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5. Sie machen aus Ihrer Figur einen Menschen

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Im Schreibblock 1 haben Sie gelernt, wie man eine lebensechte Figur erfindet. Sie haben dieser Figur einen Namen, Gesicht und Aussehen gegeben. Die von Ihnen erschaffene Figur ist der Held Ihrer Geschichte.

Sie haben auch erfahren, dass Schriftsteller oft umschreiben, Ideen verwerfen und durch neue ersetzen.

Zudem haben Sie gelernt, dass sich Geschichte und Handlung aus den Figuren heraus entwickeln. In erster Linie aus dem Charakter der Hauptfigur heraus.

Das führt uns zu einer wichtigen Erkenntnis.

Schreib-Formel 27:

Figuren sind, was sie tun, nicht was sie sagen.

Wir messen Menschen an deren Taten, nicht an ihren Worten. Genauso hält es der Leser mit Ihren Figuren. In dieser Lektion geht es darum, Ihrer Hauptfigur Leben einzuhauchen, indem Sie ihr eine Vergangenheit geben.

Das geschieht, indem Sie eine Biografie anfertigen. Diese Backstory (bisherige Lebensgeschichte oder Vorgeschichte) zeichnet das Leben der Figur von der Geburt bis zu jenem Tag nach, an dem später Ihre Geschichte beginnt. Das ist wichtig! Die Backstory liefert Ihnen, dem Autor, das Hintergrundwissen (die Motive) warum eine Figur bestimmte Eigenschaften besitzt. Die Vorgeschichte prägt die Figur, die Story zeigt, enthüllt, die Figur und deren Eigenschaften.

Schreib-Formel 28:

Die Backstory formt den Charakter einer Figur.

Schreib-Formel 29:

Die Geschichte enthüllt den Charakter einer Figur.

Ich stelle Ihnen später ein paar Fragen. Die Antworten darauf ergeben die Backstory Ihrer Hauptfigur. Wichtig ist, dass Sie sich selbst ergänzende Fragen über das Vorleben der Figur stellen. So lernen Sie, das Wesen einer Figur zu ergründen und zu verstehen. Sie können mit der Figur aus Schreibblock 1 weiterarbeiten. Sie können aber auch Änderungen im Personigramm 2 vornehmen, wenn Sie das wollen.

Erinnern wir uns: Schreiben heißt ändern, umschreiben.

Entstehen im Zuge der Vorgeschichte neue, veränderte Charaktereigenschaften der Figur, ändern Sie diese im Personigramm 2. Menschen sind lebendige Wesen, die sich weiterentwickeln. Figuren sind das auch. Sie werden erkennen, dass Ereignisse in der Vergangenheit den Charakter einer Figur begründen und das Handeln der Figur in der Gegenwart beeinflussen.

Finden wir jetzt heraus, wer Ihr Held ist.

Kümmern Sie sich nicht darum, wie viele Seiten Sie als Vorgeschichte schreiben. Sie beginnen einen kreativen Prozess, der sich im Laufe Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ständig ausdehnen wird.

Schreib-Formel 30:

Schreiben Sie das Vorleben einer Figur vom Tag der Geburt beginnend linear auf bis zum Jetzt.

Überlegen Sie, welche Ereignisse in der Vergangenheit der Figur eingetreten sein könnten, aus denen jene Charaktereigenschaften erwachsen sind, die Sie Ihrer Figur im Personigramm 2 gegeben haben.

Passt etwas nicht zusammen, ändern Sie beliebig.

Als Starthilfe zeige ich Ihnen jetzt den Beginn einer Lebensgeschichte, die einer meiner Studentinnen verfasste. Später wurde ein wirklich gut gehender Roman daraus. Nehmen Sie diese Textpassage aber wirklich nur als Denkanstoß. Kopieren Sie nicht. Und hier ist der Beginn dieser Biografie:

Helen Winter wurde am 27. Juli 1973 geboren. Ihr erster Schrei hallte um 0.13 Uhr durch die leeren Gänge des XY Hospitals in der XYZ Straße in New York. Ihre Mutter, Alice Winter, geborene Townsend, hörte diesen Schrei ihrer Tochter aber nicht mehr. Sie starb in der Sekunde, in der Helen das Licht der Welt erblickte – zu hoher Blutverlust.

Helen kam kerngesund zur Welt, wog …

Spüren Sie, wie hier eine Figur Leben erhält? Und wie die Vergangenheit beginnt, den Charakter einer Figur zu formen. Das Leben eines Menschen, dessen Mutter bei seiner Geburt starb, wird einen anderen Verlauf nehmen, als das eines Menschen der mit seiner leiblichen Mutter aufwächst.

Sie sind dran:

Wechseln Sie zum Arbeitsabschnitt „Lebensgeschichte der Hauptfigur„. Schreiben Sie nun die Vorgeschichte Ihrer Hauptfigur aus Lektion 1. Beantworten Sie dazu meine Fragen und stellen Sie eigene.

Schreiben Sie munter drauf los! Schreiben ist ein kreativer Prozess, lassen Sie es passieren. Verwenden Sie aber maximal 5 Seiten für die Lebensgeschichte Ihrer Figur. Dadurch vermeiden Sie, abzuschweifen. Sie zwingen sich, konkret zu sein und die wesentlichen Dinge zu benennen. Das ist wichtig beim Schreiben.

Schreib-Formel 31:

Schreiben heißt Fragen stellen und die Antworten darauf zu geben.

Hier sind meine Fragen:

Geburt, erste Zeit

Wann und wo wurde die Figur geboren?

Im Krankenhaus? Zu Hause?

Name?

Ging die Geburt glatt? Gab es Komplikationen? Welche? Warum?

Ist das Kind gewollt?

Ein Junge, ein Mädchen?

Gesund?

Welche Hautfarbe hat das Kind?

Wer ist der Vater, die Mutter?

Leben die beiden zusammen, geschieden, getrennt?

Gibt es Großeltern?

Wenn nein, warum?

Wo wohnen die Eltern?

Haus? Wohnung? Wohngemeinschaft?

Lieben die Eltern das Kind? Oder steht es ihnen im Weg?

Ist die Mutter fürsorglich?

Wächst das Kind mehrsprachig heran? Welche Sprachen?

Wie alt ist die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt? Der Vater?

Hat das Kind Geschwister?

In welchem Milieu leben die Eltern?

Sind die Eltern reich? Arm? Gesund? Krank?

Kleinkindheit

Wie verläuft die Kleinkindheit?

Erleidet das Kind Verletzungen? Welche? Bleibende Schäden?

Erlebt das Kind ein Trauma? Welches?

Geht es in den Kindergarten? Wo?

Wie ist die Kindergärtnerin?

Zeichnen sich früh Begabungen und Interessen ab? Welche?

Erkennen die Eltern diese?

Machen Eltern und Kind Urlaub? Wo? Wann?

Gibt es besondere Urlaubserlebnisse? Fotos?

Die Schulzeit, Studium

Welche Schule(n) besucht die Figur?

Gute Leistungen? Schlechte? Warum?

Geliebte, gehasste Fächer? Welche? Warum?

Wie sind die Lehrer?

Wie sind die Mitschüler? Gibt es Freunde, Feinde? Wer? Warum?

Unterstützen die Eltern das Kind in der Schule?

Was tut das Kind in der Freizeit?

Freunde?

Hobbys?

Vereine? Welche?

Einzelgänger? Führernatur? Rebell? Mauerblümchen?

Hat die Figur einen Beruf vor Augen?

Gibt es Idole, Vorbilder? Wer? Warum?

Musste die Schule einmal gewechselt werden? Warum? Wohin?

Wurde die Schule positiv abgeschlossen? Abgebrochen? Warum?

Folgt der Schule ein Studium? Wo? Welche Richtung?

Wie sieht es hier mit Freunden, Feinden … aus?

Zeit nach der Schule

Welchen Beruf übt die Figur aus?

Ist sie angestellt?

In welchem Unternehmen?

Wie ist das Verhältnis zu den Kollegen? Zum Chef?

Leitende Position? Welche?

Ist die Figur bei den Mitarbeitern angesehen oder nicht? Warum?

Steht die Figur unter Stress? Warum?

Gibt es Intrigen und Machtkämpfe? Mit wem?

Oder ist die Figur selbstständig? Mit welcher Firma? Einzelunternehmen?

Gibt es Mitarbeiter? Verhältnis?

Läuft das Geschäft gut oder schlecht? Warum? Konkurrenz? Schulden?

Wie sieht das private Leben aus?

Ehe? Mit wem? Glücklich oder nicht?

Kinder? Sohn? Töchter?

Gibt es Probleme in der Beziehung? Welche? Warum?

Geschieden? Warum? Streit? Einvernehmlich?

Single? Warum?

Haus oder Wohnung? Wo? Teuer?

Wie groß ist das Haus/Wohnung?

Eigentum? Gemietet?

Hat die Figur einen Führerschein? Ein Auto?

Hobbys?

Vereine?

Urlaub?

Karrieretyp oder Familienmensch?

Berufliche Ziele?

Entstehen daraus Probleme in der Familie, mit Freunden? Welche? Warum?

Färbt die private Situation auf das Berufsleben ab? Wie? Warum?

Ist die Figur mit der derzeitigen Situation glücklich?

Wenn nicht, warum?

Was tut sie, um den Wunschzustand zu erreichen?

Reist die Figur viel? Wohin? Warum?

Sprachen? Welche?

Ist die Figur gesund?

Krankheit(en)? Welche? Auswirkungen.

Gab es im Leben der Figur Tiefpunkte? Welche?

Gab es Höhepunkte? Welche? Auszeichnungen?

Schicksalhafte Ereignisse?

Leben die Eltern, Großeltern noch?

Das Verhältnis zu ihnen?

War die Figur schon einmal ›ganz am Boden‹? Warum? Wann?

Wie rappelte sie sich wieder auf die Beine?

Beeinflussten derartige Ereignisse den Standpunkt der Figur? In welcher Weise? Was lernte die Figur daraus.

Gab es einen Militärdienst? Wo? Als was?

Zivildienst? Wo? Als was?

Besucht die Figur Kurse? Welche? Warum?

Hat die Figur einen Krieg miterlebt? Wann? Wo? Wie?

Ist die Figur der Technik ihrer Zeit aufgeschlossen?

Welchen Rang bekleidet die Figur in der Gesellschaft?

Sie sind dran:

Vergleichen Sie nun die Inhalte vom Personigramm 2 aus Schreibblock 1 mit der geschriebenen Vorgeschichte der Figur. Eignet sich die von Ihnen erfundene Lebensgeschichte der Figur, um die im Personigramm 2 genannten Eigenschaften hervorzubringen? Wenn ja, gut so. Wenn nein, überarbeiten Sie Personigramm 2 und Vorgeschichte so, dass den Eigenschaften der Figur Ereignisse in der Vergangenheit zugrunde liegen.

Betiteln Sie das überarbeitete Personigramm 2 als ›Personigramm aktuell‹. Die Vorgeschichte Ihrer Hauptfigur betiteln Sie als ›Lebensgeschichte der Hauptfigur ‚Name’‹.

Schreib-Formel 26:

Schreiben heißt ändern, umschreiben.

Nehmen Sie sich für das Erschaffen von unvergesslichen Figuren Zeit. Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn aus Namen einzigartige Figuren – lebendige Menschen – entstehen. Ändern und feilen Sie, sooft Sie das für nötig halten, denn:

Sehen Sie sich nun das aktuelle Personigramm an. Genießen Sie den Fortschritt, den Sie in dieser zweiten Lektion bereits gemacht haben.

Wenn Sie meine Ratschläge befolgt haben, sollten Sie das Gefühl haben, mit Ihrer Hauptfigur einen neuen Menschen so gut kennengelernt zu haben, als wäre er schon lange ein Freund.

Sie haben auch gelernt, dass Schriftsteller Texte oft umschreiben, Ideen verwerfen und neue einarbeiten. Ohne Überarbeiten gibt es eben kein Schreiben.

Ich gratuliere!

Sie haben eine romantaugliche Hauptfigur vertieft. Hiermit sind Sie am Ende von Schreibblock 2 angekommen und Schreibblock 3 steht an.

Im Schreibblock 3 befassen wir uns damit, Ihre Hauptfigur zu charakterisieren, ihre Eigenschaften für den Leser sichtbar zu machen.

Insider-Tipp: Das gesamte weite Feld der Figuren-Charakterisierung finden Sie im praktischen eBook WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN.

Kommen wir nun zum nächsten Arbeitsschritt.

Schreibblock 3

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