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Unterwegs im (Un)bekannten

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Wer eine Geschichte erzählt, führt andere durch eine ihnen zumeist unbekannte Gegend (ein Haus, eine Stadt, einen Dschungel, einen anderen Planeten). Als Reiseleiter*in solltest Du diese Gegend so gut kennen, dass Du jederzeit weißt, wo Du entlang gehen willst.

Andererseits solltest Du fähig sein, das, was Du über die Gegend sagen willst, an die Bedürfnisse Deiner Reisegruppe anzupassen. Es ist wichtig darauf zu achten, dass niemand unterwegs verloren geht, und gut zu wissen, wo es Abkürzungen gibt, wenn die Gruppe erkennbar müde wird.

Als Erzählender hältst Du also zwei Fäden in der Hand: einen (roten), der durch die Geschichte führt, und einen (orangenen?), der Dich mit Deinem Publikum verbindet.

Wenn der Faden zum Publikum reißt, hat das meist einen von zwei Gründen: die einen hören sich am liebsten selber reden und vernachlässigen dabei die, um derentwillen sie eigentlich erzählen. Weitaus die Mehrheit hat aber schlicht Angst, dass ihnen eigentlich keiner zuhören will.

Je nach Typ versuchen dann manche, so schnell wie möglich fertig zu werden, oder aber sie tragen extra dick auf und versuchen, sich mit Mitteln interessant zu machen, mit denen sie sich eigentlich gar nicht wohl fühlen.

Das geschieht, weil wir uns beim Erzählen, bei der freien Rede als Person von gleich zu gleich, viel weniger geschützt fühlen als bei jeder anderen Form der öffentlichen Selbstäußerung - es gibt keinen vorgegebenen Text, kein Kostüm, keine Uniform, keine Requisiten, keine Maske.

Die gute Nachricht lautet: Du bist nicht ungeschützt. Du erzählst eine Geschichte. Zwar bist Du als Person im Mittelpunkt und sehr gut sichtbar, aber wenn Du all Deine Aufmerksamkeit auf die Geschichte und Deine Zuhörer*innen richtest, dann werden sie Dir folgen: sie richten ihre eigene Aufmerksamkeit ebenfalls auf die Geschichte - und auf sich.

Das ist eine der besonderen Eigenschaften des Erzählens: sie ermöglicht den Hörenden eine Begegnung mit sich selbst. Und die Geschichte beschützt Dich.

Mach Dir keine Sorgen über Erzähl“techniken“, über die „richtigen“ Pausen, über die Stimmlage, und was es noch alles an Hinweisen gibt, die immer nur die Oberfläche berühren, aber nicht den Kern der Sache. Wenn Du mit Freude und Zuneigung bei Deinem Publikum und bei Deiner Geschichte bist, kommt alles andere von alleine.

Vademekum für Erzähler*innen

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