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2. Betriebsvereinbarung

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Der Arbeitgeber kann einen „Code of Conduct“ schließlich auch im Wege einer Betriebsvereinbarung im Unternehmen einführen.

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Diese Option einer Betriebsvereinbarung besteht nicht nur, wenn Teile des Verhaltenskodex ohnehin mitbestimmungspflichtig sind, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber alle relevanten Vorschriften durch schlichte Weisung umsetzen könnte. Auch eine freiwillige Regelung ist eine vollwertige Betriebsvereinbarung. Voraussetzung ist die Existenz eines zuständigen und konsensbereiten Betriebsrats. Der Arbeitgeber kann seinen Beitrag zur Konsensbereitschaft leisten; die Zuständigkeit richtet sich ausschließlich nach den gesetzlichen Vorgaben. Eine Betriebsvereinbarung, die nicht mit dem zuständigen Betriebsrat abgeschlossen wurde, entfaltet keine Wirkung.

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In der Betriebsverfassung gilt eine strikte Trennung der Zuständigkeiten von Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten und Konzernbetriebsräten. Danach werden die Beteiligungsrechte grundsätzlich von den örtlichen Betriebsräten wahrgenommen. Dies begründet aber weder eine generelle „Primärzuständigkeit“ des örtlichen Betriebsrats noch eine Auffangzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsratslose Betriebe.23 Jedes Gremium kann nur im Rahmen seiner originären Zuständigkeit handeln und wirksame Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber treffen.

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Nach dieser zwingenden Aufgabenverteilung ist der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 1 BetrVG nur zuständig, wenn

 – eine Angelegenheit das gesamte Unternehmen oder zumindest mehrere Betriebe betrifft und

 – diese Angelegenheit nicht durch die örtlichen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann.

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Es muss ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung bestehen; der bloße Wunsch des Arbeitgebers, aus Kosten- oder Praktikabilitätserwägungen eine einheitliche Regelung zu treffen, ist regelmäßig nicht ausreichend.24

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Daneben kommt eine Beauftragung des Gesamtbetriebsrats durch die einzelnen Betriebsräte in Betracht (§ 50 Abs. 2 BetrVG). Im Falle eines unternehmensweiten Verhaltenskodex würde dies jedoch den Konsens aller Betriebsräte voraussetzen. Ferner kann der Auftrag jederzeit und ohne Vorliegen besonderer Gründe widerrufen werden – auch in einem späten Stadium der Verhandlungen.

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Für die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gegenüber den Gesamtbetriebsräten gelten die gleichen Grundsätze; die Regelung in § 58 BetrVG ist § 50 BetrVG nachgebildet.

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Soweit ein Verhaltenskodex darauf abzielt, eine bestimmte „Philosophie“ im Unternehmen umzusetzen und zu gewährleisten, dass alle Mitarbeiter nach einheitlichen Wertmaßstäben arbeiten, besteht regelmäßig ein zwingendes Interesse an einer einheitlichen Regelung. Ein solcher „Code of Conduct“ kann nur einheitlich in allen Betrieben eingeführt werden; die ethischen Maßstäbe können nicht davon abhängen, ob ein Mitarbeiter in Hamburg oder in München arbeitet.25 Die Einführung eines Verhaltenskodex fällt damit grundsätzlich in die Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats.26

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Gelingt eine Einigung mit dem Betriebsrat über den „Code of Conduct“, so ist dies in verschiedener Hinsicht vorteilhaft. Der Arbeitgeber kann den Verhaltenskodex einführen, ohne die individuelle Zustimmung seiner Mitarbeiter einholen zu müssen. Spätere Änderungen und Ergänzungen muss er nur mit einem einzelnen Ansprechpartner verhandeln. Eine Betriebsvereinbarung wird zudem nicht inhaltlich anhand der §§ 305ff. BGB überprüft. Sie unterliegt lediglich einer durch § 75 BetrVG bestimmten Rechtskontrolle; insoweit gelten weniger strenge Maßstäbe.27 Hervorzuheben ist aber insbesondere die Signalwirkung, die von einem gemeinsam verabschiedeten „Code of Conduct“ ausgeht. Die Zustimmung des Betriebsrats zu den ethischen Grundsätzen des Arbeitgebers trägt häufig erheblich zur Akzeptanz dieser Regeln in der Belegschaft bei.

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Allerdings stößt auch diese Umsetzungsform an rechtliche Grenzen. Ganz allgemein müssen die Betriebspartner die grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte der Mitarbeiter achten; hier sieht die Betriebsverfassung sogar ausdrückliche Schutzpflichten vor (vgl. § 75 Abs. 2 BetrVG). Die private Lebensgestaltung der Mitarbeiter ist der Regelungskompetenz von Betriebsrat und Arbeitgeber grundsätzlich entzogen. Verhaltensregeln zulasten Dritter (z.B. Angehöriger) sind nicht möglich. Vorgaben zu Äußerungen in der Öffentlichkeit oder zu politischem bzw. religiösem Engagement begegnen ebenfalls Vorbehalten; die Einschränkungen, die den Mitarbeitern abverlangt werden, sind kritisch mit den Belangen des Arbeitgebers abzuwägen.

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Problematisch ist auch das Verhältnis zu anderen einschlägigen Regelungen – insbesondere zu den einzelnen Anstellungsverträgen. Hier gilt das Günstigkeitsprinzip. Sofern der Anstellungsvertrag bereits Vorgaben zu compliance-relevanten Sachverhalten enthält, gehen diese Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor, wenn sie aus Sicht des Arbeitnehmers günstiger sind.28 Striktere Vorschriften im „Code of Conduct“ etwa zur privaten Nutzung von Firmengeräten oder zur Annahme von Geschenken – gehen dann ins Leere. Anders verhält es sich nur in den (seltenen) Fällen, in denen der Anstellungsvertrag eine Öffnungsklausel zugunsten (ungünstigerer) Betriebsvereinbarungen enthält.

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Ein einmal durch eine Betriebsvereinbarung eingeführter „Code of Conduct“ kann schließlich nicht einseitig mittels Direktionsrecht geändert werden. Ändern sich die rechtlichen Rahmenbedingungen oder die Anforderungen des Unternehmens, muss der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung vielmehr kündigen und den „Code of Conduct“ neu verhandeln. Hier kann der Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG eine maßgebliche Bedeutung zukommen.

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