Читать книгу Dem Schatten Kindheit die Stirn geboten - Mathilde Mathe - Страница 4

Der Ernst des Lebens rückte näher

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Langsam näherte sich die Schulzeit, da meinte meine Mutter, ich sollte in den Kindergarten gehen, denn die Anderen sagten es wäre gut für die Kinder. Das Argument, ich könnte dort mit vielen Kindern spielen, lehnte ich vehement ab. Ich hatte Freunde, viele sogar, die ich mir zum Teil selber ausgesucht hatte. Immerhin wuchs ich in einem nagelneuen Gemeindebau auf, wo hauptsächlich junge Familien einzogen. Kindergarten für mich, das ging gar nicht!

Jeglicher Wiederstand wurde ignoriert, meine Mutter brachte mich eines Tages einfach in die Einrichtung.

Trotzig setzte ich mich in eine Ecke, keine einzige Träne kam, denn Weinen wurde sicher auch hier bestraft. In dieser Ecke saß ich bis zum Mittagessen, danach mussten wir schlafen. Da ich ja vom Herumhocken nicht besonders müde war, konnte ich es nicht. Die Tanten schimpften, wenn jemand die Augen offen hielt, also täuschte ich ein Nickerchen vor.

Ich hielt es durch, ein ganzes Jahr lang kam kein Wort über meine Lippen. Hin und wieder holte ich mir Bausteine und wenn ein anderes Kind dazu kam, war meine Spiellust vorbei.

Einmal dachten die Tanten, sie können mich austricksen. Sie stellten ein paar Möbeln um, nahmen mir den Sitzsack von meinem Eck weg und machten eine große Kuschelecke, weit von der Eingangstüre entfernt, wo mehrere Kinder Platz gehabt hätten. Als ich den Raum betrat, stupste die eine Tante die andere an und beide schauten erwartungsvoll, was ich nun tun würde. Schnurstracks stapfte ich zu dem Polsteraufbau und schleppte einen Sitzsack in mein gewohntes Eckerl hinüber. Da stand eine der Tanten auf und zog ihn mir gewaltvoll aus der Hand. Sie schrie mich an und meinte, der Sitzsack muss an seinem Platz bleiben, wenn ich ihn haben wollte, dann nur dort. Ich schaute sie hasserfüllt an, alle wollten mich zu etwas zwingen, ich pfiff drauf und setzte mich ohne den Sack in meine Ecke. Als mich meine Mutter abholte, beschwerten sich die Tanten wieder einmal bei ihr. Sie meinten, mit mir stimme was nicht und sie sollte doch einmal einen Intelligenztest machen lassen, noch bevor ich in die Schule käme. Meine Mutter klagte ihnen ihre Verzweiflung, sie stimmte ihnen zu, dass ich nicht ganz normal sei und sie hätte ja auch schon ihren ärztlichen Beweis. Entsetzten in den Gesichtern der Tanten: „ Aber gehört sie dann überhaupt in eine normale Schule?“

Zu Hause bekam ich dann den Frust meiner Mutter zu spüren. Zuerst mit den Händen, dann mit dem Teppichklopfer, bis er eines Tages abbrach. Ich wollte nicht weinen, denn ich wusste ja, dass meine Mutter dann noch böser wird, aber auch wenn ich mich noch so bemühte, meinen Schmerz hinunter zu schlucken, liefen Tränen die Wangen hinunter. Wenn die Tränen einmal ihren Weg gefunden hatten, dann wollten sie auch nicht so schnell wieder aufhören. Mir taten die Schläge weh, mein Hals fühlte sich vom Hinunterschlucken der Worte dick an und die Augen schwollen vom Weinen zu. Aber was noch viel mehr schmerzte, war der Hass in den Augen meiner Mutter und dass sie fähig war, mich derart zu schlagen, dass ich ihre Hände und den Teppichklopfer noch tagelang auf meinen Po und anderen Körperstellen spürte. Ich saß im Kinderzimmer, am Boden vor der Heizung, denn mir war ja fast immer kalt. Den Kopf zwischen die Knie gesteckt und die Beine fest umklammert. Meine Ohren glühten von den Ohrfeigen. Am liebsten wäre ich in den Erdboden verschwunden, einfach nicht da. Warum konnte ich nicht das erste Kind gewesen sein, welches meine Mutter verlor? Warum hatte mich der Irrsinn Leben getroffen, weshalb war meine Existenz krank, weshalb verstand mich niemand …

Am Wochenende war zum Glück einmal kein Besuch da und ich konnte in Ruhe alleine spielen. Auf meine Freunde hatte ich keine Lust und Viktor war mit seinen Jungs unterwegs. So konnte ich meinen Gedanken nachgehen …

Ich spielte meinen eigenen Western. Ein Duell mit einem anderen Cowboy, der mich erschoss. Ich ließ mich dramatisch auf mein Bett fallen und starb heldenhaft. Mein Leben war aber interessant, denn ich konnte zig Mal hintereinander sterben. Immer wieder probierte ich unterschiedliche Fallweisen aus, eine aktionsreicher als die andere. Es sollte so wie in den Filmen sein, wenn der Gute am Schluss doch noch erschossen wurde. Als meine Mutter ins Zimmer kam, verbot sie mir, auf dem Bett herum zu hüpfen, also musste ich am Boden weitersterben.

Albträume …

Nachts hatte ich oft Albträume. Jahrelang immer dieselben Geschichten.

Eine seltsame Geistergestalt öffnete nachts die Kinderzimmertüre und schlich um mein Bett herum. Ich zog mir die Decke über den Kopf und lugte nur seitlich ein wenig heraus, um zu sehen, ob die Gestalt noch hier war. Sie war noch da und tänzelte bedrohlich als weißer Nebel um mich herum. Sie flog wieder zur Türe hinaus und plötzlich kamen viele von den Geistern ins Zimmer. Es war jedoch Tag. Ich lief aus dem Raum und versteckte mich am Balkon unter dem Tisch. Die Gestalten lachten mich aus, denn sie würden mich überall finden. Ich huschte wieder hervor, an ihnen vorbei und war plötzlich vorm Haus. Ich konnte schnell laufen, also rannte ich los. Mein Herz schlug bis zum Hals und meine Füße gaben alles, was sie hatten. Hinter mir war plötzlich ein hageres Männchen, das mich einfangen wollte. Ich lief und lief, blieb aber immer an der gleichen Stelle und das Männchen kam immer näher und versuchte nach meinen Beinen zu greifen. Als ich einen festen Griff auf meinen Unterschenkel spürte, wurde ich immer wach.

Ich riss meine Augen auf und sah ins Finstere des Kinderzimmers. Zog mir die Decke bis über den Mund und begann zu weinen. Ich hatte furchtbare Angst. Je länger ich auf die Türschnalle schaute, desto genauer konnte ich sehen, dass sie sich langsam nach unten bewegte. Natürlich war da nichts, aber schauen Sie mal so lange auf eine Türschnalle …

Obwohl ich wusste, was mich erwartet, war einfach die Angst vor diesen bösen Gestalten viel zu groß. Ich rief vor lauter Angst meine Mutter, die erst nach einiger Zeit ins Zimmer kam. Sie steuerte auf mich zu und schlug mir mein meist noch immer schmerzendes Hinterteil aus. Lauthals schimpfend und mit dem Finger drohend ging sie wütend wieder ins Bett zurück.

Vielleicht hatte sie Mutter ja vertrieben, immerhin war auch sie Angst einflößend.

Vorsichtshalber schaute ich erneut auf die Türschnalle und schlief schließlich irgendwann ein. Viele Jahre und nahezu jede Nacht begleitete mich dieser Traum. Doch es sollte nicht nur bei diesem bleiben, der sich ständig wiederholte. Da gab es noch einen, der mir schwer im Magen lag.

Weiterer Albtraum …

Ich war wieder einmal schlimm und dumm, also brachte mich meine Mutter ins Heim. Der Gang ähnelte dem der Volksschule. Unten war ein großes, schweres Tor, welches das versperrt war. Eine Frau, die Klaras Kindermädchen im Heidi-Film ähnlich sah, brachte mich drei Stockwerke hoch in einen Raum. Dieser war klinisch weiß und auch die Kinder, welche die um einen Tisch saßen, hatten ein blendend weißes Hemd an. Es gab überhaupt keine Farben. Die Erwachsenen waren komplett schwarz gekleidet. Ich musste mich an den freien Platz setzen und die davor stehende Suppe essen. Niemand sprach auch nur ein Wort und man konnte eine Stecknadel fallen hören. Ich drehte unauffällig meinen Kopf zu dem Kind neben mir und flüsterte leise. Das Kind stieß mich an und meinte, die Kinder dürfen nicht miteinander reden. Leider hörte uns die Frau und zog das Kind brutal vom Sessel. Sie schleppte es hinaus, wo es ängstlich schrie. Später gingen wir in einen anderen Raum, dort sollten die Kinder arbeiten. Eines der Kinder machte einen Fehler, ich weiß jedoch nicht mehr genau was. Die Aufpasserin zerrte das Kind vom Platz und ein dicker Mann kam mit einem Hackmesser hinein. Die Frau hielt die Hand des Kindes gespreizt auf den Tisch und der Mann hackte einen der Finger ab.

Hier wollte ich nicht bleiben, bei nächster Gelegenheit musste ich weglaufen. Der Mann verschwand mit dem Kind und die Frau schaute kurz beim Fenster hinaus. Die Türe war noch nicht ins Schloss gefallen, also lief ich so schnell ich konnte aus dem Zimmer. Da der Mann einen Stock unter mir auf der Treppe war, rannte ich lieber nach oben. Ich rief laut nach meiner Mutter. Der Mann mit dem Hackmesser und die Frau verfolgten mich. Oben angekommen bemerkte ich, dass es hier keinen Ausweg mehr gab, so drehte ich spontan um, lief den zweien entgegen und schaffte es, zwischen den beiden hindurch, die Treppe wieder runter zu laufen. Die Verfolger drehten sich erstaunt um und waren erneut hinter mir her. Ich musste schnell zu der Türe kommen. Total aus der Puste, kam ich am Haustor an, aber so sehr ich auch daran rüttelte, sie ging einfach nicht auf. Ich sackte zu Boden, legte meinen Kopf zwischen die Knie. Der Mann und die Frau waren bereits bei mir, lachten böse und meinten nur: „Jetzt bist du dran, hier kommt niemand hinaus.“

Schweißgebadet wachte ich auf, wenn meine Angst auch noch so groß war, meine Mutter sollte ich ja nicht rufen. Also vergrub ich mich diesmal in meine Decke und weinte bis ich nicht mehr konnte. Ein anders mal rief ich wieder nach ihr.

So kam es, dass ich meist nur wenige Stunden Schlaf bekam, den ich später ab und zu in den uninteressanten Schulstunden nachholte.

Meine Mutter zerrte mich erneut zu verschiedenen Ärzten. Zudem zu einer psychologischen Kinderambulanz im Krankenhaus. Hier sollte die Intelligenz von Viktor und mir festgestellt werden.

Als ich zum Test dran war, empfing mich eine freundliche Frau.

Sie lächelte offen und war auch viel hübscher als die Kindergartentanten. Weil sie mir sympathisch war, entschloss ich mich, mit ihr zu reden. Es gab Puzzles, verschiedene Bilder und Stifte, mit denen ich etwas malen durfte. Danach stellte sie mir ein paar Fragen und wollte, dass ich mir für meine Eltern Tiere ausdachte, denen sie gleichen. Als ich ihr die Tiere nannte, fragte sie mich, warum gerade dieses Tier.

„Also meine Mutter war ein Löwe, weil sie es im Sternzeichen ist und weil sie so laut brüllen kann wie ein Löwe. Sie kann schnell laufen und wenn einen die Pranke trifft, dann gleich gescheit. Sie ist sehr stark.

Mein Vater ist ein Schaf, ruhig und gut zum Kuscheln. Ein bisserl schüchtern und zieht sich gerne zurück. Aber da gibt es auch noch meinen Bruder. Ich hab ihn sehr lieb, aber er mich nicht so. Eigentlich ist er auch eher ein Löwe.“

Ich kann mich noch ganz genau an alles erinnern, sehe es noch vor mir, als ich auf dem Sessel saß. Meine Beine baumelten in der weißen Strumpfhose hin und her. Der Tisch war etwas zu hoch, also musste ich die Arme heben, um sie darauf zu legen. Meine Finger spielten ganz aufgeregt miteinander und ich erzählte mit vollem Einsatz und Grimassen.

Die Ärztin lächelte, meinte, ich hätte es wirklich gut beschrieben. Ich ging stolz in den Warteraum.

Beim anschließenden Gespräch zwischen der Ärztin und meiner Mutter durfte ich nicht dabei sein, aber die Türe war offen. Ich schlich mich leise an und lauschte mit. Immerhin wollte ich wissen, ob meine Geisteskrankheit unheilbar war.

Es hieß, dass sich meine Mutter bezüglich meiner Intelligenz überhaupt keine Sorgen machen muss, bloß wurde entdeckt, dass ich zur Legasthenie neige. Ich war schockiert, also stimmte es, ich war nicht ganz normal (… dachte ich damals). Was Intelligenz und Legasthenie hieß, wusste ich nicht.

Als die Schule begann, freute ich mich riesig, endlich hatte ich den blöden Kindergarten hinter mir. Endlich würde ich Schreiben und Lesen lernen. Ich konnte es kaum erwarten, nicht mehr von Mamas Stimmung abhängig sein, was das Vorlesen der Märchen betraf.

Stolz ging ich mit meiner Schultüte und der Schultasche aus gelbem Plastik los. Die Tasche war ganz neu. Mein Vater wollte sie nicht kaufen, weil sie zu teuer war, aber meine Mutter überredete ihn. Sie selbst hatte als Kind immer nur abgetragene Sachen bekommen, deswegen kaufte sie uns öfter Sachen, die mein Vater als unnötig bezeichnete.

Meine Eltern waren beide mit und obwohl ich ganz vorne eine Zahnlücke hatte, grinste ich stolz in die Kamera, wenn Fotos von mir geschossen wurden. Meine Mutter hatte mir ein beige-braunes Kleid genäht und in den Haaren war eine dazu passende Masche. Sie nähte mir oft Kleider, nur trug ich sie nicht so besonders gerne, denn dann durfte ich mich meist nirgends hinsetzten oder von der Kinderrutsche rutschen.

Mein Bruder war ein paar Klassen ober mir, was ihn zum einen stolz machte, aber zum anderen ärgerte, weil er keine Schultüte bekam.

Sorgfältig hielt ich Ordnung in meiner Schultasche. Meine Mutter gab mir immer ein Pausenbrot mit, das ich aber nie aß. Sie schmierte immer Butter unter die Wurst und das fand ich ekelig. Ich bat sie immer, die Butter weg zu lassen, aber sie meinte, ich brauche das.

Später, als mich meine Mutter in der Früh nicht mehr zur Schule brachte, warf ich das Brot schnell in den Mistkübel vorm Haus. Eines Tages jedoch fand sie es und das zog Konsequenzen nach sich. Geschrei und eine Tracht Prügel. Am nächsten Tag war wieder Butter darunter, also musste der Mist vor der Schule herhalten oder ein Kind tauschte es mit mir gegen einen Apfel.

Ich malte jeden der Buchstaben mit voller Begeisterung und Sorgfalt, die Direktorin lobte mich, weil ich die schönste Schrift in der Klasse hatte, aber die Lehrerin schrie mich an, weil ich wieder einmal das d mit dem b verwechselt hatte oder das ie mit dem ei. Ebenso bekamen die Großbuchstaben ihren Bauch in die andere Richtung, was der Lehrerin nicht gefiel. Sie strich mit ihrem roten Kuli über die ganze Seite, auch über die wunderschöne Zierleiste, und ich musste alles noch einmal schreiben. Bald trat die Schule an meine Mutter heran, dass sie einmal Legasthenie austesten lassen sollte. Als sie sagte, das wäre schon geschehen, schimpfte die Lehrerin, weshalb ich noch in keinem Förderkurs saß. Zu Hause warf mir meine Mutter vor, dass sie sich von der Schule anschreien lassen muss und das nur, weil ich nicht fähig war, richtig zu schreiben. Ihr Zorn steigerte sich und so kam, was halt immer kam, bis ich eingerollt am Boden lag. Manchmal trat sie in ihrer Wut noch mit ihren Füssen gegen meinen zarten Körper. Wenn es mir gelang, lief ich davon, damit sie mich nicht erwischte und schloss mich entweder auf der Toilette oder im Bad ein. Meine Mutter hatte aber einen Schlüssel, mit dem sie von außen die Türe öffnen konnte. Einmal schloss ich mich eben im Bad ein, sie sperrte auf und warf vor lauter Zorn den Schlüssel nach mir, dieser traf mich unglücklich am Kopf. Kurz darauf sah sie, wie mir das Blut ins Gesicht lief. Voller Panik hielt sie mir ein Tuch an den Kopf, legte mir nahe, dem Arzt nicht zu sagen, dass sie das war, denn sonst käme ich in ein Heim, weit weg von zu Hause. Oh Gott, niemals wollte ich in ein Heim, wo einem die Finger abgehackt werden. Beim Arzt erzählte ich, dass ich zu schnell unterwegs war und auf die Heizung gefallen bin. Mein Vater und der Rest der Familie bekamen die gleiche Geschichte aufgetischt. Der Arzt versorgte meine Platzwunde mit vier Klammern. Ich durfte mir den Kopf erst wieder waschen, wenn die Klammern heraus genommen wurden. Meine Mutter versuchte, mir die Haare zu waschen, ohne die Wunde zu berühren, denn sie waren ja vom Blut verklebt. Komisch sah es dennoch aus, um die Wunde wurden die Haare abrasiert, das würde wohl einige Zeit dauern, bis sie wieder die gleiche Länge wie die anderen hatten.

Bald darauf musste ich zweimal die Woche ins Krankenhaus zu einem Legasthenie Kurs.

Mit acht Jahren verschlang ich ein Buch nach dem anderen und wenn ich später kein neues zum Lesen hatte, las ich Mutters Liebesromane. Die Romane waren meist noch in alter Schrift verfasst, also erlernte ich sie parallel zum Schulunterricht. Verstanden habe ich natürlich noch nicht alles, aber es ging um die Liebe und das war schön.

Meine Schulnoten waren dennoch sehr schlecht, also gerade so, dass ich immer in die nächste Stufe aufsteigen konnte. Meist war ich mit den Gedanken wo anders. Die Trinkerei meines Vaters wurde immer schlimmer. Immer öfter kam er erst spät nach Hause. Meine Mutter stand abends am Fenster, um zu schauen, ob er aus dem nächsten Bus ausstieg. Wir hatten vom Wohnzimmer aus direkte Sicht auf die Haltestelle. Ich stand neben meiner Mutter und manchmal wurde es weit nach Mitternacht. Wenn mein Vater aus dem Bus stieg, jagte sie mich schnell ins Bett. Es dauerte nicht lange und die beiden schrien sich schon im Vorraum lauthals an. Meist begannen sie kurz darauf, einander (kurz darauf) zu ohrfeigen, dabei blieb es jedoch nicht. Ich rüttelte meinen Bruder wach, sagte, ich brauch ihn, denn Mama und Papa bringen einander um. Mein Bruder stieß mich sauer weg und sagte: „Na und, ich will schlafen. Gib Ruh.“ So lief ich alleine aus dem Zimmer, stellte mich zwischen sie und versuchte sie auseinander zu drücken. Mein betrunkener Vater machte einen Schritt zurück, aber meine Mutter nutzte die Gunst der Stunde und schlug noch ein paarmal auf ihn ein. Dann wandte sie sich zu mir und sagte, ich soll mir doch meinen missratenen Vater anschauen, angesoffen und schlägt seine Frau. Ich wurde wieder ins Bett geschickt. Dort wartete ich bis unterm Türschlitz das Licht ausging und die Schlafzimmertüre in die Angeln fiel. Leise schlich ich mich, mit der Angst vor der Dunkelheit, zur Schlafzimmertüre, setzte mich auf den Boden und lauschte so lange an der Türe, bis einer von den beiden zu schnarchen begann. Jetzt wusste ich, dass sie sich nicht mehr erschlagen würden. Schnell ging ich zurück in mein Bett, zog mir die Decke über den Kopf und weinte. Vorfälle wie diese häuften sich.

Dem Schatten Kindheit die Stirn geboten

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