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Wunden, die die Zeit nicht heilt
ОглавлениеViele Planeten im Universum, jedenfalls diejenigen, die bewohnt waren, hatten Zivilisationen hervorgebracht, die weit über den Standard herausgekommen waren, der noch immer auf der Erde gültig war. Betrachtete man die Erde in galaktischen Dimensionen, so zählten sie und ihr Volk, die Menschen, zu den primitivsten und wildesten Kulturen. Dies ließ sich zum Teil auch dadurch erklären, dass sie noch immer an ihren Planeten gebunden waren, da sie selbst noch keine Raumfahrzeuge entwickelt hatten, die eine interplanetare oder gar interstellare Expansion im größeren Maße ermöglichte. Es wird angenommen, dass ein Volk, welches den Sprung zu den Sternen geschafft hat, in diesem Stadium auch die Reife erlangen wird, mit seinem Wissen angemessen und weise umzugehen und zu der Erkenntnis zu gelangen, dass Gewalt und Krieg wenig Nutzen haben, wenn man die Weite und die Möglichkeiten sieht, die sich durch die Erschließung des Weltalls auftun. Noch immer war die Menschheit ein Volk, das im Unterbewusstsein von wilden Trieben beherrscht wurde. Armut, Arbeitslosigkeit und andere soziale Umstände machten für manche Menschen das Überleben nur mit Hilfe von Gewalt und Kriminalität möglich, intergesellschaftliche Probleme, die von Außenstehenden selten verstanden werden, wie eine merkwürdige Krankheit namens Liebeskummer, brachten diese Rasse dazu, sich gegenseitig zu ermorden, auch Eifersucht, Gier und Streben nach Macht waren ausreichende Gründe. Dennoch, oder gerade deshalb, sind die Menschen eines der wenigen Völker in der Galaxis, jedenfalls von denjenigen, die bekannt sind, das sich mit einer ganz bestimmten Thematik auskennt: Verbrechen!
Staunend starrte Alvy aus dem Bullauge des Raumschiffs. Draußen, durch eine dicke Scheibe aus transparentem Stahl von ihm getrennt, befand sich der Weltraum, das kalte und tödliche Nichts, in dem sich unendlich viele Planeten und unendliches Wissen befinden mussten. Alvy sah hinaus, drückte seine Stirn an die Scheibe, sie war wider Erwarten nicht kühl, und ließ sich von dem wundersamen Sternenhimmel in Bann schlagen. Diese Aussicht wurde nicht unterbrochen, keine Wolken, keine Laternen, kein Smog hinderte die Sicht. Als er sich endlich von dem Anblick losriss und in der Beobachtungskabine wieder das Licht andrehte, saß der Gardonier Psitor Angos in seinem Sessel und schüttelte lächelnd den Kopf.
"Ihr Menschen seid wirklich interessant", sagte er.
"Wir sind es eben nicht gewöhnt, den Weltraum aus der Nähe zu sehen."
"In ein paar Jahrhunderten werdet ihr nicht mehr gewöhnt sein, ihn nicht mehr aus der Nähe zu sehen."
"Falls wir uns nicht vorher einen schnelleren Weg aussuchen, für immer ein Teil des Nichts zu werden."
Angos schien nicht zu verstehen. Er schüttelte den Kopf und klopfte dann auf sein Übersetzungsgerät.
"Verstehen Sie's nicht? Ich meine, falls wir einen Krieg vom Zaun brechen und unseren Planeten in eine Kolonie für Strahlungsmutanten verwandeln."
"Oh", er nickte und lächelte wieder. Dann wurde er verlegen. "Äh, ich lächele nur, weil ich... Naja, ihr Menschen seid schon sehr pri... seltsam."
Alvy sah ihn kritisch an.
Angos hüstelte.
"Wo haben Sie das denn her?"
Alvy war erstaunt.
"Bitte? Es ist eine Krankheit..."
"Sagen Sie mir nicht, dass man auf Ihrem Planeten hüstelt, wenn man verlegen ist?!" Der Gardonier überlegte sich noch eine Antwort, als Alvy fortfuhr: "Hmm, wenn ich mich recht erinnere, ist das eine Geste, die Sie von Botschafter Newman übernommen haben. Er hüstelt auch, wenn er verlegen ist."
"Sehr scharfsinnig."
"Deswegen bin ich Detektiv! Hmm, ich fürchte, Ihnen eine schlechte Nachricht mitteilen zu müssen."
Der Blick des Gardoniers, sofern man davon hinter den schwarzen Gläsern einer Sonnenbrille, oder hinter etwas, das einer Sonnenbrille sehr ähnlich sah, sprechen konnte, zeigte ängstliches Interesse.
"Sie werden menschlich."
"Oh!" Er begann wieder zu hüsteln.
"Hmm, hoffentlich fangen Sie nicht auch an, Leute umzulegen, wie Ihr Landsmann."
"Das wäre... bedauerlich!"
Der Gardonier war zu lange in der Gesellschaft von Engländern gewesen.
"Gefällt es Ihnen denn nicht, die Galaxie kennen zu lernen?" wollte er von dem Terraner wissen.
"Ich gebe zu, es ist interessant, ich meine, wer in meinem Alter gondelt schon so weit von zuhause herum? Was ist unser Ziel?"
Der Gardonier schlug die Beine übereinander. "Tyros, ein Planet der weiter am Zentrum der Galaxie liegt."
"Sie meinen 'näher am Zentrum'!? Diese Übersetzungsgeräte werden auch immer schlechter."
"Bitte?"
"Vergessen Sie's! Erzählen Sie mir etwas über Tyros. Warum ausgerechnet dieser Planet?"
"Es ist etwas peinlich, aber die Informationen, die wir Ihnen gegeben haben, sind nicht vollständig. Tyros ist so etwas wie ein..." Das Übersetzungsgerät schien nach dem richtigen Wort zu suchen. "...Hochofen?“
„Schmelztiegel?“ versuchte Alvy seinem Reiseleiter auf die Sprünge zu helfen.
Angos nickte.
„Viele Rassen treffen dort zusammen. Es ist ein Begegnungsort für raumfahrende Völker, ein Planet interstellarer Diplomatie. Dort werden viele Konferenzen über Verträge der verschiedensten Völker abgehalten. Und dort kommt es hin und wieder zu... Unfällen?"
"Sie meinen Verbrechen."
Angos seufzte.
"Ja, stimmt. Mein Sprachschatz in dieser Beziehung ist dem Ihren immer noch nicht ganz angepasst. Nunja, es gibt keine interstellare oder gar intergalaktische Rechtsprechung, weil..."
"Weil wir Menschen bislang kein Teil der bekannten Galaxie waren."
"Kein anerkannter Teil. Obgleich... auf Tyros leben ein paar Vertreter Ihrer Gattung."
Alvy stutzte. "Moment, wie..."
"Sie wurden wahrscheinlich entführt, von Wissenschaftlern, die mit ihnen unerlaubte Experimente durchführen wollten. Sie sehen, auch bei uns gibt es noch ein paar Schwierigkeiten."
"Scheint mir auch so. Wieviele sind es?"
"Drei. Vor kurzem waren es noch vier, aber eines der Weibchen ist gestorben."
"Sie meinen eine Frau!"
"Ja."
"Hmm, dann ist wohl bald mit einem Verbrechen zu rechnen."
Er sollte Recht behalten.
Das Raumschiff drang in die Atmosphäre des Planeten Tyros ein. Es war ein großer Planet, größer als die Erde, fast so groß wie der Saturn, aber lebensfreundlicher. Es gab viele große Städte auf diesem Planeten, aber natürlich auch kleinere Ortschaften in den ländlichen Regionen. Man konnte sich hier wohl fühlen, wenn man sich daran gewöhnt hatte, dass der Himmel orange war, statt blau.
"Sie werden sich sicher freuen, ein paar Menschen zu treffen", meinte Psitor, wobei er nicht ganz Unrecht hatte, denn Alvy hatte schon lange keine Frau mehr gesehen. Ein Vertreter der Regierung hatte Angos auf dem Raumflughafen beiseite genommen und die beiden hatten die Existenz von Rosen geklärt. "Sie arbeiten jetzt offiziell im Auftrag der Zentralregierung."
"Na, ist ja wundervoll. Wann kommt mein Scheck? Jeden Monat? Und wie lang sind hier die Monate?"
"Hmm, lassen Sie uns die Stadt ansehen gehen."
Sie schlenderten durch eine Stadt, die teilweise wie New York aussah, teilweise wie eine Tropfsteinhöhle und teilweise wie Disneyland. Verschiedenste Wesen liefen – oder bewegten sich auf irgendeine andere Weise – ihnen über den Weg.
"Wie ist es möglich, dass so viele verschiedene Lebensformen hier leben, ohne sich gegenseitig umzubringen?"
"Sie haben keinen Grund dazu! Und wenn, wüssten sie, dass es ihnen nichts bringen würde. Stellen Sie sich vor, jemand, sagen wir ein Kepurier, würde einen anderen, einen Temmpor von Ratonn töten."
"Klar, fahren Sie fort."
"Was sollte dann die Temmpor von Ratonn daran hindern, den Kepurier zu töten? Und wieder andere Kepurier anderer Temmporer von Ratonn? Es könnte ein Krieg entstehen, in dem entweder beide Rassen ausgelöscht werden würden, oder aber man über Verhandlungen zu einem Frieden kommen müsste. Wozu der Umstand? Und wenn man sowieso verhandeln muss, kann man das auch tun, statt sich gegenseitig zu töten."
"Ja, natürlich, das ist bei uns genauso... nur, dass es niemand weiß!"
"Sie glauben nicht an die Menschheit?!"
"Wie sollte ich? Erzählen Sie mir etwas über diese Menschen."
"Es handelt sich um drei Wissenschaftler. Einer der drei ist ein Weib... eine Frau!"
"Aha."
Als die beiden die drei Leute, um die es ging, trafen, sah Alvy missbilligend auf Angos hinunter. Vor ihnen standen drei Lebewesen, die zwar humanoider Gestalt waren, aber ansonsten alle mehr als zwei Meter groß waren, eine grüne Hautfarbe hatten, schwarze Zähne und kleine Hörner auf der Stirn.
"Meine Stammesgenossen", murmelte Alvy, "Sie sind ja wirklich ein Profi!"
"Ich bin Historiker, kein Biologe!" verteidigte sich der Gardonier.
Alvy lächelte die drei an. "Guten Tag."
"Ich verstehe nicht ganz", erklärte einer der drei Humanoiden. "Man sagte uns, man wolle uns jemandem von unserem Planeten vorstellen... jemanden, der es geschafft hat..."
"Ähm, wir sitzen alle einem Missverständnis auf, fürchte ich." Alvy hob die Schultern. "Mir hatte man das gleiche erzählt. Der was geschafft hat?"
"Überlebt. Nun, da wir schon mal hier sind, darf ich mich vielleicht vorstellen." Der Mann, oder wie immer man das, was er war, bezeichnen wollte, machte eine komplizierte Bewegung mit den Händen, möglicherweise eine Art Begrüßungsritual. "Mein Name ist Quetz, ich komme vom Planeten Torgg."
"Rosen, Alvy Rosen. Von der Erde!"
"Sehr erfreut." Der Torggianer klopfte sich mit der Hand auf die Schulter.
Die Frau trat vor und machte dieselben Gesten. "Ich bin Quetzi von Torgg."
Alvy fragte sich, ob die beiden miteinander verwandt waren. "Sehr erfreut."
"Quitz, von Torgg", stellte sich der dritte vor und vollführte das merkwürdige Ritual.
"Nett, Sie alle kennen zu lernen."
"Naja", Quetz machte etwas, das man wohl als Lächeln interpretieren konnte, "obwohl dies ein Missverständnis ist, können wir uns vielleicht näher kennen lernen. Da ich nicht annehme, dass Sie schon eine Unterkunft haben, biete ich Ihnen an, mich heute Abend zu besuchen. Wir könnten auch gemeinsam ein Mahl einnehmen und ein bisschen reden. Ich bin sehr interessiert an fremden Kulturen."
"Vielen Dank. Das ist sehr freundlich."
"Es war der einzige Weg, Sie unauffällig miteinander bekannt zu machen."
"Unauffällig? Sehr witzig. Was sollte das?"
Angos saß in einem Sessel und sah Rosen lange an. Dann sagte er: "Sie sind auf diesem Planeten unbekannt. Sie sind in der ganzen Galaxie unbekannt."
"Jedenfalls auf den wichtigen Planeten!" meinte Alvy sarkastisch.
"Wir wissen nicht viel über die Torggianer. Wir wissen nicht, wieviele es noch gibt, wir wissen nur, dass es nicht mehr viele sein können. Es handelte sich um ein intelligentes Volk mit einem großen Interesse an Wissenschaft. Vor wenigen Jahren wurde ihr Planet zerstört und mit ihm ein Großteil der Torggianer."
"Ein Großteil? Wenn drei überlebt haben? Wie groß war denn die Bevölkerung? Sieben?"
"Eine verschwindend geringe Minderheit hat überlebt."
"Schon besser. Aber warum haben sie ihn zerstört, ich dachte, es gibt hier oben keine Kriege mehr."
"Oben?"
"Draußen, weit weg, im zur Vernunft gekommenen Teil der Galaxis."
"Ach so. Nun, nicht alle Völker sind so weit, das Ihre ist da keine Ausnahme. Diese drei befinden sich nur deswegen auf Tyros, weil sie die letzten Vertreter ihrer Rasse sind. Fast alle Informationen über Torgg sind bei der Vernichtung des Planeten zerstört worden."
"Hatten Sie den Planeten denn nicht unter Beobachtung, wie die Erde?"
"Schon." Psitor Angos druckste herum. "Die Katastrophe ereignete sich, als die Beobachter endlich Kontakt aufnehmen wollten."
"Sie meinen, das gleiche hätte mit der Erde passieren können?"
"Nein. Ja! Es ist ein Risiko."
"Okay, Risiko hin, Risiko her, was soll ich hier?"
"Ich dachte, Sie wollten die Galaxie kennen lernen, andere Völker...“
"Psitor!"
"Die Entscheidungen, fremde Welten zu kontaktieren, werden hier gefällt, auf Tyros. Mein Volk wurde auserwählt, mit dem Ihren Verbindung aufzunehmen, weil wir uns als Rassen am ähnlichsten waren und weil wir angenommen haben, wenn wir sagen würden, wir wären geschickt worden von einem Zusammenschluss von ein paar tausend Rassen, wäre das ein Kulturschock gewesen, den die Menschheit nicht überstanden hätte. So wollten wir Sie langsam darauf vorbereiten, dass es außer uns noch viele andere..."
"Psitor!"
"Nun gut. Die Torggianer waren sehr wissenschaftlich und Quetz gehört zu den begabtesten Wissenschaftlern seiner Rasse."
"Das dürfte im Moment nicht allzu schwierig sein, es sei denn, der andere ist Einstein!"
Angos sah Alvy verständnislos an, während man die Mikroprozessoren seines Übersetzungsgeräts sprichwörtlich rattern hören konnte.
„Ich verstehe ni...“
Alvy, dem sein Fehler auffiel, winkte ab.
„Äh, das ist ein Eigenname, das kann man nicht übersetzen. Ein berühmter Wissenschaftler, sehr intelligenter Kopf. Arbeitete auf dem Patentamt, erfand die Relativitätstheorie, ließ von sich Bilder mit rausgestreckter Zunge machen... vergessen Sie’s einfach. Zurück zu diesem Knaben von... wie auch immer der Planet hieß.“
"Torgg. Er hat viel gelernt, seit er auf diesem Planeten ist. Und er arbeitet an etwas. Aber wir wissen nicht, an was. Die Regierung möchte, dass Sie es herausfinden."
"Warum fragt sie ihn nicht einfach? Ich dachte, wir wären alle so freundlich und klug."
"Sie hat ihn gefragt. Er hat nur geantwortet, dass er etwas baut, mit dem Katastrophen wie die auf seinem Planeten verhindert werden können. Weil wir aber nichts Genaues über diese Katastrophe und wie sie zustande kam wissen, möchten wir es aber gerne genau wissen."
"Und ich soll es herausfinden? Warum ich?"
"Weil Sie von einem Planeten kommen, auf dem noch heute spioniert wird."
"Ich dachte mir schon, dass es etwas in dieser Richtung sein würde. Sie sagten, eine Frau... ein Weibchen sei gestorben?"
"Das ist richtig. Es war das Weibchen von Quitz."
"Aha, die gute alte Quitzi."
"Woher wissen Sie das?"
"Irdische Spionage!"
Im Hause Quetz saßen sie in einem großen Raum. Quetz hatte Alvy und Angos zum Essen eingeladen, doch beide hatten in weiser Voraussicht abgelehnt. Man wusste ja nicht, welche Art Nahrung die Torggianer zu sich nahmen, lebende oder gekochte. Angos erklärte, dass dies eines der größten Probleme bei der interrassischen Verständigung sei, wobei ihm Quetz zustimmen musste.
Nachdem sie ein bisschen über die Vergangenheit gesprochen hatten, fragte Alvy: "Woran arbeiten Sie zur Zeit?"
"An einem Projekt, das Kriege auf allen Planeten verhindern hilft. Es soll eine... Überraschung sein." Er sah Angos an. "Und auch für Sie als Historiker wird es sehr hilfreich sein." Er machte etwas, was im irdischen Bereich ein Lächeln gewesen sein könnte und fuhr fort: "Aber mehr möchte ich im Moment nicht darüber sagen. Nur, dass ich kurz vor dem Durchbruch stehe..."
In diesem Moment trat Quetzi ein, seine Lebensgefährtin. Sie hatte sich den ganzen Abend nicht sehen lassen. Quetz´ Blick veränderte sich, Alvy nahm an, zum Bösen hin.
Ohne sie eines Blickes zu würdigen ging Quetzi an ihnen vorbei und verschwand durch eine Tür.
"Sind die Frauen auf Ihrem Planeten auch so eigenwillig?"
Alvy nickte. "Ich nehme an, das sind sie überall."
Sie sprachen noch lange. So lange, bis ein Angehöriger der Botschaft für interstellare Sonderfälle, der Vertreter von Rassen, die weitgehend ausgestorben waren betreute, erschien. Er hatte eine schlechte Nachricht. Quiz war tot.
"Ein neues Opfer der Krankheit? Wie seine Frau?"
"Keine Krankheit", sagte der Botschafter. "Er wurde ermordet!"
Alvy sah sich den Tatort genau an. Das Haus Quitz´ war so abgesichert gewesen, dass niemand hinein konnte. Ein elektronischer Schutzschirm machte jegliches Eindringen unmöglich. Angos erklärte, dass derartige Sicherheitsmaßnahmen auf Tyros nicht gebräuchlich seien, aber Quetz gab zu, sein Haus ähnlich gesichert zu haben. Die Regierung hatte jedoch in einem solchen Fall die Möglichkeit, die Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen. Aber nur die Regierung konnte das. In drei der Räume fanden sich Teile von Quitz´ Körper. Er war brutal ermordet worden, Alvy erinnerte der Anblick an irdische Folter. An die Arbeit der Mafia. An Rache.
"Ist das eine natürliche Todesart auf Ihrem Planeten? Alles von sich zu strecken und in allen Räumen zu verteilen?" fragte Alvy Quetz.
"Er wurde ermordet, das liegt doch auf der Hand!"
"Das sehe ich auch so. Und das schränkt den Kreis der Verdächtigen unheimlich ein. Auf Sie!"
"Mr. Rosen, ich und meine Frau können ihn nicht ermordet haben. Wir haben die ganze Zeit zusammen gesessen, bis man uns allen mitteilte, dass er tot ist."
Das stimmte. Sie konnten es genau so wenig gewesen sein, wie Alvy oder Psitor.
"Dann ist da noch ein Problem: Wie ist der Mörder hereingekommen?"
"Sieht so aus", mischte sich Angos ein, "Als hätte man hier das perfekte Verbrechen begangen!"
"Ach, was verstehen Sie davon?"
Angos und Alvy saßen zusammen in einem Raum der gardonischen Botschaft.
"Das ist völlig irrsinnig", meinte Alvy. "Wir haben es genau überprüft. Niemand ist in der Nacht eingedrungen und niemand hatte ein Motiv, Quitz zu ermorden. Abgesehen von Quetz."
"Er hat ein Motiv?" Der Gardonier war überrascht.
"Eifersucht, Vergeltung, Rache, suchen Sie sich eins aus. Immerhin hat Quitz ihn mit seiner Frau betrogen."
"Hat er?"
"Natürlich hat er. Seit seine Frau starb, vielleicht schon früher, wer weiß? Haben Sie nicht gesehen, wie gespannt die Stimmung zwischen den beiden war, als wir zu Gast waren? Im Übrigen ist Quetz wahrscheinlich sowieso der einzige, der ein Motiv hatte."
"Aber selbst wenn, wie kann er es dann gemacht haben? Der Körper des Mannes ist von einem anderen Mann brutal in Stücke gerissen worden. Ein Ding der Unmöglichkeit, weil niemand hinein konnte. Und Quetz kann es nicht gewesen sein, weil er sich mit uns unterhalten hat."
"Das weiß ich selbst. Aber wer soll es denn sonst gewesen sein?"
"Mein lieber Quetz, woran arbeiten Sie?" Alvy ging im Raum des Torggianers auf und ab, während Angos in einem Sessel saß.
"Finden Sie es doch heraus, wenn Sie so schlau sind."
"Haben Sie Quitz ermordet?"
"Selbst wenn ich es zugeben würde, wie sollte ich es angestellt haben?"
"Die einzige Erklärung wäre: mit Ihrer Erfindung! Also: Sie wollen mir nichts darüber sagen. Okay, denken wir also angestrengt nach. Niemand konnte den Schirm durchbrechen und in das Haus von Quitz eindringen. Und Sie sind der einzige, der ein Motiv hätte, ihn zu töten, weil die Vertreter Ihres Volkes hier keinen großen Kontakt zu anderen pflegen und demnach auch keine anderen kennen. Geben Sie wenigstens das zu?"
"Ja, das gebe ich zu. Bisher liegen Sie völlig richtig."
"Okay. Vielen Dank. Allerdings haben Sie für die Zeit, in der Quitz das Zeitliche segnete", er fragte sich, wie das Übersetzungsgerät das wohl übersetzen würde, "ein bombensicheres Alibi: uns beide hier. Also haben wir einen Fall der Unmöglichkeiten: Nicht nur, dass niemand zu dieser Zeit in das Haus eindringen konnte, um Quitz zu ermorden, der einzige, der das tun würde, befand sich zu dieser Zeit zweifelsfrei in tadelloser Gesellschaft."
"Völlig korrekt."
"Das bringt uns dann wohl zu Ihrer Arbeit. Nur mit ihrer Hilfe war es Ihnen möglich, nicht nur einen Schutzschirm zu durchbrechen, sondern auch zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten zu sein, etwas, das uns allen ziemlich unmöglich erscheint."
"Sie glauben zu wissen, was ich geschaffen habe?"
"Ja, ich denke schon. Nur auf eine Weise ist es möglich, beides zu erreichen. Ich habe früher viel Science Fiction gelesen..."
"Was?"
"Äh, Zukunftsgeschichten, über außerirdisches Leben und sowas." Das schien seinen Gegenüber nicht sehr zu überzeugen. "Jedenfalls eines hat mich dabei immer besonders interessiert."
"Und das wäre?"
"Die Zeit!"
"Die Zeit?" Angos sah von einem zum anderen.
"Natürlich." Alvy lehnte sich gegen einen Kleiderständer, der in Wirklichkeit ein torggianischer Kultgegenstand war, oder etwas, das dem sehr nahe kam. "Nur mit Hilfe einer Zeitmaschine war das alles möglich. Sie konnten sie in das Haus von Quitz bringen, wenn das Schutzsystem nicht eingeschaltet war, sich dann in die richtige Zeit bringen und ihn umbringen, während Sie, bzw. Ihr aktuelles Ich, sich in der gleichen Zeit mit jemand anderem unterhalten und sich so ein Alibi verschaffen konnte. Anschließend konnten Sie wieder zurückkehren und in der eigentlichen Realzeit weiterleben, bis der Zeitpunkt des Mordes und das von ihnen arrangierte Alibigespräch kommen würde, nachdem der Mord für Sie bereits erledigt war, oder Sie werden zu einem gegebenen Zeitpunkt in die Vergangenheit zurückkehren, um die Tat zu begehen und somit das zu gewährleisten, was wir inzwischen alle wissen. Die Frage ist also, ob Sie den Mord schon begangen haben, oder erst noch begehen werden!"
Quetz war erstarrt. "Sie sind sehr clever, Mr. Rosen. Sehr sehr clever."
"Hmm, da fällt mir eine interessante Variante ein. Was würde passieren, wenn Sie den Mord noch nicht begangen hätten und man würde Sie töten?"
"Dann würde das beweisen, dass Sie sich geirrt hätten!"
Alvy überlegte und stimmte zu.
"Hat er sich geirrt?" fragte Angos.
"Nein."
"Was sollen wir jetzt mit Ihnen machen?"
"Schicken Sie mich auf meinen Planeten zurück."
"Zurück? In zweifacher Hinsicht?" meinte Alvy.
"Ja."
Alvy nickte. "Soll er versuchen, seinen Planeten zu retten."
"Meinen Sie, er kann es schaffen?"
"Nein. Das ist doch wahrscheinlich das wirklich interessante an dieser Zeitreisethematik. Ursache und Wirkung Möglicherweise ist gerade er es, der den Planeten zerstört."
"Dann dürfen wir ihn nicht zurückschicken", Angos betonte es noch einmal, als sie von der Zentrale eines Raumschiffes beobachteten, wie die Fähre mit Quetz und seiner Frau Quetzi, die ihn begleiten wollte, sich der Oberfläche des zerstörten Planeten Torgg näherte. "Er wird den Planeten vernichten."
"Und wenn schon, was sollte das an der Gegenwart ändern? Diese Welt ist vernichtet. Was immer geschehen ist, es ist bereits geschehen! Und wenn er es nicht war, der den Planeten zerstört hat, hätten wir uns geirrt. Mord und Vernichtung sind Wunden, die die Zeit nicht heilt!"