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1. Das haben wir gerade noch gebraucht

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Nicht lange nachdem unser kleiner Kampf gegen Facebook die Titelseiten einiger großer Zeitungen zierte, erhielt ich die erste Anfrage, ein Buch zu schreiben. Eine Reihe von Verlagen und Agenten machte die einfache Rechnung: Fresse von diesem Anti-Facebook-Typen, plus Ghostwriter, plus aktuelles Thema ist gleich: Umsatz.

Mein Enthusiasmus war naturgemäß überschaubar. Ein weiteres Buch zu Facebook oder der Wichtigkeit des Datenschutzes hat die Welt gerade noch gebraucht, dachte ich. Bald war aber klar, dass es zwischen Verherrlichung von Innovationen, diversen fachspezifischen Wachrüttelversuchen und Darstellungen von Weltuntergangsszenarien wenig gut Lesbares für Normalnutzer gibt. Genau hier ist eine große Informationslücke, die es zu füllen gilt.

Nachdem ich 2011 durch ein Auskunftsersuchen bei Facebook einen Datensatz in Form von 1.222 PDF-Seiten bekommen hatte, in dem unter anderem zuvor gelöschte Daten wieder seitenweise auftauchten, gründete ich mit ein paar Freunden in meinem Wohnzimmer »europe-v-facebook.org«. Ich brachte eine Reihe von Anzeigen gegen Facebook in Irland ein, da wir unsere Grundrechte einfach einem Praxistest unterwerfen wollten. Was passiert, wenn sich ein Nutzer mal wirklich auf seine Rechte beruft? Durch das daraus folgende Verfahren wurde ich zu einer Art »Held des Datenschutzes« hochstilisiert, obwohl ich zu Beginn noch verzweifelt versuchte, das Ganze möglichst anonym durchzuziehen. Von einem Tag auf den anderen musste ich dann aber kameratauglich in 2,5 Minuten oder zeitungstauglich in drei Zitaten erklären, was hier eigentlich jeden Tag hinter unserem Rücken los ist und warum wir etwas tun sollten. Die Medien hatten den idealen Protagonisten für ein trockenes, abstraktes, aber doch irgendwie dringendes Thema gefunden.

Dass sich ein normaler Bürger qualifiziert beschwert, etwas tut und nicht nur bei einem Bier oder in einem Online-Forum meckert, war anscheinend zusätzlich außergewöhnlich. Gewürzt mit ein bisschen »David gegen Goliath« stimmte dann auch der Chefredakteur bei der verstaubtesten Zeitung zu, dass der Technik-Journalist drüber schreiben darf. Einladungen zu unzähligen Konferenzen, zur EU nach Brüssel und zu Gesprächen mit vielen Experten folgten. Nach fast drei Jahren voller Interviews, Anhörungen in Ausschüssen und Diskussionen lag ein derart reicher Schatz an Informationen, Geschichten und Lösungsvorschlägen vor mir, dass es Sinn machte, diese zusammenzufassen.

Global gesehen stehen wir noch immer erst am Anfang einer total vernetzten Informationsgesellschaft, die vollkommen neue Werte, Machtgefüge und Probleme mit sich bringt. Genau hier ergeben sich viele der spannenden Fragen, welche unseren Umgang mit den rasanten Veränderungen durch die extrem schnell voranschreitende Digitalisierung bestimmen werden. Dieser Schritt zur Informationsgesellschaft ist in vielen Punkten derart tiefgreifend, dass er ähnlich elementar wie seinerzeit die Industrialisierung, die Globalisierung und ähnliche Entwicklungsschritte ist. Wir nennen es regelmäßig das Informationszeitalter und gewöhnen uns schnell an die fast beiläufigen Veränderungen, die jeden Tag einen kleinen Schritt weiter gehen. Unsere Eltern oder Großeltern sagen immer wieder mal melancholisch, dass das früher alles unvorstellbar gewesen wäre und man damals noch Telegramme bekam. Wir fühlen uns etwas alt, wenn wir uns erinnern, dass unser erster Internetanschluss krächzende Geräusche machte und man pro Minute zahlte. Erinnern Sie sich noch an das »Auto Disconnect«, das man dringend aktivieren sollte, damit das Internet nicht weiterlief und die Telefonrechnung explodierte? Wenn Sie kein ISDN hatten, dann hatten Sie aber ohnehin gute Chancen, dass Ihre Familienmitglieder Sie erinnerten: »Dreh endlich dieses blöde Internet ab – ich will telefonieren!«

Das ist gut 10 bis 15 Jahre her. Wir treten jedoch selten einen Schritt zurück und denken über diese Veränderungen nach, überlegen uns kritisch, was neben all den extrem positiven Veränderungen auch ein Rückschritt oder ein Verlust ist. Wir, die einzelnen Nutzer, sind oft nur Beobachter, werden von einer Welle der Veränderung mitgerissen und lassen uns treiben. Ab und zu wird uns etwas mulmig dabei, aber irgendwie treiben ja alle in diesem Strudel, und was genau passiert, ist sowieso nicht so wirklich nachvollziehbar.

Eine der elementarsten Fragen im Strudel der Digitalisierung wird die Macht über Informationen sein, vor allem die Macht über Ihre privaten Informationen, und damit die Macht über Sie. In diesem Punkt zahlt es sich daher absolut aus, einen Schritt zurückzutreten und sich zu überlegen, wo uns der Strudel hinführt und ob wir dort auch hinwollen.

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