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Kapitel 1 – Wills Vermächtnis

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Chicago, Oktober 2056

Marci wischte den dreihundert Jahre alten venezianischen Spiegel als ob Rochelle ihr einen Bonus dafür zahlen würde. Dabei bemerkte ihre Chefin normalerweise nicht einmal, ob sie das Prunkstück ihrer luxuriös ausgestatteten Empfangshalle von Staub und Streifen befreite.

Marcella Martinez Finnegan, wie Marci mit vollem Namen hieß, war für Rochelle MacIntyre nichts weiter als ein unsichtbarer Hausgeist, der zuverlässig und möglichst unauffällig tagtäglich die stummen Zeugen ihres unfassbaren Reichtums polierte. Jedes einzelne Stück davon hatte mehr gekostet, als Marci in ihrem ganzen Leben verdienen würde.

Obwohl Will den Job von Beginn an als Sklaventreiberei bezeichnet hatte, war Marci froh, überhaupt einen Arbeit ergattert zu haben. Das Geld hatte schon vor Wills Verschwinden hinten und vorne nicht zum Leben gereicht. Aber seit er gegangen war, wusste Marci erst recht nicht, wie sie sich und ihre beiden Jungs durchbringen sollte.

Dabei zahlte ihr die exzentrische Milliardärin nicht mal den Mindestlohn, obwohl sie es sich ohne weiteres hätte leisten können.

Nach ihrer Scheidung von Montgomery »Monty« MacIntyre vor wenigen Jahren hatte Rochelle von ihrem Ex-Mann diese millionenschwere Villa als Abfindung erhalten. Dazu hatte er ihr seine Anteile an »Copter Robot Unlimited«, kurz CRU, überlassen. Ein Unternehmen, das Ersatzteile für Roboter jeglicher Art herstellte und damit Rochelles luxuriöses Auskommen sicherte.

Ihr Ex war zudem alleiniger Herrscher über ein industrielles Imperium, das in erster Linie für die Produktion von hochwertigen Kampfrobotern bekannt war. Sie sahen mit Absicht so aus wie menschliche Superhelden und wurden öffentlichkeitswirksam auf den sogenannten Killingfields weltweit im Krieg gegen feindliche Staaten eingesetzt. Die Schlachten wurden zur Unterhaltung der Massen regelmäßig auf allen Kanälen übertragen und hätten etwas von einem Super Bowl beim Football, wenn der Ablauf nicht so grausam gewesen wäre. Schon allein deshalb interessierte sich Marci nicht für die Übertragungen. Aber sie wusste, dass Monty MacIntyre, dessen Konzern ständig neue Robots für den Krieg produzierte, um die zerstörten Kämpfer zu ersetzen, dadurch zu ungeheurem Reichtum gekommen war. Außerdem stellten seine Fabriken weniger komplexe Robots her, die als Polizisten und Feuerwehrleute eingesetzt wurden.

Eine dieser Blechbüchsen, wie Will die Robots zu nennen pflegte, hatte ihn seine gut dotierte Stelle als Cop bei der Chicago Police gekostet. Der Hauptgrund, warum es ihm nach seiner Entlassung nicht gepasst hatte, dass Marci ausgerechnet bei Rochelle MacIntyre das Hausmädchen spielte.

»Ich will nicht glauben, dass du dich von diesen Blutsaugern für einen Hungerlohn ausnutzen lässt, obwohl sie uns diese ganze Scheiße eingebrockt haben«, hatte er sich ereifert, nachdem Marci den Zuschlag erhalten hatte.

»Wenn man mit zwei kleinen Kindern in den Slums von Chicago zurechtkommen muss, und nur wenig Unterstützung erhält, bleibt einem gar keine andere Wahl, als jeden Strohhalm zu ergreifen«, hatte sie ihm entgegengehalten und ihn damit nur noch mehr frustriert.

Wobei Marci selbst verwundert gewesen war, warum Rochelle eine menschliche Reinigungskraft bevorzugte. Wo sie doch über genug Beziehungen verfügte, um sich einen perfekten Haushaltsroboter anfertigen zu lassen, der ihre Aufgaben klaglos übernehmen würde.

»Robots sind teurer in der Anschaffung und müssen häufiger zur Reparatur als ein Mensch«, hatte Rochelle gegenüber ihren reichen Freundinnen argumentiert, die regelmäßig zum Tee erschienen und Marci beim Servieren begafften wie ein exotisches Hündchen, das auf Zuruf apportierte und das man sich rein zum Vergnügen hielt.

»Wenn ein Mensch nicht mehr funktioniert, kann ich ihn problemlos austauschen«, hatte Rochelle den Frauen in Gegenwart von Marci emotionslos erklärt und damit seltsamerweise ihr eigenes Business in Frage gestellt. Wobei sie Recht hatte, wenn sie hinzufügte, dass es genug menschliche Arbeitssklaven gab, die für ein paar Credits bereitwillig ihre eigene Seele verkauften.

Und nicht nur deshalb musste Marci höllisch aufpassen, um ihren Job nicht zu verlieren. Etwas umzustoßen oder fallen zu lassen hätte unweigerlich ihren Rauswurf bedeutet. Auch krank zu werden kam nicht in Frage, ganz gleich wie schlecht es ihr ging. Wobei ihr ein Blick in den Spiegel vollkommen reichte, um sich selbst den Grad ihrer Erschöpfung zu bescheinigen. Genaugenommen fühlte sie sich wie eine Hundertjährige. Dabei war sie erst Achtundzwanzig und damit in der Blüte ihrer Jugend, wie ihre mexikanische Großmutter immer geschwärmt hatte. Die hatte bis zu ihrem Tod mit Dreiundneunzig mit vollem Elan an einer vollautomatischen Kasse gestanden und Kunden beim Einscannen der Ware geholfen.

Marci würde so alt nicht werden. Sie aß nicht vernünftig, sie schlief nicht genug und sie weinte zu viel. Die dunklen Schatten um ihre Augen waren inzwischen nicht mehr zu übersehen.

»Du siehst aus wie ein Pandabär«, hatte Klein-Willie ihr erst vor ein paar Tagen bescheinigt und das auch noch lustig gefunden.

Seit sie und die Kinder ohne Will klarkommen mussten, hatte sie keine ruhige Minute mehr und war regelrecht abgemagert. Sie selbst sparte am Essen, damit die Kinder nicht hungern mussten. Die zerschlissene Jeans und der fadenscheinige, blaue Kittel hingen an ihr herunter, wie an einem Kleiderständer. Nur ihre verhältnismäßig großen Brüste trotzten noch hartnäckig dem Schicksal. Aber auch sie waren nicht mehr so fest und aufrechtstehend wie vor den Schwangerschaften. Was ihr eigentlich hätte egal sein können. Es würde ohnehin keinen Mann für sie geben, der ihr Will ersetzen konnte.

In ihrer Not hatte sie sogar schon darüber nachgedacht ihren Körper zu verkaufen, damit sie den Kindern auf dem Schwarzmarkt Obst und Gemüse kaufen konnte. Louise, ihre alte Nachbarin, die sich in diesem Geschäft bestens auskannte, weil sie in ihrer Jugend ein Escort-Girl gewesen war, hatte ihr jedoch dringend davon abgeraten.

»Mit den perfekt geformten, weiblichen Robots, die bis zu hundert Mal am Tag für ein paar Credits die Beine breit machen, kannst du sowieso nicht mithalten. Und für die menschlichen Frauen bleiben nur Freaks, die bei ihren sadistischen Spielchen echtes Blut sehen und vor allen Dingen riechen wollen. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch viel zu gefährlich.«

Nein, dachte Marci und raffte resigniert ihre langen, dunklen Locken mit einem Gummi zu einem Zopf zusammen. Ihr musste irgendwas anderes einfallen. So ging es jedenfalls nicht weiter.

Erst vor ein paar Wochen hatte die Regierung weitere Hilfen für Lebensmittel gekürzt. Dafür waren schon zum dritten Mal in diesem Jahr die Militärausgaben gestiegen. Was laut Will automatisch zur Folge hatte, dass für die Unterstützung der Armen in den Slums nichts mehr übrig blieb.

»Seit sich die Supermächte dazu entschieden haben, ihre Kriege mit teuren Robots auf den Killingfields auszutragen«, hatte er ihr nüchtern erklärt, »gibt es in diesem Land nur einen Gewinner. Und der heißt Monty MacIntyre! Dieser Typ verdient ein Schweinegeld mit seinem Blechbüchsenschrott und bei uns hungern die Kinder! Seit die Panasiatische Front die letzte große Schlacht unter chinesischer Führung gegen uns gewonnen hat, muss die Regierung nicht nur neue Schulden für die Siegprämie aufnehmen. Auch für MacIntyres Robo-Fighter dürfen sie mal wieder tief in die Tasche greifen. Er hat garantiert schon Nachschub auf Lager, um schnellstmöglich für die Revanche liefern zu können. Und du darfst dreimal raten, bei wem sich die Regierung das Geld dafür leiht. Richtig, auch bei MacIntyre. Wenn es so weiter geht«, orakelte er mit finsterem Blick, »wird es in absehbarer Zeit zu einem Bürgerkrieg kommen. Dann werden wir die Herrscher mit ihrer verdammten Blechbüchsenarmee zum Mond jagen. Dafür würde ich glatt auf die Bibel schwören!«

Marci mochte es nicht, wenn Will so redete. »Solche Sprüche sind gefährlich. Louise hat mir erst gestern erzählt, dass bis zu dreißig Jahre Gefängnis drohen, wenn man bei Protesten gegen die Regierung erwischt wird. Falls man als Terrorist geschnappt und verurteilt wird, kann man wegen Hochverrat sogar zum Tode verurteilt werden.«

»Louise!«, hatte Will gestöhnt und die Augen verdreht. »Was weiß diese alte Krähe denn über Gesetze. Außerdem geht es sie nichts an, was ich über wen denke. Sag bloß, du erzählst ihr von unseren Gesprächen?«

»Nein«, hatte Marci ohne mit der Wimper zu zucken gelogen. Dabei war die alte Frau in Wahrheit für Marci so etwas wie ein Mutterersatz, der sie beinahe alles anvertraute. »Aber wo sie recht hat, hat sie recht!«,

»Vergiss den Quatsch und lass dich lieber ein bisschen von mir verwöhnen.« Will hatte sie – wie üblich - mit seinen treuen, blauen Augen schnell auf andere Gedanken gebracht. »Ich werde mich von allem fernhalten und tue nichts, was unsere Familie in Gefahr bringen könnte«, hatte er ihr zugeflüstert und sie zärtlich geküsst. Es war das letzte Mal gewesen, dass sie miteinander geschlafen hatten.

Zwei Tage später war er verschwunden. Einfach so, als hätte man ihn aus dem Leben gehackt. Er war am Morgen wie immer auf Jobsuche gegangen und am Abend nicht zur üblichen Zeit zurückgekehrt. Erst hatte Marci sich damit beruhigt, dass er vielleicht in einen Pub gegangen war, der auf dem Weg zu ihrer Wohnung lag. Obwohl sie sich das eigentlich nicht leisten konnten. Aber sie hatte Verständnis dafür, wenn er seine Enttäuschung mit einem Glas Bier hinunterspülte. Als er am nächsten Morgen noch immer nicht neben ihr im Bett lag, hatte Marci sich mehr als nur Sorgen gemacht. Sie hatte Angst. Das Gefühl, ihm könnte etwas zugestoßen sein, hatte sich wie eine eiskalte Faust um ihr Herz gelegt. Zunächst befürchtete sie, die Staatspolizei könnte Will verhaftet haben. Vielleicht war er, wie von Louise befürchtet, in eine Razzia geraten und hinterher eingesperrt worden, und konnte sich deshalb nicht bei ihr melden. Den Gedanken, dass er dabei getötet worden sein könnte, hatte sie erst gar nicht an sich herangelassen. Aber sämtliche Nachfragen bei Krankenhäusern und Polizei verliefen ins Leere.

Nach drei bangen Tagen und Nächten erhielt sie unerwartet eine Intercom-Nachricht auf ihrem altersschwachen Tablet. Will hatte eine holografische Information für sie hinterlassen. Nachdem es ihr endlich gelungen war, das dafür notwenige Portal zu öffnen, traute sie ihren Augen nicht. Sein attraktives Konterfei mit den dunkelblonden Haaren und den meerblauen Augen ließen keinen Zweifel, dass es sich tatsächlich um ihren vermissten Ehemann handelte. Er lächelte sie an, als ob nichts gewesen wäre. »Hi Marci«, begann er mit einer seltsam blecherner Stimme, die sie zunächst auf die schlechte Übertragungsrate schob. »Es fällt mir nicht leicht, dir all das zu erklären, aber nach reiflicher Überlegung habe ich beschlossen, neu anzufangen und dich und die Jungs von mir zu erlösen. Ich bin sicher, ihr werdet ohne mich besser klarkommen und vielleicht findest du ja bald einen neuen Mann, der zuverlässiger für euch sorgen kann, als ich es je konnte.«

Von mir erlösen? Ungläubig hatte Marci auf ihr Tablet geglotzt und sich ängstlich gefragt, was er damit meinte. Vielleicht wollte er sich umbringen? Was so gar nicht zu seiner katholischen Erziehung gepasst hätte. Vielleicht war er auf Drogen? Seine Stimme hatte sonderbar teilnahmslos geklungen. Ganz so, als ob er selbst zu einem Robot mutiert wäre. Am Ende blickte er ihr ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen direkt in die Augen, während er sich mit den Worten von ihr verabschiedete: »Du schaffst das schon, du warst immer stärker als ich«.

Marci hatte sich vergeblich gefragt, was, verdammt nochmal, in ihn gefahren war. Möglicherweise hatte er eine andere Frau kennengelernt und war mit ihr durchgebrannt? Louise hatte so etwas angedeutet. Was ihr in jedem Fall lieber gewesen wäre, als alles andere. Aber ihre innere Stimme, auf die sie sich gewöhnlich verlassen konnte, argumentierte entschlossen dagegen. Will war kein Mann, der sich aus einer Laune heraus mit anderen Frauen einließ. Aber vielleicht hatte er eine bei seinen rebellischen Treffen kennenglernt? Eine, die seine Überzeugungen teilte. Fakt war, dass sie sich in letzter Zeit öfters wegen seiner politischen Spinnereien gestritten hatten. Und das, obwohl sie normalerweise über alles in Ruhe redeten. Bereits in ihrer Jungend waren sie so etwas wie Seelenverwandte gewesen. Wobei Politik in ihren Gesprächen so gut wie nie eine Rolle gespielt hatte.

Marci stammte wie Will aus einfachen Verhältnissen, in denen man sich wenig bis gar nicht um das Weltgeschehen kümmerte. Marcis Urgroßeltern waren als mexikanische Tagelöhner ins Land gekommen, die schon stolz darauf gewesen waren, ihren Kindern ausreichende Mahlzeiten auf den Tisch bringen zu können. Wills Vorfahren hatten als irische Leiharbeiter ohne Krankenversicherung zusammen mit ihren Familien in heruntergekommenen Wohnmobilen gehaust. Und genau betrachtet, lief es drei Generationen später auch nicht viel besser. Aber all das war doch kein Grund einfach davonzulaufen. Geschweige denn, Frau und Kinder im Stich zu lassen. Natürlich war Will nach seiner Entlassung nicht mehr der gleiche dynamische Kerl gewesen, den Marci schon seit Ewigkeiten gekannt hatte. Seine sprichwörtlich gute Laune und sein Optimismus hatten sich über Nacht in Luft aufgelöst. Aber in seinen sanften Augen hatte noch immer die Liebe geleuchtet, die er ihr und den beiden Jungs entgegenbrachte.

»Ich kann das nicht verstehen«, jammerte Marci mit Tränen in den Augen, nachdem sie Louise die ganze Geschichte erzählt hatte. »Er hat doch so an den Jungs gehangen. Was ist, wenn er sich tatsächlich das Leben genommen hat? Ich meine, er war verzweifelt genug, weil er nicht mehr für uns sorgen konnte.« Sie stockte, um sich die Nase zu putzen. »Vielleicht hab ich was übersehen? Vielleicht hätte ich mehr auf ihn eingehen sollen?«

»Das glaub ich nicht, Schätzchen«, hatte Louise ihr versichert. »Dann hätte er bestimmt einen Abschiedsbrief hinterlassen. Nein, nein. So leid es mir für dich und die Kinder tut. Ich denke, er hat was anderes gefunden. Eine, die ihm das Leben versüßt und keine Ansprüche stellt. Männer sind so. Wenn es schwierig wird, rennen sie lieber weg, als Federn zu lassen. Du bist nicht die einzige Frau, der sowas passiert«, fügte sie bedauernd hinzu und nahm Marci mitfühlend in den Arm. »Mich hat ohnehin gewundert, dass dein Will nicht schon früher abgehauen ist.«

Marci wollte nicht glauben, dass Will sie und die Kinder einfach aufgegeben hatte. »Und was soll ich nun tun?«

»Dir bleiben nur zwei Möglichkeiten, Süße: Entweder du kapitulierst und lässt die Jungs genauso im Stich, wie Will es getan hat. Oder du reißt dich zusammen und machst weiter, und gibst ihnen damit wenigstens ein bisschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«

Während Marci noch über die Worte der alten Frau nachdachte, war sie nicht sicher, ob sie die Kraft hatte, weiter zu kämpfen. Aber wegen der beiden Jungs stellte sich diese Frage nicht.

Plötzlich läutete es am Haupteingang der Villa und Marci wurde so abrupt aus ihren Gedanken gerissen, dass sie heftig zusammenfuhr. Erschrocken blickte sie auf und sah auf dem großen Wandbildschirm in der Eingangshalle einen Hünen mit stahlblauen Augen, dessen militärischer Kurzhaarschnitt einen eigenartigen, silberblauen Schimmer hatte. Der Mann war noch jung, vielleicht so alt wie sie selbst. Er war geradezu riesig und seine breiten Schultern und die unübersehbaren Brustmuskeln sprengten beinahe seinen schwarzen Overall. Er trug das Logo einer bekannten Auslieferungsfirma, die eigentlich nur einfach konstruierte Robots beschäftigte. Dieser Typ hingegen sah aus wie Superman. Bis auf die merkwürdigen Haare wirkte er wie ein Mensch, obwohl sie sich kaum vorstellen konnte, dass die Firma Menschen beschäftigte. Allem Anschein nach wollte er ein größeres Paket anliefern.

Aber warum machte sie sich überhaupt Gedanken darüber. Wie üblich hatte der Mann auf dem Weg zur Villa bereits die vollautomatische Kontrollzone durchqueren müssen, in der er sich legitimieren musste und die Security ihn mitsamt seinem Fahrzeug und dem Inhalt garantiert durchleuchtet hatte.

Als Marci die Eingangstür zum Empfang öffnete, was normalerweise ebenso automatisch geschah, aber von Rochelle nicht so gewünscht war, schob der silberhaarige Hüne eine mehr als zwei Meter hohe Stahlkiste auf Rollen herein und ließ sich den Empfang mit ihrem Fingerabdruck auf einem winzigen Tablet quittieren.

»Darf ich erfahren, was die Sendung enthält?«, fragte sie den verwegen aussehenden Kerl, der sie eine Spur zu lange betrachtete.

Der Bote, anscheinend wenig interessiert, ihr eine Antwort zu geben, zuckte mit seinen breiten Schultern, und steckte das Tablet beiläufig in die Brusttasche seines schwarzen Overalls.

»Gemäß den Lieferangaben ist es ein Robot. Frag am besten Mrs MacIntyre«, riet er ihr wenig hilfreich. »Sie hat das Ding bei »CRU« bestellt. Soweit ich die Daten checken kann, ist alles komplett. Die Lieferung ist damit abgeschlossen und es besteht kein Grund, eine Einweisung in den Gebrauch der Maschine vorzunehmen, weil die Empfängerin bereits informiert ist.«

Ohne Abschied drehte er sich um und verschwand in einem dunklen selbstfahrenden Van, der ihn mitsamt seiner Fracht hierher chauffiert hatte.

Marci hatte ohnehin nicht vorgehabt, sich in die Handhabung irgendwelcher Robots einweisen zu lassen. Im Geheimen fürchtete sie, dass sie in ihren Vermutungen richtig gelegen hatte und ihre Chefin sich nun von ihrer eigenen Firma eine vollautomatische Reinigungskraft hatte konstruieren lassen. Womöglich noch einen Robot, der Marci täuschend ähnlich sah, damit Rochelle sich nicht an ein neues Gesicht gewöhnen musste, wie sie gerne betonte.

Im Augenblick stand Marci das Ding nur im Weg, und wenn sie den Marmorboden in der Halle bis zum Mittag poliert haben wollte, würde sie Überstunden machen müssen, wenn nicht bald jemand kam und den ungeliebten Robot aus seiner Verpackung befreite. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie selbst Hand anlegen sollte. Nicht nur um den Störenfried zu beseitigen, auch weil es ihr keine Ruhe ließ, ob sie mit ihren Befürchtungen richtig lag.

»Verdammt«, fluchte sie leise, als sie sah, dass die Kiste, die gut vierzig Zentimeter größer war als sie selbst und um einiges breiter, nur durch einen Iris-Scan des neuen Besitzers geöffnet werden konnte. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis Rochelle sich aus ihrem Bett bequemte, und zum Frühstück herunterkam.

Während sie sich daran machte, die restlichen Marmorbüsten von Rochelles ebenso vermögenden Vorfahren mit einem archaischen Federfeudel zu bearbeiten, hörte sie in der oberen Etage ein Geräusch und kurz darauf einen wahren Begeisterungsschrei, der sie von neuem zusammenfahren ließ.

Ein Blick zur Brüstung des breiten, geschwungenen Treppenaufgangs, der wie fast alles in diesem Haus ganz aus weißem Marmor bestand und Marci wie der direkte Weg ins Paradies erschien, bestätigte den Auftritt der Hausherrin am oberen Ende der Balustrade. Offensichtlich konnte Rochelle ihren Enthusiasmus über die ansonsten nichtssagende Stahlkiste kaum zurückhalten. Mit schnellen Schritten rauschte die spindeldürre, fast achtzigjährige Blondine in einem weißen, durchscheinenden Seidenmantel auf silbernen Highheels die Treppe hinab. Dass sie dabei halbnackt war, schien sie ebenso wenig zu stören, wie ihre zerzauste Mähne, die eindeutig ihre Sicht behinderte und sie beinahe im Blindflug ins Erdgeschoss stolpern ließ.

Nach unzähligen Operationen besaß Marcis Arbeitgeberin noch immer Gesicht und Figur einer Zwanzigjährigen, dazu einen mehr als unecht aussehenden Busen, den sie sich erst letzte Woche auf Größe F hatte aufpumpen lassen, obwohl das schon lange nicht mehr gefragt war. Nun lugten ihre ballonartigen Brüste obszön aus dem offenen, knöchellangen Mantel hervor, der mit einer silbernen Federboa eingefasst war, und vermittelten dabei den Eindruck, als ob sie jeden Moment explodieren wollten. Was ihre Besitzerin nicht im Geringsten zu stören schien. Wenigstens war Rochelle so vernünftig gewesen, sich noch rasch einen Slip überzuziehen. Was aber auch nicht immer der Fall war, da sie es als ein Privileg ihrer Freiheit empfand, im eigenen Haus splitternackt herumlaufen zu können.

Inzwischen war sie vor dem Objekt ihrer Begierde angelangt und strahlte es mit glänzenden Augen an, als ob es der Weihnachtsbaum am Rockefeller-Center in New York wäre.

»Weißt du, was das ist«, rief sie vollkommen außer sich vor Entzücken und drehte sich zu Marci herum, die es verwunderte, wie ein Mensch, der bereits alles besaß, sich noch so sehr freuen konnte.

»Nein«, antwortete Marci schlicht und stellte für einen Moment das Staubwedeln ein. »Aber Sie werden es mir sicher gleich verraten.«

Anstatt zu antworten trat Rochelle an die Kiste heran, um eines ihrer mehrfach gestrafften Lider, mitsamt der dahinter befindlichen, hellblauen Iris vor einem schmalen Scanfeld in die richtige Position zu bewegen. Ein kurzes Aufleuchten aus dem Innern des Felds versicherte ihr, dass der gescannte Entschlüsselungscode erfolgreich gewesen war.

Ein summendes Geräusch ließ sie einen Schritt zurücktreten. Die Kiste faltete sich in mehreren Abschnitten anschaulich auf und entblößte im wahrsten Sinne des Wortes ihr ungeahntes Innenleben. Der Anblick eines vollkommen nackten Mannes verschlug nicht nur Rochelle die Sprache. Auch Marci klappte der Mund auf. Der beängstigend muskulöse Kerl war gut und gerne zwei Meter groß. Was sie daran erkennen konnte, dass sie ihm gerade mal bis zur Brust reichte. Er besaß ein überaus attraktives Gesicht mit einem energischen Kinn und einer geraden Nase. Sein kurzgeschorenes Haar war dunkel und sein Dreitagebart schimmerte in einem rötlichen Braun. Die exakt geschnittenen Brauen und dichten Wimpern waren dagegen von nussbrauner Farbe. Eine Kombination, die alles in allem erschreckend natürlich wirkte und Marci mit der Frage beschäftigte, ob es sich bei diesem Mann tatsächlich um einen Robot handelte.

Aber Menschen wurden normalerweise nicht in Kisten transportiert, es sei denn sie waren tot. Und dieses Exemplar sah ziemlich lebendig aus. Seine Lider waren geschlossen und somit blieb die spannende Frage, welche Augenfarbe sich dahinter verbarg.

»Oh«, machte Rochelle nur und leckte sich hastig über die Lippen. »Dr. Tanaka hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Der Kerl sieht fantastisch aus. Gestern noch ein Kampfrobot auf den Killingfields, heute schon als Mann für gewisse Stunden in meinem Schlafzimmer. Ist das nicht scharf?«, frohlockte sie.

Marci zweifelte einen Moment, ob es sich bei diesem Mann tatsächlich um einen Kriegsroboter handeln konnte, selbst wenn man das bei seinen Körpermaßen hätte vermuten können. Abgesehen davon, dass diese Art von Maschinen dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterstanden, wie sie von Will erfahren hatte, und in privaten Haushalten verboten waren, vermochte sie sich kaum vorzustellen, dass ihre Chefin ein solches Risiko einging. Rochelle jedoch erklärte ihr, dass ihr Chefingenieur einen ausrangierten Kriegsroboter als Basis verwendet hatte, um diesen fantastisch aussehenden Kerl für sie zu konstruieren. Und sie musste es schließlich wissen, hatte sie doch die Produktion dieses Prototypen selbst angeschoben, wie sie Marci nicht ohne Stolz berichtete.

Mit einer bloßen Berührung seiner Schläfen erweckte Rochelle den vergleichsweise riesigen Robot zum Leben, woraufhin er tatsächlich die Augen aufschlug. Sie leuchteten grün. Jadegrün, um genau zu sein, wie der Bergsee auf dem Bildschirmschoner von Marcis uraltem Intercomtablet. Der unnachahmliche Glanz in den dunklen Pupillen des Robots ließ ihn beinahe noch lebendiger erscheinen als einen Menschen. Marci war so überwältigt von seinem Anblick, dass sie sich gar nicht von ihm zu lösen vermochte.

Mit einer etwas ungelenken Bewegung trat der Robot aus seinem stählernen Gefängnis heraus. Was Marci beinahe enttäuschte, hatte sie sich seine ersten Schritte doch irgendwie fließender vorgestellt. Doch dann lockerte er seine beeindruckende Muskulatur und nahm mit einer weiteren, knappen Bewegung Haltung an, als ober er tatsächlich ein Soldat wäre, der sich zum Dienst meldet.

»Ist er nicht unglaublich schön?«, schwärmte Rochelle und war schon dabei, die imposante Brustmuskulatur des Mannes und sein perfekt definiertes Sixpack mit ihren rastlosen Fingern zu erkunden.

Nein, ist er nicht, hätte Marci am liebsten erwidert, obwohl sie sich seiner erotischen Ausstrahlung nicht entziehen konnte. Aber genauer betrachtet wirkte der Kerl eher beängstigend auf sie. Sein markantes Gesicht und der starre Blick seiner Augen signalisierten aller Perfektion zum Trotz skrupellose Entschlossenheit. Wenigstens sein weicher Mund wirkte entspannt, was für Marci den dominanten Gesamteindruck ein wenig relativierte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen solchen Robot gesehen. Er unterschied sich in fast nichts von einem echten Mann. Wenn man von seinen außergewöhnlichen Muskelbergen einmal absah, die um einiges imposanter wirkten, als die der meisten menschlichen Kerle. Die Vorstellung, was dieser Robot mit einem Menschen anstellen konnte, wenn sein Besitzer die Kontrolle verlor, ließ sie frösteln. Sie erschrak regelrecht, als er plötzlich mehrmals blinzelte, wahrscheinlich um seine Augäpfel erneut mit künstlicher Tränenflüssigkeit zu benetzen.

Zu Marcis Erstaunen ließ er keinerlei Emotionen erkennen, als Rochelles rastlose Hände weiter über seine unbehaarte Brust nach unten wanderten. Vorbei an den schmalen Hüften, bis hin zu seinem muskulösen Gesäß und den strammen Oberschenkeln, wo sie einen Moment lang verweilte und nach einem Augenblick des Zögerns über sein stattliches Glied streichelte, das sich trotz seiner erstaunlichen Größe in einem entspannten Zustand befand. Anschließend berührte sie federleicht die dazu gehörigen Hoden, bei denen die Konstrukteure anscheinend beabsichtigt – wie bei dem Rest – auf jegliche Schambehaarung verzichtet hatten. Während Rochelle sich über ihre neue Errungenschaft restlos begeisterte, wirkte der Robot vollkommen unbeeindruckt.

»Hat er auch einen Namen?«, fragte Marci unbedarft, die sich nicht vorstellen konnte, wie man einen solchen Kerl ansprechen sollte.

»Das ist Rob 007», stellte Rochelle ihn mit einem albernen Kichern vor. »Aber ich denke, ich werde ihn Robby nennen.« Wieder kicherte sie und setzte eine betont unschuldige Miene auf, was Marci beinahe belustigt hätte, wenn der kühle Gesichtsausdruck des Robots ihr nicht so unberechenbar erschienen wäre. Ihn schien es nicht zu interessieren, wie sie ihn nannte, noch zeigte er seinerseits auch nur einen Funken Sympathie für seine neue Besitzerin.

»Denken Sie wirklich, Robby ist der passende Name für einen solchen Koloss?«, fragte Marci mit einem nicht zu überhörenden Zweifel in der Stimme.

»Das ist ja das Schöne«, frohlockte Rochelle und gab Mr. Perfect einen abschließenden Klapps auf den knackigen Po. »Ich kann zu ihm sagen was ich will und ich kann mit ihm anstellen, was mir beliebt. Welcher Mann würde das zulassen?«

»Ich weiß nicht…«, antwortete Marci zögernd, während sie ein letztes Mal die unberechenbaren Züge des Robots nach einem Zeichen des Widerspruchs erforschte.

»Hast du eine Ahnung warum dieses Prachtstück in meiner Empfangshalle steht?« Rochelle sah sie herausfordernd an.

Marci musste sich erst sammeln, bevor sie zu einer Antwort fähig war.

»Ich kann’s mir zumindest denken«, antwortete sie immer noch ungläubig, »wenn Sie ihn als Mann für gewisse Stunden bezeichnen.«

Auch wenn der Typ für Marcis Geschmack nichts an sich hatte, was ihr Will ersetzen würde, konnte sie Rochelle gut verstehen. So wie er dastand, war er unglaublich sexy und sie war bestimmt nicht die einzige Frau, die sich von seiner maskulinen Erscheinung mehr als angezogen fühlte.

»Er ist ein Sexroboter«, klärte Rochelle sie mit einer geradezu diebischen Freude auf, die so gar nicht zu ihrer üblichen Souveränität passte, mit der sie alles und jedes durchdachte. »Die neuste Innovation von »Copter Robot Unlimited«. Ein ausgemusterter Kriegsroboter, komplett überholt und ausgestattet mit dem neusten emotionalen Programm«, erläuterte sie Marci und wechselte übergangslos in ihren üblichen Geschäftsmodus. »Ich habe Tanaka ein paar Entwürfe vorgelegt und er hat mir diesen fantastischen Kerl erschaffen. Gemeinsam haben wir die Idee verwirklicht, ausgemusterte Kriegsroboter in unseren Labors zu überholen und sie in sogenannte Escort Begleiter umzuprogrammieren. Fast vollkommene männliche Geschöpfe, die einer Frau jeden Wunsch von den Augen ablesen und sie gleichzeitig im Alltag beschützen. Um diesen langgehegten Traum zu verwirklichen benötigte Tanaka einen Schlüsselcode, den ich von Monty sozusagen als Trostpreis zur Abfindung erhalten habe. Er meinte damals, damit nichts anfangen zu können, weil seine Kriegsroboter keine Emotionen benötigen, um ihren Überlebensinstinkt zu aktivieren. Dr. Tanaka hingegen kann mit der für Monty nutzlosen Erweiterung jene emotionalen Hirnareale in einem Kriegsroboter aktivieren, die bei der originären Produktion unterdrückt werden, wie Empathie, Fürsorge und sexuelle Erregung. Wenn erst all diese unbefriedigten, gelangweilten Businessfrauen, einen solchen Kerl im Bett haben wollen, haben wir es geschafft. Dieser Typ ist garantiert mehr wert als jeder Kriegsrobot und wie Tanaka sagte, ersetzt er nebenbei den Bodyguard, putzt, kocht und organsiert den Garten. Ich bin sicher, das wird ein Bombengeschäft. In einem Jahr werde ich mehr Credits machen, als Monty es mit seinen Blechsoldaten je könnte. Zumal seine Geschäfte ohnehin nicht mehr so gut laufen wie früher, weil der Regierung das Geld ausgeht.«

Während Marci innerlich vor Schreck erstarrte, weil sich ihre schlimmsten Befürchtungen mit einem putzenden Robo Lover zu bewahrheiten schienen, grinste Rochelle ihr übermütig ins Gesicht.

»Ich habe Dr. Tanaka versprochen, das erste Exemplar gleich selbst zu testen und ihm noch am selben Tag einen Bericht zu schicken«, fügte Rochelle unnötigerweise hinzu. »Falls mich jemand sucht, sag ihm, ich bin bis zum Lunch nicht zu erreichen. Mal sehen, ob Rob 007 hält, was CRU seinen Kunden verspricht. Wenn ich mit ihm fertig bin und du noch da sein solltest, stelle ich dir gerne mein Schlafzimmer zur Verfügung. Dein Mann ist doch schon eine ganze Weile weg und ich bin sicher, auch du wirst deinen Spaß mit dem gut bestückten Robot haben. Je mehr Erfahrungswerte ich CRU liefern kann, umso besser. Das ist ja das Schöne an diesen Maschinen«, plapperte sie amüsiert weiter, »sie machen keinen Unterschied, in wen sie ihre leistungsfähigen Schwänze stecken. Sie können immer, überall und mit jeder und jedem. Das behauptet Dr. Tanaka zumindest nach den ersten Testläufen, wobei er bestimmt meinen gewaltigen Appetit auf einen solchen Kerl nach fast einem Jahr Abstinenz nicht berücksichtigt hat.« Mit einem süffisanten Lächeln gab sie dem Robot ein Zeichen, dass er ihr folgen solle. »Du entschuldigst mich«, sagte sie zu Marci, der es bei dem Gedanken, ihren Job womöglich schon bald an diesen »Mister Alleskönner« zu verlieren, eiskalt den Rücken hinunterlief.

Mit dem zufriedenen Grinsen einer Katze, der man ein feines Fischfilet vor die Nase setzt, machte sich Rochelle schließlich auf den Weg in ihr Schlafzimmer. Der Robot setzte sich ohne Widerstand in Bewegung, um ihr zu folgen. Aber Marci hätte ihren Hintern darauf verwetten mögen, dass er ihr im Vorbeigehen geradezu verschwörerisch zugezwinkert hatte. Entsprechend ungläubig starrte sie den beiden hinterher. Sie erwachte erst wieder aus ihrer Trance, als sich im Obergeschoss die Tür von Rochelles Schlafzimmer mit einem leisen Summen öffnete und gleich danach wieder schloss, nachdem die beiden dahinter verschwunden waren.

Obwohl Marci von Natur aus nicht besonders neugierig war, hätte sie Rochelle am liebsten hinterherspioniert und an der Tür gehorcht, ob ihre Erwartungen in den Robot auch nur ansatzweise befriedigt wurden. Oder ob die Sache in Wahrheit eine vollkommen andere Wendung nahm. Denn irgendwie war ihr der zwinkernde Robot suspekt. Aber sämtliche Räume in dieser Villa waren hermetisch abgeriegelt und fungierten im Notfall als sogenannte Panic Rooms, die man nur mit einem ganz bestimmten Passwort öffnen konnte, das Marci selbstverständlich nicht kannte. Obgleich in dieser Gegend so gut wie noch nie jemand entführt oder überfallen worden war, weil die Schutzvorkehrungen in diesen Häusern so unüberwindlich waren, wie die Mauern von Fort Knox, setzte man in Rochelles Kreisen lieber auf Nummer Sicher.

Vielleicht beschlich Marci gerade deshalb ein ungutes Gefühl, das sie veranlasste, sich entgegen jeder Vernunft die Treppe hinauf zu Rochelles Zimmer zu stehlen, um dort vor der Tür abzuwarten, ob ihre Chefin unversehrt wieder zum Vorschein kam. Falls der Kerl tatsächlich eine Schraube locker hatte und nicht so funktionierte wie von Rochelle gewünscht, würde Marci unverzüglich den Wachdienst alarmieren. Der würde diese putzende, kochende und zugleich fickende Maschine mit dem Risikopotential einer Massenvernichtungswaffe sogleich aus der Villa entfernen. Und das am besten bevor Rochelle zu Schaden gekommen war. Nicht, dass ihre Chefin ihr besonders am Herzen lag, nein, aber immerhin garantierte sie Marci ein halbwegs sicheres Auskommen. Zumindest noch.

Marci hatte indes nicht die geringste Ahnung, wie solche Maschinen funktionierten. Will hatte ihr einmal zu erklären versucht, wie wahnsinnig komplex Aufbau und Programmierung eines menschenähnlichen Robots sein musste, damit er nicht nur aussah wie ein Mensch sondern auch so agierte. Inzwischen existierten unzählige biotechnologische Labore, in denen multinationale Unternehmer wie MacIntyre Gott spielten, indem sie mithilfe organischer 3D-Drucker täuschend echte, menschlich anmutende Geschöpfe aus genetisch modifizierten Materialien schufen, deren Ausgangssubstanz menschlichen Zellen immer ähnlicher wurde. Am Ende waren sie von einem echten Menschen nur zu unterscheiden, wenn man sie durchleuchtete. Ihre Organe waren ein wenig anders angeordnet und dort wo normalerweise das Hirn saß, war bei ihnen ein Quantenprozessor zu finden, der jederzeit durch eine neue Programmierung manipuliert werden konnte.

Während Marci zutiefst verunsichert noch einmal darüber nachdachte, wie dieses Etwas ihr zugezwinkert hatte, beschlich sie ein ungeheurer Verdacht. Was wäre, wenn dieser Robot ein unerwartetes Eigenleben führte, von dem Rochelle und ihre Geschäftspartner nichts ahnten? Denn wer auch immer einen solchen Robot für seinen ersten Einsatz programmiert hatte, war bestimmt nicht daran interessiert, dass er – bevor er seine neue Besitzerin beglückte - zunächst einen Flirtversuch bei ihrer Putzfrau unternahm. Je mehr Marci darüber nachdachte, umso mehr wurde sie von einer fast panischen Unruhe ergriffen. Was wäre, wenn Mister Perfekt unversehens außer Kontrolle geriet und Rochelle womöglich vergewaltigte oder schlimmeres? Mit hämmerndem Herzen horchte sie in die Stille hinein. Nichts. Ob sie den Wachdienst trotzdem alarmieren sollte, mit dem Hinweis auf mögliche Probleme, denen man vorsichtshalber auf den Grund ging?

Dummerweise war Marci fast sicher, dass Rochelle nicht nur die Türen hermetisch verriegelt, sondern auch die Kameras in ihrem Zimmer ausgeschaltet hatte. Was also würde geschehen, wenn Marci mit ihren Verdächtigungen falsch lag und die Security ganz umsonst den Notfallcode anwendete, um die Türen trotzdem zu öffnen?

Rochelle wäre sicher ziemlich wütend auf sie und würde sie auf der Stelle entlassen. Ein Risiko, das sie nur ungern eingehen wollte. Zumal ihr Job nun ohnehin mehr als gefährdet schien.

Unentschlossen schaute sie durch die großen Fensterfronten auf den Lake Michigan hinaus, wo sich die helle Morgensonne unschuldig im türkisblauen Wasser spiegelte.

Vielleicht hatte sie sich das lächelnde Zwinkern des Mannes auch nur eingebildet. Schließlich waren ihre Sinne von so viel männlicher Präsenz vollkommen vernebelt gewesen. Seit mehr als einem halben Jahr hatte sie keinen Kerl mehr im Bett gehabt und die Aussicht darauf, dass dieses potente Multitalent sie demnächst womöglich auch noch beim Putzen ersetzte, tat ihr Übriges, um sie vollkommen nervös zu machen.

Mit einem Seufzer wandte sie sich zum Gehen, um in ihrer Arbeit fortzufahren, als ein polterndes Geräusch sie unvermittelt herumfahren ließ. In einer Schrecksekunde sah sie, wie die Tür aufglitt und Rob 007 vor ihr stand. Barfuß, in elastischen Sport-Tights und einem grauen, viel zu engen Gymnastik-Shirt wirkte er wie Superman, der seine Kleider zu heiß gewaschen hatte. Er starrte sie von oben herab an, als ob er auf sie gewartet hätte. Dann riss er ihr ohne Vorwarnung den Feudel aus der Hand und schleuderte ihn über die Brüstung. Während Marci lauthals zu protestieren begann, packte er ihren Oberarm mit einer solchen Kraft, als ob sie zwischen zwei automatische Türen geraten wäre. Marci stieß einen unkontrollierten Schmerzenslaut aus und fürchtete für einem Moment, dem Feudel zu folgen. Doch dann zog der Robot sie in Richtung Treppenhaus.

Marci war viel zu verdutzt, um nach Rochelle zu rufen oder gar um Hilfe zu schreien. Zudem hatte Rob 007 einen so flotten Schritt drauf, dass sie Mühe hatte, auf dem Weg nach unten nicht über ihre eigenen Füße zu fallen, bevor sie sich bei wem auch immer hätte bemerkbar machen können. Erst als sie im Erdgeschoss angekommen waren, von wo aus er sie gnadenlos zum Ausgang zerrte, füllte sie ihre Lungen mit Luft, um zu schreien. Rob 007 war schneller und legte ihr wie im Reflex seine große Hand auf den Mund. Da er mit seinen kräftigen Fingern nicht nur ihre Lippen sondern auch ihre Nase bedeckte, war Marci nicht fähig zu atmen. Was er nicht zu bemerken schien, denn er ignorierte all ihre Versuche sich zu befreien und schleppte sie weiter in Richtung Sicherheitsschleuse. Die normalerweise streng gesicherte Tür schob sich zu Marcis Entsetzen wie von Geisterhand zur Seite und schon waren sie draußen. Doch anstatt den frischen Sauerstoff inhalieren zu können, der ihnen vom Lake Michigan entgegenwehte, blieb Marci die Luft weg. Sie spürte, wie ihre Beine versagten und ihr schwarz vor Augen wurde. Das war‘s dann wohl, dachte sie und ihre letzten Gedanken galten Willie Junior, ihrem kleinsten und Logan, der in einem Monat seinen achten Geburtstag feiern würde, und das wahrscheinlich in einem Waisenhaus ohne Vater und Mutter.

Als Marci wieder zu sich kam, dachte sie zunächst, sie würde träumen, weil sie sich in ihrem eigenen Bett wiederfand. Obwohl es kein richtiges Bett war, es war ein Ausklappsofa, das sie zur Nacht in ein Bett verwandelte und das breit genug war, um dort zusammen mit den Jungs schlafen zu können. Irritiert blinzelte sie in die Sonne, deren Strahlen schräg durch das viel zu kleine Fenster fielen. Hatte sie in Wahrheit einfach verschlafen? Instinktiv tastete sie nach links, wo normalerweise Logan lag, doch der war nicht da. Dann nach rechts, wo Willie Junior sich für gewöhnlich wie ein kleines Hündchen an sie heran kuschelte. Aber auch dort war niemand. Zutiefst beunruhigt schrak sie hoch… und blickte in das unbewegte Gesicht von Rob 007.

Für einen Moment glaubte sie zu ersticken und wiederholte damit die Panik, die sie auf ewig mit dem Anblick dieses Mannes in Verbindung bringen würde. Er hätte sie um Haaresbreite erdrosselt! Und da half es auch nicht, dass er nun so sanft lächelte wie ein Engel. Denn allem Anschein nach, vertrat er eindeutig die Gegenseite.

»Wo sind die Kinder?«, brüllte sie außer sich vor Sorge, nachdem sie einigermaßen zu Atem gekommen war.

»Hier«, rief eine piepsig klingende Stimme. Es war Willie Junior, dessen kurzes, blondes Haar total verstrubbelt war, während er mit noch herunter gelassener Hose aus der Toilette stürmte. Gefolgt von Logan, seinem dunkelgelockten älteren Bruder, der ihm wie üblich beim Hintern abwischen geholfen hatte.

Marci hielt es nicht auf dem Sofa. Wie eine Löwin, die ihren Nachwuchs mit dem eigenen Leben verteidigt, sprang sie auf und nahm die beiden Jungs schützend in ihre Arme, wobei sie Willie rasch die Hose hochzog. Dann warf sie Rob 007 einen mehr als feindlichen Blick zu. »Wenn du den Kindern etwas antust, reiße ich dir eigenhändig dein kaltes Herz aus der Brust!«

»Mum, warum bist du so böse zu dem Mann«, piepste Willie irritiert. »Er hat uns einen Kakao gemacht und Pizza bestellt, als du geschlafen hast.«

Ich hab nicht geschlafen, hätte sie am liebsten ihrem Jüngsten entgegen geschrien. Ich wurde entführt und bin dabei fast draufgegangen. Doch damit hätte sie die Jungs nur verängstigt. Im Grunde war sie froh, wenn dieses Monster ihre Kinder in Ruhe gelassen hatte.

»Es tut mir leid, Marci, wenn ich dich erschreckt habe«, begann der Fremde mit einer erstaunlich freundlich klingenden, tiefen Stimme, die seine unglaubliche Attraktivität unnötigerweise noch unterstrich. »Du und die Kinder habt von mir nichts zu befürchten. Deine Ohnmacht war eine Panne, wenn auch eine recht nützliche«, fügte er mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu, wobei er für einen Moment seine makellosen hellen Zähne zeigte. »Wenigstens scheinen deine lebenserhaltenden Systeme, wie man sieht, einwandfrei zu funktionieren.«

»Häh?« Marci glotzte ihn ungläubig an. Der Typ hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Vielleicht war ihm beim Vögeln mit Rochelle eine Sicherung durchgebrannt und nun spielte er trotz seiner Brutalität weiter den Womanizer. Entsprechend relaxt stand er mit gekreuzten Armen am Küchenschrank, was seine Schultern und Oberarme noch muskulöser erscheinen ließ, als ohnehin schon. Irgendwie erinnerte sie diese Pose schmerzlich an Will, der eine ähnliche Statur gehabt hatte, wenn auch nicht ganz so groß und monströs.

»Wer bist du und was willst du hier«, fragte sie mit bebender Stimme. Eher beiläufig fiel ihr auf, dass er noch immer die unzureichenden Klamotten aus Rochelles Kleiderschrank trug und mit seinen perfekt geformten nackten Füßen dastand, wie Adonis auf der überstürzten Flucht vor einem eifersüchtigen Ehemann.

»Wenn es dir nur um etwas Vernünftiges zum Anziehen geht, kannst du ein paar Sachen von meinem Ex-Mann haben«, fuhr sie ungerührt fort und deutete auf einen Wandschrank, in dem sie Wills alte Klamotten aufbewahrte. Sie hatte es bisher nicht über sich gebracht, seine Kleidung zu verschenken, vielleicht weil sie hoffte, er würde eines Tages zu ihr zurückkehren. In ihrer melancholischen Einfältigkeit schnupperte sie manchmal an seinen Hemden, um sich wenigstens an seinen Duft zu erinnern. »Will hat in etwa deine Größe. Das Zeug liegt hier nur unnütz rum. Da müssten auch noch ein paar Boots dabei sein, die dir passen könnten.«

»Es geht mir nicht um Kleider, Marci«, sagte der Robot ruhig und schaute ihr dabei seltsam verbindlich in die Augen. Schon alleine, wie selbstverständlich er ihren Namen aussprach, als ob sie sich schon ewig kennen würden, verunsicherte sie nur noch mehr. Doch sie wagte es nicht, noch einmal nachzuhaken. Vielleicht war es besser, wenn sie nicht allzu viel über ihn wusste und ihm gab was er wollte, damit er schnellstens verschwand.

»Mit Geld kann ich dir leider nicht dienen«, beteuerte sie ihm und deutete mit einer fast schmerzlichen Geste auf das heruntergekommene Inventar. »Schau dich doch um, ich habe kaum genug, um den Kindern etwas zum Essen zu kaufen und meine Creditkarte ist ausgereizt. Ich kann dir nichts geben.«

»Es geht auch nicht um Geld«, sagte er leise und ließ seine Arme sinken.

»Gott verdammt, worum geht es dann?« stieß sie verzweifelt hervor und bekam es nun doch mit der Angst zu tun. Der Kerl wollte sie vielleicht vergewaltigen, immerhin war er ein Sexroboter und so wie es aussah, war er bei Rochelle nicht zum Zug gekommen. Wahrscheinlich hatte man ihm zu der Fähigkeit einen Dauerständer haben zu können, zusätzlich eine unendliche Libido einprogrammiert, die nun nach Befriedigung verlangte. Marcis Blick wanderte unauffällig zu seinem Schritt, wo die enge Hose das Instrument seiner Begierde zu ihrer Beruhigung unauffällig unter Kontrolle hielt. Dann schaute sie hastig zum Ausgang. Wenn er wenigstens die Kinder rauschicken würde, bevor er … hoffte sie inbrünstig …

»Es geht um Will«, raunte er und sein offener Blick verdüsterte sich. Marci hätte nicht überraschter sein können. Dabei glaubte sie einen schmerzlichen Schatten zu sehen, der kurz über sein ansonsten ausdrucksloses Gesicht huschte.

»Um… Will?«, wiederholte sie ungläubig und verschluckte sich fast vor Aufregung. »W… was weißt du über ihn?«, stotterte sie und spürte zugleich wie sich ihr Herzschlag verdoppelte.

»Alles«, sagte er mit sanfter Stimme, was sie nur noch mehr verunsicherte. Zumal sein Blick mit einem Mal nicht mehr hart, sondern beinahe traurig war, als er auf die Kinder fiel. »Will hat mir einen Auftrag erteilt«, erklärte er mit fester Stimme, »und ich bin hier, um ihn auszuführen.«

Marci verstand überhaupt nichts mehr. Aber ganz gleich, was dieser Robot mit ihr vorhatte, sie würde jegliche Gelegenheit nutzen, Willie und Logan hinauszuschicken, damit sie es nicht mitansehen mussten. Obwohl sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre, blieb sie gefasst, als sie ihre beiden Jungs so selbstverständlich wie irgend möglich aufforderte, doch mal kurz zu Luise zu gehen, die gleich nebenan wohnte und sich des Öfteren um die Kinder kümmerte, wenn es bei ihr später wurde.

Rob 007 schien glücklicherweise nichts dagegen zu haben, was sie mit einem erleichterten Aufatmen kommentiere. Nachdem sie die Tür hinter den Jungs geschlossen hatte, atmete sie noch einmal tief durch und blieb in sicherem Abstand vor dem Robot stehen. Er stand noch immer am Küchenschrank, als ob man ihn dort geparkt hätte und schaute sie regungslos an.

»Hör zu«, sagte sie tapfer, »du kannst mit mir machen, was du willst, aber bitte lass mich am Leben. Die Jungs haben niemanden außer mir. Es sei denn, Will hat dich geschickt, um sie mir wegzunehmen. Dann wäre mir sowieso alles egal.«

»Es ist nicht so, wie du denkst, Marci«, redete der Robot auf sie ein und irritierte sie mit einer gehörigen Portion Mitgefühl in der Stimme.

»Nein? Ist es nicht?« Sie konnte die Ironie in ihrer Frage nicht unterdrücken.

»Will und ich…«, begann er zögernd, »… haben zusammen gegen die Chinesen gekämpft.«

»Gekämpft? Gegen die Chinesen?« Marci schaute ihn begriffsstutzig an und unterdrückte nur schwer ihren plötzlich aufwallenden Zorn. »Willst du mich verarschen? Wo soll das denn gewesen sein? In einer Spielhölle?« Das wurde ja immer besser, dachte sie und vergaß all ihre Furcht. Stattdessen stemmte sie wütend die Hände in die Hüften. »Hör zu, ich hab keine Zeit für solche Spielchen. Sag meinem Mann, er ist ein elender Spinner. Ich glaube ihm kein Wort mehr. Er kann sich seinen Schwachsinn sonst wohin stecken. Wenn er die Jungs sehen will, soll er zunächst einmal für sie zahlen, sonst wird das nichts.«

»Er war mit mir auf den Killingfields in der Wüste Gobi«, antwortete der Robot unbeeindruckt. Es war, als ob ihn ihre Argumente nicht interessierten und es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, dass ihr Mann gemeinsame Sache mit einer Kampfmaschine gemacht hatte, die nun zu einem Sexroboter umfunktioniert worden war. Dazu noch tausende Meilen entfernt, in einer Gegend, in der angeblich kein menschliches Wesen überleben konnte.

»Hör auf damit, verdammt!«, herrschte sie den Robot zu allem entschlossen an und verschränkte nun ihrerseits die Arme vor der Brust. »Will war Polizist und kein Soldat. Außerdem kämpfen keine Menschen an der Front, sondern nur Robots. So viel weiß sogar ich.« Sie versah die angebliche Maschine, die von einem Menschen tatsächlich nicht zu unterscheiden war, mit einem argwöhnischen Blick und forschte in seinem bärtigen Gesicht nach eindeutigen Anzeichen, die ihn als Lügner entlarvten. »Vielleicht bist du ja gar kein Robot, sondern gibst dich nur als solcher aus. Vielleicht hast du Will in Wahrheit getötet und seine Identität gestohlen und bist nun gekommen, um dir den Rest zu holen, von dem was noch fehlt?!«

»Und deshalb tauche ich bei Rochelle als Escort Robot auf und werde von ihr erwartet?« Er hob seine exakt geschnittene Braue und sah sie fast spöttisch an. Das brachte sie nur noch mehr auf die Palme.

»Ich weiß, das macht alles keinen Sinn«, fauchte sie ihn an. »Nichts macht hier einen Sinn, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Deshalb tu mir einen Gefallen und verschwinde einfach!«

»Du musst mir glauben«, versicherte er ihr und schaute ihr mit treuem Blick tief in die Augen, was Marci nur noch wütender machte. »Will war mein Freund.«

»Das glaub ich nicht«, konterte Marci. »Er hat sich noch nie etwas aus Blechbüchsen gemacht! Falls du überhaupt eine bist!«

»Komm her«, forderte er sie auf. »Und werfe einen Blick in meine Pupille. Dann siehst du, dass ich tatsächlich ein Robot bin.«

Marci schüttelte verzweifelt den Kopf. Doch dann näherte sie sich ihm. Langsam und mit äußerstem Widerwillen. Da er gut vierzig Zentimeter größer war, als sie, bückte er sich tatsächlich zu ihr hinunter, um ihr einen tieferen Einblick in sein rechtes Auge zu gewähren. Bei genauem Hinsehen erkannte sie in seiner Linse einen winzigen, integrierten Bildschirm, der von weitem nicht auszumachen war und allem Anschein nach für den besonderen Glanz in seinen Augen sorgte, den sie bereits bewundert hatte. So wie es aussah, versorgte ihn das winzige Ding laufend mit elektronisch generierten Informationen.

»Du bist wahrhaftig eine verdammte Blechbüchse«, entfuhr es ihr voller Verachtung. »Will hat Blechbüchsen gehasst, weil sie ihm den Job weggenommen haben. Warum zur Hölle sollte er ausgerechnet dich zu seinem Vertrauten machen?« Die Erinnerungen an Will und das, was sie einmal verbunden hatte, schnellten wie Pfeile in ihre Brust und gaben ihr den Rest. Ohne es zu wollen, brach sie in Tränen aus. Der Robot kräuselte die Stirn und machte einen Schritt nach vorn, um sie zu berühren, aber sie wich ihm aus.

»Verdammt nochmal, bleib wo du bist!«, giftete sie ihn an und streckte abwehrend die Hände aus. »Warum tust du mir das an?«, warf sie ihm mit tränenerstickter Stimme vor. »Ich habe weder mit Rochelle noch mit ihrem gottverfluchten Ex-Mann etwas zu tun. Ich putze deren verfickte Villa, sonst nichts. Wenn du eine Maschine bist, die sich dafür rächen will, dass man sie in diese Hölle geschickt und dann in einen Sexroboter umprogrammiert hat, so kann ich das durchaus verstehen. Aber ich bin nicht der richtige Adressat, um etwas daran ändern zu können. Ich habe damit nicht das Geringste zu tun, wenn du verstehst?«

Die Miene des Robots blieb stoisch. Ihre Aufregung schien sich nicht im Geringsten auf ihn zu übertragen. »Hast du ein Tablet?«, fragte er ernst.

Es war eine schlichte Frage und doch hätte Marci sie am liebsten verneint. Aber was immer er von ihr wollte, vielleicht würde er endlich Ruhe geben, wenn sie ihm den einzigen Gegenstand von Wert übergab, den sie besaß, ganz gleich, was er damit anstellen wollte.

Mit einem Seufzer bückte sie sich, wobei sie den Robot nicht aus den Augen ließ und löste eine Platte aus dem Küchenboden, wo sie das Tablet vor möglichen Dieben verbarg, was sie immer tat, bevor sie die Wohnung verließ. Der Robot beobachtete sie, machte jedoch keine Bemerkung zu ihrem merkwürdigen Versteck. Nachdem sie die Bodenplatten wieder geschlossen hatte, streckte sie ihm in gebührendem Abstand das Tablet entgegen. Kaum, dass er es an sich genommen hatte, zog sie sich hinter ihr Sofa zurück, das ihr aller Vernunft zum Trotz wie eine schützende Barriere erschien. Ihr ungebetener Gast schaltete das Tablet ein und gab dem altersschwachen Hauptkommunikator ein paar einfache Sprachbefehle, um auf seiner glatten Oberfläche ein holografisches Bild zu erzeugen.

»Vielleicht sollten wir uns setzen«, schlug er vor, als er sah, dass Marci angespannt mit dem Fuß wippte.

»Okay«, sagte sie und nahm wenig überzeugt in halbwegs sicherem Abstand zu ihm auf dem altersschwachen Sofa Platz. Sie war kurz davor, endgültig den Verstand zu verlieren und fragte sich vergeblich, worauf das alles hinauslaufen sollte. Erst recht, als er sich neben sie setzte und in den abgewetzten Kissen versank, wobei er ihr den Bildschirm auf Augenhöhe entgegenhielt, damit auch sie etwas sehen konnte. Als Marci sich vorbeugte, um die beweglichen 3D Aufnahmen besser erkennen zu können, berührte sie mit ihrer Schulter unbeabsichtigt seine breite Brust. Überrascht stellte sie fest, dass sein muskulöser Körper weicher und vor allem wärmer war, als gedacht, und dabei keinerlei Körpergeruch verströmte.

Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen während sie auf den Bildschirm starrte, wagte es jedoch nicht, ihm in die Augen zu schauen.

Die handgroße Gestalt, die sich nun direkt vor ihrer Nase aus einem Nebel von unzähligen Lichtpunkten erhob, war ihr mehr als bekannt. Großer Gott, kein Zweifel, es war Will, obwohl sie nur sein Gesicht und seinen Oberkörper erkannte. Er trug tatsächlich eine Art Militär-Overall und darüber ein Exoskelett aus Titanium, das wie maßgeschneidert seine breiten Schultern umhüllte. Sein dunkelblondes Haar war kurz rasiert und seine Stirn war schmutzig und schweißnass. Sie schluckte, während ihr ein Stich ins Herz fuhr, der so stark war, dass es für einen Augenblick stockte. Erst recht, als ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder augenscheinlich das Wort an sie richtete.

»Wenn du das hier siehst, Easy,«, raunte er stockend, »bin ich tot. Ich hätte zu gerne persönlich von dir und den Kindern Abschied genommen, aber noch viel lieber wäre ich nun bei euch und würde euch in meine Arme schließen.«

Er rang heftig nach Atem und Marci wurde Zeugin, wie schwer ihm das Sprechen viel. Am liebsten hätte sie ihn aufgefordert, zu schweigen und sich nicht so zu quälen, doch es handelte sich ja um eine Aufzeichnung.

»Sicher fragst du dich«, redete er angestrengt weiter, »wie ich so

plötzlich verschwinden konnte und warum ich mich nicht bei dir und den Jungs gemeldet habe. Die Wahrheit ist, ich konnte nicht. Regierungstruppen haben mich auf dem Weg zum Jobcenter entführt und bevor ich wieder zu mir kam, habe ich bereits in diesem Anzug gesteckt, einen Chip im Kopf, den Körper verdrahtet und das Herz mit einem Prozessor unterstützt, der es vor natürlichen Ausfällen bewahrt. Als einen Cyborg, vollgepumpt mit Chemie, die alles unterdrückt was einen menschlichen Organismus zum Ausrasten bringt, hat man mich mit vielen anderen, denen es ähnlich ergangen ist, in diesen Krieg geschickt. Ich habe immer gehofft, irgendwie lebend aus der Sache herauszukommen, um zu fliehen und zu euch zurückkehren zu können, doch wenn du diese Nachricht erhältst, habe ich es leider nicht geschafft. Ich hoffe, du und die Jungs verzeiht mir meine Schwäche. Dafür sitzt jetzt Jack neben dir und sorgt dafür, dass ihr in Sicherheit seid, weil ich diese Aufgabe nicht mehr erledigen kann. Eigentlich heißt er gar nicht Jack. Sein wahrer Name besteht aus einer endlosen Zahlenkombination, aber ich habe ihn Jack genannt, weil mein Großvater so hieß und es der beste Name ist, den man einem guten Mann geben kann. Auch wenn es dir merkwürdig erscheint, so ist er ein verlässlicher Freund, der dich und die Jungs aus Chicago herausbringen wird. Denn ihr befindet euch in großer Gefahr. Jack wird dir alles weitere erklären und von nun an euer zweiter Schutzengel sein. Denn der erste bin und bleibe ich. Ich liebe euch drei mehr als mein Leben, Easy, vergiss das nie. Gib den Jungs einen Kuss von mir. Und denk dran, ich bin immer bei euch, ganz gleich, was geschieht.«

Nachdem das Bild verloschen war, starrte Marci noch eine ganze Weile ins Leere, während ihr Herz Aussetzer hatte, und sie einen Kloß im Hals spürte, der sie kaum atmen ließ. Easy, so hatte Will sie immer genannt, weil es ihr Lieblingswort gewesen war, wenn es schwierig wurde und sie damit Wills Sorgen meistens ins Gegenteil verkehrt hatte. Niemand sonst wusste davon, deshalb ging sie davon aus, dass die Nachricht authentisch war.

Als sie realisierte, wie sehr sie Will Unrecht getan hatte, und er in Wahrheit anstatt sie zu verlassen, einen unfreiwilligen Trip in die Hölle unternommen hatte, brach sie innerlich zusammen. Sie sank an Jacks breite Brust und begann hemmungslos zu weinen. Wie durch einen Nebel bemerkte sie seine starken Arme, die sich wie ein schützender Wall um sie legten und sie hielten, wie einen hilflosen Säugling. Von Ferne hörte sie seine tiefe, beruhigende Stimme und an ihrem Ohr schlug sein mechanisches Herz wie ein verlässliches Uhrwerk.

»Es tut mir so leid, aber wir können hier nicht bleiben«, murmelte er schließlich und signalisierte ihr damit, dass sie ihre Trauer auf später verschieben musste. »Pack bitte für dich und die Kinder ein paar warme Sachen ein, und dann geht’s los. Wir sind schon spät dran. Ich habe in der Villa zwar die Sicherheitscodes abgeschaltet und die Hausherrin in einen Dämmerschlaf versetzt, aber spätestens wenn sie erwacht und die Security alarmiert, sind wir hier nicht mehr sicher.«

Marci versuchte sich zu fassen, als Jack ihr aufhalf und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Also dann bist du gar keine Maschine«, fragte sie mit erstickter Stimme und schaute ihn völlig verstört an.

»Doch«, bekannte er beinahe resigniert. »Ich bin genau das, wofür du mich auf den ersten Blick gehalten hast. Ein Kriegsroboter. Will war ein Hybrid.«

»Hybrid?«, murmelte Marci und warf Jack einen verständnislosen Blick zu.

»Soldaten halb Mensch, halb Maschine«, erklärte er nüchtern. »Der Regierung gehen die Maschinen aus, zumal die Preise für militärische Robots inzwischen in astronomische Höhen gestiegen sind. Deshalb sind die Strategen mithilfe von MacIntyres Labor dazu übergegangen, arbeitslose Männer und Frauen aus den Slums zu entführen und sie gegen ihren Willen zu Hybridsoldaten umzufunktionieren. Sie sind weitaus kostengünstiger in der Herstellung, dafür aber leider auch anfälliger für Verletzungen. Bei zwanzig Milliarden Menschen auf der Erde, von denen die meisten inzwischen so gut wie überflüssig sind, macht es allerdings durchaus Sinn, sie an der Front zu verheizen, um zu sehen, wie der Feind reagiert, bevor man die viel teureren Robots einsetzt. Wobei der menschliche Instinkt, um sein Überleben zu kämpfen, größer ist, als bei einem Roboter. Was für die kämpfenden Parteien durchaus von Vorteil sein kann.«

»Aber warum desertieren diese Hybridsoldaten dann nicht in Scharen«, wollte Marci nun wissen. »Ich meine, sie haben sich dieses Schicksal doch nicht ausgesucht.«

»Dort wo sie eingesetzt werden, kann man nicht einfach abhauen. Außerdem versucht man gleich zu Beginn ihrer Transformation ihre Erinnerungen zu löschen, doch nicht bei allen gelingt das. Will konnte sich nach einer Weile wieder an alles erinnern, was sein Leben einst bestimmt hat. Das hat es für ihn umso schmerzhafter gemacht.«

»Das ist ja furchtbar«, flüsterte Marci und stieß einen erstickten Laut aus. Vor lauter Entsetzen hielt sie sich die Hand vor den Mund.

»Warum weiß niemand davon?«, flüsterte sie mit Panik im Blick.

»Weil die Regierung und ihre Hintermänner, wie MacIntyre es strikt geheim halten«, antwortete Jack tonlos. »Sie manipulieren die Kriegsberichte aus den umkämpften Gebieten schon seit Jahren. Und täglich verschwinden mehr Menschen aus den Slums. Niemand kümmert sich darum, weil sich die Offiziellen für diese Leute nicht interessieren und wenn sich jemand auf die Suche macht, läuft er ins Leere.«

»Das habe ich selbst erlebt«, bestätigte Marci resigniert. »Mich haben alle für verrückt erklärte und gemeint, Will wäre mit einer anderen Frau durchgebrannt.« Sie schluchzte von neuem, weil sie sich Will gegenüber schuldig fühlte. Doch was hätte sie machen sollen?

»Und wo gehen wir nun hin?«, fragte sie vollkommen desillusioniert. »Wer wird uns helfen, wenn sich niemand für uns interessiert, wie du sagst.«

»Es gibt einen Ort, an dem ihr in Sicherheit seid und dort werde ich euch hinbringen. Vertrau mir«, riet er ihr, obwohl es nicht den Anschein machte, als ob sie seinem Rat folgen würde. »Mach dir keine Sorgen«, schob er mit einem möglichst einnehmenden Lächeln hinterher, »es ist ein guter, friedlicher Ort, auch wenn es dir auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag.«

»So wie du sprichst, kommst du mir nicht vor wie eine Maschine, die sich nur nach ihrer Programmierung richtet«, entgegnete Marci und runzelte die Stirn. »Du siehst aus wie ein Mensch, der sich gerne um andere kümmert und du benimmst dich auch so.«

»Das ist ein wirklich schönes Kompliment.« Jack lächelte sie an und wurde gleich wieder ernst. »Zugleich ist es ein furchtbarer Fluch«, fügte er dunkel hinzu. »Wenn die Regierung erst erfährt, dass es Robots gibt, die zu eigenständigen Emotionen fähig sind und wir uns zu einer Art Widerstand gegen die Regierenden zusammenrotten, wird es keinen Krieg mehr gegen die Chinesen geben. Dann gibt es einen Krieg gegen die Maschinen. Und dabei werden wir im Moment noch den Kürzeren ziehen. Falls du also die ganze Geschichte wissen willst, solltest du dich beeilen, damit wir verschwunden sind, bevor die Bluthunde der Regierung hier auftauchen und noch genug von mir übrig bleibt, um dir alles berichten zu können.«

Jack nahm das Angebot, Wills Kleider anzuziehen, gerne an. Jedoch beschlich ihn ein seltsames Gefühl, als er in die Stiefel des Mannes stieg, der unter seinen Händen gestorben war und das hier alles erst möglich gemacht hatte.

Marci schaute ihn mit ihren wundervollen braunen Augen seltsam entrückt an, als er vor ihr stand und sie zum Abmarsch mahnte. Er wusste, was in ihrem Kopf vorging. Nicht weil er von Natur aus eine gute Menschenkenntnis besaß, die musste er sich erst noch erarbeiten, sondern weil seine Schöpferin ein Programm in seine neuronalen Vernetzungen implementiert hatte, dass die psychischen Befindlichkeiten eines Menschen anhand von Augenkontakt, Stimmlage, Wärmeabstrahlung, Herzschlag und Atemfrequenz erfassen konnte.

Er konnte Marcis Schmerz, den sie wegen Wills Tod empfand, berechnen. Und was dabei herauskam, war so entsetzlich, dass er sich kaum vorzustellen vermochte, wie ein Mensch so viel Leid überhaupt aushalten konnte. Aber genauso hatte er erfahren, wie sehr Will seine Familie liebte und wie grausam es für ihn gewesen sein musste, in diesem sinnlosen Krieg zu sterben, ohne sie jemals wiedergesehen zu haben.

»Liegt dieser Ort, von dem du gesprochen hast, irgendwo in der Wildnis?«, fragte Marci mit zittriger Stimme. Sie hatte für die Kinder Jacken und Anoraks eingepackt und eine Tasche, in der alles enthalten war, was man für medizinische Notfälle benötigte. Dazu die letzten Lebensmittelrationen. Pulver aus Bohnenschoten, das man in sich selbst erwärmenden Bechern mit Wasser zu einer nicht gerade schmackhaften Suppe verrühren konnte.

»Du brauchst nichts Essbares mitzunehmen«, versuchte er sie zu beruhigen. »Dort, wo wir euch hinbringen, gibt es genug Nahrung. Dir und den Kindern wird es an nichts fehlen.«

»Wir?« Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Du arbeitest nicht alleine?«

»Nein«, sagte er nur und schob sie entschlossen zur Tür hinaus. »Wir sind viele, aber noch nicht genug, um grundlegend etwas verändern zu können.«

Während Marci noch tausend Fragen hatte, klopfte sie an die Tür ihrer Nachbarin, um die Jungs abzuholen. Ohne ein Wort tauchte Louise an der Haustür auf. Sie war genauso mager wie Rochelle, aber im Gegensatz zu ihr hatte sie ein Gesicht voller Falten und graues, kurzgeschnittenes Haar. Sie trug wie üblich einen viel zu weiten Arbeitsoverall und scannte Jack von oben bis unten mit ihren kleinen misstrauischen Augen, als ob sie selbst ein Robot wäre, der einen feindlichen Soldaten zum Verhör ins Visier nahm. Dabei hielt sie die Jungs abrupt zurück, als sie lautjohlend zu ihrer Mutter stürmen wollten.

Jack benötigte kein Analyseprogramm, um zu wissen, dass ihm die Alte misstraute.

»Ist alles in Ordnung, Marci?«, fragte sie hart. »Logan hat mir erzählt, du hast jetzt einen neuen Freund?«

Marci schien die Frage verlegen zu machen, denn sie schaute der Frau nicht geradewegs in die Augen, wie es am besten gewesen wäre, sondern blickte stattdessen zu Boden.

»Er ist ein früherer Kollege von Will«, erläuterte sie seinen unvermuteten Auftritt eine Spur zu hastig, »und möchte mit mir und den Kindern einen Ausflug machen. Alles bestens, Luise.«

»Tatsächlich?« Die Alte klang argwöhnisch und ließ Jack nicht aus den Augen. »Also ist er ein Cop, oder hat er auch seinen Job verloren, wie Will?«

»Ich arbeite fürs Militär«, kam Jack Marcis Antwort zuvor. »Ich werde gut auf die drei aufpassen, Mam, also machen sie sich keine unnötigen Sorgen.« Er zwinkerte der dürren Krähe zu, als ob er sie zu einem Rendezvous einladen wollte, womit er bei Menschenfrauen jeglichen Alters gewöhnlich Eindruck schinden konnte und was auch in diesem speziellen Fall zu wirken schien.

»Das will ich meinen«, krächzte die Alte und sah ihn aus schmalen Lidern an. »Im Übrigen sind meine Sorgen meistens berechtigt, zumal wenn es um Männer geht. Die Kleine hat einen ordentlichen Kerl verdient, der ihr zeigt, dass es noch Typen gibt, auf die man zählen kann. Nicht, dass mir irgendwelche Klagen kommen.«

»Bestimmt nicht, Mam«, versicherte ihr Jack noch einmal, »bei mir ist sie in besten Händen.«

Erst danach war die Alte bereit, die Jungs herauszurücken, die schon ungeduldig warteten, endlich auf den Flur hinausstürmen zu können.

Jack konnte an Marcis erhöhtem Puls festmachen, wie unangenehm ihr diese Begegnung war.

Doch bevor ihre Nachbarin die Tür schließen konnte, bat Jack die Alte, nochmal rasch ihre Toilette benutzen zu dürfen. Während Marci ihn verwundert anschaute, gab Louise seinem Wunsch nach.

»Wartet beim Aufzug auf mich«, sagte er zu Marci. »Es dauert nicht lange.«

Kaum dass die Alte die Tür hinter ihm geschlossen hatte, zog er sie an sich und legte ihr, noch bevor sie protestieren konnte, seine große Hand an die Schläfe. Sie sank sofort ohnmächtig in sich zusammen und Jack bettete sie auf das schmale Sofa. Er hatte sie mit einer gezielten Nervenmanipulation in einen kurzen Dämmerschlaf versetzt und ihr die Erinnerungen an die letzten drei Stunden genommen.

»Wir müssen die Treppe nehmen«, meinte Marci mit einem bedauernden Schulterzucken, als er zu ihr und den Jungs auf den düsteren Gang zurückkehrte. Dabei schickte sie sich an die zehn Stockwerke nach unten laufen zu wollen. »Der Aufzug funktioniert nicht.«

»Ich hab ihn repariert, als ich mit dir hier angekommen bin.« Jack zuckte mit seinen breiten Schultern, als ob seine Hilfsbereitschaft das normalste von der Welt wäre und rief den Aufzug per Voice-Control.

»Repariert?« Marci schaute ihn ungläubig an. »Wie hast du das denn hinbekommen? Ich laufe seit Wochen jeden Tag zehn Stockwerke rauf und runter, weil sich niemand zuständig fühlt.«

Ein Summen bestätigte das Erscheinen der Aufzugskabine, deren Türen sich automatisch öffneten. Jack schob Marci und die Jungs hinein.

»Ganz einfach«, erklärte er, nachdem die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Ich habe eine Magnetplatte entfernt, hinter der sich die Schaltkreise des Aufzugs befanden. Danach habe ich der Leitung einen passenden Impuls gegeben. Und dann hat das Dinge wieder funktioniert.«

»Cool«, sagte Logan und es machte ihn fast ein bisschen stolz, wie bewundernd der Junge zu ihm aufschaute.

Marcis Blick war eher zweifelnd und zu allem Übel schien sie sich unvermittelt daran zu erinnern, dass er kein Mensch war. Ihr angespannter Gesichtsausdruck galt den Jungs. »Es ist besser, wenn sie es nicht erfahren«, meinte sie kryptisch und versetzte ihm damit einen kleinen Stich.

Er hatte Will, trotz seines schrecklichen Schicksals, um seine Familie beneidet. Ja, durch ihn hatte er erst erfahren, was es bedeutete ein Mensch zu sein. Jack war dabei gewesen, als Will zum ersten Mal bei fast fünfzig Grad heißem Wüstenwind dem Tod ins Auge geblickt hatte.

Jack hatte ihn verarztet und währenddessen eher versehentlich Kontakt zu Wills menschlichem Erinnerungsspeicher aufgenommen. Dabei hatte er zum ersten Mal Marci gesehen, was ihn beinahe umgehauen hätte. Es waren intime Momente menschlichen Glücks gewesen, die Will unbewusst mit ihm geteilt hatte. Diese Erfahrung hatte wie ein gigantischer Impulsschock auf Jacks minimal ausgestatteten Emotionsprozessor gewirkt, der sich danach verselbstständigt hatte und unaufhaltsam gewachsen war. Seitdem wusste er, was wahrhaftiger Schmerz war, und er hatte eine erste zarte Idee von einem besonders mächtigen Gefühl bekommen, dass man wohl nur unter Menschen kannte: Liebe. Seit diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als ein Mensch zu sein und da das unmöglich war, wäre es zumindest ein Fortschritt gewesen, von Marci als gleichwertiger Partner akzeptiert zu werden. Eine Illusion, wie er sich eingestehen musste - jedenfalls was Marci betraf.

Die Aufzugtür sprang auf als sie das Erdgeschoss erreicht hatten und der kalte Wind, der von der Straße zu ihnen herüberwehte, holte Jack zurück in die Gegenwart. Draußen goss es in Strömen und Marci schaute ihn fragend an.

»Es geht gleich weiter«, versicherte er ihr. »Ich hab uns ein Taxi bestellt.«

»Ein Taxi?« Ihr Blick war skeptisch, was er ihr nicht verdenken konnte. Schließlich hatte sie mit ihm bisher nicht unbedingt die besten Erfahrungen gesammelt. Und dieses Misstrauen war noch immer in ihren Augen, als wenig später ein abgedunkelter Van wie bestellt vor ihrer Nase hielt, dessen Seitentüren sich automatisch öffneten. Jack ermutigte Marci zusammen mit ihren Jungs ins Innere des Wagens zu klettern, obwohl man den Fahrer in seiner abgedunkelten Kabine nicht sehen konnte.

»Bist du sicher, dass das in Ordnung geht?«, fragte Marci ängstlich, während sie ihren Fuß nur zögernd auf die Schwelle setzte. »Ich meine, woher weißt du, dass du dem Unternehmen trauen kannst?«

»Der Fahrer hat die gleiche Seriennummer wie ich und wir teilen das gleiche Schicksal«, klärte er Marci auf und versuchte seine Stimmlage so zu justieren, dass sie vertrauenerweckend klang. »Steig bitte mit den Jungs ein, wir können nicht stundenlang alle Überwachungskameras in diesem Stadtteil manipulieren, das ist eine ziemlich aufwändige Sache.«

»Alles klar, Mann?« Silver, der die Steuerung des automatischen fahrenden Vans übernommen hatte, stand mit Jack in einem lautlosen, von außen nicht wahrnehmbaren Kontakt. Marci, die mit den Jungs inzwischen Platz genommen und sich angeschnallt hatte, bekam davon nichts mit. Doch er wollte nicht, dass sie das Gefühl hatte, übergangen zu werden, zumal sie von seiner Gabe, lautlos kommunizieren zu können, nichts zu wissen schien. Deshalb beschloss er sich bei seinem Bericht an Silver über die Geschehnisse in der MacIntyre Villa kurz zu halten, während sein Robo-Kumpel den abgedunkelten Wagen virtuos durch die steilen Hochhausschluchten von Chicago steuerte. »Ich hab den Chip aus Rochelle MacIntyres Tresor geholt«, berichtete er nur kurz und bestätigte damit den Erfolg ihrer Mission. Ohne besagten Prozessor wäre es nicht möglich gewesen, CRU lahm zu legen und ein fiktives Unternehmen in der gleichen Branche zu etablieren. Dass eine andere Einheit ihrer Rebellenorganisation in der Zwischenzeit die Laborhallen von CRU in die Luft gesprengt hatte, würde er vor Marci nicht preisgeben. Schließlich wusste er nicht, was ihre Anführerin mit ihr vorhatte.

»Was hast du mit Rochelle MacIntyre angestellt?«, wollte Silver von ihm wissen.

»Ich habe sie in einen Dämmerschlaf versetzt und ihren Erinnerungsspeicher gelöscht. Genauso wie ich es mit Marcis Nachbarin gemacht habe«, antwortete Jack lautlos. »Warum fragst du?«

»Rochelle MacIntyre wurde vor einer Stunde tot in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Jemand hat ihr das Genick gebrochen. In und um die Stadt herum wimmelt es von Fahndungskommandos, weil man eine Suche nach ihrem Mörder eingeleitet hat. Ich gehe mal davon aus, dass du es nicht warst.«

»Shit!« Das hatte Jack gerade noch gefehlt. Wenn Marci davon erfuhr, würde sie denken, er habe Rochelle umgebracht. »Wurden weitere Einzelheiten bekanntgegeben?«

»Nein, es ist auch noch nicht offiziell«, klärte Silver ihn beiläufig auf. »Ich habe die entsprechenden Kommunikationssysteme angezapft. Außerdem herrscht unter den Agenten der Regierungspolizei helle Aufregung wegen der Explosion bei CRU. Schließlich wurden sämtliche Laborhallen zerstört und zwar komplett. Ich bin neugierig, wer MacIntyres Exfrau auf dem Gewissen hat. Dass du es nicht warst, kann ich mir denken. Doch wer käme sonst dafür in Frage?«

»Vielleicht waren es MacIntyres eigene Leute«, mutmaßte Jack und stieß einen undefinierbaren Seufzer aus, den Marci im Gegensatz zu seiner Kommunikation mit Silver sehr wohl registriert hatte. Sie schaute ihn fragend an.

Silver grunzte zufrieden. »Nach meinem Empfinden hat alles bestens funktioniert. Nun müssen wir nur noch heil aus diesem Chaos herauskommen.« Mit einem Trick hatte er sich aus dem zentralen Steuerungssystem der zwölfspurigen Stadtautobahn abgemeldet, um so der Überwachung der allgemeinen Sicherheitsdienste zu entgehen. Für die automatische Navigation der übrigen Fahrzeuge war er damit so gut wie unsichtbar. Er musste deshalb manuell ausweichen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Silver war ein Robot der R8er Baureihe wie Jack, und besaß damit einige Zusatzqualifikationen, wie die blitzschnelle Vorausberechnung entgegenkommender Geschosse, was ihm nun zugutekam. Was er und Jack jedoch nicht bedacht hatten, war, dass Menschen keinen natürlichen und auch keinen technischen Stabilisator besaßen, der ihr Nervensystem vor allzu hastigen Schlingerbewegungen bewahrte und so dauerte es nicht lange, bis Willie Junior sich in einem Schwall vor Jacks Füße erbrach.

»Muss das sein?« schimpfte Marci, die selbst ganz bleich im Gesicht war, und damit nicht Willies Missgeschick meinte, sondern Silvers chaotischen Fahrstil. Hastig forschte sie in einer ihrer großen Taschen nach einem Handtuch, um das Malheur aufzuwischen.

»Lass, ich mach das.« Jack aktivierte ein verstecktes Tool unter seinem rechten Handballen, das die säuerlich riechenden Flüssigkeit sofort neutralisierte und ohne Rückstände verdampfte.

Logan bekam als erster große Augen. »E … er ist gar kein Mensch«, verkündete er beinahe triumphierend und warf seiner Mutter einen aufgebrachten Blick zu. »Er ist ein Robot!«

»Ja, Logan, und nun krieg dich wieder ein«, schimpfte Marci und hielt krampfhaft ihren Jüngsten fest, weil es schon in die nächste Kurve ging.

»Wow!«, machte Logan und hüpfte auf, um sich zu Jack zu setzen, was Marci sichtlich missfiel. »Du musst dich anschnallen, Logan, sonst fliegst du noch gegen die Scheibe«, ermahnte sie ihn.

Jack erledigte das, indem er dem Jungen beim Anschnallen half.

»Zeig mal, was du sonst noch so draufhast«, forderte ihn der Jungen auf und schaute ihn von unten herauf erwartungsvoll an. »Kannst du mit deinen Fingern schießen?«

»Solange ich eine Laserpistole in der Hand habe, ja«, antwortete Jack mit einem amüsierten Grinsen.

»Logan, lass das!«, befahl ihm Marci streng. »Jack ist kein Spielzeug.«

»Ist er nicht?«, fragte Logan ungeduldig und sah ihn von oben bis unten an. »Was ist er dann?«

Marci reagierte nicht sofort, weil ihr anscheinend nichts Passendes einfiel. Dabei hätte Jack ihre Antwort darauf nur zu gerne gewusst.

»Er ist ein Soldat«, gab sie schließlich zurück. »Das, was dein Vater auch zuletzt gewesen ist«, fügte sie leise hinzu, ohne zu überlegen, dass Logan nicht mitbekommen hatte, was mit Will geschehen war.

»Gewesen?« Logan sah sie verständnislos an. »Ich dachte immer, Dad war ein Cop, bevor er arbeitslos wurde und uns sitzengelassen hat?«

»Für einen Sechsjährigen bist du ganz schön vorlaut«, versuchte Jack ihn abzulenken, weil er sich denken konnte, dass Marci dem Jungen diese Frage nicht beantworten wollte. Jedenfalls noch nicht. Über kurz oder lang würde sie mit den beiden über Wills Schicksal sprechen müssen, alleine schon um ihnen wieder ein positives Bild von ihrem Vater zu geben, das vor allem Logan so dringend benötigte.

»Für eine Blechbüchse bist du ganz schön dumm«, schleuderte ihm Logan entgegen. »Sonst wüsstest du nicht nur, dass mein Vater mit Krieg nichts anfangen kann, sondern auch, dass meine Mutter dich die ganze Zeit anglotzt, als ob sie mit dir einen Preis gewonnen hätte, dabei bist du gar kein richtiger Kerl.«

»Logan?« Marci schluckte und ihre zuvor traurigen braunen Augen sprühten plötzlich vor Zorn. »Was fällt dir ein? Weder dein Vater noch ich haben dir je erlaubt so zu reden. Von wem hast du das nur?«

»Von Louise«, antwortete er frech und Jack hätte ihm bedenkenlos zustimmen wollen. Die Alte nahm wirklich kein Blatt vor den Mund. »Sie sagt immer, Frauen sollen sich von den Kerlen nichts gefallen lassen.«

»Und dass du selbst einer bist, daran hast du nicht gedacht?« Jack grinste ihn an.

Logan stutzte für einen Moment. Offensichtlich war er mit der Frage überfordert. Hieß das nun, dass er Teil von Louises Warnungen war oder dass er sich zu einer elitären Kaste zählen durfte, auf die ihre Schelte nicht zutraf?

Marci seufzte schwer und kniff die Lippen zusammen bevor sie Jack in die Augen schaute und zugleich mit den Schultern zuckte. »Es tut mir leid«, murmelte sie müde. »Er hat es bestimmt nicht so gemeint.«

»Ich hoffe, er hat es so gemeint«, verbesserte sie Jack und lächelte leise, womit er nicht die Blechbüchse meinte, sondern das Anglotzen. Bevor Marci darauf antworten konnte, machte Silver einen gewaltigen Schwenker nach links, der sie allesamt in die Sitze drückte.

»Fuck!« tönte es aus der hermetisch abgeriegelten Fahrerkabine.

»Was ist los, Silver?«, wollte Jack nun wissen.

»Schau dir die Nachrichten an, dann weißt du es.«

Jack warf einen hastigen Blick auf seinen Holokommunikator, den er, seit er in den Wagen eingestiegen war, am Handgelenk trug. Auf dessen winziger Oberfläche erhob sich ein plastisches Bild, das die Ursache der Störung mehr als erklärte.

»Vollsperrung der Nord-Süd Tangente«, meldete der Verkehrsdienst. Jene Strecke, die sie auf ihrem Weg nach Norden eigentlich hätte aus der Stadt herausführen sollen.

Marci verfolgte mit ungläubigen Blicken die sich daran anschließenden Nachrichten, die als Eilmeldung deklariert waren und in einer holographischen Aufzeichnung wie ein Blitzlichtgewitter über Jacks Handgelenk tanzten.

»Heute Vormittag wurde die Milliardärsgattin Rochelle MacIntyre von einem Unbekannten ermordet«, berichtete eine gelackte Blondine mit einem völlig unpassenden Lächeln. »Der Täter ist mit einer Art trojanischem Pferd in ihre Villa eingedrungen, wie erste Ermittlungen ergaben und hat ihr nach bisherigen Informationen das Genick gebrochen, während sie nackt in ihrem Bett lag. Dabei wurden wertvolle Firmendaten aus dem hauseigenen Tresor entwendet und allem Anschein nach die Haushälterin entführt

Marci starrte genauso ungläubig wie Jack auf ihr Konterfei, das sie beim vormittäglichen Staubwischen zeigte und somit dem ganzen einen komische Note gab.

»Marcella Finnegan ist achtundzwanzig Jahre alt, wirkt aber älter. Sie ist einen Meter achtundsechzig groß, schlank und hat schulterlange, kastanienbraune Locken, die sie manchmal zu einem Pferdeschwanz bindet. Letzter Intercom-Kontakt war heute Mittag gegen 11 Uhr. Seitdem fehlt jedes Lebenszeichen von ihr. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Täter auch sie getötet hat. Bisher sind keine Lösegeldforderungen eingegangen. Montgomery MacIntyre, Inhaber der bekannten MacIntyre LLC, dessen Firma für die Herstellung von Kriegsmaschinen bekannt ist, hat zehn Millionen Credits für Informationen ausgesetzt, die zur Ergreifung des Täters führen. Hinweise können an unsere Redaktion oder an jede Polizeidienststelle gegeben werden. Zeitgleich wurde das Firmengebäude von »Copter Robot Unlimited« durch eine Explosion vollkommen zerstört. Bisher konnte der Tathergang noch nicht ermittelt werden, da es zu dieser Zeit eine Störung in den Satellitenaufzeichnungen gab. Möglicherweise ist von Terrorismus auszugehen. Im Moment sind aufgrund von Fahndungsmaßnahmen alle Straßen der Stadt gesperrt und werden von der Polizei kontrolliert. Daher kann es auf allen Wegen aus der Stadt heraus zu langanhaltenden Staus kommen.«

»Was hast du getan?!«, kreischte Marci und warf Jack einen Blick zu, als ob er ein Monster wäre.

»Ich habe gar nichts getan!«, verteidigte er sich inbrünstig und warf Marci einen leidenschaftlichen Blick zu. »Sie hat gelebt als ich ging. Sie war bewusstlos, ja, aber sie hat gelebt.«

»Warum um Himmels Willen war sie bewusstlos«, schnappte Marci zurück.

»Weil ich ihr Gedächtnis mit Impulsenergie gelöscht habe, damit sie sich nicht an mich erinnert. Ich…«

»Und dabei hast du dich wahrscheinlich in der Dosis vergriffen und das war‘s dann…«, fiel Marci ihm ins Wort.

»Was auch immer passiert ist, ich habe ihr auf jeden Fall nicht das Genick gebrochen!«, verteidigte Jack seine Vorgehensweise. »Ich hab ihre Gesundheitsdaten gemessen, als ich gegangen bin. Sie hat geschlafen und es ging ihr gut.«

»So gut wie es mir ging, als du mir mal eben Mund und Nase zugehalten hast«, presste Marci hervor, während sie ihre Kinder dicht an sich gedrängt hielt. »Ich wäre um Haaresbreite erstickt!«

»Du darfst keine Angst vor mir haben«, flehte Jack sie regelrecht an, und hoffte, dass sie ihm glaubte.

RoboLOVE #1 - Operation: Iron Heart

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