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Vorwort
Worum geht es in diesem Buch? Public Affairs bezeichnet – so lautet eine gängige Standarddefinition – das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (Althaus 2005, S. 2). Dieses Bemühen folgt der Einsicht, dass politische Entscheidungsträger für das Fortkommen und die Entwicklung eines Unternehmens oder einer Institution von entscheidender Bedeutung sind – oftmals sogar von größerer Bedeutung als die klassischen Ziel- und Anspruchsgruppen, die üblicherweise mit der Kommunikationsarbeit facettenreich bespielt werden. Das gilt gerade für die Gesundheitswirtschaft, herrscht hier doch eine eigentümliche Mischung aus budgetgebundener Planwirtschaft und liberalisiertem Wettbewerb. Krankenhäuser sollen demnach wie Unternehmen nach marktwirtschaftlichen Prinzipien agieren, sind aber ihrerseits auf Investitionskosten seitens der Länder und auf die Deckung der Betriebskosten seitens der Kassen angewiesen. Brauchen Krankenhäuser und Unternehmen der Gesundheitswirtschaft also eine solche Politikkontaktarbeit im Sinne einer strategischen kommunikativen Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse? Eindeutig ja, denn schon auf einen flüchtigen Blick mag man rasch erkennen, dass Gesundheit und die dafür aufgewendeten Mittel seit jeher strittiger Gegenstand politischer Debatten und gesellschaftlicher Kontroversen sind. Gesundheit kostet viel Geld: 2019 lagen allein die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei rund 252 Milliarden Euro, dabei beliefen sich die reinen Leistungsausgaben auf rund 239 Milliarden Euro. Den größten Anteil der Leistungsausgaben stellte der Krankenhaussektor dar. Insgesamt musste die GKV hierfür 80 Milliarden Euro aufbringen. Sich aus Sicht des Unternehmens, vor allem aus der Perspektive eines Krankenhauses, um eine umfassende Informiertheit politischer Entscheider zu sorgen, macht angesichts dieser Kosten offenkundig Sinn. Darf man aufgrund der im System kursierenden üppigen Finanzmittel auch umgekehrt schließen, dass die Politikkontaktarbeit seitens der Krankenhäuser und Unternehmen mittlerweile auch arbeitsteilig organisiert und entsprechend professionell betrieben wird? Leider nein, zwar gibt es natürlich auch in dieser Branche eine Reihe wichtige Anbieter, Einrichtungen und Verbände (Krankenhausgesellschaft, VKD, Zweckverbände, Ärzte-, Zahnärzte-, Psychotherapeuten- und Apothekerkammern sowie Patientenorganisationen und Selbsthilfe), auf der Ebene der jeweiligen Einrichtung agieren dann aber unternehmerische Individualakteure, die weitgehend eigenständig in Absprache mit den Kassen das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und -gütern bestimmen. Hier gibt es seit einigen Jahren zwar professionell besetzte Bereiche für Public Relations. Die Stimme der Politikkontaktarbeit bleibt aber im Konzert der Unternehmensfunktionen bislang weitgehend tonlos und ungehört, sie wird, wenn überhaupt seitens der Krankenhausgeschäftsführungen punktuell und nebenbei im Tagesgeschäft abgebildet.
Der Befund mag aufhorchen lassen, denn auch auf der Ebene kleinerer und kleinster Einrichtungen des deutschen Klinikwesens stellt Public Affairs einen großen strategischen Hebel dar und daher sollte die Abstimmung mit Politik und Administration durchaus gelebte Praxis darstellen: Bauaktivitäten, Krankenhausplan, Zentrenfeststellung, Finanzmittel, Landeszuweisungen und Krankenhausstrukturgesetzgebungen, Drittmitteleinwerbung, Industriekooperation, Transplantationsgesetz, Mindestmengenregelung, Pflegepersonaluntergrenzen und Fixkostendegressionsabschlag – kaum eine Disziplin hat so enge Kontakte zur politischen Willensbildung und Administration in Bund, Land und Kommune sowie zu einzelnen Schlüsselinitiativen und einschlägigen Verbänden und Fachgesellschaften wie die Gesundheitswirtschaft und die Krankenhauslandschaft. Zudem sind diese Unternehmen lokal verankert, oftmals große Arbeitgeber mit nicht-exportierbaren Jobs und bieten mit der Krankenversorgung und Daseinsvorsorge ein hohes Gut für jeden Wähler und jede Wählerin. Hier bestehen ein verbesserungsfähiger Informationsfluss und kontinuierlicher Kommunikationsbedarf, beides wird bislang seitens der Häuser eher zaghaft und intuitiv gemanagt. Der Blick auf das Daily Business zeigt: Das Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft ist in vielen Unternehmen strategisch und methodisch also deutlich optimierungsfähig, bisweilen fehlt es sogar an dem Bewusstsein, dass es sich hier um eine eigene Disziplin mit enormer Hebelwirkung und eigener Methodik handelt. Der Bereich, um den es in diesem Buch geht, beschreibt also gerade jenen Ausschnitt der professionellen Kommunikation von Unternehmen der Gesundheitsbranche, der die Beziehung zu Gruppen in Politik und Bürokratie und zu gesellschaftlichen Einflussgruppen analysiert und planvoll durchführt. Das Praxisbuch erklärt, wie Geschäftsführungen, Medizinstrategen und Kommunikationsverantwortliche Public Affairs von Grund auf schrittweise konzeptionieren, implementieren und evaluieren können. Dies geschieht sowohl in theoretischer Hinsicht als auch anhand realer Best Practices. Checkboxen zum Ende des Kapitels runden das Buch ab und beschreiten mit dem Leser den Weg einer individuellen Konzepterstellung, die in konkreten Handlungsvorschlägen mündet. Zielgruppen sind Fach- und Führungskräfte aus Kliniken, Gesundheitseinrichtungen und Verbänden, die mit den Themen Kommunikation, Marketing, Qualitätsmanagement, Unternehmensentwicklung, Projektmanagement, Personal und Innovation betreut sind, sowie Klinikdirektoren, leitende Ärzte, Vorstände und Geschäftsführungen und deren Referenten.
Die Entstehung des Buches hat mich jetzt rund zwei Jahre begleitet, abseits der Arbeit, aber nicht ohne Einfluss auf diese und unser methodisches Vorgehen dort. Wie immer gilt: Was man tut, kann man gut und besser machen, da bildet dieses Buch keine Ausnahme, sondern versteht sich ausdrücklich als Diskussionsbeitrag und ersten Aufschlag zu diesem Themenkomplex. Wenn Sie Anregungen und Hinweise haben, sind diese stets willkommen – und werden auch beantwortet. Für die freundliche Aufnahme in das Programm des Verlags und das sorgfältige Lektorat danke ich Dr. Ruprecht Poensgen und Anne Borgböhmer von Kohlhammer. Ich hätte mir keinen besseren Verlag für dieses Projekt wünschen können.
Mathias Brandstädter | Haan, im August 2021 |
(mathias.brandstaedter@gmx.de) |