Читать книгу Die krankheiterregenden Bakterien - Max Löhlein - Страница 5

Kapitel I.

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Inhaltsverzeichnis

Die wichtigsten Methoden der modernen Bakterienbeobachtung. Mikroskopische Beobachtung lebender Spaltpilze; ihre Gestalt, Größe, Beweglichkeit. – Gefärbte Ausstrichpräparate; elektive Färbungen. – Die Sporenbildung und die Sterilisierungsmethoden. – Mannigfaltige Wachstumsbedingungen der verschiedenen Spaltpilzarten. – Ansprüche an Temperatur, Sauerstoff, Reaktion und besondere Zusammensetzung der Nährböden. – Das Tierexperiment als Mittel bakteriologischer Forschung.

Man kann den Beginn der modernen Ära der Bakteriologie geradezu von der Einführung der »Plattenmethode« durch Robert Koch datieren. Denn dieses Verfahren ermöglichte es weiten Kreisen der Naturforscher, Bakterienarten zu isolieren, jede einzelne von ihnen genau mikroskopisch zu untersuchen und auch ihre Lebensbedingungen und Lebensäußerungen zu studieren. Je nach dem einzelnen Falle geschieht dieses Studium mit immer wechselnden, immer neuen und im Laufe der Zeit immer mehr verfeinerten Methoden, von deren wichtigsten wir uns ein Bild verschaffen müssen, um die Forschungsergebnisse der medizinischen Bakteriologie verstehen zu können.

Haben wir isolierte Kolonien von einer Bakterienart gewonnen, so untersuchen wir sie zunächst mit Hilfe des Mikroskops auf alle diejenigen Eigenschaften hin, die wir durch unmittelbare Beobachtung erkennen können. Wir verteilen zu diesem Zweck eine Spur von dem weichen feuchten Material einer über die Oberfläche des Nährbodens sich emporwölbenden Kolonie mit Hilfe eines Platindrahtes in einem Wassertröpfchen, das wir zuvor auf die Mitte eines sehr dünnen quadratischen Glasplättchens von etwa 18 mm Seitenlänge – eines »Deckgläschens« – gebracht haben. Dann legen wir dieses Deckgläschen, so wie die Abbildung 4 es zeigt, umgekehrt in der Weise über die Aushöhlung eines zweiten stärkeren und etwas größeren Glasplättchens, eines »hohlgeschliffenen Objektträgers«, daß das Tröpfchen in dessen Aushöhlung frei hineinragt. Rings um die Aushöhlung haben wir vorher ein wenig Vaseline verteilt, so daß das Deckgläschen etwas fester haftet, während gleichzeitig der kleine Hohlraum, in dem sich das Tröpfchen nunmehr befindet, abgeschlossen ist, wodurch eine rasche Verdunstung des Wassers verhütet wird.


Abb. 4.

Hohlgeschliffener Objektträger mit »hängendem Tropfen«.

Nun betrachten wir mit dem Mikroskop4 bei sehr starker Vergrößerung dieses Tröpfchen. Das ist freilich nicht ganz so leicht auszuführen, wie es sich anhört; es setzt nicht nur eine genaue Kenntnis der Einrichtung unserer modernen, recht komplizierten Bakterienmikroskope, sondern außerdem noch einige Übung des Auges und der Hand voraus. Denn die lebenden Bakterienzellen sind, abgesehen von ihrer Kleinheit, auch deshalb nur schwer wahrnehmbar, weil sie, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, völlig farblos sind und außerdem nur ein geringes Lichtbrechungsvermögen besitzen.

Bei einiger Übung werden wir aber bald erkennen, daß wir ein Kugelbakterium, ein Stäbchen- oder ein Schraubenbakterium vor uns haben. Mit wachsender Übung vermögen wir – unter Umständen auf den ersten Blick – besonders charakteristische Bakterienarten zu erkennen. Anderseits können wir bei sorgfältiger Beobachtung feine Unterschiede der Formen unter den Angehörigen der drei Grundtypen bald auffinden: so weichen z. B. manche Mikrokokken ein klein wenig von der Kugelgestalt ab, sie sind ein wenig abgeplattet; eine andere Art ist ein klein wenig längsoval, usf. Zur Unterscheidung der Kugelbakterienarten, die im allgemeinen der Eigenbewegung ermangeln, kann uns auch die Art ihrer Lagebeziehungen im hängenden Tropfen wichtige Dienste leisten. Manche Arten bilden in einer Kultur regelmäßig perlschnurartige, kürzere oder längere, 3 bis 5, ja bis 30 und mehr einzelne Glieder aufweisende Ketten (Kettenkokken oder Streptokokken, vgl. Abb. 28, 29). Andere dagegen lagern sich zu weintraubenförmigen Häufchen zusammen und werden danach als Staphylokokken (ἡ σταφυλή die Weintraube) bezeichnet (vgl. Abb. 26). Zwischen den verschiedenen Arten der Stäbchen- und Schraubenbakterien bestehen ferner Unterschiede nach der Länge und Dicke und nach dem Verhältnis des Längen- zum Dickendurchmesser: so begegnen wir langen und schlanken, langen und plumpen, kurzen und schlanken, kurzen und plumpen Stäbchen- und Schraubenformen. Wenn wir sie genau betrachten, so können wir oft noch weitere feine Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten erkennen: die einen besitzen abgerundete Enden, die anderen kantige, manche zeigen die Neigung, dadurch, daß mehrere Individuen aneinander haften, Fäden zu bilden, und so gibt es noch eine ganze Reihe feiner Gestaltmerkmale, die der sorgfältige Beobachter zu berücksichtigen hat.

Von sehr großer Bedeutung für die Erkennung einer bestimmten Bakterienart ist eine sorgfältige Feststellung ihrer Größe; wie alle anderen Eigenschaften der Gestalt, so sind auch die Durchmesser im großen und ganzen bei den Individuen einer und derselben Art entweder genau übereinstimmend oder doch nur in ganz bestimmten Grenzen schwankend. Zur exakten Feststellung der Durchmesser von Spaltpilzen besitzt man in neuerer Zeit sehr feine Meßinstrumente, die bei genauer Berücksichtigung der jeweiligen mikroskopischen Vergrößerung sehr exakte Resultate liefern.

Freilich ist die Konstanz der Größenmaße einer bestimmten Bakterienart wiederum keine absolute: gerade so wie höhere Pflanzen oder auch Tiere unter ungünstigen Bedingungen klein bleiben, unter günstigen Bedingungen sich üppig entwickeln, kann man auch bei Spaltpilzen je nach ihren Lebensbedingungen Unterschiede in der Größe innerhalb gewisser Grenzen feststellen; umgekehrt können auch im Absterben begriffene, degenerierende Bakterien sich durch Auftreibung ihrer Membran stark vergrößern, wobei sie meist auch unregelmäßige Formen annehmen.

Niemals dagegen zeigen sich innerhalb der Individuen der gleichen Art Unterschiede in Eigenschaften, die auf wesentlichen Zügen der Organisation beruhen. Eine der wichtigsten derartigen Eigenschaften ist die der Eigenbeweglichkeit. Ihr Besitz oder Mangel spielt bei der Unterscheidung der Stäbchenbakterien eine sehr wesentliche Rolle: es gibt auf der einen Seite sehr lebhaft bewegliche Bakterienarten, auf der anderen gänzlich unbewegliche und endlich auch solche, die eine schwache Beweglichkeit besitzen; aber niemals trifft man in einer Reinkultur von unbeweglichen Bakterien, z. B. des Milzbrandbazillus, auch nur ein einziges Individuum, das im geringsten Grade selbständig seinen Platz wechselt. Die Fähigkeit, sich vorwärts zu bewegen, verdanken die beweglichen Bakterienarten dem Besitze sogenannter »Geißeln«, ganz außerordentlich feiner kontraktiler Fäden, die man an den lebenden Bakterienzellen nur ausnahmsweise unmittelbar unter dem Mikroskop erkennen kann, nämlich bei einigen der größten Bakterienarten, die existieren. Bei den allermeisten übrigen kann man die Geißeln nur mit Hilfe komplizierterer Methoden zur Darstellung bringen, von denen sogleich noch die Rede sein wird.

Neben der Beobachtung im frischen Zustande bedienen wir uns in ausgedehntem Maße der Untersuchung von sogenannten »Ausstrichpräparaten«. Auch diese wichtige Beobachtungsmethode ist im wesentlichen von Robert Koch ausgebildet worden. Auf einem Deckgläschen oder auf einer kleinen etwa 1 mm dicken Glasplatte (einem sogenannten Objektträger) verteilt man mit einem kleinen Flüssigkeitströpfchen eine Spur des zu untersuchenden Bakterienmaterials – so viel wie an der Spitze einer Nadel haftet – und läßt es antrocknen. Man »fixiert« dann den Ausstrich, indem man ihn einige Male mäßig rasch durch die Flamme eines Bunsenbrenners zieht, oder indem man ihn mit bestimmten Fixierungsflüssigkeiten, z. B. absolutem Alkohol, behandelt; die gebräuchlichste Methode für Bakterienausstriche ist die Flammenfixierung. Durch die starke Erhitzung wird die Bakterienzelle in ihrer Form erhalten und gleichzeitig an der Stelle des Gläschens festgehalten, an der sie sich gerade befindet. Dann tropft man auf den Objektträger eine kleine Menge einer Farbstofflösung; meist verwendet man eine der sehr lebhaft färbenden Anilinfarben, Methylenblau, Genzianaviolett oder andere. Nach kurzer Zeit – je nach der angewandten Farblösung nach einigen Sekunden oder einigen Minuten – spült man den Objektträger mit reinem Wasser sorgfältig ab, trocknet ihn gründlich mit Fließpapier ab, bringt dann ein Tröpfchen Kanadabalsam auf den nun gefärbten Ausstrich, deckt darauf ein Deckgläschen und hat ein vorschriftsmäßiges Ausstrichpräparat vor sich, das nun mikroskopisch untersucht werden kann. Hier betrachtet man also nicht mehr die lebenden Bakterien, sondern die angetrockneten »Bakterienleichen«, die eine tiefe gleichmäßige Färbung angenommen haben und weit leichter ins Auge fallen als ungefärbt im hängenden Tropfen, während sie anderseits im großen und ganzen ihre charakteristischen Gestaltmerkmale behalten haben.

Auch die Färbemethoden sind im Laufe der Zeit immer mehr ausgebildet worden und haben für die Unterscheidung von Bakterienarten sehr wichtige Hilfsmittel geliefert. Man hat nämlich gefunden – die erste und wichtigste Feststellung dieser Art, die die färberische Eigenart des Tuberkelbazillus betrifft, stammt wiederum von Robert Koch –, daß manche Bakterienarten bestimmte Farbstoffe leichter, andere schwerer annehmen, daß aber auch gesetzmäßige Unterschiede bestehen hinsichtlich der Zähigkeit, mit der sie den einmal angenommenen Farbstoff unter bestimmten Bedingungen, z. B. unter der Einwirkung eines entfärbenden Mittels, festhalten bzw. wieder fahren lassen. Solche Unterschiede im »färberischen Verhalten« können auf Grund ihrer Gesetzmäßigkeit oft zur Unterscheidung zweier Bakterienarten dienen, die sich im übrigen sehr ähneln. Wenn man z. B. weiß, daß ein bestimmtes krankheiterregendes Bakterium nach einer gewissen Methode färbbar ist, ein anderes ihm sonst recht ähnliches unschuldiges Bakterium aber nicht, so kann man diese Färbemethode zu einer raschen Entscheidung darüber heranziehen, ob man es in einem gegebenen Falle mit dem betr. pathogenen Bakterium zu tun hat oder nicht. Man färbt ein Ausstrichpräparat von dem zu untersuchenden Material nach der entsprechenden Methode und untersucht es mikroskopisch; sind die verdächtigen Bakterien nun gefärbt, so gehören sie – vorausgesetzt, daß sonst hinreichende Beweise dafür vorliegen – zu der pathogenen5 Art; sind sie nicht gefärbt, so gehören sie dieser sicher nicht an. Solche Entscheidungen können oft sehr wertvoll sein, besonders auch deshalb, weil sie meist selbst wenig Zeitaufwand erfordern, oft aber weitere schwierigere und zeitraubende Untersuchungen mit anderen Methoden entbehrlich machen.

Die Verwendung komplizierter Färbemethoden hat verschiedene Forscher zu allerhand vorläufig noch nicht gut untereinander vereinbaren Anschauungen über den feineren Bau der einzelnen Bakterienzelle geführt. Wir müssen von deren Erörterung absehen und uns vorläufig damit begnügen, uns deren Bau als einfachster Art vorzustellen. Einen Kern, wie die einzelligen Tiere (Protozoen) z. B. die Amoeben, oder wie die Zellen aller höheren Tiere und Pflanzen besitzen die Spaltpilze danach nicht; sie bestehen aus dem Protoplasma und einer Membran, von der die Geißeln bei den beweglichen Formen ausgehen.


Abb. 5.

Bakterien mit Geißeln; verschiedene Typen des Geißelapparates (schematisch) a eine Geißel an einem Ende der Zelle, b je eine Geißel an jedem Ende der Zelle, c Geißelbüschel an jedem Ende der Zelle, d zahlreiche Geißeln entspringen an allen Teilen der Membran der Zelle.

Mit Hilfe besonderer Färbeverfahren, deren erstes von Löffler, einem der ältesten Schüler Robert Kochs, angegeben worden ist, kann man diese Geißelfäden der Bakterien zur Darstellung bringen. Auch diese feinsten Gebilde zeigen bei den verschiedenen Bakterienarten ein verschiedenes, bei den einzelnen Individuen der gleichen Art aber stets übereinstimmendes Verhalten hinsichtlich ihrer Zahl und ihrer Anordnung. So gibt es bewegliche Stäbchen, die nur an einem Ende eine einzige Geißel haben, andere tragen eine solche an jedem ihrer Enden, wieder andere besitzen eine große Anzahl von Geißeln, die von den verschiedensten Stellen ihrer Oberfläche nach allen Seiten hin ausstrahlen (vgl. Abb. 5). Auch Zahl und Anordnung der Geißeln kann, wenn sie für eine gegebene Bakterienart einmal genau studiert ist, als Unterscheidungsmerkmal dieser Art neben anderen Eigenschaften dienen.

Unter den Lebensvorgängen, die der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind, beansprucht vor allem die Art und Weise der Fortpflanzung unser Interesse. Gerade ihre zuverlässige Beobachtung ist durch die Kochsche Isolierungsmethode außerordentlich erleichtert worden, wenn auch schon vor Koch vielfach richtige Ansichten über die Art und Weise, wie die oft enorme Vermehrung von Bakterien im einzelnen zustande kommt, gewonnen worden sind. Die Vermehrung der Bakterien erfolgt auf eine sehr einfach erscheinende Weise durch Spaltung. Der Mikrokokkus, das Kugelbakterium, das sich zur Teilung anschickt, zeigt eine langsame Vergrößerung einer seiner Achsen, dann eine Einschnürung in der Mitte und endlich eine vollkommene Abschnürung von zwei neuen Tochterkugeln. Ganz analog ist der Teilungsvorgang bei Stäbchen- und Schraubenbakterien, die nach anfänglichem Längenwachstum durch Querteilung in zwei Tochterindividuen zerfallen (vgl. Abb. 6).


Abb. 6.

Teilung durch Spaltung. a Teilung eines Kokkus b eines Stäbchens. (Schematisch.)

Bei einer beschränkten Zahl von Bakterienarten dient noch ein anderer sehr merkwürdiger Vorgang der Erhaltung der Artnicht eigentlich der Fortpflanzung: es ist dies die bei manchen Stäbchenarten unter bestimmten Bedingungen vorkommende Bildung von sogenannten Sporen, eigentümlichen, durch ihr Aussehen und ihre besonderen Eigenschaften in gleicher Weise von den Bakterienzellen unterschiedenen Gebilden. Im ungefärbten Zustand, z. B. im hängenden Tropfen, fallen diese Sporen durch ihren starken Glanz auf: sie besitzen ein viel stärkeres Lichtbrechungsvermögen als die Bakterienzellen; ihre Anordnung ist bei verschiedenen Arten verschieden, aber bei jeder sporenbildenden Bakterienart charakteristisch. Bei einzelnen Arten bilden sie sich im Innern des Stäbchens (Endosporen), bei anderen Arten treten sie regelmäßig an den Enden auf (endständige Sporen; vgl. Abb. 7). Die Bildung dieser Sporen geht in der Weise vor sich, daß zunächst kleine stärker lichtbrechende Körnchen in dem Bakterienkörper auftreten, die dann an Größe zunehmen und schließlich die ganze Dicke der Bakterienzelle einnehmen, ja übertreffen können. Die Bakterienzelle selbst pflegt schließlich zu zerfallen, so daß nur die freie Spore übrig bleibt (vgl. Abb. 7 c). Bei Färbung mit den gewöhnlichen Anilinfarben bleiben die Sporen im Gegensatz zu dem Bakterienkörper ungefärbt. Die hervorstechendste Eigentümlichkeit dieser Sporen ist ihre ganz außerordentlich große Widerstandsfähigkeit gegenüber allen möglichen physikalischen Einflüssen, denen die Bakterienzellen selbst erliegen. So vertragen sie viel höhere Grade der Austrocknung als jene, vor allem aber auch sehr viel stärkere Erhitzung, ohne abzusterben. Sie bleiben z. B. beim einmaligen Aufkochen einer Flüssigkeit am Leben und besitzen nun die weitere Fähigkeit, unter geeigneten Bedingungen wieder zu Bakterienzellen auszukeimen, die sich entweder durch Spaltung vermehren oder unter anderen Bedingungen wieder durch Sporenbildung gegen den Untergang schützen können. Sporenbildende Bakterien sind es z. B., die in der einmal kurz aufgekochten Milch nicht mit anderen zugrunde gehen, und sie sind denn auch die letzte Ursache der Irrlehre von der »generatio spontanea« gewesen (vgl. o.).


Abb. 7.

Sporenbildung. a mittelständige Sporen, Endosporen, b endständige Sporen, c freie Sporen.

In den Lebensbedingungen der Spaltpilze, soweit sie bisher erforscht sind, zeigt sich wenn möglich eine noch größere Mannigfaltigkeit als in deren Bau. Aber auch hier steht der Fülle der wechselnden Erscheinungen eine sich bis auf die kleinsten Einzelheiten erstreckende gesetzmäßige Konstanz der Eigenschaften gegenüber, sobald wir eine bestimmte Bakterienart untersuchen.

Gewisse Lebensbedingungen sind allen Spaltpilzen gemeinsam: alle sind in hohem Maße empfindlich gegen die Einwirkung des Lichts; im hellen Tageslichte gehen sie bald zugrunde. Unerläßliche Bedingung für ihre Fortpflanzung ist Dunkelheit. Alle Spaltpilze bedürfen weiterhin, wie alle lebenden Wesen, der Nahrung. Vor allem können sie das Wasser nicht entbehren. Aber schon in diesem Punkte treten deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten hervor, insofern als die einen unvergleichlich viel empfindlicher gegen Eintrocknung sind als andere. Besonders widerstandsfähig gegen diese Schädigung sind natürlich, wie wir vorher schon kurz erwähnten, diejenigen Arten, die die Fähigkeit besitzen, resistente Dauerformen, Sporen, zu bilden.

Gemeinsam ist allen Bakterien weiterhin, daß sie einer gewissen Wärme bedürfen, um sich zu vermehren; aber auch in dieser Beziehung sind die Bedürfnisse der einzelnen Arten ganz außerordentlich verschieden. Jede einzelne Art besitzt eine genau bestimmbare Temperaturbreite von sehr wechselndem Ausmaß, innerhalb deren sie zur Vermehrung befähigt ist, und für jede einzelne Art kann man innerhalb dieser Zone eine Temperatur finden, bei der das Wachstum am üppigsten vor sich geht, das sogenannte Temperaturoptimum des betreffenden Bakteriums. Alle dem Menschen als Infektionserreger gefährlichen Arten können, wie man von vornherein vermuten wird, bei der Temperatur des menschlichen Körpers, also etwa bei 37° C, wachsen, die meisten haben ungefähr bei diesem Wärmegrade ihr Temperaturoptimum. Wir bedürfen deshalb zur Kultur der pathogenen Bakterien sogenannter Brütschränke, oder, wenn sehr große Mengen von Kulturen untergebracht werden müssen, eines Brützimmers, eines Raumes also, in dem durch geeignete Vorrichtungen (sogenannte Thermoregulatoren) ständig genau die Temperatur von 37° C erhalten wird.

Unter den ungefährlichen Arten gibt es dagegen sehr viele, denen diese Temperatur schon zu hoch ist; aber auch unter den pathogenen Bakterien sind die Temperaturansprüche außerordentlich verschieden. Manche gehen schon sehr bald zugrunde, wenn sie nur kurze Zeit etwa auf Zimmertemperatur, also ungefähr 20° C abgekühlt werden, andere dagegen, wie z. B. der Pestbazillus, vermögen noch bei 8°, ja nach einzelnen Beobachtungen bei noch geringerer Wärme sich zu vermehren. Freilich liegt ihr Temperaturoptimum erheblich höher, nämlich etwa bei 30°.

Noch schärfer ausgeprägt ist die Verschiedenheit in dem Verhalten der einzelnen Bakterienarten zum Sauerstoff der Luft; es gibt Spaltpilze, die ihn zum Leben so nötig haben wie die höheren Tiere (aërophile oder aërobe, luftbedürftige Arten) und andere, die sich bei seiner Anwesenheit überhaupt nicht zu entwickeln vermögen (anaërobe, luftscheue Arten). Um die letzteren zu kultivieren, hat man sehr verschiedene Methoden angegeben; man kann z. B. die Kulturröhrchen oder Platten in einem gut verschlossenen Raume aufstellen, den man mit reinem Wasserstoffgas gefüllt hat.

Sehr deutlich zeigt sich das verschiedene Sauerstoffbedürfnis, wenn man sogenannte hohe Stichkulturen von einem darauf zu prüfenden Keim anlegt. Man impft den in einem Reagenzgläschen befindlichen starren Nährboden, indem man einen langen Platindraht, an dessen Spitze eine kleine Menge der aus einer Reinkultur stammenden Aussaat haftet, tief in das Röhrchen einmal einsticht. Dabei bleiben längs des ganzen Stiches Keime haften; sauerstoffscheue Bakterienarten werden aber nach einiger Zeit ausschließlich an den tiefsten Stellen des Stiches, da, wo die Luft keinerlei Zutritt hat, Wachstum zeigen, das man mit bloßem Auge wahrnehmen kann. Sauerstoffbedürftige gedeihen nur an der Oberfläche und in der nächsten Nähe, eben soweit der Sauerstoff dringt. Manche Arten sind auch in dieser Hinsicht indifferent und vermögen annähernd gleich gut mit und ohne Sauerstoff zu existieren (vgl. Abb. 8).

Ganz besonders mannigfaltig sind aber die Ansprüche der verschiedenen Bakterienarten an die Beschaffenheit und Zusammensetzung der Nährsubstrate, in oder auf denen wir sie züchten. Zum Beispiel muß die chemische Reaktion des Nährsubstrates sorgfältig in jedem Falle berücksichtigt werden, wenn auch im allgemeinen die krankheiterregenden Keime neutrale oder ganz schwach alkalische Reaktion verlangen. Schon ganz geringe Unterschiede im Grade der Alkaleszenz können zur Folge haben, daß das Wachstum der einen Art überhaupt ausbleibt, das einer anderen Art dafür besonders üppig ausfällt. Ausnahmsweise wird auch bei pathogenen Bakterien die Bevorzugung einer leicht sauren Reaktion beobachtet.


Abb. 8.

Wachstum in hohen Stichkulturen. a aërobe, b anaërobe, c indifferente Bakterien. (Schematisch.)

Alle die Nährsubstrate zu besprechen oder auch nur zu erwähnen, die zur Kultur von pathogenen Bakterien verwendet werden, würde uns viel zu weit führen. Jede einzelne krankheiterregende Art ist auf das Sorgfältigste auf ihre Bedürfnisse hin untersucht worden, und deren genaue Berücksichtigung ist zur Vermeidung von Mißerfolgen bei Kulturversuchen durchaus notwendig. Gerade auf diesem Gebiet war wiederum Robert Koch der bahnbrechende Forscher, besonders durch die Überwindung der außerordentlich großen Schwierigkeiten, die sich der Kultur der Tuberkelbazillen entgegenstellten, die nur auf bestimmten Substraten ein noch dazu außerordentlich langsames Wachstum zeigen.

Eine sehr große Zahl von pathogenen Keimen gedeiht unter sonst geeigneten Bedingungen in der gewöhnlichen Nährbouillon, die aus Fleischwasser mit Zusatz von Pepton und Kochsalz hergestellt wird, und Nährgelatine, die außer diesen Bestandteilen noch Gelatine enthält. Die Temperatur von etwa 20°, bei der wir die Gelatineplatten halten müssen, um die feste Konsistenz des Nährbodens zu gewährleisten, ist aber für viele Krankheitserreger zu niedrig. Sie gestattet ihnen entweder gar keine oder doch nur eine sehr langsame Vermehrung. Es war deshalb ein großer Fortschritt, als eine Dame, Frau Dr. Hesse, den Gelatinezusatz durch einen solchen von Agar-Agar, eine indische Tangart, ersetzte, die den einmal durch Kochen verflüssigten Nährboden erst bei einer Abkühlung auf etwa 39° wieder erstarren läßt, bei Körpertemperatur also den festen Zustand bedingt. Durch Zusatz bestimmter Mengen von allerhand Substanzen, wie beispielsweise Traubenzucker, Glyzerin und anderen, kann man diese einfachen Nährböden für die Kultur der verschiedenen Bakterienarten nach deren mannigfaltigen Bedürfnissen geeigneter machen.

Viele pathogene Bakterien gedeihen am besten, manche sogar ausschließlich, wenn ihnen tierisches Eiweiß in nicht koaguliertem Zustande zur Verfügung steht, also beispielsweise in der Form steril entnommenen Blutes, das dem Nährboden zugesetzt wird. Einzelne sind so kapriziös, ausschließlich nur auf menschenbluthaltigen Nährböden zu wachsen, andere bevorzugen das Blut irgendeiner bestimmten Tierart.

Aus dem, was eben über die Nährsubstrate gesagt wurde, ergibt sich, daß wir die Erfüllung der Grundbedingungen für die Verwendbarkeit eines Nährbodens, nämlich seine völlige Keimfreiheit, auf sehr verschiedenem Wege anstreben müssen: unkoaguliertes Körpereiweiß können wir ausschließlich durch »sterile Entnahme« aus dem Körper eines höheren Tieres gewinnen; die meisten anderen Nährsubstrate »sterilisieren« wir durch Erhitzung.

Wir müssen hier auf die verschiedenen Sterilisationsmethoden der Vollständigkeit halber kurz eingehen. Schon in der Einleitung war erwähnt, daß einmaliges Aufkochen einer Flüssigkeit zu deren Sterilisation nicht ausreicht. Wir sahen dann später die Ursache dieses merkwürdigen Phänomens in der Fähigkeit vieler Bakterienarten, hitzebeständige Dauerformen, Sporen, zu bilden. Alle unsere Sterilisationsmethoden müssen darauf abzielen, die Gefahr der Verunreinigung durch derartige zum Auskeimen befähigte Sporen zu vermeiden. Wir müssen dabei sehr verschieden verfahren. Trockene Glasgeräte erhitzen wir in sehr einfacher Weise in einem festverschlossenen Eisenblechkasten, unter dem eine große Gasschlange angebracht ist, auf 150–180° C und können nach einer Viertelstunde gewiß sein, daß alle Sporen abgetötet sind. Die meisten flüssigen Nährsubstrate können wir durch Kochen sterilisieren. Wir bringen sie in Glaskolben oder Röhrchen in einen sogenannten Kochschen Dampftopf, ein mit locker schließendem Deckel versehenes zylindrisches Blechgefäß, dessen unterer Teil etwas Wasser enthält, das wir durch eine Flamme zum Sieden bringen. Die Behälter mit den zu erhitzenden Flüssigkeiten stehen auf einem Rost über dem Wasserspiegel und werden durch den entwickelten Dampf bis nahezu zur Temperatur des siedenden Wassers erwärmt. Besonders widerstandsfähige Sporen überleben aber eine solche Erhitzung, selbst wenn sie eine Stunde lang fortgesetzt wird. Um auch ihrer Herr zu werden, kann man sich der »fraktionierten« Sterilisation bedienen: man erhitzt die betretende Flüssigkeit eine Stunde im Dampftopf, läßt sie dann sich wieder abkühlen, wiederholt die Erhitzung und die Abkühlung noch mehrmals und ist nun schließlich sicher, ein keimfreies Substrat zu haben: die nach der ersten Erhitzung übriggebliebenen Sporen sind in dem guten Nährboden nach der Abkühlung teilweise oder alle ausgekeimt. Die entstandenen Bakterienzellen werden bei der zweiten Erhitzung getötet. Sind etwa doch noch Sporen übrig geblieben, so fallen sie der dritten oder vierten Wiederholung der Prozedur zum Opfer.

Rascher führt eine andere Methode zum Ziel, die freilich einen etwas kostspieligen Apparat erfordert: das Sieden unter Druck im festverschlossenen Gefäß, einem sogenannten Autoklaven. Mit dem Steigen des Druckes steigt die Temperatur, und man kann so einen Dampf von 120 und mehr Grad Wärme auf die Nährböden wirken lassen, die bei diesem Vorgange schon nach einer Viertelstunde keimfähige Sporen nicht mehr enthalten. Die Verwendung sehr niedriger Temperaturen kommt für die Sterilisation nicht in Betracht, da die meisten Bakterienarten alle mit den gewöhnlichen Mitteln erreichbaren Abkühlungen vertragen können, genau ebensogut, wie die Samen der höheren Pflanzen.


Abb. 9.

Ein Röhrchen mit schräg erstarrtem Nähragar, auf dessen Oberfläche man Bakterien züchten kann. Verschluß durch Wattebausch. ½ der natürl. Größe.

Die einmal sterilisierten Nährböden müssen natürlich in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden, da sie sonst durch eindringende Keime verunreinigt und für unsere Zwecke unbrauchbar gemacht werden würden. Zum Verschluß der Gefäße (Kölbchen, Reagenzgläschen) verwendet man in der Regel einen Wattebausch, der sich als vollkommen sicherer Schutz gegen das Eindringen von Luftkeimen bewährt.

Es bedarf kaum der Betonung, daß wir auch bei der Impfung eines solchen Kulturröhrchens sehr vorsichtig und rasch zu Werke gehen müssen, damit nicht in der Zeit, während deren wir das Aussaatmaterial in das geöffnete Gefäß einführen, Luftkeime hineindringen. Selbstverständlich muß auch das Instrument, mit dem wir die Überimpfung vornehmen, sicher steril sein. Wir verwenden dazu meist einen dünnen, zu einer Öse umgebogenen Platindraht, der an einem langen handlichen Stiel befestigt ist, und der vor dem Gebrauch in der Flamme des Bunsenbrenners bis zum Glühen erhitzt und dann rasch abgekühlt worden ist. Mit diesem streichen wir ein klein wenig von einer Bakterienkolonie auf der Oberfläche eines Nähragarröhrchens aus. Schon am folgenden Tage werden wir (bei geeigneter Temperatur) an der Stelle der Aussaat schon eine Kultur aufgehen sehen.

Das Tempo und die geringere oder größere Üppigkeit des Wachstums, ferner auch das Aussehen des sich entwickelnden »Rasens« ist für die verschiedenen Arten oft wiederum charakteristisch. Namentlich aber die Kolonien auf den Platten haben oft ein durchaus eigenartiges Gepräge, so daß man nach ihrem Aussehen mit bloßem Auge oder mit Hilfe eines schwachen Vergrößerungsglases oft schon mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen kann, welcher Keimart sie angehören. So bilden manche Bakterien vollkommen scharf begrenzte und kreisrunde, andere wieder weinblattförmige, wieder andere Mikroorganismen unregelmäßig gestaltete, an den Rändern stark aufgefaserte Kolonien (vgl. Abb. 16 u. 26).


Abb. 10.

Platinöse zum Impfen von Bakterienkulturen.

Unmittelbar wahrnehmbar ist bei vielen Bakterienarten auch die Bildung von Pigment in den Kulturen, besonders häufig sind weiße und grauweiße Farbentöne, doch gibt es zahlreiche Arten, die Pigment von allen Farben zu bilden vermögen.

Besonders zur Unterscheidung der Bakterienarten verwertbar sind weiterhin deren chemische Leistungen. Einige wenige Beispiele mögen dies veranschaulichen. Betrachten wir Gelatineplattenkulturen von Choleravibrionen z. B. am dritten Tage nach der Einsaat, so sehen wir, daß das Nährsubstrat in der Nachbarschaft der einzelnen Kolonien verflüssigt worden ist: die Choleravibrionen besitzen die Fähigkeit, Eiweiß zu peptonisieren. Das Vorhandensein oder Fehlen dieser Fähigkeit ist wiederum bei verschiedenen Arten eine konstante Eigenschaft und deshalb zu ihrer Charakteristik verwertbar. – Ähnlich verhält es sich mit dem Nachweis von charakteristischen Stoffwechselvorgängen in den Reinkulturen mancher Bakterien; so bringen beispielsweise manche Spaltpilzarten unter Säureproduktion Milch zur Gerinnung, in der sie wachsen, während andere Arten dieser Fähigkeit stets ermangeln. Eine andere chemische Leistung, die für manche Bakterienarten charakteristisch ist, ist die Vergärung des Traubenzuckers. Impft man von einer Reinkultur eines solchen Mikroorganismus einen traubenzuckerhaltigen Nährboden (Bouillon oder Nähragar), so erkennt man sehr deutlich den Eintritt der Gärung an der Bildung von Gasblasen, die den festen Nährboden unter Umständen förmlich zerfetzen können. Die Erscheinung fehlt, wenn der untersuchte Spaltpilz der Fähigkeit ermangelt, Traubenzucker zu vergären.

Zur vollständigen Untersuchung einer pathogenen Bakterienart gehört unter Umständen noch als letzte, der medizinischen Bakteriologie besonders eigene Aufgabe: die Prüfung der »Pathogenität« der Reinkultur im Tierexperiment. Gerade dieser Methode verdankt die Wissenschaft außerordentlich wertvolle Fortschritte, und ihre vernünftige sachgemäße Anwendung kann nur von Leuten angefeindet werden, die über Ziel und Wege der medizinischen Forschung mangelhafte Vorstellungen haben. Die Beurteilung des Ausfalls von Tierexperimenten ist übrigens eine weit schwierigere Aufgabe, als man häufig anzunehmen geneigt ist.

Die ursprüngliche Absicht bei der künstlichen Infektion von Tieren mit Reinkulturen ging darauf hinaus, experimentell die gleiche Krankheit zu erzeugen, deren Erreger man in Händen zu haben glaubte. Man strebte dieses Ziel namentlich in der ersten Zeit der bakteriologischen Entdeckungen in jedem einzelnen Falle an, in dem man einen Krankheitserreger entdeckt zu haben glaubte. Ja, man hielt den Beweis dafür, daß ein aus Krankheitsprodukten isolierter Keim wirklich der Erreger der betreffenden Krankheit sei, erst dann für erbracht, wenn man mit seinen Reinkulturen das typische Krankheitsbild experimentell auslösen konnte. Es ergab sich nun aber bald, daß dies nicht in allen Fällen gelang; von großer Bedeutung zeigte sich zunächst die Auswahl der Versuchstiere nach ihrer Artzugehörigkeit. So war es leicht und sicher gelungen, bei Rindern durch Impfung mit Reinkulturen das typische Bild der Milzbranderkrankung auszulösen. Versuche, die typischen Bilder menschlicher Infektionskrankheiten bei Versuchstieren durch Impfung mit Reinkulturen auszulösen, gelangen dagegen nur in ganz bestimmten Fällen und auch für diese nur in gewissem Sinne: Man kann z. B. bei Versuchstieren das Bild der menschlichen Diphtherie nicht durch Einbringung von Reinkulturen in den Rachen hervorrufen. Man kann ferner bei den gebräuchlichen Versuchstieren auch durch Fütterung mit massenhaften Choleravibrionen im allgemeinen nicht das Bild der menschlichen Cholera reproduzieren. Versuchstiere, denen man Reinkulturen von Diphtherie- oder Cholerabazillen aus menschlichen Krankheitsfällen injiziert, sterben allerdings oft im Anschluß daran, aber unter ganz anderen Erscheinungen, als sie die betreffenden menschlichen Krankheiten darbieten. Daneben gibt es freilich auch einige Infektionskrankheiten, die, beim Tiere durch Impfung mit Reinkulturen des betreffenden Erregers künstlich erzeugt, einen ganz typischen Verlauf zeigen, der in hohem Grade mit dem der menschlichen Krankheit übereinstimmt. Ein Beispiel dieser Art bildet die Pest: wenn man mit ganz kleinen Mengen einer Reinkultur von Pestbazillen ein Meerschweinchen oder eine Ratte an einer oberflächlichen kleinsten Hautwunde impft, so entwickelt sich bei dem Tiere ein Krankheitsbild, das in vielen Einzelheiten mit dem der menschlichen Beulenpest übereinstimmt.

Über die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens unserer Versuchstiere gegenüber verschiedenen Krankheitserregern gewinnen wir Klarheit, wenn wir in Erwägung ziehen, daß kleine Nagetiere auch »spontan« – d. h. unter natürlichen Bedingungen, ohne unser absichtliches Eingreifen – an Pest erkranken können, daß sie aber niemals spontan an Cholera oder an Diphtherie erkranken: jede einzelne Tierart erkrankt spontan nur an ganz bestimmten Infektionskrankheiten und so auch der Mensch. Man pflegt das auch so auszudrücken: Jede Tierart ist »empfänglich« nur für bestimmte Infektionserreger, gegen andere ist sie widerstandsfähig, oder, wie man mit dem lateinischen Ausdruck zu sagen pflegt, »resistent«. Wir müssen für unsere Versuchstiere dabei stets im Auge behalten, daß sie einem gegebenen Keime gegenüber oft zwar insofern »resistent« sind, als sie spontan niemals seiner krankmachenden Wirkung erliegen, daß sie aber für eine künstliche Infektion (Injektion) mit großen Dosen »empfänglich« sind. Diese »Resistenz« kann sich sowohl gegenüber spontanen als auch gegenüber künstlichen Infektionen geltend machen, oder aber – wie im Falle der Cholera, der Diphtherie – nur gegenüber der natürlichen (spontanen) Infektion bestehen. In diesem letzteren Falle kann man durch Injektion kleinerer oder größerer Dosen von Reinkulturen eines gegebenen Keimes Erkrankung und Tod des Versuchstieres herbeiführen. Man nennt einen Stamm einer pathogenen Bakterienart »virulent«, wenn kleine Dosen bereits diese Wirksamkeit entfalten, »avirulent«, wenn große Dosen dazu nötig sind. Die »Virulenz« ist Schwankungen unterworfen. Von einer höchst »virulenten« Reinkultur von Pestbazillen genügt, soweit sich das feststellen läßt, ein einziger Keim, um z. B. bei einer Ratte eine tödliche Pestinfektion auszulösen. Wenn man aber eine Pestkultur im Laboratorium jahrelang auf künstlichen Nährböden immer weiter gezüchtet hat, so findet man sie in der Regel völlig »avirulent«, d. h. außerstande, auch bei empfänglichen Versuchstieren Pest hervorzurufen. Ähnlich verhalten sich auch Milzbrandkulturen nach häufigem Überimpfen auf künstlichen Nährsubstraten.

So wie die Virulenz verloren gehen kann, kann sie unter Umständen, vorausgesetzt, daß sie noch nicht ganz erloschen war, wieder gesteigert werden, und zwar in der Regel durch die Methode der sogenannten Tierpassage. Infiziert man mit sehr reichlichen Mengen einer schwach virulenten Kultur, beispielsweise von Milzbrandbazillen, ein für Milzbrand empfängliches Versuchstier, so kann es unter Umständen zu einer Vermehrung der Milzbrandbazillen im Tierkörper und zur Erkrankung des Tieres kommen. Züchtet man nun aus dessen Blut wiederum die Milzbrandbazillen, und wiederholt man diese Maßnahme noch ein oder einige Male, so sieht man die Virulenz mehr und mehr zunehmen, so daß immer kleinere Dosen der Reinkulturen zur Erzeugung eines Impfmilzbrandes ausreichen. Dabei hat sich die merkwürdige Tatsache ergeben, daß die Steigerung der Virulenz sich geradezu spezifisch nur auf die zur Tierpassage verwandte Tierart beziehen kann, ja, man hat weiterhin sogar feststellen können, daß bei solchen Passageversuchen zuweilen mit der Zunahme der Virulenz für die Passagetierart eine Abnahme der Virulenz für eine andere an sich ebenfalls empfängliche Tierart einhergeht. Mit anderen Worten: ebenso wie Empfänglichkeit und Resistenz einer jeden Tierart gegenüber pathogenen Keimen verschiedener Art spezifisch bestimmt sind, ist auch der Grad der Virulenz eines pathogenen Bakteriums jeder einzelnen Tierspezies gegenüber spezifisch bestimmt, bzw. verschieden. Danach kann es denn auch nicht wundernehmen, daß zuweilen Mikroorganismen, die von besonders schweren Krankheitsfällen des Menschen isoliert worden sind, sich bei der Übertragung auf Versuchstiere als wenig virulent für diese erwiesen haben.

Aus alledem ergibt sich eine sehr große Schwierigkeit in der Beurteilung der Resultate von experimentellen Infektionen von Versuchstieren. Nur unter genauester Berücksichtigung dieser Verhältnisse darf man aus den Beobachtungen am künstlich infizierten Tiere Rückschlüsse auf Vorgänge und Zustände beim Menschen ziehen, und nur in der Hand der kritischsten Beobachter vermag das Tierexperiment wertvolle Ergebnisse zu liefern. In der Tat verdanken wir ihm außerordentlich wichtige Aufschlüsse, nicht nur über das Zustandekommen von Infektionskrankheiten, sondern vor allen Dingen auch über die natürlichen Heilungsvorgänge und über Mittel, diese Heilungsvorgänge zu unterstützen, zu beschleunigen, ja, unter Umständen geradezu hervorzurufen.

Die krankheiterregenden Bakterien

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