Читать книгу Valentin Upp, der Legionär - Max Geißler - Страница 6
Viertes Kapitel
ОглавлениеAls sie an jenem Tage die knarrenden Stufen zu der Dachkammer der Waldschenke emporstiegen, rückte der Zeiger schon gegen die Mitternacht.
Sie hatten sich drunten in rauchende Begeisterung geredet.
Dabei zeigte es sich, dass Upp den anderen an fröhlichem Fluge der Gedanken überlegen war; denn er war von dem Leben noch niemals hart aufgeschlagen worden und vertraute ihm in allen Stücken. Daheim hatte man ihn sanfter angefasst als die älteren Brüder, nicht weil er der jüngste unter diesen war, sondern weil die Pflichten in Hof und Acker schon unter die anderen verteilt worden, ehe er recht dafür in Frage kam. Und die Saat, die Hochwald und Heide und die Grossvater Heinrich aus klingenden Reitererinnerungen heraus in das junge Herz gestreut hatten, schoss frühlingsselig in die Halme.
Dazu kam noch, dass die Wandergesellen dem Bauernsohn ein Vorrecht einräumten — Himmel, ein so langer, klarer und kluger Mensch, der Geld auf der Post zu erheben hatte!
Sie redeten an diesem Abende noch aus den Betten heraus von der Fahrt zwischen den blau-weiss-roten Grenzpfählen hindurch.
Wegen der mangelnden Sprachkenntnis tröstete sie der Schuster in seiner lustigen Art, und als der Schlaf über sie kam, meinten sie, in ein paar Tagen würde ihnen das Französische über die Lippen laufen wie Quellwasser. Der bedächtige Schreiner konnte sich das zwar nicht recht vorstellen; Upp dagegen dachte, wenn er heimkäme, wolle er in die vielen weitoffenen Frühlingsaugen hinein die Bilder der Fahrt stellen und seine Erklärungen in welscher Sprache dazu geben. Hurra!
Vor einem Hurra aus dem Bette wird aber der Schlummer stutzig; und er traute sich in dieser Nacht lange nicht an Valentin Upp heran.
Einige Stunden nachher steckte der Märker den Kopf durch das kleine Schiebefenster im Giebel. Es lag zähe Dreiuhrdämmerung über dem Wald, und es tropfte von den Fichten. Aber es regnete nicht mehr.
Da legte sich Valentin Upp noch einmal zu Bett und spann die Gedanken aus der Vormitternacht weiter. Aber alles an ihm war übernächtig und spröde, und es drückte ihn in den Augen, als habe der märkische Wind Sand hineingeblasen.
Da schlief er wieder ein, und als er erwachte, war es Tag, und er hörte die Genossen schon am Brunnen unter dem Fenster. Er stieg in die Hosen, nahm Handtuch und Seife aus dem Bündel und ging zu ihnen hinab. — Es war ein gähnendes Erwachen; die Augen suchten nach der Freude, die am Abend in ihnen geleuchtet hatte.
Es ahnte keiner, was in dem Tage war, der nun aufging — der Morgen war von so grauer Gleichgültigkeit, aber er liess sich im Leben des märkischen Bauernsohnes niemals auslöschen.
Sie gingen an diesem Tage immer südlich und wanderten langsam. Das Gewebe der Wolken zerriss, die Sonne kam, und in den sechs Augen stand wieder die Erwartung des Wunders, das sie sehen sollten.
Einmal erkannten sie in der Ferne auf der Waldstrasse ein Zollhaus und die französischen Farben.
Da sagte der Schuhmacher: „Wenn wir dort vorbeigehen, halten sie uns an, durchwühlen unser Zeug und parlieren französisch. Das ist peinlich. Es ist besser, wir warten auf eine andere Gelegenheit, jenseits zu kommen.“
Das war eine närrische Weisheit. Aber vor den Toren eines fremden Landes, in dessen Sprache sie nicht einmal „Guten Tag“ sagen konnten, fühlten sie ihre Herzen doch wunderlich werden.
An einem Waldhange, von dem sie auf reichsländische und französische Felder hinabschauten, trafen sie nicht lange danach einen Mann. Der war durch ihre Stimmen aufmerksam geworden und schritt auf sie zu. Er sah aus wie einer von jenen, denen der Sommer gut Freund ist, weil er freies Nachtlager in Wald und Feld gewährt. Er hatte einen struppigen Schnauzbart und kümmerlich für die Fahrt zugerichtete Schuhe, die mit Bindfäden geschnürt waren.
Er fragte die dreie nach dem Wohin; und weil sie ihm keine klare Antwort geben konnten, stellte er sich breit vor ihnen auf, stützte beide Hände auf den Stock und lachte ihnen ins Gesicht.
„Ihr braucht mir nichts weiter zu sagen, ihr Nesthocker!“ rief er; dann stiess er sie der Reihe nach mit dem Finger vor die Brust und sagte: „Du bist ein Hess’, du ein Bayer, und du bist in Streusand gewachsen — up!“
Dem Bayer war die Sache sofort lustig.
Valentin Upp aber, weil er dachte, der Fremde hätte seinen Namen genannt, war über die Massen erstaunt und suchte in sich und in den Mienen seiner Genossen nach einer Erklärung.
„Up,“ sagte der andere, „nun setzt euch zu mir ins Moos und packt aus; denn ich habe Hunger, dass man’s in Frankreich hört.“
Damit liess er sich auf den Waldgrund fallen und zog den Bayer am Jackenzipfel nach.
Weil er die beiden anderen noch unschlüssig sah, rief ihnen Lauter zu: „So kommt! Zuletzt ... wir sind ja ihrer drei gegen einen!“
Der Fremde lachte auch darüber und sagte: „Jungens, Jungens — und ihr wollt mit dem Leben fertig werden, up?“
„Jawohl, fertig werden!“ sagte Valentin Upp und wunderte sich, dass der Mann seine Rede immer an ihn richtete.
Der Irrtum klärte sich zur schallenden Freude des neuen Gesellen bald auf; und als sie erfuhren, dass der ein Lothringer sei und das Französische so geläufig sprach wie das Deutsche, sagte ihm der Bayer: „Es ist schlimm, dass du so miserabel aussiehst, Bruderherz, sonst könntest du uns ins Frankreich hineinführen, und es würde dir nicht schlecht dabei gehen. Vor dem da“ — er deutete auf Upp — „musst du deinen Hut abnehmen, verstehst du, das ist ein Vergnügungsreisender.“
Der Neue starrte Upp mit einigem Staunen an.
„Wisst ihr,“ begann er danach, „ich würde sagen: schafft mir eine neue Kluft, ihr drei, lasst mich mit euch essen, und ich führ’ euch dafür nach Marseille und Barcelona und auch heil wieder heim — up ... aber es lohnt sich nicht!“
Der Mensch sprach wie ein Buch.
„Ich kenne mich in sieben Sprachen aus,“ sagte er, „und wollt ihr aus dem Koran der Araber ein Kapitel hören — ich dien’ euch ... Aber es lohnt sich nicht.“
Der kleine Bayer stand schon in hellen Flammen; aber der Schreiner sagte: wenn ein Mensch mit einem so klugen Kopf auf Schnürschuhe von solcher Güte herunterkäme, dann ginge etwas nicht richtig bei ihm.
„Recht hast du, Junge,“ sagte der Neue — „es ist mir ein Rad gebrochen in der Uhr des Lebens, und das Ding lässt sich nicht mehr reparieren, up!“ Er sagte dies Up immer zur Besiegelung seiner Rede, etwa wie der bayrische Schuster sein Basta. „Bist du Soldat gewesen?“ fragte er den Schuster.
Der schlug mit der Hand in die Luft.
„Siehst du! Ich war Einjähriger. In Kolmar hab’ ich gestanden, und auf dem Technikum bin ich gewesen. Alles pfutsch — das Militär, die Liebe, das Leben. Desertiert bin ich; denn ich habe dem Feldwebel in einer neunundneunzigmal verfluchten Stunde einen Schlag ins Gesicht gegeben. In jener Minute ist mir das Leben aus den Händen gerutscht ... Die Schnüre hätten sie mir genommen, eingesperrt hätten sie mich ... up, heut ist alles vorüber. Kinder, gebt mir etwas zu trinken!“
Zu trinken hatten sie nicht. Aber der Schreiner reichte ihm ein Stück Brot, und Valentin Upp legte den Rest Blutwurst darauf, der noch in seinem Felleisen war.
„Ihr braucht nicht finster dreinzusehen oder gar bange zu werden deswegen,“ sagte der Fremde, „aber das geb’ ich euch mit auf den Weg: Der Mensch hat keinen schlimmeren Feind als sich selbst. Seid auf der Hut vor euch selber, Jungens, und es kann euch nichts geschehen, up!“
Er schlug seine Zähne gierig in das Brot.
Da sassen die drei Wandergesellen, die sich am Ufer des Mains zusammengefunden hatten, nun an der Wegscheide und wussten es nicht. Es hing eine Stunde um sie, in der zwei von ihnen aus ihrer Bahn geworfen wurden, weithinaus an den Rand des Lebens. Ein Kampf aufs Messer mit diesem Leben begann, und sie wussten es nicht. Der eine hat diesen Kampf hinausgeführt mit Ehren und ist Sieger geblieben, weil er auf sich selbst stehen konnte. Der dritte hat noch einen Schlupf am Wege gefunden, als das Leben schon drüben stand und rief: „Los!“
„Jungens,“ sagte der Fremde nach einer Zeit, „da sind meine Papiere, lest euch heraus, wer ich bin. Ihr sollt nicht meinen, dass ich mich an euch dekorierena) will.“
Er warf sie dem Schreiner in den Schoss, legte sich lang hin und starrte in die Wipfel der Fichten.
Da lasen sie seinen Namen: Richard von Zahn, und sahen, dass er fünf Jahre in Oran und in Sidi-bel-Abbès in Nordafrika bei der Fremdenlegion gedient und es zum Soldaten erster Klasse gebracht hatte. Er erklärte ihnen: ein Soldat erster Klasse wäre etwa, was der Gefreite im deutschen Heere sei. Und er sei auch zur Tapferkeitsmedaille vorgeschlagen gewesen ... da hätte er die andere Dummheit seines Lebens gemacht und in einem Anfalle von Cafard, von Legionsfieber, das aus Sonne, Sehnsucht, Afrikamüdigkeit, Übermut und Narrentum zusammengebraut wäre, den Dienst quittiert. Als seine fünf Jahre herumgewesen, habe er sich das Reisegeld nach Belfort geben lassen.
Er trug noch den blauen Anzug aus Sackleinen, den die ausgedienten Legionäre auf Kammer erhalten, wenn sie die Uniform abgeben.
„Und nun?“ fragte der Bayer.
„Und nun?“ Zahn richtete sich auf. „Nun habe ich erkannt: vergessen, verabscheut, verloren bin ich in der Gemeinschaft der Menschen und im Vaterland. Deshalb bin ich auf dem Wege nach Besançon und lasse mich von neuem anwerben. Es ist eine Dummheit von mir gewesen, den Fuss auf deutschen Boden zu setzen — aber: Heimatsehnsucht! Ihr wisst nicht, Jungens, was das heisst! ...“ Er starrte eine Zeitlang mit finsteren Augen auf den Nadelboden des Waldes, dann schlug er mit der Hand durch die Luft — „Ha,“ sagte er, „es ist fein bei der Legion, wenn — nun — wenn einen die Gemeinschaft der Menschen ausgespuckt hat. Aber es darf da keiner ein Lump sein; denn dann wird er bei den Etrangers immer lumpiger.“
Die jungen Gesellen sassen dem Manne im Ende des deutschen Bergwaldes gegenüber und hörten sich die Herzen heiss an dem abenteuerlichen Berichte seines Lebens.
Er schlug sich vor ihnen auf wie ein Buch, in jeder Seite seines Herzens liess er sie lesen, und es war kein Lug in seinem Munde. Einer, der es nicht mehr der Mühe wert erachtete, ein Blatt zu überschlagen; denn was darauf geschrieben stand, war das Unglück eines Menschen, der mit dem Leben nicht fertig geworden war, das die anderen lebten — weil er eine Dummheit gemacht hatte. Da fasste er es nach seiner Weise an, und es gehorchte.
„Seht,“ sagte er, „so sieht einer aus, der nicht den Mut hatte, die Stirn zu senken und zu bekennen: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir ... Der verlorene Sohn im Gleichnis hat’s gekonnt — ich habe gewartet, bis es zu spät war — bis die tot waren daheim, denen der Gedanke an den Sohn die Scham ins Gesicht getrieben hat. Und so ist das mit mir gekommen. Aber — wenn ich erst meinen Legionärschein wieder in der Tasche habe — up, dann ist das Sache!“
Weil er Deserteur war, musste er stets wache Augen haben und sagte:
„Wenn wir nach Westen durch den Wald gehen, sind wir in einer Viertelstunde auf französischem Boden. Lauf dorthin, Bayer, und sieh, ob wir noch allein sind!“
Da ging der Schuhmacher ein paar Rehsprünge am Hang empor, bis er durch Gebüsch gekommen war und freieren Ausblick nach allen Seiten hatte. Er merkte nun, dass Zahn sie absichtlich an diese verborgene Stelle geführt hatte; man konnte sie hier vom oberen Wald her nicht sehen; es führte auch kein Steig in der Nähe vorüber. Nach vorwärts gewahrten sie jeden, der sich näherte.
Zahn erhob sich und sagte: „Wenn ihr mitwollt, so kommt.“
Da hing jeder sein Bündel über die Achsel, und sie zogen querwaldein.
Als sie auf französischer Erde waren, wurden dem alten Soldaten die Augen heller. Und weil sie ihn vorhin noch um vieles über die Legion gefragt hatten, sprach er nun darüber zu ihnen.
„Es ist eine feine Sache,“ sagte er, „aber es muss einer ein ordentlicher Kerl sein. Was darüber in deutschen Büchern steht, ist falsch und richtig, zumeist falsch, und von ungebildeten oder verkommenen Leuten geschrieben. Sie gefallen sich darin, ihre Erlebnisse und Abenteuer in wilder Übertreibung darzustellen und verschweigen, dass ihre Trägheit oder Widersetzlichkeit zumeist der Grund von grossen Leiden wurden. Und schieben diese Leiden auf die Legion ...“
Er erzählte ihnen bis zum Abend und erzählte ihnen den langen folgenden Wandertag hindurch. Er sagte nicht: dies und das ist Gold, wenn es Schweiss oder Blut war, und er sagte nicht: dies ist eine Lust, wenn er wusste, dass es schwere Mühe oder Jammer sei.
Aber er empfand nicht, oder er vergass es zu sagen: es ist eine Schmach und Schande für einen deutschen Jüngling, im Dienst einer fremden Nation zu stehen als Soldat und Sklave! Und er redete auch nicht davon, dass es ein Verbrechen am Vaterlande sei, und dass jeder seiner Strafe entgegengehe, wenn er heimkehre. Und auch nicht davon redete er, dass keinem seine Soldatenjahre geschenkt würden.
Der Schuster meinte: wenn einer, der erst vor fünf Wochen aus Afrika gekommen wäre, nun doch schon wieder hinwolle, so könne es dort so übel nicht sein — er hätte Lust, es zu probieren.
Übrigens schien der ein ganz anderer Mensch geworden, seit sie mit dem Legionär zusammengekommen waren. Sein Herz hatte Feuer gefangen an den Geschichten aus den afrikanischen Regimentern. In Deutschland habe ihn das Schicksal auch nicht auf ein Polster gesetzt, sagte er — was könne ihm daran liegen, wo ihn das Leben abschüttele?
„Red’ ein Wort, Upp, und sag’, was du davon denkst!“ wendete er sich an den Märker.
„Ich will es dir morgen sagen, oder schon heute abend in der Herberge“, sagte Upp.
Es war ein wilder Kampf in ihm. Aber sein trockenes, märkisches Jungbauerngesicht liess davon nichts erkennen.
Dann gingen sie zwei und zwei die schöne französische Landstrasse entlang, die südlich der Forts von Montbéliard an den Fluss Doubs führt. Der kommt aus dem schweizerischen Bergland herüber und läuft an der Festung Besançon vorbei.
„Das erstemal hab’ ich mich in Belfort anwerben lassen,“ sagte Zahn; „denn ich war eilig. Und als ich damals — der Land- und Fahnenflüchtige — den Fuss auf welsche Erde setzte, bin ich auf die Knie gesunken und habe die Arme in heisser Dankbarkeit emporgestreckt zu meinem Gott. Und nach Belfort hab’ ich mich in närrischer Heimatsehnsucht schicken lassen, als ich die Türen der Kasernen von Sidi-bel-Abbès hinter mir zugeschlagen hatte. Nun schäm’ ich mich, in Belfort wieder anzuklopfen, weil sie dann sehen, dass ich für nichts mehr zu gebrauchen bin. Darum will ich nach Besançon.“
Valentin Upp, der mit einigem Abstand samt dem Schreiner im zweiten Gliede marschierte, ging dahin wie ein Bauer über seinen Acker. Er sann so vor seinen Schritten in den Sand, und doch war es ihm manchmal, als wolle ihm das Herz aus der Brust herausfliegen und aufwirbeln, den Frühlingslerchen nach.
Der Schreiner war ganz still geworden. Als ihn Upp geradeheraus fragte, was er zu dem Vorhaben des Bayern denke, sagte er: „Der Mensch ist ein Windhund.“ Er pflegte seine Vergleiche immer aus der Tierwelt zu nehmen, und Upp merkte, dass er nun alle Luken an sich verschlossen hatte.
Sie schliefen in dieser Nacht in einer Strohdieme auf dem Felde und erreichten auch am folgenden Tage Besançon nicht. Da sassen sie abends in einer Dorfschenke, und Valentin Upp erklärte dem Legionär, er wolle sich mit anwerben lassen.
„Junge, Junge!“ sagte der. Freude und Warnung klang in seinen Ruf. Dann sah er ihm scharf in die Augen und sprach: „Einem wie dir geht’s nicht schlecht in der Legion — du bist ein ordentlicher Kerl und hast Geld. Mit diesen beiden Dingen kommst du durch die Welt. Für einen Centime kaufst du dir in Afrika Hände, die für dich frönen. Nur marschieren, marschieren musst du selber.“
Upp wollte die Sache auch gleich nach Hause berichten, aber der Legionär redete es ihm aus. „Du machst den Alten das Herz schwer“, sagte er. „Entweder wissen sie nicht, was die Legion ist ...“
„O la la, mein Grossvater war 70 Reiterkorporal! ...“
„Oder sie wissen es falsch — aus verrückten Büchern und so. In ein paar Tagen sind wir in Afrika, dann hast du zum Schreiben Zeit genug, und es ist ein ganz anderes Ding; denn es sind dir dann viele Bilder durch die Augen gelaufen.“
Dabei liessen sie es bewenden. Und über den Sorgen und Hoffnungen der beiden Jungen leuchtete die Wahrheit: es ist ein gescheiter Mann bei uns, den die Sehnsucht nach der Legion wieder aus seinem Vaterlande getrieben hat.
Sie schliefen in dieser Nacht in der Scheune, die zu der Schenke gehörte.
Am Morgen hatte sich der Schreiner aus dem Staube gemacht. Es hat ihn keiner davongehen sehen.
Nun war es Tag. Der Tag, an dem Valentin Upp neunzehn Jahre alt wurde. Und in der ersten Dämmerung dieses Tages, in dem das fremde Leben stand und sein „los!“ rief, hatte der Schreiner den Schlupf gefunden und war entwischt.
Der Bayer schickte ihm ein paar schnodderige Redensarten nach, aber der Legionär verbot es ihm: „Wer daheim sein Nest hat, soll nicht übers Meer fliegen.“
Dies Wort fiel Valentin Upp ins Herz ... Ein Nest hatte er gehabt, aber er hatte auf dem Rand gesessen, weil für ihn nicht recht Platz darin war.
Danach zogen sie die Strasse nach Besançon.
Zahn erklärte ihnen im Vorüberschreiten die starke Befestigung in allen Teilen. Der Fluss Doubs bildete einen breiten natürlichen Graben vor den Wällen.
Als sie in die Stadt kamen, fragte Zahn gleich nach dem Werbebureau der Fremdenlegion.
Sie fanden es, und nun ging alles ohne Aufenthalt vor sich. Es wurde Einblick in ihre Papiere genommen, die Gesichter der Offiziere und Soldaten wurden vergnügt, weil einer dabei war, der schon nach fünf Wochen wiederkam. Sie wurden zur Untersuchung geführt und für tauglich erklärt und mussten ihre Unterschrift auf einen Schein setzen, die sie für fünf Jahre der Legion verpflichtete und durch die jeder ausdrücklich auf eine Versorgung über seine Dienstzeit hinaus Verzicht leistete.
Dann bekamen sie einen Fahrschein, der in grossen roten Lettern ihnen freie Reise nach Marseille verbürgte und mit dem sie durch keine Perronsperre Frankreichs wieder hinaus in die Welt gelangten. Jeder erhielt noch einen Frank als Zehrgeld und ein Brot. Und nachmittags gegen fünf Uhr stiegen sie ohne jede weitere militärische Begleitung in den Zug, der sie an das Ufer des Mittelmeeres führte.
„Up!“ sagte der alte Legionär und drückte sich in einer Art von Heimatfreude in den Winkel des Abteils.
„Grossartig!“ bestätigte der Schuster.
Dem Märker brauste es in Herz und Ohren.
Signale ertönten. In das erste Rollen der Räder schlugen harte Türen.
... Aus!