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1. Kapitel Einführung

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Inhaltsverzeichnis

I. Der Begriff „Whistleblowing“ als Ausgangspunkt

II. Implikationen für den Hinweisgeber und die betroffene Organisation

III. EU-Hinweisgeberrichtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz

IV. Missbrauch von Hinweisgebersystemen – Eine empirische Untersuchung

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Der Umgang mit Hinweisgebern wird seit jeher kontrovers diskutiert. Gerade in Deutschland ist dieses Thema historisch vorbelastet. In den letzten Jahren hat allerdings eine deutlich wahrnehmbare Veränderung stattgefunden. Wurden Hinweisgeber früher häufig noch als Spitzel oder Denunzianten angesehen, verändert sich die öffentliche Wahrnehmung dahingehend, dass Hinweisgeber einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass Missstände in der Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Politik öffentlich gemacht und so adressiert werden.

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Dazu beigetragen haben spektakuläre Fälle wie die von Edward Snowden, Chelsea Manning, den Paradise und Panama Papers, Luxleaks oder Football Leaks. Mal ging es um umfassende Überwachung durch Geheimdienste oder Verbrechen von Militärs, mal um Steuerhinterziehung durch betuchte Bürger aus aller Herren Länder. Wenn sich Hinweisgeber gutgläubig verhalten, kann nicht überschätzt werden, welchen Beitrag sie leisten können, damit Fehlverhalten in der Gesellschaft oder – insoweit das Thema dieses Buches – in einem Unternehmen erkannt und abgestellt wird.

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Zwar kann auch das beste Compliance-Programm nicht jede kriminell-kreative Idee Einzelner unterbinden. Wenn aber Personen, die im Begriff sind, die Regeln zu brechen, zu umgehen oder dies bereits getan haben, befürchten müssen, dass ihr Verhalten ans Licht kommen, hält es den ein oder anderen möglicherweise von einem Fehltritt ab, wenn die greifbare Möglichkeit der Aufdeckung durch einen Hinweisgeber besteht. Dementsprechend wird ein Hinweisgebersystem inzwischen auch im deutschsprachigen Raum als wesentlicher Bestandteil eines effektiven Compliance Management Systems angesehen.[1] Die Bedeutung von Hinweisgebersystemen wird nicht zuletzt aufgrund der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden[2] (kurz „EU-Hinweisgeberrichtlinie“), künftig deutlich zunehmen. Die EU-Hinweisgeberrichtlinie ist am 16.12.2019 in Kraft getreten und muss vom Gesetzgeber der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten bis spätestens 17.12.2021 in nationales Recht umgesetzt werden.[3] In Deutschland wird dies durch das Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) erfolgen.

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Der Vorteil von Hinweisgebersystemen gegenüber anderen Kontrollmechanismen wie Richtlinien, Handlungsanweisungen oder Schulungen ist, dass ein Hinweisgebersystem „bottom up“ funktioniert. Das bedeutet, nicht die Compliance-Abteilung selbst entscheidet zentral, welche Themen für die Mitarbeiter und die Organisation relevant sind, sondern die Mitarbeiter entscheiden zu einem gewissen Teil selbst, welche Themen mit dem jeweiligen Rechtsempfinden nicht im Einklang stehen. Dabei können auch regionale und kulturelle Unterschiede eine Rolle spielen.

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Natürlich haben einige Hinweisgeber ihre eigene Agenda und verfolgen möglicherweise primär egoistische Ziele. An dieser Stelle setzt aber die Verantwortung der zuständigen Personen im Unternehmen ein, Prozesse zu entwickeln, um falsche Hinweise oder fehlgeleitete Motive zu erkennen und von den wichtigen Details zu trennen. Derartige globale Konzepte in einer lebenden Organisation wie einem Unternehmen sind nicht einfach zu implementieren und zu steuern. Mit der nötigen Aufmerksamkeit für die Prozesse und deren kontinuierliche Anpassung, kann jedes Unternehmen über das Hinweisgebersystem einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter an die geltenden Gesetze halten und zugleich eine Arbeitsumgebung schaffen, in der sich alle Unternehmensangehörige sicher und wohl fühlen.

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Die Schwierigkeit liegt in der Praxis aktuell noch darin begründet, dass sich nicht alle Unternehmensleiter und Compliance-Verantwortlichen darüber bewusst sind, wie wichtig der Beitrag eines Hinweisgebersystems für die Unternehmenskultur und die Effektivität des Compliance-Programms ist. Möglicherweise hat auch der ein oder andere Entscheider noch eine Leiche im Keller, die er lieber begraben lassen möchte. Positive Änderungen des Verhaltens oder der Kultur können in einem Unternehmen aber nur durch Offenheit und Transparenz herbeigeführt werden.[4] Das gilt für technische Fehler genauso wie für Korruption oder Kartellabsprachen oder die Sicherheit am Arbeitsplatz inklusive dem Schutz vor sexuellen Übergriffen oder unangebrachtem Verhalten. Wer ein Unternehmen betreibt oder leitet, hat sowohl die gesellschaftliche als auch die rechtliche Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass sich die Mitarbeiter in dem Unternehmen sicher und wohl fühlen und die Gesellschaft und Kunden nicht durch Fehlverhalten aus dem Unternehmen heraus geschädigt werden.

Hinweisgebersysteme

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