Читать книгу Sexblättriges Kleeblatt - Max Nortic - Страница 5
2
ОглавлениеAls Ray Jenkins etwa eine Stunde in der kleinen Stadt Ferris verbracht hatte, wußte er schon: Das ist es! Er schlenderte noch eine Weile herum, um sich an die Atmosphäre zu gewöhnen und die Reaktionen der Einwohner zu beobachten. Die meisten Mädchen waren jung und hübsch, gesund und sonnengebräunt. Einige lächelten ihn verspielt an, während andere ganz einfach neugierig starrten. Auch reife Frauen bedachten ihn mit einem Lächeln, das weniger verspielt wirkte, aber beinahe noch mehr Neugier verriet.
Ray war daran gewöhnt. Seit zehn Jahren — damals war er gerade sechzehn gewesen — hatten Frauen jeder Kategorie ihn angestarrt … freundlich, interessiert, anerkennend, zaghaft und — nicht selten — mit unverhohlenem Hunger im Blick. Er wußte längst, wie sein gutes Aussehen auf Frauen wirkte.
Jetzt — mit sechsundzwanzig Jahren — war er immer noch Junggeselle, weil die Frauen ihm gegenüber bisher ungemein großzügig gewesen waren, so daß er es nicht nötig gehabt hatte, sich an eine einzige Frau zu binden … nur wegen einer Sache, die er auch so haben konnte, wenn er es darauf anlegte, seinen Charme auszuspielen.
Aber mitunter hatte es auch Rückschläge gegeben; gelegentlich sogar sehr ernsthafter Natur. Wie zum Beispiel bei dieser Geschichte, die er erst vor wenigen Tagen in Chikago erlebt hatte.
Ray hatte es sich schon vor vielen Jahren zur strengen Regel gemacht, sich niemals mit verheirateten Frauen einzulassen. Er hielt nichts davon, im Revier eines anderen Mannes zu wildem, wo es doch auf freier Wildbahn mehr als genügend Gelegenheit zur Jagd gab.
Aber ab und zu konnte selbst ein Mann wie Ray nicht ganz der Versuchung widerstehen, die von verheirateten Frauen ausging. Vor allem dann nicht, wenn die Frau eines anderen es geradezu darauf anlegte, ihn zu verführen. Natürlich mußte sie außerdem ungewöhnlich schön sein.
Das war vor wenigen Tagen zum letzten Mal passiert … und zwar ausgerechnet mit der Frau seines Chefs! Man hatte sie erwischt … zusammen im Bett … und ausgerechnet im Moment eines Höhepunkts!
Bei der Erinnerung daran wischte sich Ray unwillkürlich mit dem Handrücken über die Stirn.
Er betrat einen Drugstore, setzte sich an die Theke und bestellte eine Coca. Das Mädchen hinter dem Tresen starrte ihn offenen Mundes an.
Ray zündete sich eine Zigarette an und erinnerte sich unbehaglich an jenen Zwischenfall vor wenigen Tagen. Er war jetzt noch froh, daß die Szene nicht in eine Prügelei ausgeartet war. Mit seinem muskulösen Körper hätte er einen Kampf mit seinem Arbeitgeber mit Leichtigkeit gewinnen können, aber er war entschlossen gewesen, nicht zurückzuschlagen. Er war im Unrecht gewesen, und das hatte er gewußt. Als sein Chef so dagestanden und sie aus kalten Augen widerwillig gemustert hatte, war Ray bereit gewesen, den anderen zuschlagen zu lassen, ohne sich zu wehren. Aber das hatte sein Boß nicht getan. Er hatte Ray lediglich in schneidendem Tonfall auf gef ordert, zu verschwinden, sich an der Kasse sein restliches Gehalt auszahlen zu lassen und — falls ihm seine Gesundheit lieb sein sollte — schleunigst den Staub dieser Stadt von seinen Füßen zu schütteln.
Ray hatte den Rat befolgt. Er schätzte seine Gesundheit sehr hoch ein. Und er wußte, daß es in Chikago keine Mühe machte, ein paar Schläger für ein paar Dollar anzuheuern und ihnen den Auftrag zu geben, einen Mann zusammenzuschlagen. Es war also nicht um die Frage des persönlichen Mutes, sondern um eine Entscheidung des gesunden Menschenverstandes gegangen.
Und in gewisser Hinsicht war dieser Zwischenfall für Ray sogar recht gut gewesen. Er hatte eine Lektion bekommen. Während der etwa zweihundert Meilen langen Fahrt von Chikago nach Ferris hatte diese Lektion Ray zu intensivem Nachdenken angeregt.
Er war es allmählich leid, von Stadt zu Stadt zu ziehen; von Bett zu Bett, ohne jegliches Gefühl, irgendwohin zu gehören. Dieser Lebenswandel war unbefriedigend. Natürlich hatte Abwechslung auch ihre Reize und Vorteile, wie Ray sich unter raschem Grinsen eingestand. Jedes Abenteuer mit einer anderen Frau war stets ein erhebendes Gefühl gewesen; stets das Versprechen, bei jeder neuen Partnerin, die sich bereitwillig unter ihm wand, etwas anderes zu entdecken. Das alles war bei ihm zur festen Gewohnheit, zu einem Bestandteil seines Lebens geworden, und es dürfte sicher nicht leicht sein, damit von heute auf morgen zu brechen.
Aber diesmal mußten die Dinge einfach anders werden! Ray war grimmig entschlossen, sich endgültig irgendwo niederzulassen und endlich etwas aus sich zu machen. Kalte, ehrliche Selbsterkenntnis reichte vollkommen aus, um diesen Vorsatz ausnahmsweise und zur Abwechslung einmal ernst zu nehmen und auch in die Tat umzusetzen. Ray war jetzt sechsundzwanzig; er hatte weder Verwandte noch Freunde. Mit Ausnahme von Sam King, einem alten Kameraden aus der Army. Und Ray hatte weder ein festes Zuhause noch einen Job. Falls er sich noch länger so ziellos in der Welt herumtreiben würde, dürfte es um seine Zukunft trübe bestellt sein.
Ray war Autoverkäufer, und zwar ein sehr guter. Aber ein Job nach dem anderen … und noch immer keinerlei finanziellen Rückhalt.
Manchmal war es seine eigene Rastlosigkeit, die ihn zur Aufgabe einer Stellung veranlaßte, mitunter aber hatten sich auch Kollegen oder Chefs höchst unbehaglich gefühlt, ihn in unmittelbarer Nähe zu haben, wenn sie verheiratet gewesen waren. Dieser Mann sah ihrer Meinung nach einfach zu gut aus, um ihn gefahrlos mit Ehefrauen in. Kontakt bringen zu können. Man hatte ihn also nicht selten kurzerhand gefeuert, um ihn loszuwerden. Irgendein fadenscheiniger Vorwand hatte sich stets finden lassen.
Männer mochten Ray, freundeten sich aber nie mit ihm an, und schon gar nicht, wenn sie verheiratet waren. Dagegen wurden verheiratete Frauen einfach zu freundlich! Während Ray von Chikago nach Ferris fuhr, wurde er sich einer ruhigen Resignation bewußt, die fast an Verzweiflung grenzte. Die Jahre vergingen viel zu schnell … und Ray hatte bisher nichts aufzuweisen. Mit Ausnahme vieler Erinnerungen. Zugegeben, es waren durchaus angenehme Erinnerungen, einige sogar fantastisch, aber … man konnte schließlich keine Zukunft darauf aufbauen. Nein, nein … diesmal mußte er wirklich etwas aus sich machen. Dieses Versprechen hatte er sich zwar früher auch schon gegeben, aber meistens nur mit halbem Herzen; fast so, als wäre alles nur ein Spaß.
Jetzt aber war es ganz und gar kein Spaß mehr. Ray schwebte in der akuten Gefahr, ein chronischer Versager zu werden, falls es ihm diesmal wieder nicht gelingen sollte, sein Versprechen zu halten und wahr zu machen. Seine leichten und mühelosen Erfolge bei Frauen könnten ihm schließlich allen Ehrgeiz rauben und ihn zu einem faulen Herumtreiber machen … zu einem Landstreicher. Als Ray dieses Wort auch nur dachte, knirschte er mit den Zähnen. Er haßte es. Sein Vater war ein Landstreicher gewesen. Ray war verbissen entschlossen, sich nicht auf den gleichen Pfad ins Dunkel treiben zu lassen.
Er wollte für den Anfang weiter nichts als einen guten Job mit Zukunftsaussichten.
Ferris schien ihm ein idealer Ort dafür zu sein, sich endgültig niederzulassen. Ray erinnerte sich daran, wie Sam King ihm während ihrer gemeinsamen Dienstzeit bei der Army die kleine Stadt immer beschrieben hatte … friedlich, aufstrebend und strotzend von Gelegenheiten.
Und alles, was Ray jetzt brauchte, war eine gute Gelegenheit. Das redete er sich jedenfalls ein. Nur eine einzige gute Gelegenheit.
Ray stand auf, bezahlte seine Coca und suchte im Telefonbuch nach Sams Adresse. Er wußte, daß er eigentlich erst anrufen sollte, aber dann beschloß er, den alten Kumpel einfach zu überraschen. Falls Sam nicht zu Hause sein sollte, könnte Ray ja am Abend noch einmal hingehen. Die Fahrt durch die Stadt würde ihn auf alle Fälle etwas mit der Ortschaft vertraut machen.
Und so hielt Ray zehn Minuten später an der Bordsteinkante einer ruhigen, von Bäumen beschatteten Straße an. Er schaltete den Motor seines alten, klapprigen Fords ab, stieg aus, ging über den schmalen Gartenpfad zu dem alten, zweistöckigen Haus hinüber und läutete.
Eine Minute später wurde die Tür geöffnet.
Ray blickte auf eine kleine, sehr hübsche blonde Frau hinab, die einen Hausmantel trug. Er lächelte.
„Hallo! Ist Sam zu Hause?”
„Nein. Er ist in der Redaktion.”
Ray stellte sich vor und schloß: „Nun, dann komme ich wohl am besten heute abend noch einmal wieder.”
„Nein, nein!” rief sie rasch.
Die Art, wie sie das eben gesagt hatte, ließ bei Ray sofort eine Alarmglocke im Kopf anschlagen.
Doch die Frau bestand darauf, daß er ins Haus kommen sollte.
Also ging Ray hinein. Er folgte ihr ins Wohnzimmer, akzeptierte den angebotenen Kaffee und beobachtete, wie die kleinen, strammen Arschbacken sich unter dem dünnen Hausmantel bewegten, als die Frau das Wohnzimmer verließ und in die Küche ging. Nachdenklich zündete er sich eine Zigarette an.
Bisher hatte ihn die Alarmglocke in seinem Gehirn noch nie getäuscht. Im Laufe der Jahre hatte Ray gewissermaßen einen sechsten Sinn entwickelt, soweit es Frauen betraf. Er konnte beinahe sofort ganz instinktiv sagen, ob eine Frau zum letzten bereit war oder nicht.
Aber Ray konnte zugleich spüren, wenn ihm irgendwelcher Ärger drohte.
Sein scharfer Instinkt, gepaart mit langjähriger Erfahrung und einer guten Beobachtungsgabe, warnte ihn nun, daß diese Sherry King leicht Ärger für ihn bedeuten könnte. Gleichzeitig verriet ihm sein Instinkt aber auch, daß er es mit einem Tramp zu tun hatte. Diese Frau war eine hemmungslose Schlampe!
Ray hatte sofort bemerkt, wie Sherry bei seinem Anblick die Augen aufgerissen hatte; wie sie ihn hungrig und gierig angestarrt und von oben bis unten gemustert hatte; wie sich ihre kleinen, festen Brüste unter dem dünnen Stoff des Hausmantels bei einigen schnelleren Atemzügen gehoben und gesenkt hatten.
Ray war im Laufe der Jahre schon zu vielen Frauen dieses Typs begegnet, um nicht augenblicklich Bescheid zu wissen. Er fällte niemals ein vorschnelles Urteil über Frauen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, aber diesmal war er fest davon überzeugt, daß ihn sein Instinkt nicht trog. Was ihn verwunderte, war allerdings die Tatsache, warum ein so netter Bursche wie Sam eine solche Frau geheiratet hatte.
Sherry kam mit dem Kaffee ins Wohnzimmer zurück und setzte sich neben Ray auf die Couch.
Sie hat das Gesicht eines kleinen Mädchens, dachte Ray. Nur ihre Augen verraten sie.
Sherrys Augen glitzerten im Moment vor gierigem Hunger.
„Sam hat mir schon von Ihnen erzählt”, sagte sie mit heiserer Stimme. „Aber er hat mich nicht darüber aufgeklärt, wie gut Sie aussehen!” Ihre rosa Zungenspitze huschte rasch über die feuchten Lippen.
Ray nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
„Wir waren sehr gute Freunde … beinahe wie Brüder, Mrs. King.”
„Nennen Sie mich doch einfach Sherry”, schlug sie vor. „Er spricht viel von Ihnen, Ray. Sie müssen also wirklich etwas ganz Besonderes sein!”
Sherry steckte sich eine Zigarette zwischen die kleinen Lippen und wartete.
Ray langte sofort hinüber und ließ sein Feuerzeug aufschnappen.
Sie schloß eine Hand um sein Handgelenk, und während sie die Zigarette an dem Flämmchen anzündete, drückte sie sanft sein Handgelenk und stieß mit einer Brust an seinen Ellbogen.
Sie ist wirklich auf geputscht! dachte Ray. Er überlegte, ob sie es wohl sofort versuchen würde. Hier und jetzt, obwohl sie sich doch noch vollkommen fremd waren. Er spürte die Wildheit in ihr und traute es ihr deshalb durchaus zu. Sie könnte verrückt genug sein. Er riet sich zur Vorsicht, konnte sich aber einen Anflug von Erregung nicht verhehlen. Rasch erinnerte er sich daran, daß sie Sam Kings Frau war. Trotzdem wallte eine Welle mächtigen Verlangens in ihm auf und jagte ihm das Blut schneller durch die Adern.
Von dieser jungen, zierlichen Frau ging eine Intensität aus, ein wilder Sexappeal, der überhaupt nicht zu ihrem jungmädchenhaften Gesicht und Körper passen wollte. Sie war ein weiblicher Tramp, jawohl … aber sein Instinkt sagte Ray, daß sie im Bett fantastisch sein würde … Ray steckte das Feuerzeug wieder in die Tasche und rückte unwillkürlich etwas von Sherry ab. Sam war immer noch sein bester Freund … sein einziger Freund.
„Sie haben ein sehr nettes Gesicht, Ray”, sagte Sherry leise. „Ein sympathisches Gesicht.”
Sie schlug die Beine übereinander und machte sich gar nicht erst die Mühe, die weiß schimmernden Oberschenkel, von denen der Hausmantel gerutscht war, wieder zu bedecken.
„Wissen Sie, Ray … ich überlege, ob ich Ihnen etwas im Vertrauen sagen kann … etwas, wovon Sam nichts wissen soll?”
„Nur zu”, sagte Ray und beobachtete sie vorsichtig.
Frauen wie diese Sherry King kümmerten sich nicht viel um Formalitäten, wenn sie etwas haben wollten. Sie könnte verrückt genug sein, sich jetzt einfach auf ihn zu werfen und an seiner Kleidung zu zerren. Das hatte Ray schon mehr als einmal erlebt.
„Sam und ich sind erst seit vier Monaten verheiratet”, sagte Sherry seufzend und rückte wieder so nahe an ihn heran, daß sie ihn berührte. „Und Sam ist natürlich ein sehr lieber Mensch. Aber er ist nun mal wesentlich älter als ich. Siebzehn Jahre, um genau zu sein.”
Sie machte eine Pause und spielte mit dem Gürtel ihres Hausmantels. Ihre Augen blitzten ihn an.
Ray konnte die innere, sahnigweiße Wölbung einer Brust sehen, weil sich ihr Hausmantel vom geöffnet hatte. Es schien wie achtlos geschehen zu sein. Ray spürte, wie das Blut in seinen Schläfen zu klopfen begann.
Sam muß blind sein! dachte er. Ein sechzehn Jahre alter Bengel kann doch sehen, was sie ist!
„Siebenunddreißig ist doch noch nicht alt”, sagte Ray heiser.
„Bei manchen Leuten schon”, seufzte sie. Ihr Blick wanderte über seinen Körper, während sie eine bedeutungsvolle, anzügliche Pause machte.
Da wußte Ray mit letzter Sicherheit, wie scharf sie jetzt war. Scharf und verzweifelt. Er empfand Widerwillen, in den sich aber auch leidenschaftliches Begehren mischte.
„Das Dumme ist nur …”, fuhr Sherry fort und rückte noch dichter an Ray heran. Ihre Hand zerrte sanft am Gürtel des Hausmantels. „… daß ich ganz verrückt bin nach Sam! Und doch … er kann eben nicht … nun, Sie verstehen schon, was ich sagen will, nicht wahr? Sie wissen doch, was ich meine, Ray? Er kann mich in gewisser Hinsicht nicht glücklich machen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Ray?”
Wieder machte sie eine Pause und ließ ihre weißen, blitzenden Zähne sehen. In ihren Augen loderte dunkle Glut. Ihr kompakter, kleiner Körper zitterte unter dem dünnen Mantel.
Ray nickte. Seine Kehle war wie ausgedörrt.
„Ich weiß, was Sie meinen, Sherry. Und jetzt möchten Sie wohl von mir einen Rat, nehme ich an, nicht wahr?” Sie lachte leise.
„Zum Teufel mit einem Rat! Den könnte ich mir ja bei einem Seelendoktor holen, der kostenlos Auskünfte in der Leserbrief spalte irgendeines Magazins erteilt! Oder etwa nicht?”
Ihre Hand zerrte plötzlich ungeduldig am Gürtel ihres Hausmantels, der sich nun in der Mitte öffnete.
Ray erhaschte einen Blick auf ihre strotzenden Brustwarzen, die in ihrer Größe einen seltsamen Kontrast zu den kleinen, festen Brüsten bildeten. Dann fiel sein Blick auf die weiß leuchtenden Oberschenkel. Ray holte sehr tief Luft und versuchte, den wilden Hunger zu unterdrücken, der in ihm aufstieg … diese ihm schon so gut bekannte zitternde Erregung bei der Aussicht auf eine neue Eroberung.
Vielleicht würde diese Frau hier doch anders sein? Vielleicht war dies hier seine einmalige Chance? Der Trick, um ein für allemal alle anderen Tricks zu beenden? Die Frau, um mit allen anderen Frauen Schluß zu machen? Das eine und einmalige fantastische Erlebnis, das sein Leben von Grund auf ändern würde? Die Sache, die endlich allem einen Sinn, eine Bedeutung geben könnte?
Nein. Sie war Sam Kings Frau. Die Frau seines besten und einzigen Freundes. Nein. Nein und nochmals nein!
Ray stand abrupt auf.
„Ich kann Ihnen nur einen Rat geben”, hörte er sich selbst in hartem Tonfall sagen. „Beherrschen Sie sich etwas. Machen Sie langsamer. Verlangen und erwarten Sie nicht zuviel, Mrs. King. Viele Frauen werden gierig, wenn sie heiraten. Sie halten ihren Mann für eine Vergnügungsmaschine. Richten Sie Sam bitte aus, daß ich heute abend noch einmal vorbeikommen werde.”
Er sah, wie ihr Gesicht blaß wurde; wie sie vor mühsam verhaltener Wut die Augen zusammenkniff. Sie wollte von der Couch aufstehen und holte dabei mit einer Hand aus, als wollte sie zuschlagen.
In diesem Augenblick wurde die Haustür geöffnet.
Sherry machte hastig ihren Hausmantel zu, wandte der Tür den Rücken und knotete rasch den Gürtel wieder zu. Im nächsten Moment kam Sam King ins Wohnzimmer herein. Als er Ray sah, riß er vor Überraschung die Augen auf, und sein einfaches, derbes Gesicht zeigte einen erfreuten Ausdruck.
„Ray! Alter Junge! Warum hast du denn meine Briefe nicht beantwortet?”
Er umarmte Ray stürmisch, klopfte ihm auf die Schulter und redete lebhaft drauflos. Es war ihm anzumerken, wie sehr er sich über diesen Besuch freute.
Sam King war älter und untersetzter, als Ray ihn in Erinnerung hatte. Das Haar hatte sich bereits stark gelichtet, und sein Bauch war noch etwas dicker geworden. Aber Sam King sah alles in allem immer noch aus wie ein vierschrötiger, freundlicher Affe.
Als sich die erste Begeisterung etwas gelegt hatte, sagte Sherry in eiskaltem Tonfall: „Du kommst dreißig Minuten zu früh zum Mittagessen, Sam. Warum hast du mich nicht angerufen und verständigt?”
Sam grinste und legte einen muskulösen Arm um ihre Taille.
„Weil ich heimlich nach Hause kommen wollte, um dich und Ray auf frischer Tat zu ertappen!”
Er lachte schallend über seinen eigenen Witz.
Sherry biß sich wütend auf die Unterlippe und sah aus zusammengekniffenen Augen zu Ray hinüber, der unbehaglich lächelte.
Sam versetzte Sherry einen herzhaften Klaps aufs Hinterteil und lachte immer noch.
„Ich habe heute nachmittag frei, weil ich für heute abend etwas vorhabe”, erklärte er nun. „Ich muß zu Ferris’ Sommerball!”
Sam machte eine Pause und starrte Sherry an.
„Du hast wohl keine Einladung bekommen, was?” fragte er betroffen.
Sherrys Gesicht verkrampfte sich.
„Ich lege keinen Wert darauf, bei einem so dummen Vergnügen einzuschlafen!” antwortete sie eingeschnappt. Während der nächsten halben Stunde unterhielten sich Sam und Ray über alte Zeiten. Sie tauschten Erinnerungen aus und lachten immer wieder laut auf.
Sherry hatte sich wütend an die Hausarbeit gemacht.
Bei der ersten Pause stellte Ray endlich die Fragen, die ihm so auf der Seele brannten.
„Was ist denn mit Ferris’ Sommerball? Und warum hat Sherry keine Einladung dazu erhalten?”
Sam machte sofort ein ernstes, nüchternes Gesicht.
„Die Stadt ist nach einem alten Mann Namens Ferris benannt. Ihm gehört eine Maschinenfabrik. Davon lebt der größte Teil der Stadt. Jedes Jahr veranstaltet er ein großes Fest für die Gesellschaft. Ich habe von meiner Zeitung den Auftrag bekommen, eine Foto-Reportage zu machen. Na, du weißt schon! Fotos von all den eleganten Puppen, die Champagner trinken und sich verzweifelt bemühen, möglichst glücklich dreinzusehen.”
Sam verzog das Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse. „Diese armen, reichen Bastarde können sich doch nicht einmal amüsieren, wenn sie nicht beschwipst sind. Und natürlich muß dabei vor allem für Publicity gesorgt werden. Cynthia Ferris—die einzige Tochter des Alten—ist mit Sherry zusammen zur Schule gegangen. Die beiden waren immer wie zwei Schwestern. Dann aber ist was Komisches passiert. Ich weiß nicht, was es war, weil Sherry mit mir nicht darüber sprechen will. Jedenfalls reden die beiden jetzt kein Wort mehr miteinander.”
Ray hatte sehr aufmerksam zugehört. Irgendwo in seinem Unterbewußtsein faßte irgendeine vage Idee Fuß.
„Hat dieser Ferris noch, andere Kinder? Ich meine … Söhne?” fragte Ray.
Sam schüttelte den Kopf.
„Cynthia Ferris ist seine einzige Tochter. Ein schmuckes Ding, aber noch längst nicht so verdorben und verkommen wie viel reiche Kinder. Und eines Tages wird sie noch reicher sein als Midas … wenn sie die Fabrik von ihrem Vater erbt. Ferris gehört auch sonst noch das meiste hier in der Stadt … zum Beispiel auch dieser Häuserblock.”
Sam runzelte nachdenklich die Stirn.
„Cynthia ist wirklich ein seltsames Mädchen”, meinte er.
Ray lehnte sich interessiert etwas weiter nach vorn. Er wußte selbst nicht, warum … aber er wollte soviel wie irgend möglich über diese Cynthia Ferris in Erfahrung bringen.
„Wie meinst du das … seltsam?”
Sam kratzte sich am Kopf.
„Ich bin selbst nicht ganz sicher. Sie ist erst zwanzig, also ungefähr in Sherrys Alter, aber sie hat Angst vor Männern. Sie tanzt zwar auf Partys und Gesellschaften mit Männern, aber man kann ihr doch deutlich ansehen, daß sie vor ihnen Angst hat. Meistens bleibt sie ganz für sich allein und geht jeder Verabredung aus dem Wege. Nun, Sherry kann dir wesentlich mehr über Cynthia erzählen als ich. Die beiden standen sich auf der High school näher als siamesische Zwillinge. Möchtest du ein paar Fotos von Cynthia sehen? Ich habe tonnenweise solches Zeug, weil ihr Alter jeden Tag von ihr ein Bild in der Zeitung sehen will … in der Gesellschaftsspalte. Na, du verstehst schon.”
„Sicher”, sagte Ray rasch.
Sam verließ das Zimmer.
Ray zündete sich eine Zigarette an und zog den Rauch tief in die Lungen. Die Idee, die ihm vorhin nur ganz vage gekommen war, begann allmählich festere Gestalt anzunehmen … und sie hatte etwas mit Cynthia Ferris zu tun. Deshalb war Ray auch sehr viel daran gelegen, möglichst viel über sie zu erfahren.
Schließlich… Ray wollte ja weiter nichts als eine einzige gute Gelegenheit hier in dieser Stadt! Eine wirkliche Chance!
Ray war sich zwar noch nicht ganz sicher, aber die langsam ansteigende Erregung in seinem Blut sagte ihm, daß er im Moment drauf und dran war, diese einmalige Gelegenheit zu finden. Jetzt würde es also nur noch an ihm selbst liegen, sie zu ergreifen, sie zu nutzen und etwas für sich daraus zu machen.
Eine Minute später kam Sam mit einem ganzen Stapel Hochglanzfotos zurück.
Ray studierte alle Bilder sehr aufmerksam und neugierig. Sie zeigten Cynthia Ferris in verschiedenen Posen … lachend, tanzend, schwimmend, reitend und immer lächelnd.
Ein schüchternes, zaghaftes, unsicheres Lächeln, entschied Ray.
Cynthia Ferris war ein hübsches Mädchen mit einem voll ausgereiften Körper. Das lange, brünette Haar umrahmte ein scheues Gesicht, das lediglich durch dieses unsichere Lächeln, das immer wie ein permanenter Schatten um ihren Mund spielte, in seiner Perfektion etwas beeinträchtigt wurde.
„Nette Figur, was?” sagte Sam, als Ray gerade einmal ein Foto in der Hand hielt, das Cynthia im Badeanzug zeigte. „Sehr nett”, stimmte Ray zu.
Das Mädchen hatte üppige Brüste, die noch sehr straff und fest waren, wie man es bei einem so jugendlichen Körper erwarten durfte. Die Hüften waren sehr stark ausgeprägt und ausladend; sie gingen in wohlgeformte, schlanke, glatte Beine über. Etwas in ihren Augen schien darauf hinzudeuten, daß sie immer noch Jungfrau war.
„Wie alt ist denn dieses Foto?” fragte Ray.
„Etwa sechs Monate.”
Dann brauchte sie also jetzt keine Jungfrau mehr zu sein, überlegte Ray. Aber für seine bisher nur vagen Pläne wäre es besser, wenn sie es doch noch wäre. Viel besser sogar.
Als Ray mit dem Betrachten der vielen Bilder fertig war, war seine Neugier in bezug auf Cynthia Ferris größer denn je.
Sam erzählte ihm alles, was er über Cynthia wußte, aber dabei handelte es sich, wie er selbst zugab, vorwiegend um Dinge, die ohnehin jedermann bekannt waren. Dann klopfte er Ray auf die Schulter und meinte im Scherz: „Du denkst doch jetzt nicht etwa daran, dich ein bißchen als Mitgiftjäger zu betätigen, alter Kumpel? Oder etwa doch?”
„Vielleicht”, sagte Ray.
Sam lachte.
„Das haben schon viele Männer versucht”, sagte er. „Aber die meisten von ihnen haben’s noch nicht mal bis zu ‘ner Verabredung mit ihr gebracht. Aber selbst wenn’s einer mal bis dahin geschafft hatte, so hat sie sich doch nie wieder mit ihm verabredet. Bisher kann noch niemand von sich sagen, zweimal mit Cynthia Ferris verabredet gewesen zu sein. Ich möchte dich nur ungern entmutigen, Ray”, fuhr Sam fort. „Aber glaub’s mir … die gerissensten Mitgiftjäger dieses Landes haben’s schon mal bei Cynthia Ferris versucht, aber bisher ohne jeglichen Erfolg. Es dürfte leichter sein, einen Schmetterling bei Nacht zu fangen. Mit Cynthia ist einfach nichts anzufangen. Sie hält nichts von Männern. Vergiß es also lieber, alter Junge.”
Ray lächelte.
„Spar dir deinen guten Rat, Sam! Mein Jahrespensum in dieser Hinsicht ist bereits erfüllt. Aber wenn du Sherry veranlassen könntest, mir ein bißchen mehr über diese Cynthia Ferris zu erzählen …”
Sherry würde ihm alle Informationen geben können, die Ray seiner Ansicht nach benötigte … intime Details, die Mädchen sich untereinander anvertrauen. Was Cynthia mochte und was nicht; was ihr insgeheim Spaß machte. Und was noch wichtiger war … was sie insgeheim fürchtete. Also ihre Schwächen. Falls die beiden Mädchen sich früher wirklich einmal so nahegestanden hatten, wie Sam eben behauptet hatte, dann müßte Sherry eine wahre Fundgrube wichtiger Informationen sein.
Sam holte Sherry ins Wohnzimmer.
Sherrys Antworten auf Rays Fragen waren jedoch sehr flüchtig und ausweichend. Sie enthüllten praktisch gar nichts.
Sherry zuckte schließlich die Schultern.
„Sie ist eben weiter nichts als irgendein Mitglied der besseren Gesellschaft. Ich bin kein Who’s Who.“
Ihr Gesicht zeigte auf einmal einen mißtrauischen Ausdruck.
„Warum wollen Sie das alles überhaupt wissen?” fragte sie.
Ray grinste. „Aus purer Neugier.”
„Na, komm schon!” drängte Sam seine junge Frau. „Erzähl ihm doch, was er wissen will. Du und Cynthia … ihr beide wart doch immer wie zwei Schwestern.”
Sherrys Augen funkelten eiskalt und hart, als sie Ray nun ansah.
„Ich bin nicht in der Stimmung für Klatsch”, sagte sie. „Dafür bin ich im Moment zu nervös.”
Ray verstand die Botschaft. Keine Aktion — keine Information. Ray sah scharf zu Sam hinüber, dessen freundliches Gesicht deutlich verriet, daß er überhaupt nichts von diesem kurzen Zwischenspiel bemerkt hatte. Sams einfache, vertrauensselige Natur war schon immer der Grund gewesen, weshalb Ray ihn so gut hatte leiden können. Jetzt tat Ray der Freund leid.
„Ich muß mich nach einem Hotel umsehen”, sagte Ray und stand auf, um sich zu verabschieden.
„Oh, nein!” protestierte Sam sofort. „Das brauchst du natürlich nicht!” Sam blockierte die Tür. „Du bleibst selbstverständlich hier bei uns. Wir haben doch ein leeres Schlafzimmer.”
„Das kann ich nicht tun”, sagte Ray.
Aber Sam schüttelte stur den Kopf.
„Kein guter Kumpel von mir braucht in einem schäbigen Hotel zu wohnen, solange ich ein gemütliches Zuhause habe. Kommt gar nicht in Frage. Was meinst du, Sherry?” „Ich bin ganz deiner Meinung”, pflichtete Sherry ihm sehr schnell bei. Ihr kleiner, zierlicher Körper wand sich unruhig unter dem dünnen Hausmantel. „In unserem Hause ist immer Platz für einen besonders guten Freund.” Einen Moment lang kämpfte Ray noch mit sich selbst. Er konnte und wollte Sam nicht betrügen, den einzigen Freund, den er je in seinem Leben gehabt hatte.
Aber Sherry hatte diese wichtigen Informationen, die er unbedingt brauchte. Vielleicht könnte er sie ihr entlocken, ohne dafür seinen Körper als Bezahlung anbieten zu müssen.
Doch schon ein einziger flüchtiger Blick in ihre von den gesenkten Lidern halb verdeckten, aber dennoch wild loderden Augen verriet ihm, daß er sich hier einer vergeblichen Hoffnung hingab.
Ray nickte schließlich.
„Okay. Ich werde bleiben. Aber nur für ein, zwei Tage, bis ich ein geeignetes Apartment gefunden habe.”
Sam schlug ihm entzückt auf den Rücken.
Sherry ließ einen langen, tiefen Seufzer hören, der beinahe wie ein Zischen klang. Als sich Sam abwandte, benutzte Sherry diese kurze Gelegenheit dazu, Ray einen flammenden Blick zuzuwerfen und ihn erneut von oben bis unten voller Gier und Hunger zu mustern. Ihr Blick haftete besonders lange an einer ganz besonderen Stelle, bevor er langsam wieder nach oben wanderte. Sherry starrte Ray durchdringend in die Augen. Ihre kleinen Lippen öffneten sich erwartungsvoll und schimmerten einladend feucht. Das Blut stieg ihr ins Gesicht und färbte ihre Wangen mit rosiger Glut.
Ray war froh, daß Sam jetzt nicht auf seine Frau achtete. Sie ist wirklich eine Frau mit animalischen Trieben! dachte Ray angewidert. Nur ein Schurke würde so tief sinken und sich von ihr mißbrauchen lassen.
Aber Ray brauchte nur eine Sekunde, um zu begreifen und sich daran zu erinnern, daß auch er sie ausnutzen wollte.