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Wahre Liebe

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Wie aus dem Nichts donnerte ein Geschwader automatisch gesteuerter Drohnen der Panamerikanischen Allianz über die Alashan-Gobi-Wüste und tauchte das Hochplateau augenblicklich in eine riesige Wolke aus feinem Sand.

Verdammt, dachte Jack verbittert, wenn diese Idioten nur eine Stunde früher aufgetaucht wären, hätten sie das Blatt noch wenden können. Stattdessen machten sie die Katstrophe perfekt, indem sie den Dreck der Umgebung in die Wunden der Verletzten schleuderten.

Die vorrückenden Truppen der Panasiatischen Front hatten die Hochebene in nur wenigen Augenblicken in ein Schlachtfeld verwandelt, das diese Bezeichnung mehr als verdiente. Überall lagen Trümmer von zerstörten Panzern und Luftabwehrgeschützen. Dazwischen verteilten sich die sterblichen Überreste gefallener Kämpfer, für die jegliche Rettung zu spät kam. Jack schärfte seine Sinne, um den gelben Nebel zu durchdringen, in dem einige menschliche Hybridkämpfer seiner Einheit umherirrten, als hätte man sie in ein unsichtbares Labyrinth gesperrt. Obwohl man ihre menschlichen Körper mit jeder Menge Robo-Technik manipuliert hatte, waren sie weitaus verletzungsanfälliger als Jack, der als reiner Kampfroboter einige Vorteile besaß, mit denen ein Hybridkämpfer nicht aufwarten konnte. Unter anderem hatte man ihm eine hochempfindliche visuelle Elektronik ins Gehirn implantiert. Sie funktionierte in Extremsituationen zuverlässiger als ein aufgesetztes System und sorgte nun dafür, dass er sich trotz des künstlich erzeugten Sandsturms einen halbwegs guten Überblick über die fünfhundert Meter hohen Dünen verschaffen konnte.

So wie es aussah, hatte er dieses Debakel als einer der wenigen seiner Einheit heil überlebt. Was er mehr dem Zufall zu verdanken hatte, als seinen militärischen Fähigkeiten, über die er zweifellos verfügte. Bei diesem Angriff jedoch hatte niemand von ihnen eine faire Chance gehabt, ganz gleich ob er ein Kampfroboter oder ein Hybridkämpfer war.

Jack stellte sich nicht zum ersten Mal die Frage, welche Schwachköpfe im Oberkommando eigentlich das Sagen hatten. Schlimm genug, dass sie jetzt schon Menschen für den Kampf rekrutierten und das auch noch gegen deren Willen. Zu allem Überfluss hatten sie offensichtlich auf menschlichen Instinkt zurückgeschaltet, anstatt sich künstlicher Intelligenz zu bedienen. Um die ganze Angelegenheit für das ahnungslose Publikum da draußen noch spannender zu machen, setzte man zudem vermehrt auf Luftangriffe, anstatt auf die sonst üblichen Bodenkämpfe. Die Drohnenangriffe lieferten in jedem Fall spektakulärere Bilder, aber ergaben überhaupt keinen Sinn, weil sie in der vorgegebenen Strategie eigentlich Mann gegen Mann kämpfen sollten.

Hastig checkte er seine inneren und äußeren Sensoren, die ihm verlässlich mitteilten, ob es bei seinem zwei Meter großen Körper und der darauf verteilten 120 Kilogramm Muskelmasse irgendwelche Ausfälle gab. Optisch und auch organisch war er kaum von einem Menschen zu unterscheiden, wenn man von seiner nahezu perfekten Physis einmal absah, die kaum ein Mensch vorweisen konnte. Aber als Robot hatte er zudem den Vorteil, dass man beinahe jedes Körperteil durch ein biotechnologisch gewachsenes Ersatzteil ersetzen konnte. Sogar die Schaltzentrale in seinem Kopf war ersetzbar.

Der hochkomplexe Quantenprozessor, der genauso aufgebaut war wie ein funktionsfähiges, menschliches Gehirn meldete ihm eine leichte Verbrennung oberhalb seiner rechten Wade. Dort hatte ihn der überhitzte Splitter einer Flächengranate getroffen und das hitzebeständige Material seines Kampanzuges war entgegen seiner Bestimmung an dieser Stelle geschmolzen.

Nichts, dem er eine besondere Beachtung schenkenmusste, dachte Jack und machte sich auf, nach Verletzten zu suchen, die es schlimmer getroffen hatte, als ihn und denen er vielleicht noch helfen konnte, bevor es zu spät war. Während er durch die Trümmerberge marschierte, hörte er überall das Stöhnen seiner menschlichen Kameraden. Ein Phänomen, das bei Robotern nicht vorgesehen war. Sie litten still, wie er aus eigener Erfahrung wusste. Manche von den Menschen weinten sogar, obwohl man sie schon vor dem Einsatz mit schmerzstillenden Drogen vollgepumpt hatte, die eigentlich jede menschliche Regung unterdrückten.

Jack suchte zwischen all den am Boden liegenden menschlichen Körpern nach einem ganz bestimmten Mann, dem er schon einmal das Leben gerettet hatte, und der ihn seitdem als seinen Freund bezeichnete. Er war es gewesen, der ihm einen menschlichen Namen gegeben hatte. Denn eigentlich hatte Jack keinen richtigen Namen. Obwohl man bei der Konstruktion von Kriegsrobotern Wert auf ein individuelles menschliches Aussehen legte, damit die Zuschauer sich mit ihnen identifizierten, trugen sie nur eine Serienbezeichnung, die man mit einem speziellen Laser sichtbar machen konnte. Auch die Hybridkämpfer trugen an gleicher Stelle eine solche Nummer, unter der man ihre physischen Daten registriert hatte. Weil Jack nicht wusste, wo er anfangen sollte zu suchen, aktivierte er seinen integrierten Scanner, mit dem er den QR-Code eines jeden Kämpfers auch unter der Uniform einlesen konnte. Er hatte eine ungefähre Vorstellung, wo sich der Mann, den er suchte, vor dem Angriff befunden hatte. Schließlich gehörte er zu seiner Einheit und beim Morgenappell hatte er ihn noch gesehen und ihm eine gesunde Rückkehr gewünscht. Später war er ihm unterhalb der großen Düne begegnet, wo sich die meisten seiner Leute, wenn auch vergeblich, in Sicherheit gebracht hatten.

Als er ihn endlich am Boden liegend fand, verspürte er im ersten Moment so etwas wie Erleichterung. Doch der zweite Blick brachte sogleich die Ernüchterung.

Der Kampfanzug seines menschlichen Kameraden war bis auf die Schulterpartien zerfetzt. Zu allem Übel fehlte ihm nicht nur der linke Arm - ein Makel, den man durchaus noch hätte beheben können. Aber von der Hüfte abwärts hatte ihm der Laser einer feindlichen Drohne beide Beine gekappt. Einziger Vorteil: Das Fleisch war sauber verschmort und blutete nicht. Aber abgesehen davon würde niemand auf die Idee kommen, einem Hybridkämpfer die Beine zu ersetzen. Das Oberkommando würde den Mann als Totalschaden abschreiben und ihn entsorgen, ganz gleich, ob er noch eine Überlebenschance hatte oder nicht.

Jack, den dieser Umstand mehr als bedrückte, nahm ihm den Helm ab und scannte seine Vitalfunktionen. Er lebte noch, war aber ohnmächtig, was Jack als gnädige Fügung empfand. Mit Bedacht nahm er eine Injektion aus seiner Sanitätstasche, die für weitaus weniger drastische Fälle gedacht war und jagte den Inhalt in die schwach pulsierende Halsschlagader des Mannes. Das Medikament wirkte sofort gegen die Schmerzen und stabilisierte den Kreislauf. So hoffte er jedenfalls. Gleichzeitig verlangsamte es den Herzschlag. »Halt durch, Soldat«, murmelte Jack mehr zu sich selbst.

Im gleichen Moment vernahm er hinter sich ein zischendes Geräusch. In etwa fünfzig Meter Entfernung war ein Sanitätsgleiter gelandet. Die beiden an Bord befindlichen Robots trugen keine Kleidung und hatten auch keine Gesichter, sondern lediglich Sensoren, mit denen sie die Umgebung scannten. Von Jack und seinen Kameraden wurden sie als Aasgeier bezeichnet, weil sie in der Regel nicht kamen, um zu helfen, sondern um einzusammeln, was fürs Ersatzteillager übriggeblieben war. Sofort, nachdem sie den Gleiter verlassen hatten, begannen sie mit ihrer unappetitlichen Arbeit. Indem sie die Gliedmaßen der zerstörten Robots in einen Auffangkorb warfen und die verbliebenen Überreste an Ort und Stelle mit einem Laser verdampften, damit nichts davon in die Hände des Feindes geriet. Mit gefallenen Hybridkämpfern verfuhren sie nicht viel besser. Alle, die noch halbwegs laufen konnten, wurden ungeachtet ihrer Verletzungen zusammengetrieben und aufgefordert, auf einen größeren Sanitätsgleiter zu warten. Alle, die zu schwer verletzt waren, um sich noch fortbewegen zu können, wurden an Ort und Stelle eliminiert.

Ein Schicksal, das Jack seinem Schützling ersparen wollte. Deshalb hob er ihn vom Boden auf, und brachte ihn zunächst hinter einem zerstörten Panzer vor den beiden Robots in Sicherheit.

Den noch offenstehenden Gleiter im Blick, musste er nicht lange überlegen, was er als Nächstes tat. In einem unbeobachteten Moment brachte er den Schwerverletzten an Bord des Gleiters und schnallte ihn auf der dafür vorgesehenen Liege fest.

Jack sah das Ganze als willkommene Gelegenheit, die sich so bald nicht wieder ergeben würde. Zügig schwang er sich auf den Pilotensitz des Gleiters und verriegelte die Türen von innen. Dann loggte er sich in die Steuerungseinheit des Bordcomputers ein und bevor jemand seine Flucht bemerkte, war er bereits senkrecht in der Luft. Per Gedankenbefehl gab er die erforderlichen Zielkoordinaten ein. Fünftausend Meilen nach Osten. Dort lebte – wenn er einem bereits desertierten Bruder glauben konnte, der heimlich zu ihm Kontakt aufgenommen hatte – die einzige Person, die willens und in der Lage war, ihm und seinem schwer verletzten Kameraden zu helfen.

Kaum, dass sie die Wüste hinter sich gelassen hatten, wurden sie, wie fast schon erwartet, von chinesischen Grenzpatrouillen entdeckt. Jack aktivierte die an Bord befindlichen Laserabwehrkanonen und berechnete einen raffinierten Zickzack Kurs, der sie vor gezielten Treffern bewahrte.

Erst nachdem sie die unsichtbare Grenzmauer aus magnetischen Wellen mittels eines geheimen Codes überwunden hatten, schaltete er die automatische Steuerung ein und widmete sich wieder seinem schwer verletzten Patienten.

Zunächst legte er ihm eine dauerhafte Infusion an, gegen die Schmerzen. Danach schloss er dessen Blutkreislauf mit wenigen Handgriffen an seinen eigenen an. Roboterblut hatte die gleichen Eigenschaften wie menschliches Plasma und würde – so hoffte er – den Kreislauf des Mannes weiter stabilisieren und die Sauerstoffversorgung garantieren.

Unvermittelt schlug sein Gegenüber die Augen auf. »Wo sind wir?«, fragte er schwach.

»Auf dem Weg nach Hause«, antwortete Jack und versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln. »Ich habe einen Sanitätsgleiter gekapert und bringe dich zu jemandem, der uns helfen kann, dich wieder hinzubekommen. Du musst nur ruhig liegen bleiben und tun, was ich dir sage.«

»Hör zu, Jack!«, krächzte sein Gegenüber mit kaum verständlicher Stimme. »Ich weiß, dass ich es nicht schaffen werde. Ganz gleich, was du mit mir veranstaltest. Aber bevor es mit mir zu Ende geht, musst du mir etwas versprechen!«

Jack nickte beklommen. Die meisten Hybridkämpfer, denen er in diesem Krieg begegnet war, hatten ein verlässliches Gespür für ihr eigenes Ende gehabt.

»Wenn ich tot bin, musst du meine Familie finden«, stieß der andere mühsam hervor. »Du musst meiner Frau sagen, was hier vor sich geht. Du musst verhindern, dass diese Scheißkerle aus ihr und meinen Kindern das gleiche machen, was sie aus mir gemacht haben. Und du musst ihr sagen, dass ich sie liebe und dass ich immer bei ihr und den Kindern sein werde, ganz gleich, was noch passiert. Du weißt, wo sie wohnt, Jack und du weißt, wie sie aussieht. Erinnerst du dich noch, als du das erste Mal mein Leben gerettet hast? Du hast gesagt, du hättest sie in meinen Gedanken gesehen, als du dich mit meinem überhitzten Hirn verbunden hast, um es zu kühlen.«

»Ja«, murmelte Jack mehr zu sich selbst. Dieses Erlebnis war einzigartig gewesen und hatte ihn vollkommen verändert. Doch das behielt er lieber für sich. Seitdem er diese Frau gesehen hatte, wie sie ihren Mann küsste und liebte, war in Jacks Leben nichts wie vorher. Möglicherweise hatte ihr Anblick dazu beigetragen, sein Bewusstsein vollends erwachen zu lassen. Ein Zustand von dem niemand erfahren durfte, ansonsten hätte man ihn als Robot sofort abgezogen und umprogrammiert.

»Jack? Du musst es mir versprechen, hörst du?«

»Ich verspreche es«, schwor Jack feierlich, auch wenn es ihn umbringen würde, dieser Frau tatsächlich gegenüberzustehen. »Aber willst du es ihr nicht lieber selbst sagen? Ich kann es aufzeichnen mit meinem Recorder und ihr vorführen, sobald ich sie gefunden habe.«

»Danke, Mann«, flüsterte sein Gegenüber mit brüchiger Stimme und schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, starrte er mit festem Blick in Jacks Iriskamera. Eine intelligente Linse, die jeder Kampfroboter im rechten Auge trug und die ihn nicht nur permanent mit wichtigen Informationen aus seiner direkten Umgebung versorgte, sondern auch zur Aufzeichnung gedacht war.

Jack konzentrierte sich auf das Gesicht seines Freundes. Während der mit wenigen Worten eine letzte Botschaft an seine Familie verfasste, empfand Jack eine diffuse Angst, wegen dem, was nun folgen sollte und diese Angst war für einen Kampfroboter alle andere als normal.

Wenn er es schaffte, sein Ziel zu erreichen, würde er alles haben, was einen Menschen von einem Robot unterschied. Er würde leben, er würde lieben und er würde hoffen. All das, was er sich sehnlichst gewünscht hatte, seit er einen Blick in das Gedächtnis dieses Mannes geworfen hatte.

Aber was, wenn das alles nur eine schöne Illusion war, die sich niemals erfüllte?

Am liebsten hätte er sein Versprechen zurückgezogen. Stattdessen ergriff er wortlos die Hand des Sterbenden. »Du kannst dich auf mich verlassen, Mann«, sagte er fest.

»Ich weiß«, flüsterte der andere mit halb geschlossenen Lidern und zog schmerzlich die Mundwinkel hoch. »Und dafür werde ich dir auf ewig dankbar sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Familie ausgerechnet einer verdammten Blechbüchse anvertraue. Aber du, Jack, bist der einzige, der dafür in Frage kommt. Also enttäusch mich nicht.« Erschöpft schloss er die Lider. Kurz darauf war ein langgezogenes Summen zu hören. Auf der Vitalanzeige über dem Kopf des Verletzten war nur noch eine Nulllinie zu sehen.

Jack spürte, wie sich sein biotechnologisch hochentwickeltes Herz beim Anblick des Toten verkrampfte und sich seine Augen langsam aber stetig mit Wasser füllten. Er weinte. Auch etwas, das vollkommen neu für ihn war und an das er sich erst noch gewöhnen musste.

RoboLOVE #1 - Operation: Iron Heart

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