der Überfall so reibungslos und zügig ablief.“
„Wir haben es wohl mit Profis zu tun“, mutmaßte Viktor. „Aber bisher habe ich nichts von solchen Räubern gehört. War das ihr erster Überfall?“
„Haru, du erkundigst dich bei den anderen Zweigstellen, ob es schon ähnlich gelagerte Verbrechen in anderen Städten gab“, befahl Ulrich. „In unserem Bezirk gab es in den letzten zehn Jahren nichts dergleichen.“
Die Technikerin nickte. „Wird gemacht“, versicherte sie und rollte auf ihrem Bürostuhl zu ihrem Schreibtisch hinüber, um dort eifrig auf ihre Tastatur einzuhacken. Wahrscheinlich mailte sie den anderen Technikern Fiorias.
„Graue Klamotten?“, meldete sich Melodia plötzlich zu Wort. Sie stellte eine große Platte mit Brot, Wurst, Käse und Butter auf ihrem Schreibtisch ab. „Das klingt ja fast nach den Schattenbringern. Haben die nicht auch dunkelgraue Uniformen?“
Jakobs Augen weiteten sich. „Natürlich! Wir haben ihre Sponsoren geschnappt, jetzt müssen sie sich anderweitig Geld beschaffen.“
„Logisch!“, rief Ulrich. „Wir haben sie zu dieser Verzweiflungstat veranlasst.“
Ich schüttelte den Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen. Bisher hatten sie auch keine Feuerwaffen bei sich und sie haben sich mit ihren Uniformen nie in der Öffentlichkeit gezeigt, höchstens mal in einem Wald oder so. Außerdem haben sie doch längst neue Sponsoren.“ Da Viktor mich erstaunt ansah, ergänzte ich schnell: „Denke ich zumindest. Die Bande ist clever.“
Die anderen vier verstanden vermutlich, dass ich diese Information von Lloyd hatte. Dennoch wirkten sie nicht überzeugt.
„Aber sie sind skrupellos. Ein solcher Überfall würde zu ihnen passen. Als Denkzettel für die Festnahme der Sponsoren“, grübelte Jakob.
„Darum war ihr Ziel wahrscheinlich auch die Bank in Windfeld“, ergänzte Ulrich. „Dieser Überfall war eine Botschaft.“
„Im Leben nicht!“, stritt ich ab. „Das passt doch gar nicht zu ihnen. Sie wollen unerkannt agieren. Sie sind hinterhältig. Und wenn sie so etwas vorhätten, würden sie nicht nur zu siebt in die Bank stürmen, so viele Mitglieder, wie die haben.“
Der Stationsleiter verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir warten die Auswertung der Spuren ab. Ich werde außerdem den Vorsitzenden benachrichtigen. Dann sehen wir weiter.“
„Genau, das finden wir schon noch heraus“, meldete sich Melodia beschwichtigend zu Wort. „Esst erst mal was.“
Ich griff nach einer Scheibe Brot und beschmierte sie mit Butter. Beim Essen unterhielten sich die anderen über diesen Überfall, doch ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch. Die Schattenbringer hatten bestimmt nichts damit zu tun. Aber zur Sicherheit wollte ich abends mit Lloyd darüber reden. Dann würde ich mehr wissen.