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Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

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In den USA ist das Thema Whistleblowing bereits seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der politischen Kultur und des Rechts. Ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit hat das Phänomen hingegen erst seit einigen Jahren Eingang gefunden. Auf ein erhebliches Medienecho ist insbesondere die Entscheidung Heinisch ./. Deutschland des EGMR vom 21.7.2011 gestoßen: Die Kündigung einer Berliner Altenpflegerin, die bestehende Pflegemissstände öffentlich angeprangert hatte, wurde von den Straßburger Richtern als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gewertet. Nicht wenige betrachten dieses Urteil als Meilenstein auf dem Weg zu einem besseren Schutz für Hinweisgeber in Deutschland.

Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich inzwischen mehrfach mit der Thematik auseinandergesetzt. Nach wie vor sucht man jedoch sowohl im Arbeits- als auch im Datenschutzrecht vergeblich nach einer Sonderregelung. Der Plan, ins Bürgerliche Gesetzbuch eine Vorschrift zu integrieren, die speziell dem Schutz von Hinweisgebern vor arbeitsrechtlichen Sanktionen dient, wurde von der Regierung (vorerst) wieder aufgegeben. Die von den Oppositionsfraktionen unterbreiteten Gesetzesvorschläge (siehe z.B. BT-Drucks. 17/8567) haben nach derzeitigem Stand wenig Aussicht, realisiert zu werden.

Ungeachtet des Fehlens einschlägiger gesetzlicher Regelungen erweist sich die juristische Auseinandersetzung mit dem Thema insbesondere deshalb als schwierig, weil zahlreiche unterschiedliche Rechtsgebiete betroffen sind: Der Rechtsanwender muss sich intensiv mit Fragen des (Individual- und Kollektiv-)Arbeitsrechts, des Straf-, Gesellschafts- und Datenschutzrechts befassen, um eine umfassende, in sich schlüssige rechtliche Würdigung vornehmen zu können. Obgleich die Anzahl der einschlägigen Publikationen in der Fachliteratur in den vergangenen Jahren geradezu explodiert ist, gibt es nach wie vor nur sehr wenige Veröffentlichungen, die das Thema (aus rechtlicher Perspektive) in all seinen Facetten beleuchten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit haben wir den Versuch unternommen, dies zu tun. Insbesondere mit den in der Praxis überaus bedeutsamen, nicht selten stiefmütterlich behandelten datenschutzrechtlichen Aspekten haben wir uns vertieft auseinandergesetzt.

In den Führungsetagen vieler Unternehmen wird Whistleblowing nach wie vor in erster Linie als Bedrohung für den Unternehmenserfolg betrachtet. Werden Informationen über (angebliche) Missstände oder (vermeintlich) illegale Machenschaften im Unternehmen an die Medien oder die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben, kann dies in der Tat einen immensen Imageverlust sowie erhebliche wirtschaftliche Schäden zur Folge haben. Die Implementierung eines funktionstüchtigen Hinweisgebersystems stellt ein geeignetes Mittel dar, derartige Konsequenzen zu verhindern. Dies ist einer der Gründe, weshalb ein solches „Frühwarnsystem“ anerkanntermaßen einen wesentlichen Bestandteil effektiver Compliance-Strukturen bildet. Nicht nur die großen, börsennotierten Unternehmen, welche nicht selten nach US-amerikanischem Recht (Sec. 301 (4) SOX) ohnehin dazu verpflichtet sind, ein Hinweisgebersystem zu implementieren, beschäftigten sich daher mit der Frage, welche Ausgestaltung den Interessen des Unternehmens bestmöglich gerecht wird, ohne in Konflikt mit dem geltenden Recht zu geraten. Auch immer mehr mittelständische Unternehmen erwägen, ein Hinweisgebersystem einzurichten. Im Rahmen des vorliegenden Werks werden die Vorteile aufgezeigt, die ein derartiger Schritt aus Unternehmenssicht mit sich bringt. Ferner wird ausführlich dargelegt, was in rechtlicher, aber auch tatsächlicher Hinsicht bei der Implementierung eines Hinweisgebersystems zu beachten ist, welche unterschiedlichen Möglichkeiten im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung bestehen und was die Vor- und Nachteile der einzelnen Gestaltungsvarianten sind. Dabei stützen wir uns insbesondere auf das Wissen und die Erfahrungen, welche wir in den letzten Jahren im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit bei der Beratung von Unternehmen sowie in der Funktion als unternehmensexterne Ombudsstelle gesammelt haben.

Dementsprechend ist dieses Buch in erster Linie an die Verantwortlichen in Unternehmen gerichtet, die sich über die Vorteile eines Hinweisgebersystems informieren möchten, die Implementierung eines derartigen Systems planen oder ein bereits vorhandenes System verbessern wollen. Ferner kann es Rechtsanwälten, welche in diesem Bereich beratend tätig sind (oder dies zukünftig beabsichtigen), wertvolle Anregungen liefern.

Die zentralen Erkenntnisse und Praxishinweise sind in grauen Kästen zusammengefasst, um den Lesern die Möglichkeit zu eröffnen, das Wichtigste rasch aufzufinden und zu erfassen. Das Buch schließt mit einem Praxisleitfaden.

Für die Erstellung des Sachverzeichnisses danken wir Frau Nicola Wollring.

München/Wien/Passau, im April 2012

Alexander Schemmel Felix Ruhmannseder Tobias Witzigmann

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