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Kapitel 2: „Clown wir gleich die ganze Bank“
ОглавлениеEs war einer dieser Abende. Börk saß in seinem Büro, rauchte, was die Lungen hergaben und wünschte sich, dass Kriminelle so schlau wären, keine Straftaten zu begehen. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass gerade das sie als Kriminelle auszeichnete… oder zumindest zu welchen machte. Es war Philosophie und damit nicht gerade seine Abteilung.
Börk hustete, aschte in den überfüllten Aschenbecher und sah sein Gegenüber an.
„Also, wie hat dieser Clown ausgesehen?“ fragte er.
„Naja, also, er war weiß geschminkt, hatte so einen roten Schmollmund...“
Börk stutzte. „Moment, Sie wollen doch nicht sagen, dass es wirklich ein Clown gewesen ist, oder?“
„Doch.“ Der Zeuge nickte.
„Und, hat er irgendwelche Faxen gemacht?“
„Meinen Sie, bevor oder nachdem er den Kassierer erschossen hat?
Ein paar Stunden früher. Was bis vor kurzem eine Bank gewesen war, sieht nun aus wie ein Schlachtfeld. Überall liegen Leichen herum. Hier hat jemand gewütet, der sich einen Dreck um Menschenleben schert. Und gekleidet ist er in einer der albernsten Verkleidungen, die die Unterhaltungsbranche kennt: als Clown!
„Wenn sich einer von euch rührt, puste ich ihn weg.“
„Aber... aber Sie haben doch schon alle erschossen!“
„Oh, ja, richtig.“ Der Clown nickte, dann drückte er dem Mann die Kanone ins Genick. „Okay, Typ, dann rück jetzt die Kohle rüber, oder du bist auch noch dran!“
„Wow!“ Börk pfiff durch die Zähne. „Das hat er mit Ihnen gemacht?“
Der Zeuge nickte und rieb sich das Genick.
„Wirklich verwunderlich.“
„Dass er so brutal war?“
„Nein, dass Sie diese Geschichte überlebt haben.“
„Ja, ja“, der Zeuge nickte, „das finde ich auch!“
„Wirklich schade.“
„Was?“
„Dass dieser Clown abgeknallt wurde“, meinte Börk.
„Finden Sie?“
Börk drückte die Zigarette aus.
„Naja, eigentlich nicht.“
Vor der Bank waren Scharfschützen postiert. Die Nerven waren gespannt. Ein kaltblütiger Mörder, der schon einige Menschen auf dem Gewissen hatte.
Langsam lief ein Schweißtropfen über die Wange eines der Scharfschützen, die das Portal der Bank im Auge behielten. Er blinzelte und überlegte, ob er mit einer schnellen Handbewegung die kleine Schweißträne wegwischen sollte, als plötzlich aus der Bank eine Stimme ertönte...
„Ich komme jetzt raus!“ rief sie. „Und wehe, einer schießt!“
Der Scharfschütze konzentrierte sich, zielte genau auf den Eingang. Der Schweißtropfen war vergessen, das war wichtiger, endlich konnte er zeigen, was in ihm steckte.
Dann geschah es. Die Tür ging auf und durch das Portal torkelte ein Clown auf die Straße. Es sah fast so aus, als wäre er betrunken. Aber da war noch etwas. Er hielt etwas in der Hand.
„Er hat eine Waffe!“ schrie jemand.
Die Waffe bewegte sich durch die Luft, hierhin und dorthin.
Der Schweißtropfen landete brennend im Auge des Scharfschützen.
Der plötzliche Schmerz überraschte ihn.
Ebenso wie der Ausfallschritt des Clowns.
Er schoss – und seine Kollegen taten es ihm nach.
Die Zirkusattraktion mit der Waffe wurde innerhalb von Sekunden von unzähligen Kugeln durchsiebt. Der Vorhang fiel...
„Dieser Typ war ein Psychopath!“ murmelte der Zeuge.
„Welcher“, wollte Börk wissen. „Der, der erschossen wurde?“
Der Zeuge nickte.
„Ja, dieser Clown!“
„Naja, das mag schon stimmen. Das heißt, WENN man ihn erschossen HÄTTE!“
Der Zeuge sah auf.
„Was... was wollen Sie damit sagen?“
Börk verzog das Gesicht. „Ach, kommen Sie, dieser Clown Typ geht in die Bank rein, ballert alle über den Haufen und nur Sie lässt er am Leben? Und dann spaziert er mit der Waffe in der Hand nach draußen, wo eine Horde Scharfschützen auf ihn wartet?“ Börk schüttelte den Kopf. „Nein, das können Sie mir nicht erzählen. Jeder von uns hat genügend Filme gesehen, um zu wissen, dass so ein Verhalten Schwachsinn ist!“
„Aber so war es!“ sagte der Zeuge verzweifelt.
„Aha. Dann erklären Sie mir eins: Warum hat er sich angeschossen, bevor er nach draußen marschiert ist?“
„Er hat... was?“
Der Zeuge sah Börk fassungslos an.
Börk wedelte mit einer Aktenmappe. „Sehen Sie, ich hab hier den Autopsiebericht! Lustigerweise hatte Monsieur Le Clown eine Kugel aus seiner eigenen Knarre in der Lunge! Was mich zu der Schlussfolgerung bringt, dass es sich bei diesem armen Schwein um einen unschuldigen Zeugen handelt – und bei dir Clown um den Clown! Wachen!“
Die Tür öffnete sich und zwei uniformierte Polizisten kamen herein. Börk deutete auf den Zeugen.
„Abführen, bitte!“
Die beiden Beamten packten den Zeugen.
„Aber... aber... Sie haben keine Beweise!“ rief er.
„Schonmal was von Paraffintest gehört, Sie Anfänger? Denn genau den werden Sie jetzt absolvieren! Und ich wette, Sie werden ihn mit Bravour bestehen! Raus mit ihm!“
Der Zeuge wurde herausgeführt. Mühsam riss er eine Hand nach oben und schrie: „Das wird Ihnen noch...“
„...Leid tun, Bulle?“ seufzte Börk gelangweilt. „Ja, ich weiß. Aber ich kann’s nicht mehr hören! Jeder Arsch, der meint, er müsste anfangen Leute umzubringen und der dabei zu blöd ist, sich nicht erwischen zu lassen, muss an dieser Stelle mit irgendeinem blöden Klischeespruch aufwarten.
Das war dein letzter Fehler, Bulle!
Wir sehen uns wieder, Freundchen!
Das wirst du noch bereuen!
Also, krieg ich jetzt mal nen originellen, neuen Spruch zu hören oder ist es das übliche Aufgeflogener-Mörder-Einerlei?“
Der Zeuge sah Börk sprachlos an.
„Ich... du... das...“
„Ja, das war doch gar nicht so schlecht. Und, so merkwürdig das auch klingen mag, aber selbst da hab ich schon schlechteres gehört. Und nun ist es an mir, ins Klischee zu verfallen.“ Er deutete auf den Kerl. „Abführen!“
Die Tür fiel ins Schloss und Börk öffnete sein Zippo. Genüsslich zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch aus.
„Ah“, murmelte er, „die Zigarette danach.“
Er erhob sich, tippte sich an seinen nicht vorhandenen Hut und meinte: „Okay, Jungs, ich geh jetzt erstmal was essen!“
Börk wusste, was gute Ernährung war. Oder sagen wir, er hatte davon gehört. Er hatte sie nie selbst ausprobiert. Man musste eben nicht alles ausprobieren. Auch hätte man denken können, dass das Exil, das er zusammen mit Müller bei der Observationsabteilung bzw. in dessen Auto durchlebt hatte, hätte seine Offenheit für Essen erweitert, doch kaum waren sie zurück bei der Mordkommission verfiel er wieder in alte Verhaltens- und Verdauensmuster. So landete er also, wie so oft, bei „Mäckes“, einer Burger-Kette, die immer schwer damit zu kämpfen hatte, wegen ihres Namens nicht verklagt zu werden. Wobei die Gefahr dafür im Moment für Börk größer war…
„Sie dürfen hier nicht rauchen!“ sagte eine angesäuerte Stimme.
Börk lüftete sein Jackett und zeigte der etwas voreiligen Bedienung seine mehr als unfreundlich aussehende Kanone.
„Darf ich hier auch nicht schießen?“
„Nein, das... das dürfen Sie auch nicht.“
„Und falls ich trotzdem das Bedürfnis haben sollte?“
„Muss ich Sie bitten, das Restaurant zu verlassen.“
„Das ist nur fair.“
„Und zum Burger König zu gehen.“
„Das ist geschäftsschädigend.“
„Die Philosophie unserer Schnellimbisskette beinhaltet, keine Amokläufer zu bedienen...“
Irgendwo begann ein Handy zu klingeln.
„...sofern sie Kunden des Geschäfts durch Ermordung am Verzehren der Mahlzeit hindern“, zitierte Börk, „schon klar. Zwei Hamburger, bitte. Und machen Sie schnell, mein Finger juckt schon!“
Das Handy klingelte noch immer. Börk wurde allmählich sauer. Er sah sich missmutig in der Filiale um.
„Gott, ich hasse diese Handy Idioten. Lassen ihr scheiß Handy stundenlang klingeln, damit auch wirklich jeder mitbekommt, dass sie sich gerade den neusten beschissenen Klingelton runtergeladen haben.“
„Das ist kein neuer Klingelton“, korrigierte die Bedienung. „Und ich glaube, es ist Ihr Handy!“
Der Mann deutete auf Börks Jackentasche.
Börk seufzte.
„War ja klar!“
Er klaubte sein veraltetes Mobiltelefon hervor und ging ran. „Ja, Börk? --- Wo bist du? --- Triffst dich mit einem Informanten? Haben wir sowas überhaupt? --- Oh. Aha. Klingt spannend. Worum ging’s da nochmal? --- Aha. Klingt weniger spannend. Also wozu brauchst du mich dabei? Als Rückendeckung?“
Börk sah zwei Jugendliche an, die ihn abschätzig musterten.
„Na, wieviel Schulden habt ihr schon wegen eures Handys?“
Die Jugendlichen wandten sich von ihm ab.
„Ja, okay, ich mach mich auf den Weg. Sag mir doch noch mal die Adresse.“
Die Bedienung kam mit einem Tablett, auf dem Börks Bestellung lag. Börk deutete auf das Tablett.
„Zum Mitnehmen, bitte!“
Gerichtsmediziner Dr. Schnippler kam am Präsidium vorbei. Alles war friedlich. Irgendwie irritierte ihn das fast.
Auf einem dunklen Kinderspielplatz saß derweil Müller auf einer Rutsche und wartete.
„Hältst du das wirklich für einen guten Treffpunkt?“ fragte Börk, als er eintraf.
„Wieso, sind doch keine Kinder da.“
„Es könnte trotzdem den falschen Eindruck erwecken.“
„Und welcher Eindruck wäre das?“
„Dass zwei erwachsene Männer mit geladenen Schusswaffen die Rutsche benutzen.“
„Ich versteh, worauf du hinaus willst.“
Müller sprang von der Schaukel.
„Was genau machen wir hier noch mal?“ wollte Börk wissen. „Ne Geldübergabe?“
„Nein.“ Müller schüttelte den Kopf. „Der Informant wollte hier mit uns Kontakt aufnehmen.“
„Aha.“ Börk sah sich um. „Und wann kommt der?“
„Der kommt nicht.“
Börk blieb verwirrt stehen. „Wieso, muss er ins Bettchen?“
„Nein.“
„Weißt du das ganz sicher?“
„Nein.“
„Na das ist beruhigend.“
„Das sagst du doch nur so.“
„Allerdings. Also er kommt nicht?“
„Nein.“
„Was machen wir dann hier?“
„Er meldet sich.“
Börk dachte angestrengt nach. Dann kam er zu einem Ergebnis. „Nein, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon du sprichst!“
„Naja, er kommt nicht her...“ druckste Müller herum, „er ruft nur an!“
„Der Informant ruft nur an?“
„Ja.“
„Wozu brauchst du mich dann?“
Müller lächelte.
„Ich bin ungern allein.“
„Warum bist du überhaupt HIER? Hätte er dich nicht zu Hause anrufen können? Oder auf der Arbeit?“
„Er wollte das so.“
„Aha.“ Börk seufzte einmal mehr. Würde er für jedes Mal, wenn er seufzte, Geld bekommen, er hätte sich schon lange zur Ruhe setzen können. Oder sich ein neues Feuerzeug gekauft. „Und wie hat er Verbindung mit dir aufgenommen?“
„Er hat mich... angerufen?!“
Und wieder einer für die Kasse.
Das Polizeipräsidium.
Alles war ruhig.
Doch auf einmal erklangen Schüsse.
Aus dem Präsidium.
Dann Stille.
Zurück auf dem Spielplatz war Börk nun langsam ein wenig angenervt.
„Um was geht es hier überhaupt, oder hat dir dein Informant das auch nicht gesagt?“
„Um den Wohnungs-Killer.“
„Wer denkt sich diese Namen aus? Der Wohnungs-Killer? Das klingt nach nem Abrissunternehmen oder sowas.“ Börk schüttelte den Kopf. „PRESSE!“
„Was weißt du über den Fall?“
„Fünf ermordete Leute. Drei Männer, zwei Frauen. Scheinbar ohne jeden Zusammenhang.“
„Offenbar gibt es jemanden, der das anders sieht.“
Börk dachte einen Moment nach. „Und du bist sicher, dass das nicht der Killer selbst ist? Der dich am späten Abend auf einen abgelegenen Spielplatz lockt, um seiner Liste an Opfern noch eins hinzuzufügen?“
„Was meinst du, warum man ihn den Wohnungs-Killer nennt? Weil er seine Opfer immer in ihren Wohnungen umgebracht hat?!“
„Vielleicht will er ja sein Image ändern? Was, wenn er seinen Spitznamen auch nicht mag? Wenn er auf diese Weise gegen das Klischee ankämpfen will?“
Müller lächelte.
„Und das ist genau der Grund, warum ich dich hier dabei haben wollte!“
Schüsse drangen aus dem Polizeipräsidium. Dann wieder Stille.
Müllers Handy begann zu klingeln.
„Okay, es geht los.“
„Es sei denn, es ist deine Freundin.“
„Die weiß, dass ich arbeite.“
„Da weiß sie mehr als ich.“
„Bist du jetzt mal still?“
Müller nahm einen Zettel und einen Stift in die Hand, während Börk sein eigenes Handy zückte. Er nickte seinem Kollegen zu.
„Ja, Müller hier.“
Börk sah ihn aufmerksam an. Müller senkte peinlich den Blick.
„Äh, nein, Mama, das ist jetzt kein guter Zeitpunkt.“
Börk seufzte... wieder mal.
„Nein, wirklich, ich arbeite. --- Ja, um diese Zeit. --- Nein, mir macht das auch keinen Spaß. --- Ich äh... ich erwarte einen wichtigen Anruf. --- Nein, die können mich nicht im Büro anrufen!“
Börk grinste und deutet ihm ein „Hab ich dir ja auch gesagt“ an.
„Ich... ich ruf dich an. Tschüß.“
Börk tat so, als wäre nichts gewesen.
Müller sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Er wollte gerade zu etwas ansetzen, als das Handy wieder klingelte.
Müller sah auf das Display. Dann schrieb er die Nummer, die dort stand, auf einen Zettel. Während er den Anruf entgegen nahm, reichte er Börk das Blatt Papier.
„Ja, hallo, Müller hier.“
Er wartete. Börk sah ihn aufmerksam an. Ob es diesmal wohl der erwartete Anruf war? Müller nickte. Er war es.
Börk drehte sich um und sprach in sein Handy.
„Zentrale? Ja, Börk hier. Sie müssen für mich eine Telefonnummer überprüfen. Die Nummer lautet...“
Er sah auf den Zettel und diktierte sie.
Müller sprach derweil in sein Handy.
„Ja, ich bin hier am Spielplatz, genau wie Sie gesagt haben.“
Müller sah sich um.
„Unter der Rutsche?“
Müller ging hin und sah nach.
„Nein, da ist nichts.“
Müller schaute noch einmal intensiver.
„Ganz unten?“
Müller bückte sich und fühlte unter der Rutsche herum. Dann lächelte er. Seine Hand kam mit einem dicken Umschlag wieder heraus.
„Ja, hab’s gefunden. Wie kann ich Sie... hallo? Hallo?“
Müller stand auf, den Umschlag in der Hand.
„Aufgelegt.“
„Der Anruf kam von ner Telefonzelle. Am anderen Ende der Stadt.“
„Scheiße!“
Das Polizeipräsidium.
Schüsse.
Stille.
„Den kriegen wir nicht mehr“, meinte Müller mürrisch.
„Nein, aber ich hab die Spurensicherung hingeschickt. Die soll alle Fingerabdrücke nehmen, die sie da finden kann. Vielleicht hat er ja gedacht, er braucht da keine Handschuhe zu tragen.“
„Wozu auch, da wird es hunderte Fingerabdrücke geben. Woher sollen wir da wissen, welche seine sind?“
Börk deutete auf das Päckchen, das Müller in der Hand hielt.
„Puzzlespiel. Gibt es einen Abdruck auf dem Ding, das du da in der Hand hast, der sich mit einem aus der Telefonzelle deckt, haben wir eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir unseren Informanten haben.“
Müller lächelte.
„Manchmal bist du gar nicht so blöd!“ Er sah sich den Umschlag an. „Tja, dann sehen wir doch mal nach, was wir hier haben.“
Börk hielt ihn zurück.
„Stopp!“
„Was?“ Müller ließ den Umschlag erschrocken fallen. „Du meinst, eine Bombe?“
„Nein. Ich meine, du hast da schon genug Fingerabdrücke draufgemacht!“
Ein Mann in Polizeiuniform schlenderte aus dem Haupteingang des Präsidiums. Er trug eine rote Pappnase, sah sich kurz um und ging dann selbstsicher und unbehelligt davon.
„Fahren wir ins Präsidium“, schlug Börk vor.
„Nee, die Pathologie ist näher. Ich will wissen, was da drin ist.“
Müller deutete auf den Umschlag.
„Meinetwegen.“ Börks Handy klingelte. Er ging ran. „Ja?“ Sein Blick wurde weicher. Müllers Blick wurde ein wenig neidisch, weil er nie solche Anrufe bekam. „Hallo, Schätzchen. Tut gut, deine Stimme zu hören. Ich habe den ganzen Abend an dich gedacht. Sag mir, was hast du an? Nein, warte, lass mich raten. Es ist... ach, an dir sieht eigentlich alles gut aus. Oh Baby, ich freu mich darauf, wenn wir uns endlich wieder sehen. Ja, warte...“ Er reichte das Handy an Müller. „Deine Mutter!“
Gerichtsmedizinisches Institut
Sprechzeiten: Mo – Fr 8 – 19 Uhr
Institutsleiter: Dr. P. Schnippler
Wie üblich hatte Müller seinen Wagen höchst unvorteilhaft vor dem Eingang geparkt. Gruft und Leich, zwei Leichentransporteure, versuchten verzweifelt, einen schweren Metallsarg daran vorbei ins Haus zu tragen... mit mäßigem Erfolg.
Als Börk und Müller den Untersuchungssaal betraten, war Dr. Schnippler gerade damit beschäftigt, ein Sandwich zu sezieren und dann zu essen. Müller ging zielstrebig auf einen Schrank zu, zog sich ein Paar Gummihandschuhe an und öffnete dann vorsichtig mit einem Skalpell den Umschlag.
„Ah, Börk, Müller.“ Schnippler sah auf. „Na, haben Sie Ihren ominösen Informanten getroffen?“
„Sie wissen davon?“
„Ja, ich hab die Obduktionen bei allen Fällen des Appartement-Mörders gemacht.“
„War es nicht der Wohnungs-Killer?“
Schnippler hob die Schultern. „Kann auch sein. Irgendsoein blödsinniger Name jedenfalls. Leider haben wir nie eine vernünftige Spur gefunden. Bis sich dieser Informant bei Müller gemeldet hat.“
Mit Fingerspitzengefühl nahm Müller etwas aus dem Päckchen. Er sah es sich an und sah es sich dann irritiert an.
„Das ist... merkwürdig!“ murmelte er.
Börk und Schnippler sahen zu ihm herüber.
„Geht’s etwas präziser?“ wollte Börk wissen.
„SEHR merkwürdig?!“
„Hilfreich.“
Börk und Schnippler gingen zu Müller herüber. Er hielt einen Zettel in der Hand. Darauf stand:
ICH HABE KEINE BEWEISE. WENN ICH BEWEISE HÄTTE, HÄTTE ICH IHN ANGEZEIGT. ABER MEIN GEWISSEN VERBIETET MIR, FALSCHES ZEUGNIS ABZULEGEN.
ICH HABE IHN AUS DEM HAUS KOMMEN SEHEN.
NACH SEINER LETZTEN TAT.
SIE SUCHEN EINE VERBINDUNG ZWISCHEN DEN FÜNF MORDEN?
HIER IST SIE.
ÜBERPRÜFEN SIE ES SELBST!
UND BEEILEN SIE SICH, BEVOR ER WIEDER ZUSCHLÄGT.
Müller sah Börk an.
„Was meinst du?“
„Merkwürdig!“ meinte der.
„SEHR merkwürdig?!“ fügte Schnippler hinzu.
„Hab ich ja gesagt!“
Müller hielt ein Bild hoch, das man aus einer Zeitung herausgerissen hatte. Darauf war ein Mann zu sehen. Er zeigte es Schnippler.
„Wissen Sie, wer das ist?“
Schnippler sah es sich an und dachte nach.
„Ja, ich glaube schon“, meinte er, ging zu einem Schrank und schnappte sich eine Aktenmappe, die dort lag. Er blätterte in der Mappe, während Börks Handy zu klingeln begann.
„Ja? --- WAS? --- Das ist nicht euer Ernst?! --- Oh verflucht! --- Wie viele? --- Oh Mann! Was für eine Kacke. --- Ja, ich mach mich gleich auf den Weg.“
Börk steckte das Handy weg. Er wirkte nicht sonderlich begeistert.
Schnippler war inzwischen mit seiner Recherche fertig.
„Ihr Informant hat Recht“, sagte er. „Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen den fünf Morden. Und es ist wirklich dieser Mann.“
„Dann nehmen wir den mal unter die Lupe“, meinte Börk. Dann wandte er sich an Müller: „Besorg einen Haftbefehl.“
„Mach ich. Was war da eben los?“
„Der Verdächtige für die Geiselnahme in der Bank hat sich als Schuldiger erwiesen.“
„Das ist doch gut.“
„Tja, leider hat er das gemacht, indem er geflohen ist und dabei auf mehrere Polizisten geschossen hat. Drei davon sind tot.“
„Das ist weniger gut.“
„Allerdings. Springler war auch da“
„Ist er verletzt?“
„Kann ich nicht sagen. Es klang alles etwas wirr.“
„Springler?“
Schnippler sah die beiden fragend an.
„Detlef Springler“, erklärte Müller, „war mal unser Vorgesetzter. Von dem haben wir ne ganze Menge gelernt.“
„Ja.“ Börks Miene verfinsterte sich. „Und es sieht ganz so aus, als wäre unser Clown heute Nacht nochmal aktiv gewesen.“
Eine Bank. Man hatte ihre Eingangstür gesprengt. Überall lagen rauchende Trümmer herum. Als sich Börk – ebenfalls rauchend – dem Eingang näherte, trat ihm ein Polizist in den Weg.
„Sie können hier nicht...“
„Ich kann wohl.“
Börk hielt ihm seine Marke vors Gesicht.
„Das ist die Karte einer Videothek“, sagte der Polizist.
„Uuups.“ Börk stutzte. „Womit hab ich dann meine Filme ausgeliehen?!“
„Sie müssen Börk sein.“
„Muss ich wohl.“ Er sah sich um. „Hmmmm, lassen Sie mich raten: Ein Typ, der aussah wie ein Clown hat die Tür gesprengt und sich nach ein paar Minuten wieder verpisst, richtig?“
„Ja“, der Polizist nickte, „die Überwachungsbänder zeigen genau das. Aber... warum hat er das getan?“
„Weil er eigentlich Geiseln haben wollte, aber in einer geschlossenen Bank keine gefunden hat.“ Er seufzte. „Das beweist, dass wir es nicht nur mit einem gemeingefährlichen Killer zu tun haben, sondern mit etwas viel Schlimmerem!“
„Einem Psychopathen?“
„Nein – einem Idioten!“
„Was können wir jetzt tun?“ wollte der Chef am nächsten Morgen wissen. Und er wollte es von Börk wissen, was der Grund war, warum er ihn angerufen hatte.
„Nun, wir haben es mit jemandem zu tun, der an Selbstüberschätzung leidet“, sagte Börk zuversichtlich am anderen Ende der Leitung. „Deshalb auch sein nächtlicher Überfall auf die Bank. Er ist so sehr von sich eingenommen, dass er andere Dinge dadurch nicht wahrnimmt – was ihn umso gefährlicher macht. Dieser Typ wird zuschlagen, sobald am Montag die Banken öffnen. Genau genommen bräuchten wir ein Einsatzteam in jeder Bank.“
Dem Chef blieb der Mund offen stehen.
Börk ahnte so etwas, als er nach ein paar Sekunden noch immer keine Antwort hatte.
„Bleibt Ihnen der Mund offen stehen?“
„Börk, wissen Sie, wie viele Banken es in dieser Stadt gibt?“ kam es fast tonlos zurück.
„Eine ganze Menge?! Fast so viele wie Kirchen, würd ich meinen. Ich melde mich.“
Börk legte auf.
„Alles klar?“ wollte Müller wissen.
„Mit einem gemeingefährlichen Clown, der gerne Leute umbringt? Eher nicht, nein!“
Börk zündete sich mit seinem Zippo eine Zigarette an.
„Du solltest nicht rauchen!“ meinte Müller leise.
„Ach was, scheiß auf die Gesundheit!“
Eine alte Frau warf Börk einen bösen Blick zu.
Börk sah sie verständnislos an.
„Ich meine, du solltest HIER nicht rauchen!“ wiederholte Müller.
„Unerhört!“ rief die Frau und marschierte an ihnen vorbei.
„Was soll denn das?“
Börk und Müller erreichten das Ende des Schiffes und blieben vor einem großen Altar mit Kreuz und Kerzen stehen. Börk nickte.
„Okay, verstehe!“
„Geben Sie mir das BKA“, befahl der Chef. „Wir brauchen dringend Unterstützung!“
Börk hatte noch immer die brennende Zigarette in der Hand. Man sah ihn böse bis schockiert an.
„Du kannst doch nicht in ner Kirche rauchen!“ meinte Müller.
Börk seufzte.
„Soviel also zum Thema ‚Religion und Toleranz’.“ Börk sah sich um und fand das, was er suchte. „Ah, aber Aschenbecher haben sie!“ murmelte er und ging darauf zu. Müller konnte ihn gerade noch rechtzeitig davon abhalten, seine Zigarette im Weihwasserbecken auszudrücken.
„Lieber nicht!“
„Na gut.“ Börk sah sich um. „Du hast den Haftbefehl?“
„Ja.“
„Also, wir sind die Fakten noch mal durchgegangen. Dieser Kerl ist die einzige Verbindung zwischen den fünf Morden, die einzige Person, die wirklich Kontakt zu ALLEN Opfern gehabt hat?“
„Ja.“
„Und die die Opfer auch in ihre Wohnung gelassen hätten.“
„Ja.“
„Also los, machen wir unsern Job.“
„Sollten wir nicht ein wenig warten?“
„Vielleicht noch eine rauchen?“
„Das nun nicht gerade“, sagte Müller. „Aber ich meine... hat das nicht noch ein bisschen Zeit?“
„Da draußen läuft irgendein Clown herum, der wahrscheinlich schon bald bewaffnet in irgendeine Bank reinmarschiert, ich hab keine Zeit zu warten.“
Börk marschierte durch die Kirche.
Müller seufzte und folgte ihm.
Wenig später schleppte Börk einen Priester in Handschellen aus der Kirche. Er hatte ihn offensichtlich gerade verhaftet. Der Priester hatte eine verbundene Hand und wirkte nicht sehr erbaut.
Müller kam den beiden hinterher. Er sah sich immer wieder ängstlich um, als hätte er Angst, verfolgt zu werden.
„Ich hab dir gesagt, dass das keine gute Idee war!“
„Du hast doch an allem herumzumeckern!“ meinte Börk und zog den Priester weiter.
Müller holte die beiden ein.
„Darf ich dich daran erinnern, dass es DEIN Informant war, der angedeutet hat, dass dieser Kerl gefährlich ist und er bald wieder zuschlagen könnte!?“
Müller nickte zustimmend.
„Ja, schon, aber...“
Aus der Kirchentür hinter ihnen ergoss sich ein Strom empörter Kirchgänger, die ihnen wütend folgten.
„...musstest du ihn denn unbedingt während der Messe verhaften?“
Gerichtsmedizin. Auf dem Bürgersteig stand ein Leichenwagen. Auf dem Boden daneben lag eine Person. Leich stand wiederum daneben und sah sie sich besorgt an. Dadaneben stand auf dem Bürgersteig auch ein Metallsarg, den er offensichtlich vorher getragen hatte...
„Hallo, Dr. Schnippler“, sagte Justen, als er Dr. Schnipplers Operationssaal betrat. Schnippler war gerade am OP-Tisch über einer Leiche gebeugt. Er sah auf.
„Ah, Justen, was führt Sie in mein bescheidenes Labor?“ „Leichen!“
„Das ist kein besonders gesundes Krankheitsbild, wissen Sie? Nekrophilie ist auch, glaub ich, nicht besonders angesehen in der heutigen Gesellschaft!“
„Nein, ich steh nicht auf Leichen... Ich hab eine Leiche für Sie.“
„Ach, kann ich die behalten? Das wünsch ich mir schon lange, endlich mal eine Leiche ganz für mich allein zu haben. Die meisten muss ich hinterher wieder abgeben. Das stimmt mich auch nicht gerade glücklich, wissen Sie? Hähnchen?“
„Äh, nein danke!“ Justen hielt die Tür auf und ein metallener Wagen wurde herein geschoben. „Ahh, da kommt ja auch schon Ihr Patient.“
Gruft schob den Wagen herein. Schnippler seufzte.
„Der bewegt sich ja noch. Wie tot kann der schon sein?“
Justen deutete auf die Liege.
„Sie sollen nicht den, der die Liege schiebt, untersuchen. Den auf der Liege! Der ist der Tote!“
„Ja, das entspricht schon eher meinen Vorstellungen? Todesursache?“ „Sie sind der Pathologe, oder?“
„Gutes Argument, Justen.“
Gerichtsmedizin. Leich prüfte bei der Person auf dem Boden den Puls.
Schnippler zog sich Gummihandschuhe an. Justen deutete Gruft an, die Plane über der Leiche zu entfernen.
Gruft deckte die Plane ab und darunter kam ein klassischer Schornsteinfeger zum Vorschein.
„Meine Güte“, rief Schnippler, „ich dachte, die Karnevalssession wäre gerade vorbei. Einfallslose Verkleidung! Warum nicht gleich Clown oder Cowboy?“
„Das ist kein Karnevalskostüm. Er ist Schornsteinfeger. Ein echter! Nehmen wir an.“
„Soll heißen?“
Justen druckste herum.
„Wir haben die Leiche auf einem Dach gefunden.“
Leich öffnete den Metallsarg und stellte fest, dass er leer war. Dann wurde ihm klar, wie sich das ganze wohl abgespielt haben musste. Auf seinen Lippen bildete sich ein „Oh!“ als er feststellte, dass das wohl seine Leiche war, die ihm irgendwie heraus gefallen sein musste. Gruft kam aus dem Gebäude und nachdem er die Augen gerollte hatte, packten die beiden die Person gemeinsam zurück in den Metallsarg.
Dr. Schnippler sah die Leiche des Schornsteinfegers an.
„Also, man hat die Leiche auf einem Dach gefunden. Und weil er wie ein Schornsteinfeger gekleidet ist, nehmen Sie an, dass es sich deshalb auch um einen Schornsteinfeger handelt?! Vielleicht nur ein Spinner. Oder Spanner, der sich als Schornsteinfeger getarnt hat, um seinem Hobby unentdeckt frönen zu können.“
Justen blätterte in seinen Notizen.
„In seinem Ausweis steht, dass er Schornsteinfeger ist. Und seine Firma hat bestätigt, dass er dort, wo wir ihn gefunden haben, die Schornsteine reinigen sollte.“
Schnippler beugte sich über etwas, das Skalpell in der Hand.
„Na, das sind doch ein paar gute Anhaltspunkte. Dann wollen wir uns den Jungen mal anschauen.“
Justen deutete darauf, woran sich Schnippler mit dem Skalpell zu schaffen machte.
„Das ist ein Hähnchen!“
„Ich hab Mittagspause! Ich ruf Sie an, wenn ich mit unserm Klienten hier fertig bin. Mahlzeit!“
„Das kam überraschend. Okay, danke.“ Müller legte auf. „Sie mussten den Priester wieder laufen lassen. Er hat ein Alibi.“
„Für welchen Mord?“
„Für alle.“
„Mist!“ Börk steckte sich eine Zigarette an, merkte, dass er schon eine im Mund hatte, und rauchte dann beide weiter. „Was für ein Alibi?“
„Er hat zu dem Zeitpunkt die Beichte abgenommen.“
„JEDES MAL?“
„Japp!“
„Verdammt.“ Börk überlegte, ob er sich auf den Schreck noch eine dritte Kippe anstecken sollte, ließ es dann aber. „Vielleicht hätten wir doch nicht so damit prahlen sollen, dass wir einen Zeugen haben. Naja, dafür wissen wir jetzt wenigstens, wer dieser anonyme Informant ist.“
„Ach ja?“
„Ja, ich hab grad mit dem Labor gesprochen. Sie hatten die Fingerabdrücke in ihrem Computer.“
„Echt? Woher?“
„Von einem der Tatorte.“
„Das heißt... er ist verdächtig.“
„Nicht unbedingt.“
„Aber...“ Müller fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, „wie kommen seine Fingerabdrücke dann an einen der Tatorte?“
„Er war der Ehemann der letzten Ermordeten!“
Müller hob die Schultern. „Ich werd ihn trotzdem mal unter die Lupe nehmen. Vielleicht will er ja nur den Priester beschuldigen, um von seiner eigenen Tat abzulenken.“
„Kann gut sein.“
„Und was machst du?“
„Ich“, Börk drückte seine Zigaretten aus, „schnappe mir diesen Clown!“
Ein gewöhnlicher Morgen in einer gewöhnlichen Bank. Bankangestellte mit müden Gesichtern standen hinter ihren Schaltern und warteten auf Kundschaft, als ein Clown die Bank betrat. Mit wiegendem Schritt schlenderte er auf einen der Schalter zu.
„Guten Morgen, ich würde gerne 500 Euro abheben.“
Stille.
Alle in der Bank erstarrten.
Dann hörte man eine klare Stimme.
„Okay, ganz ruhig bleiben, du Clown!“
Denn was der Clown nicht wusste, was er aber nun erfuhr, als er sich gaaaaanz langsam umdrehte, war, dass eine Spezialeinheit der Polizei auf genau ihn gewartet hatte. Mehrere Kanonen waren auf seinen buntbemalten Kopf und seinen ebenfalls bunten Körper gerichtet.
„Und jetzt“, sagte der Einsatzleiter ruhig, „leg mal gaaaaaanz laaaaaangsam deine Hände auf den Kopf!“
„Ja, ja, ich... ich hab sie ja auf dem Kopf. Sehen Sie?“
„Das sind nur Gummiarme“, murrte der Einsatzleiter.
Der Clown tat, wie ihm geheißen war.
„Zentrale?“ Der Einsatzleiter drückte auf den Knopf seines Funkgeräts. „Wir haben den Clown.“
Das war der Moment, in dem die Situation ein bisschen außer Kontrolle geriet. Denn die Tür der Bank öffnete sich wieder und herein kam: ein Löwenbändiger!
Die Polizisten fuhren überrascht herum und richteten ihre Waffen auf ihn. Was hatte das zu bedeuten? Was passierte hier? Hatte der Clown einen Komplizen, von dem sie nichts gewusst hatten?
Einmal mehr öffnete sich die Tür und eine weitere Gestalt erschien: der Zirkusdirektor!
„Scheiße!“ murmelte der Einsatzleiter. „Der Zirkus ist in der Stadt!
„Na toll!“
Börk schlug mit der Hand auf den Tisch.
„Das ist mein Büro!“ sagte sein Chef und schlug ebenfalls mit der Hand darauf. „Wir haben bereits 12 Clowns verhaftet heute.“
„Fanden die sicher nicht besonders witzig, was?“
Sein Chef tat das offensichtlich auch nicht.
„Es sieht ganz so aus, als wäre heute das alljährliche Clownstreffen!“
„Wissen Sie, was ich an dieser Sache besonders schade finde?“
„Nein, Börk, was?“
„Wieder einmal verschlechtert sich der Ruf von Clowns. Ich meine, wie oft werden die für irgendwelche Schauergeschichten herangezogen? Und dass ein Clown durch die Gegend zieht und Banken ausraubt ist auch nicht grad neu. Da fand ich den Pantomimen, den wir letztes Jahr hatten, weitaus witziger...“
...„Pantomas“ hat er sich genannt. Mann, das war wirklich ein Idiot! Stand vorm Schalter und hat wild rumgestikuliert.
„Ähm, Sie wollen mir sicher etwas sagen?!“ hat die Schalterbeamtin gefragt.
Er hat weiter gestikuliert, etwas, das wohl wie ein Banküberfall aussehen sollte. Mit mäßigem Erfolg. Dieser Trottel war nämlich nicht nur ein lausiger Bankräuber, er war auch ein beschissener Pantomime!
„Ich versteh Sie nicht!“ hat die Frau gesagt.
Da hat der Kerl seine Knarre gezogen, auf die Knarre gedeutet, auf die Frau gedeutet, sein Portemonnaie heraus geholt, eine Banknote gezückt, die Waffe auf sie gerichtet und so getan, als würde er die Banknote nehmen.
„Sie meinen, das ist ein Banküberfall?“ hat sie gefragt.
Und dann… dann hat sie eine Pantomime gemacht. Drückt auf einen Knopf, Blaulicht, Tatütata, Handschellen.
Unverständnis bei ihm.
Sie deutet hinter ihn.
Er dreht sich um – und hinter ihm stehe ich mit zwei Kollegen.
Gott, das war ne miese Show.
Hab ihn dann gefragt, ob er für die Zigarette danach Feuer hat.
Er hat in seinen Taschen gesucht, ein Gesicht gezogen und mir dann seine leeren Hände vors Gesicht gehalten.
„Wegen so was hassen die Leute Pantomimen!“
„Hatte er nicht ein blaues Auge, als er im Präsidium ankam?“
„War das nicht geschminkt?“
Börk steckte sich unschuldig eine an.
„Das ist ein Nichtraucherbüro!“
„Das stört mich nicht.“
„Das sehe ich!“
„Nun, der Typ war wirklich ein Vollidiot. Bevor wir ihn festgenommen haben, hat er sich als Betrüger versucht…“
…bei einem Autohändler.
VERKÄUFER: Was kann ich für Sie tun?
Pantomas deutet auf einen Wagen.
VERKÄUFER: Sie möchten ein Auto kaufen?
Pantomas tut so, als würde er Auto fahren.
VERKÄUFER: Oh, Sie interessieren sich für eine Probefahrt?
Pantomas nickt.
VERKÄUFER: Selbstverständlich gerne.
Er geht in sein Büro.
VERKÄUFER: Dann brauche ich nur vorher Ihren Führerschein und Ihren Personalausweis!
Pantomas reicht beides bereitwillig rüber.
Der Verkäufer sieht sich den Ausweis an.
VERKÄUFER: Wunderbar, Herr... Hagemann!
Pantomas schlägt sich gegen die Stirn, reißt dem Verkäufer seine Personalien aus der Hand und verschwindet eiligst aus dem Geschäft.
„So weit ich weiß, hat er sich auch mal als Vergewaltiger versucht…“
Pantomas sitzt auf einer Parkbank und sieht den Frauen hinterher. Der Park ist fast leer.
Eine Frau nähert sich Pantomas. Er springt auf, stürzt auf sie zu und stellt dar: Aufreißen einer Bluse, Herunterlassen seiner Hose, Bewegungen beim Geschlechtsakt.
Die Frau beäugt ihn misstrauisch.
Als er seine Show beendet hat, sieht er sie fragend an.
Die Frau tritt ihm in die Eier und geht ohne Eile weiter.
„…mit zweifelhaftem Erfolg!“
Börk ging zum Fenster.
„Tja, Pantomas war schon witzig. Aber ungefährlich. Dieser Clown hier dagegen, das is ne andere Sache!“
„Nein, schnippen Sie Ihre Zigarette nicht wieder aus dem Fens...“
„Tschuldigung!“
Der Chef warf einen besorgten Blick aus dem Fenster.
„Sie wissen, dass da unten ne Tankstelle ist, oder?“
„Uuuups!“
Börk ging zur Tür.
„Wo wollen Sie hin?“
„In den Keller. Da findet jetzt ne Gegenüberstellung statt.“
„Mit wem?“
Börk seufzte.
„Mit all den Clowns, die wir heute kassiert haben!“
Als Börk den Keller des Polizeipräsidiums betrat, entfuhr ihm ein: „Das ist doch wirklich lächerlich!“
In einer sauberen Reihe standen dort sieben Clowns der unterschiedlichsten Couleur. Große, kleine, dicke, dünne, mit weißen, roten, blauen, grünen Haaren, roten Nasen, roten Mündern, Blumen, Federn, Flügeln, Bügeln und Ballonärmeln in allen Regenbogenmustern. Börk lehnte sich an den Türrahmen und sah sich die Unüblichen Verdächtigen zweifelnd an.
„Finden Sie?“ fragte ihn ein Polizist.
„Ja, irgendwie schon.“
„Dann hätten Sie mal hier sein müssen, als wir bei der „Star Wars“ Convention aus den Leuten im Chewbacca-Kostüm denjenigen herausfinden mussten, der der Prinzessin Leia die Handtasche geklaut hat. Außerdem: Wenn die Clowns hier sind, laufen sie wenigstens nicht mehr da draußen rum.“
„Ja, das grenzt die Möglichkeiten dann etwas ein. Macht ja auch keinen Sinn, sie immer wieder zu verhaften. Sind die durchsucht worden?“
„Ja. Alle unbewaffnet! Bei den Chewies dagegen hatte jeder zweite ne Armbrust, das war ein Mist, kann ich Ihnen sagen!“
„Ja, hmmmm, sieht jedenfalls nicht so aus, als wäre unser Mann dabei. Okay, die Jungs werden alle abgeschminkt und in Verwahrung genommen. Und: Ja, ich kann mir vorstellen, wie die Chewies alle ohne Maske ausgesehen haben! Wenn Sie mal was richtig Abgefahrenes erleben wollen, müssen Sie mal bei irgendwelchen Kreuzigungsfestspielen die verschiedenen Jesusse verhaften!“ Er steckte sich eine Zigarette an. „Hmm, ich frage mich, warum er noch nicht zugeschlagen hat.“
Nun, das hatte einen triftigen Grund. Begeben wir uns an den Ort des Geschehens oder vielmehr Nichtgeschehens: Ein Zimmer. Alles sieht sehr clownmäßig aus. Neben Schminkutensilien, Wasser spritzenden Blumen, bunten Perücken und roten Nasen liegen einige eher clownuntypische Dinge wie Rauchgranaten, Sprengstoff und Waffen herum – aber in der heutigen Zirkuswelt kann man nie sicher sein. In der Mitte des Raumes bemühte sich ein verzweifelter Clown gerade, in sein Kostüm zu kommen...
„Gestern hat es doch noch gepasst. Muss wohl beim Waschen eingelaufen sein. Mist verdammter. Warum musste ich auch diese verdammte Bank sprengen? Aaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhh...“
Er kippte bei dem Versuch, sich anzuziehen, um.
„Mist verdammter!“
„Die Fahndung nach unserem Informanten hat noch nichts ergeben“, brachte Müller Börk auf den neusten Stand. „Der scheint verschwunden zu sein.“
„Ach, der taucht schon wieder auf.“
„Wie läuft’s mit den Clowns?“
„Frag nicht!“
Justens Telefon klingelte.
„Justen!“
„Justen, Sie haben ein Problem!“
„Wie meinen Sie das?“ wollte Justen von Dr. Schnippler wissen, als er in dessen OP ankam. „Was für ein Problem?“
„Ich hab Ihre Leiche untersucht. Also nicht IHRE Leiche, dann würd ich ja jetzt nicht mit Ihnen reden, nein, den Schornsteinfeger.“
Schnippler deutete auf die Leiche.
Justen hob die Schultern.
„Und was haben Sie dabei herausgefunden?“
„Das ist das Problem! Er wurde vergiftet! Nicht unbedingt die typische Todesursache für Schornsteinfeger, oder?“
Gruft kam mit einem neuen Metallsarg herein. Darauf lag eine Zeitung.
„Ihr Mittagstisch, Dr. Schnippler“, sagte Gruft dumpf.
Justen grinste.
„Was gibt’s denn?“
Schnippler öffnete den Sarg. Darin befanden sich eine Menge Einzelteile – alle menschlich. Die Schlagzeile der Zeitung lautete:
Die Stücklerin:
Mann von Ehefrau ermordet und in Einzelteile zerlegt
Schnippler seufzte. „Gehacktes!“
Nun kam Leich mit einem Metallwagen herein, auf dem sich eine Leiche befand.
„Noch mehr Kundschaft für Sie, Doktor“, sagte er.
„Stellen Sie sie zu den anderen.“
„Wo liegt denn nun das Problem mit dem toten Schornsteinfeger?“ fragte Justen.
„Es handelt sich um ein relativ schnell wirkendes Gift.“
„Wie schnell?“
„Wie lange brauchen Sie, um ein Butterbrot zu essen?“
„So schnell?“
„Genau.“ Schnippler deutete auf die Leiche, die Gruft eben herein geschoben hatte. „Gruft, nehmen Sie den wieder mit.“
„Wieso? Schon fertig?“
„Nein.“ Schnippler kniff der „Leiche“ in die Seite, die sofort aufschrie. „Nicht tot genug!“
„Ah, Sie haben ihn endlich gefunden... oh... oh! Das ist... ungewöhnlich!“
Börk legte nachdenklich auf.
Müller sah fragend an.
„Sie haben den Clown gefunden?“
„Nein, unseren Zeugen Schrägstrich Informanten. Den, der uns den Tipp mit dem Priester gegeben hat. Er wurde ertränkt.“
„Ertränkt? Was ist daran ungewöhnlich? Wo hat man die Leiche gefunden?“
Börk seufzte.
„Im Weihwasserbecken!“
„Ihr komischer Schornsteinfeger wurde mit einem recht schnell wirkenden Gift ermordet“, sagte Schnippler, während er in der entsprechenden Akte blätterte. „Nach Ihrem Bericht befand er sich bereits seit 10 Minuten auf dem Dach, bevor er gestorben ist.“
Justen nickte zustimmend.
„Das sagen die Zeugen aus.“
Schnippler sah Justen über die Akte hinweg an.
„Haben Sie seine Sachen untersucht? Frühstücksbrote, ne Thermoskanne mit Kaffee drin?“
„Er hatte nichts dabei.“
„Tja, dann muss es wohl jemand in dem Haus gewesen sein. Wir haben bei der Leiche auch Spuren von Lippenstift gefunden. Dieser grässliche ‚Nummer 9 von Cheval’, so ne ganz ekelhafte Modefarbe. Hatte eigentlich gehofft, die wär zusammen mit den Schlaghosen ausgestorben, aber offensichtlich hab ich mich wohl geirrt. Okay, also ich erklär Ihnen mal, worauf Sie achten müssen...“
Das Telefon klingelte.
„Moment.“
Schnippler ging ran.
„Nein... nein... nein, der ist immer noch tot!“
„Ich versteh das nicht!“ meinte Müller. „Wie konnte das passieren? Wie konnte er unseren Zeugen im Weihwasserbecken ertränken???“
„...wurde im Zusammenhang mit dem toten Schornsteinfeger“, kam es aus dem Radio, „eine 31jährige Mieterin des Hauses Nr. 13 verhaftet. Nach Aussagen des untersuchenden Beamten handelt es sich dabei um...“
„...Melanie Höckenstedt-Weilmann“, sagte Justen voller Stolz. „Sitzt jetzt in Verhörraum 3.“
„Da kann ich nur sagen: gute Arbeit. Ich nehme an, es wird mehrere Hausfrauen in dem Haus geben, die sich mit dem Giftmischen auskennen.“
„Naja, also, genau genommen liegt genau da das Problem. Sie hat die Tat nämlich noch nicht zugegeben. Und wir haben in ihrer Wohnung keinerlei Hinweise auf das Gift gefunden. Und was den Lippenstift angeht, von dem Sie gesprochen haben: auch Fehlanzeige!“
„Hmmmm, das macht die Sache nicht unbedingt einfacher.“
„Das ist Wahnsinn!“ schrie Müller genervt. „Warum... warum macht unser Zeuge sowas? Warum geht er dahin? Er hatte dort nichts zu suchen!“
„Warum das? Weil er wusste, dass der Priester ein Mörder war?“ „Nein... er war aus der Kirche ausgetreten!“
„Also bei Ihrer Verdächtigen wurde nichts gefunden, was auf die Tat hinweisen würde... Aber... warten Sie mal, das... könnte eins erklären.“ Dr. Schnippler schlug sich gegen die Stirn. „Ich Idiot! Natürlich! Keine Frau mit Geschmack würde so einen grässlichen Lippenstift verwenden. Naja, vielleicht eine oder zwei die ich kenne, aber keine, mit der man sich in der Öffentlichkeit blicken lassen würde.“
„Ja? Und?“
„Haben Sie sich unseren Schornsteinfeger mal angesehen?“
„Äh, nicht direkt.“
Schnippler kramte aus der Akte ein Bild des toten Schornsteinfegers heraus und hielt es Justen vors Gesicht. Darauf sah man einen gut gebauten, blonden, nackten Mann.
„Groß, blond, gut gebaut...“
„Sie meinen... ein Nazi?!“
„Ach Quatsch! Sie lesen die falschen Bücher, Justen. Falls Sie überhaupt welche lesen?!“
„Ist Bildzeitung n Buch?“
„Seufz! Also, es sind nicht die Nazis. Ich glaube nur, wir haben in der falschen Wohnung nach dem Gift und dem Lippenstift gesucht. Wenn es nun keine geschmacklose Frau war... Wissen Sie, diese Lippenstiftsorte, die wir an der Leiche gefunden haben...“
Ein Klingelschild. Darauf stand:
Heinz Geeh
Ein Finger, eine Klingel, ein Drücken.
„...ich glaube, dass sie von jemandem benutzt wird, der in Kölner Nachtclubs auftritt und der sich zu großen, blonden, gut gebauten Schornsteinfegern hingezogen fühlt!“
Eine stark geschminkte Frau öffnete die Tür.
„Ja, bitte?“
Justen wirkte ein bisschen unsicher, aber Schnippler konnte sich ein siegessicheres Lächeln nicht ganz verkneifen.
„Wir suchen Heinz Geeh“, sagte Justen vorsichtig.
„Das bin ich“, sagte die geschminkte Frau.
„Dann sind Sie verhaftet!“ sagte Dr. Schnippler.
„...verhaftete die Polizei den 31jährigen Nachtclubsänger Heinz G. In seiner Wohnung fand die Staatsanwaltschaft Spuren des Gifts, mit dem am Vormittag der Schornsteinfeger Sascha K. ermordet worden war. Die Polizei schließt Eifersucht als Tatmotiv nicht aus. G. gestand die Tat vor einer Stunde und wird nun dem Haftrichter vorgeführt...“
Dr. Schnippler schaltete das Radio aus.
„Da soll mal einer sagen, man würde aus der Zusammenarbeit mit Börk und Müller nichts lernen.“
Leich und Gruft kamen mit einem Metallsarg herein.
„Dr. Schnippler, wir haben hier was für Sie“, sagte Gruft.
„Ahh, lassen Sie mal sehen.“
Gruft deutete auf das Innere des Sarges.
„Sieht aus, als wäre er noch ganz frisch!“
„Frisch? Sind Ihnen die Geruchssensoren abgefroren? Der ist mindestens drei Tage alt!“
Gruft war völlig außer sich.
„Aber... wie kann das...“
„Wie das sein kann? Die Antwort darauf ist einfach: Kaufen Sie Ihren Fisch bei nem vernünftigen Händler! Der hier dreht Ihnen nur alte Ware an.“
Leich nahm eine Tüte Pommes aus dem Sarg.
„So, und jetzt schaffen Sie diesen Heilbutt von meinem Operationstisch und geben Sie mir meine Pommes. Ich hab einen tierischen Hunger!“
„Das ist eine Unverschämtheit!“ Der Priester wirkte nicht besonders erbaut. Er saß zusammen mit Börk und Müller in einem Verhörzimmer. Seine Hand war noch immer bandagiert. Er wollte damit auf den Tisch pochen, überlegte es sich aber noch mal. Nachdrücklich fügte er hinzu: „Ich habe ein Alibi!“
„Das stimmt.“ Börk lächelte. „Deshalb haben wir Sie noch mal hierher eingeladen...“
„EINGELADEN?“
„...hierher gebeten?“
„Gezwungen!“
„Okay“, Börk nickte, „das kann ich gelten lassen. Nun, jedenfalls wollten wir uns entschuldigen. Es gab eine Person, die Sie, naja, beschuldigt hat.“
„Diese Person ist jetzt leider tot.“ Müller seufzte. „Im Weihwasserbecken ertränkt.“
„Sehen Sie, die Frau dieser Person wurde ermordet. Und es erweckt ganz den Anschein, dass diese Person entweder die Taten des Zimmer-Mörders...“
„Wohnungs-Killers!“
„...äh, genutzt hat, um ihr eigenes Verbrechen zu vertuschen und es diesem Serienkiller in die Schuhe zu schieben...“
„...oder dass diese Person selbst der Serienkiller war und Sie mit seinen Taten belasten wollte. Dann hat die Person sich selbst im Weihwasserbecken ertränkt...“
„...hinten in der Sakristei, offensichtlich kurz bevor wir Sie verhaftet haben...“
„...um nicht mehr für eine Aussage zur Verfügung zu stehen und um den Tatverdacht gegen Sie zu erhärten.“
Der Priester erhob sich.
„Es tut uns wirklich sehr Leid...“
„Beim nächsten Mal, wenn Sie einen Unschuldigen beschuldigen...“
„...aber der Plan des Mörders ist nicht aufgegangen!“ beendete Börk seinen Satz.
„Ja.“ Der Priester nickte. „Eben.“ Der Priester stutzte. „Was?“
„Wir sind in der Lage zu beweisen, dass Sie ein Mörder sind!“
Müller sah den Priester eindringlich an.
„Und das werden wir auch...“
Börk deutete auf die Uhr an der Wand. Es war 12 Uhr. „...aber jetzt ist Mittagspause!“
Etwas später fanden sie sich in Dr. Schnipplers OP wieder. Der Priester war noch immer sauer, aber nachdem Börk ihm angeboten hatte, ihm Handschellen anzulegen, hatte er sich wieder ein bisschen beruhigt.
Müller ging nun zu einer Wand und hängte dort eine Zeitung auf. Darin sah man groß ein Bild des Priesters, der gerade winkte. An der Hand trug er einen auffälligen Ring. Schnippler hantierte derweil an einer Leiche herum.
„Das ist nicht witzig“, zischte der Priester.
„Tut mir leid“, stimmte Börk zu. „Natürlich machen wir KEINE Mittagspause.“
„Ich will mit meinem Anwalt sprechen.“
„Das werden Sie. Das werden Sie sogar MÜSSEN! Ich versteh nur nicht, warum! Hat man Ihnen in der Ausbildung nicht beigebracht, dass das gegen eins von Gottes fundamentalen Gesetzen verstößt?“
„Bitte?“ Schnippler sah auf.
„Nicht Sie“, beruhigte ihn Müller.
„Ich dachte auch schon.“ Der Doktor hantierte noch ein wenig herum. „Ich bin gleich so weit.“
„Das hat doch alles weder Hand noch Fuß“, warf der Priester ein. „Wenn ich der Mörder wäre, woher hätte ich denn bitte wissen sollen, dass mich diese Person belasten will?“
„Er hat es gebeichtet!“ sagte Börk.
„Und Sie haben ihn dann umgebracht“, fügte Müller hinzu.
„Sie vergessen mein Alibi!“ widersprach der Mann Gottes.
„Im Gegenteil“, widersprach ihm nun wiederum Börk. „Finden Sie es nicht merkwürdig, dass ALLE Opfer immer zu der Zeit ermordet wurden, wenn Sie Ihre Beichte abgehalten haben? Klingt für mich nach einem Muster. Und nur weil Sie offiziell Beichte abhalten, heißt das ja nicht, dass Sie zu dem Zeitpunkt auch DA waren!“
„Das können Sie nicht beweisen!“
„Nein, ärgerlicherweise nicht!“ stimmte Börk zu. „Aber, wie es so schön heißt, das war ja noch nicht alles.“
„Es gab einen Zeugen, der Sie vor Gericht schwer belastet hätte. Dieser Zeuge wurde im Weihwasserbecken der Sakristei ertränkt.“
Börk deutete auf den Kunden, den Schnippler gerade betreute.
„Ich nehme an, er hat sich wie wild gewehrt, als Sie seinen Kopf unter Wasser gedrückt haben.“
„Hat um sich geschlagen, gebissen... Natürlich kann man Zahn- und DNS-Spuren in einer Wunde identifizieren.“
„Was ist eigentlich mit Ihrer Hand passiert?“
Börk deutete auf die Hand des Priesters, die noch immer bandagiert war. Es war die Hand, an der sich jener auffällige Ring befand.
„Da hat mich ein Hund gebissen. Hören Sie. So wie ich das sehe, haben Sie keine Beweise für Ihre Behauptungen!“
Börk nickte langsam.
„Vielleicht haben Sie Recht. Die Morde aus Ihrer Gemeinde können wir Ihnen nicht nachweisen.“
Schnippler hatte etwas in der Leiche gefunden.
„Aber einen Mord können wir Ihnen beweisen.“
Schnippler hielt den Ring des Priesters hoch, den er offensichtlich aus der Leiche geholt hatte. Er stellte sich damit vor das Bild an der Wand: Es war exakt derselbe Ring!
Börk lächelte, der Priester eher weniger.
„Und zwar den an unserem Zeugen!“
Müllers Wagen parkte eine Einfahrt zu, die sich in der Nähe eines Mäckes befand. Ein Abschlepper hielt vor dem Wagen.
Drinnen im Laden bemerkten die beiden nichts davon. Börk machte sich über sein Mahl aus Hamburger und Cola her. Während er das tat, tauchte am Ende der Straße ein Mann im Clownskostüm auf. Börk behielt ihn im Blick, während er und Müller ihr Gespräch fortsetzten.
„Eins versteh ich noch nicht ganz: Wie hat er das mit dem Alibi gemacht?“
„Du meinst, wie es nicht aufgefallen ist, dass er gar nicht da war, als er eigentlich die Beichte abnehmen sollte?“
Der Mann im Clownskostüm kam näher.
Müller nickte.
„Ja, ganz genau.“
„Vielleicht hat er ein Tonband laufen lassen?“
Der Mann im Clownskostüm betrat die gegenüberliegende Bank.
„Oder die alten Damen aus der Gemeinde, die immer zur Beichte kommen, haben es ihm einfach nicht übel genommen, wenn er mal später gekommen ist.“
„Kann gut sein.“
Börk schlürfte seine Cola.
„Verdammt!“ murmelte Müller plötzlich.
„Was? Haben wir was übersehen?“
Der Mann im Clownskostüm wurde zeternd von einem sehr überzeugenden Einsatzteam hinausgeführt.
„Ja! Der Wagen steht im Halteverbot.“
Müller sprang auf.
„Wir treffen uns dann im Präsidium“, meinte Börk.
„Wieso?“
„Ich hab hier noch was zu erledigen!“
„Okay.“
Müller eilte hinaus.
Börk beendete sein Mahl und wischte sich mit einer Servierte den Mund ab. Die Polizeiwagen, mit ihrer Clownigkeit im Gewahrsam, fuhren davon.
Börk steckte sich eine an.
„Ahhhh, die Zigarette danach...“
Er genoss den Rauch in seinen Lungen.
Doch dann bemerkte er eine nur allzu vertraute Gestalt, die sich nun auf die Bank zu bewegte. Es war der Clown, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte.
„Na klasse!“
Er drückte seine Zigarette aus und stand auf.
Börk trat hinaus in die Sonne, setzte seine Sonnenbrille auf und schlenderte über die Straße.
„Zeit für den Nachtisch!“
„Nicht schon wieder einer von der Sorte!“ murmelte der Bankangestellte hinter dem Schalter. Die ganzen Angestellten wirkten inzwischen ein wenig genervt, als der Clown, heute schon der siebte, ihre Filiale betrat und zielstrebig auf den Schalter zuhielt.
„Guten Tag, Herr Clown, was kann ich für Sie tun?“
„Würden Sie bitte den Alarm betätigen?“
„Ach ja, wie witzig, den Alarm. Ist das einer Ihrer Clowns-Späße?“
„Nein, das ist ein Überfall!“
„Ach nein, wie witzig.“
Der Clown entsicherte eine überdimensionale Knarre.
„Müssen Sie beim Anblick meiner Kanone immer noch lachen? Wenn ja, hab ich bestimmt ein Mittel dagegen!“
„Oh! Schon in Ordnung!“
Der Clown richtete sich nun an alle Anwesenden.
„Meine Damen und Herren, das ist ein Überfall.“
Aus der Rose in seinem Knopfloch spritzte ein Wasserstrahl.
„Wie niedlich, die Rose im Knopfloch spritzt ja Wasser!“
„Warum passiert mir das immer in dem Moment?“ jammerte der Clown.
Die Leute lachten.
„Ist das auch ne Wasserpistole?“ fragte jemand.
„Warum nehmen mich die Leute bloß nicht ernst?“ rief er verzweifelt.
Dann schoss er in die Luft.
Die Leute wurden still.
Eine Angestellte kreischte auf und drückte den Alarm.
„Vielen Dank.“
„Das ist mein Wagen“, rief Müller und zückte seinen Dienstausweis. Das schien den Fahrer des Abschleppwagens nicht sehr zu beeindrucken. Müller überlegte, ob er seine Kanone präsentieren sollte, wie Börk das so oft tat, doch dann begann irgendwo ein Alarm zu lärmen. Müller hielt inne und sah sich um.
Der Clown richtete seine Waffe auf die Anwesenden. Die Show konnte beginnen.
„Liebes Publikum, ich freue mich, dass Sie alle mit dabei sind, hier beim großen Banküberfall!“
Er deutete mit seiner Kanone in eine Richtung.
„Und nun alle da rüber an die Wand!“
„Hören Sie nicht auf das, was dieser Clown Ihnen sagt!“ unterbrach ihn eine Stimme.
Der Clown fuhr herum. Es war Börk.
„Na, wen haben wir denn da?“
„Meine Güte“, murmelte Börk, „nicht nur doof, schlechtes Gedächtnis auch noch!“
„Hatte ich nicht gesagt, dass wir uns wieder sehen würden?“
„Nein, du hast gesagt, dass ich das bedauern würde. Und das tu ich.“
Börk griff in sein Jackett.
„Hey, Bulle, Vorsicht! Lass deine Hände schön aus deiner Jacke draußen!“
„Keine Panik, Clownsgesicht.“
Börk nahm ein Päckchen Zigaretten heraus und steckte sich eine an.
„Oder hast du Angst vorm Passivrauchen?“
Rauchend ging er langsam auf den Clown zu.
„So, Clownie, kommen wir zum geschäftlichen Teil. Was bringt dich auf den Gedanken, dass du hier lebend wieder raus kommst?“
„Ich habe Geiseln.“
„Ja.“
Börk nickte. Dann blies er langsam den Rauch aus.
„Nur besteht die Hälfte deiner Geiseln aus einem Spezial-Einsatzkommando der Polizei. Oder, um genau zu sein, die ganze Bank wimmelt von Scharfschützen, die nur darauf warten, dir die Schminke vom Gesicht zu ballern.“
„Aber...“
Eine Angestellte wollte den Kopf schütteln und diesen Irrtum richtig stellen, doch Börk winkte ab.
„Meinst du, dann wäre es unklug, damit anzufangen, Zeugen zu erschießen?!“ fragte der Clown und richtete seine Waffe auf die Zeugen.
„Hängt davon ab.“
„Wovon?“
„Wie gut du Blei verträgst. Siehst du, ich mag keine Pantomimen…“
„Ich bin Clown!“
„…ja, was auch immer, aber es ist folgendermaßen: Sobald auch nur eine Kugel deine Knarre verlässt, schlagen 50 in deinen Körper.“
Der Clown dachte darüber nach.
„Lass mich raten: Die kugelsichere Weste passte nicht zum Clownsoutfit?“
„Ich wollte sie drunter anziehen, aber es ist enger geworden.“
Börk nickte.
„Wollen wir dann?“
Der Clown nickte.
„Na meinetwegen. Kann ich meine Kanone behalten?“
„Nur, bis wir draußen sind!“
In die Stille drang nun das Geräusch von sich nähernden Sirenen.
„Hey“, der Clown blieb stehen, „was ist das?“
„Das ist die Verstärkung. Du bist immerhin ein Promi unter den kriminellen Clowns, da brauchen wir schon ne Menge Unterstützung.“
„Wow!“
Der Clown war von seiner eigenen Berühmtheit beeindruckt.
Sie kamen zur Tür.
Börk wandte sich an die „Beamten“ in der Bank: „Okay, Jungs, sagt unseren Leuten draußen, dass wir jetzt rauskommen.“
Langsam traten die beiden vor die Tür. Der Clown mit der Waffe in der Hand ging vor, Börk hielt sich hinter ihm.
Wie ein Prominenter, der das Scheinwerferlicht sucht, blickte der Clown um sich. Doch statt Kameras, Blitzlichtern und Scharfschützen war dort… nichts! Kein SWAT-Team, kein Einsatzkommando, keine Polizei. Nur ein paar Fußgänger. Und Müller, der auf der anderen Straßenseite stand und nun erschrocken zu Börk herüber sah.
„Hey“, der Clown war sauer, „da ist ja niemand. Wo sind die Scharfschützen von denen du gesprochen hast? Das Einsatzkommando? Die Spezialeinheit? Du hast mich verscheißert!“
„Japp!“
Die Polizeiwagen kamen um die Ecke gerast.
Börk machte einen Schritt nach hinten und schloss die Tür von innen. Er hielt sie zu, damit der Clown nicht mehr in die Bank zurück konnte.
„Ich schätze, den Rest schaffst du auch ohne meine Hilfe!“ rief er.
Die Wagen hielten mit quietschenden Reifen.
Polizisten sprangen heraus.
Sie sahen den Clown mit der Waffe.
„Hey“, rief der panisch, „du kannst mich hier draußen doch nicht alleine lassen. Hey, lass mich rein, lass mich wieder in die Bank!“
Der Clown rüttelte an der Tür.
„Lass mich wieder rein, verdammt!“
Die Polizisten gingen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung und richteten ihre Waffen auf den Clown.
Börk hielt weiterhin die Tür zu.
„Na, gefällt dir das, du Clown?“
Das schien nicht der Fall zu sein. Der Clown drehte sich nun langsam um, den Rücken zur Tür, und musterte die Streitmacht, die ihm gegenüberstand.
„Wir haben Sie im Visier!“ sagte eine Stimme aus einem Megaphon. „Lassen Sie sofort die Waffe fallen!“
„Was... was soll ich denn jetzt nur tun?“
„Sag ihnen, dass du sie alle umbringen wirst“, riet Börk durch die geschlossene Tür. „Und schieß auf einen der Wagen, dann werden sie sofort aufgeben.“
„Meinst du wirklich?“
„Na klar!“ Börk deutete den Leuten in der Bank an, sich besser hinzulegen. „Und erwähn vielleicht noch, dass drei von den Bullen, die du bei deiner Flucht angeschossen hast, umgekommen sind. Das wird sie besonders beeindrucken!“
„Ich wiederhole, lassen Sie sofort die Waffe fallen!“
„Verschwindet hier!“ Der Clown begann, mit seiner Waffe herumzufuchteln. „Ich habe bereits Polizisten getötet, ich habe keine Skrupel es wieder zu tun.“ Er sah über die Schulter. „War das gut so?“
„Perfekt“, sagte Börk, „und jetzt den Warnschuss!“
Der Clown richtete seine Waffe auf die Polizisten.
„Okay, ihr miesen Bullen, ihr habt es so gewollt!“
Man hörte einen Schuss.
Börk sprang in Deckung.
Man hörte eine Menge Schüsse.
Die Tür ging auf.
Der durchsiebte Körper des Clowns kam herein.
Er fiel auf den Boden.
Und blieb dort regungslos liegen.
Es schwirrten noch ein paar Kugeln herum, dann herrschte Ruhe.
Börk erhob sich langsam, klopfte sich den Dreck von der Kleidung und trat an die Leiche heran.
„Oh Mann, Clownie, dich hat die Sache wohl ganz schön mitgenommen, was?“
Börk nahm eine Zigarette aus der Packung.
In der Tür erschienen Polizisten, ihre Waffen auf den Clown gerichtet.
„Börk, Kripo.“ Börk hielt seinen Ausweis hoch.
„Sind Sie für diese Sache hier verantwortlich?“
„Nein, das war er.“
Börk deutete auf den Clown.
„Er hat die goldene Clownregel verletzt.“
„Welche? Bring niemals dein Publikum um?“
„Nein, die andere: Arbeite niemals, wirklich niemals mit einem Souffleur!“
Das Einsatzkommando begann, die Bank zu sichern. Müller kam mit ihnen herein.
„Börk, alles in Ordnung mit dir?“ fragte er.
„Ja, aber ich schätze ihn hier hat’s erwischt.“
„War das nicht der Plan?“
„Nicht seiner!“
Genussvoll atmete er den Rauch seiner Zigarette aus.
„Sie dürfen hier nicht rauchen!“
„Aber dass er den Teppich voll blutet ist für Sie kein Problem?“
Börk seufzte und trat über die Leiche hinweg hinaus in den sonnigen Morgen.
Der Einsatzleiter klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter.
„Gute Arbeit, Börk.“
„Danke.“
Müller sah ihn fragend an.
„Und, was hast du jetzt vor?“
„Ich weiß nicht.“ Er schnippte seine Zigarette weg und schlenderte von dannen. „Ich hab diesen ganzen Zirkus satt!“