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2. Kapitel
ОглавлениеVon nun an, passierte es immer wieder, dass Isabell und Alfred sich über den Weg liefen.
Zwar rannten sie nicht mehr blindlings ineinander, denn ihre erste Begegnung hatte dafür gesorgt, dass sie sich aufmerksamer in den Gängen bewegten. Aber immer wieder, standen sie sich ganz unversehens gegenüber. Bis sie schließlich anfingen, sich zu verabreden.
Und so machten sie immer öfter gemeinsame Erkundungstouren unter der Erde. Manchmal halfen sie sich auch gegenseitig, ihre Tunnel auszubessern. Denn die unterirdischen Gänge brauchen viel Pflege und ständig musste man Erde und Steine aus dem Weg räumen.
Manchmal verabredeten sie sich auch einfach nur zum Essen.
Jeder brachte etwas Köstliches zu futtern mit und ein ordentlicher Schluck zu trinken durfte auch nicht fehlen. Erst letztens, hatten sich beide im großen Südtunnel zu einem Picknick verabredet. Dort roch es so herrlich nach Wurzeln und Erde. Die Wühlmaus liebte den Platz so sehr, weil er von der Morgensonne beschienen wurde und die Sonnenstrahlen durch einige Erdritzen in den Tunnel drangen.
Außerdem sorgte die Wärme der Sonnenstrahlen dafür, dass die Staubpartikel so wunderschön in der Luft tanzten. Das alles wusste der kleine Maulwurf nicht, und als Isabell, die Wühlmaus, ihm davon erzählte, wurde er ganz traurig.
„Bitte sei nicht traurig“, bat sie den Maulwurf.
„Du kannst doch nichts dafür, dass du die Sonne nicht sehen kannst.
Weißt du was“, schlug sie Alfred vor: „… ich beschreibe dir genau, wie die Sonnenstrahlen den Staub tanzen lassen.“
Und so gab sich Isabell die größte Mühe, dem kleinen Maulwurf die wundersame Kraft der Sonnenstrahlen zu schildern. In den buntesten Bildern beschrieb sie die Wärme, die wie ein sanftes Streicheln auf dem Pelz war.
Die Leichtigkeit, mit der die Staubpartikel durch die Luft schwebten. Und natürlich den unglaublichen Glanz, den die Sonnenstrahlen den farbigen Blütenblättern und Bäumen verliehen.
Doch das machte alles nur noch schlimmer.
Wie sollte der kleine Maulwurf sich das vorstellen? Er kannte nur die Dunkelheit und fürchtete sich vor dem Licht.
Und ganz besonders, fürchtete er sich vor dem da Draußen. Da Draußen, lauerten die Angst und der Tod. Das Draußen hatte ihm schon seine Familie genommen. Damit wollte er nichts zu tun haben. „Ich verstehe, dass du dich davor fürchtest“, sagte die Wühlmaus und nahm Alfred tröstend in den Arm. „Aber glaube mir, das Draußen ist nur deshalb so furchteinflößend für dich, weil du nicht sehen kannst. Wenn du sehen könntest, dann würdest du bestimmt deine Angst verlieren“, erklärte Isabell dem Maulwurf. Der, hatte ihr stumm zugehört und fragte sich, ob die Wühlmaus wohl Recht hatte. Konnte es sein, dass ihn seine eigene Angst, im wahrsten Sinne des Wortes, „blind“ machte? Das durfte nicht sein. Er war ein Raubtier, stolzer Nachfahre einer endlos langen Reihe von tapferen und unerschrockenen Jägern der Unterwelt. Sich vor der Oberwelt zu fürchten, war dumm. Die Angst durfte ihn nicht beherrschen. „Ich werde meine Angst besiegen und du hilfst mir dabei“, rief der Maulwurf entschlossen und blickte Isabell fest in die Augen. „Na super“, jubelte Isabell und drückte den Maulwurf fest die Pfote. „Aber das schaffe ich nicht alleine“, sagte sie. „Wir werden Hilfe brauchen und ich hab‘ auch schon so eine Idee, wer uns da den Durchblick verschaffen kann. Aber zuerst einmal musst du lernen, die Augen zu öffnen. Also los. Schau mich an!“ Zaghaft zwinkerte der Maulwurf und bemühte sich ein Auge zu öffnen. Da, ganz vorsichtig, hob er sein Augenlid. Nur einen winzigen Spalt, aber selbst das wenige Licht, das an diesem Ort durch die Decke drang, tat seinen Augen weh und so schloss er ganz schnell seine Lieder wieder und kniff die Augen fest zusammen. „Das tut weh“, beschwerte Alfred sich und blinzelte ein Tränchen weg. Er wollte nicht als Weichei vor Isabell dastehen und rieb sich heftig die Augen. „Es brennt“, entschuldigte er sich. Es war ihm peinlich, und er fürchtete, dass Isabell seine Träne gesehen hatte. „Das geht bald vorbei“, beruhigte ihn die Wühlmaus. „Ich kenne das nur zur gut“, sagte Isabell. „Jedes Mal, wenn ich aus einem meiner Gänge an die Oberwelt klettere, brennen mir auch die Augen. Darum lasse ich mir immer genug Zeit, bis ich meinen Kopf aus dem Gang stecke. Die ersten Augenblicke sind immer die schwierigsten. Aber du schaffst das schon. Ich bin doch bei dir. Gemeinsam werden wir schon ein wenig Licht in dein Leben bringen. Warts nur ab. Du wirst der erste Lichtwanderer unter den Maulwürfen sein, das verspreche ich dir.“ Und Isabell setzte sich neben Alfred in den Gang und lehnte sich an ihn. „Nur Mut kleiner Maulwurf und sei keine Schnecke. Komm, zwinkere noch einmal für mich.“