Читать книгу Kosmos - Quanten - Zeitreise. - Matthias Gräbner - Страница 10
8. Mit Museumsinventar auf der Suche nach Dunkler Materie
ОглавлениеEinst war sie Standard-Werkzeug der Teilchenphysiker, dann verschwand sie im Museum. Nun soll die Blasenkammer bei der Suche nach Kandidaten für die Dunkle Materie helfen.
Es gab mal eine Zeit, da konnte einem findigen Physiker ihre Erfindung den Nobelpreis einbringen: Die Blasenkammer war in den 60-er und 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts schließlich eines der wichtigsten Instrumente der Kernphysik. Sie löste recht elegant das Problem, dass man zum Entdecken seltener Interaktionen zwischen bestimmten Teilchen einerseits ein großes Raumgebiet abdecken muss, andererseits aber auch sehr genau hinsehen sollte.
Die Blasenkammer hilft dabei insofern, als sie selbst für die optische Vergrößerung der entscheidenden Ereignisse sorgt: eine winzige Blase in einer metastabilen, eigentlich schon über dem Siedepunkt befindlichen Flüssigkeit, etwa von einer Kollision mit einem Atomkern angeregt, wächst quasi von allein zu problemlos beobachtbarer Größe heran. Als sie in den Physiklaboren rund um die Welt noch populär war, gelangen auf diesem Wege spannende Entdeckungen: Das sehr kurzlebige Omega-Minus-Teilchen etwa, das das Quark-Modell wesentlich bestätigte, wurde zuerst in einer Blasenkammer beobachtet.
Auch bei der Erforschung eines Teilchens, das sich lange jeglicher Messung verweigerte, war die Kammer nützlich: Mit ihr gelang es 1973, den so genannten „neutralen Strom“ nachzuweisen, eine Reaktion der schwachen Wechselwirkung, bei der Teilchen über ein Z-Boson ohne elektrische Ladung an ein Neutrino koppeln. Schauplatz war damals die Gargamelle, ein am Kernforschungszentrum CERN in Genf errichteter Detektor, der mit 12.000 Litern Flüssigkeit gefüllt war.
Dagegen nimmt sich die Blasenkammer richtig klein aus, von der ein US-Forscherteam im Wissenschaftsmagazin Science berichtet. Gerade mal ein Liter fasst der Glasbehälter, in den die Wissenschaftler die recht schwere Flüssigkeit Trifluorjodmethan (kurz CF3I) füllten. Der Name, den die Forscher für das Experiment erfanden, CCOUP (Chicagoland Observatory for Underground Particle Physics), klingt auch nicht so schön wie die Genfer Gargamelle. Trotzdem glaubt man, mit dem Glascontainer einen wichtigen Beitrag auf der Suche nach der Dunklen Materie geleistet zu haben. Der könnte vor allem darin bestehen, dass die Wissenschaftler nun besser wissen, wo und wie sie am besten suchen sollten.
Wie - natürlich mit einer Blasenkammer. Die Forscher hoffen, die Empfindlichkeit ihres Experiments deutlich steigern zu können, wenn sie ein 30 Liter fassendes Gefäß benutzen. Zudem wollen sie ihr Setup noch tiefer als bisher unter die Erde tragen, um den Einfluss der Umgebung weiter zu reduzieren. Neuigkeiten liefern die CCOUP-Vertreter aber auch dazu, in welchem Bereich sich eine weitere Suche überhaupt lohnt. Dass die WIMPs (weakly interacting massive particles), die als Kandidaten für die Dunkle Materie gelten, mit Neutronen über einen spin-unabhängigen Prozess reagieren, hatte man schon früher ausschließen können. Die CCOUP-Ergebnisse zeigen nun aber auch, dass selbst für spinabhängige Reaktionen kein Platz bleibt. Das bringt das DAMA-Experiment etwas in Schwierigkeiten - hatte das doch schon aus im Jahresverlauf in erwarteter Weise wechselnden Detektionsraten auf das kosmische Halo als Quelle von WIMPs hingewiesen. Diese Ergebnisse lassen sich nun immer schwerer als Resultate von Interaktionen mit Dunkler Materie diskutieren.