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Die erste Spende

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Ein verstärkter Kinderwunsch hat mich schon mit Mitte 20 begleitet. Mit 29 dachte ich, die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Über das Thema Kinder waren wir uns sehr schnell einig. Schon nach dem zweiten Beziehungsmonat verhüteten wir nicht mehr und achteten darauf, auf jeden Fall ein paar Tage nach der Menstruation Sex zu haben. Es wollte aber auch nach einem halben Jahr nicht klappen. Ungeduldig, wie wir beide waren, ließen wir ein Spermiogramm anfertigen.

Das Ergebnis war recht eindeutig: Bei mir war alles im normalen Bereich, ich war sogar etwas besser als der Durchschnitt. Details wie die Anzahl normal geformter Spermien oder der Anteil der schnellen Schwimmer waren mir egal. Ich war froh, dass ich auf jeden Fall Kinder haben kann. Meine damalige Freundin reagierte etwas borniert, fast schon zickig. Wahrscheinlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn die Schuld bei mir gelegen hätte.

Sie sagte, dass sie trotzdem noch einige Jahre genau so weitermachen wolle. Auf keinen Fall sollten wir irgendwelche Möglichkeiten wie die Temperaturmethode oder bestimmte Tests in Erwägung ziehen. Es sollte „zufällig passieren“, so hatte sie es sich in den Kopf gesetzt. Ihr war immer wichtig, was andere von ihr denken, und sie wollte auf keinen Fall eine der Frauen werden, die es verzweifelt versuchen. Mit der Beziehung ging es unabhängig davon nach ein paar Monaten bergab.

Eher zaghaft begann ich mich mit dem Thema Samenspende auseinanderzusetzen. Meine Ergebnisse waren ja nach wie vor super, warum sollte ich nicht anderen damit helfen, und es würde niemandem wehtun. So stieß ich unter anderem auf die Internetseite „Co-Eltern“ und meldete mich dort an.

Weiter ging es dann zunächst aber nicht. Wenn man Nachrichten schreiben möchte, muss man etwas bezahlen, und so weit war ich noch nicht. So bekam ich zwar Nachricht für Nachricht, konnte sie aber weder lesen noch beantworten. Das führte irgendwann zu einer enormen Neugier, sodass ich mich im Frühjahr 2015 endlich vollständig anmeldete. Ich verfasste noch einen kleinen Text über mich und beantwortete die alten Anfragen. Meist ohne Reaktion, denn deren Abo war in den meisten Fällen längst abgelaufen. Außer ein paar Nachrichten tat sich also nichts.

Dennoch erzählte ich meiner Freundin Tatjana von meinem Vorhaben. Tatjana wiederum erwähnte, dass ihre Kollegin und beste Freundin, eine lesbische Frau, einen Spender suche und sehr verzweifelt sei. Das war dann Swantje. Swantje war auch schon einmal bei einer Geburtstagsfeier unserer gemeinsamen Freundin Tatjana mit von der Partie gewesen. Dort hatten wir uns ganz gut verstanden, aber wirklich intensiv lernten wir uns nicht kennen. Tatjana gab nun einfach meine Nummer an Swantje weiter, und dann ging es recht schnell. Zum nächsten Eisprung fuhr ich zu der Wohnung, in der Swantje mit ihrer Partnerin lebte. Bevor es losgehen sollte, wollten wir erst mal alles besprechen.

Die Stimmung war freundlich, dennoch waren alle Beteiligten ein wenig angespannt. Die beiden hatten schon Becher sowie Spritzen gekauft und ich eine Onanierpause von drei Tagen eingehalten. Meine Vorstellungen waren zu der Zeit noch ganz anders als heute. Mein Wunsch war, das Kind ab und zu zu sehen, es vielleicht sogar meinen Eltern oder meiner Oma zeigen zu dürfen. Aus heutiger Sicht war das sehr naiv, denn schon von Beginn an betonte Swantje, dass ihre Partnerin auf keinen Fall eine Co-Elternschaft mit einem Mann wolle. Das war für mich okay, denn ich wollte kein fünftes Rad am Wagen sein oder nur reiner Zahler für ein Kind, das ich nicht sehen durfte.

Nach einem kurzen Plausch verließen die beiden das Zimmer und ich machte es mir auf der Couch gemütlich. Nachdem es endlich geklappt hatte, klopfte ich kurz an die Schlafzimmertür und verzog mich.

Zwei Wochen später kam die Nachricht: Nein, die Menstruationsblutung hatte eingesetzt, kein Erfolg – sowohl für Swantje als auch für mich ein ernüchterndes Ergebnis. Die Erfolgswahrscheinlichkeit beim ersten Versuch mit der Bechermethode liegt aber auch nur bei etwa 10 Prozent, darum sollte das jetzt keine große Überraschung sein.

Beim nächsten Termin war ich zuvor etwas länger enthaltsam und Swantje hatte sich von ihrer Frauenärztin ein Katheter-Set geben lassen.

Der Ablauf war dieses Mal etwas anders, denn ihre Partnerin holte den Becher von mir zu Hause ab. Vorher war ich noch beim Boxen, deshalb musste sie etwas warten. Wir umarmten uns zur Begrüßung, aber es war etwas weniger herzlich und es fühlte sich für mich schon fast befremdlich an. Sie wollte sich nicht mit mir anfreunden und war auch sicherlich nicht begeistert darüber, auf mich warten zu müssen. Am nächsten Tag erfolgte eine weitere Spende, dieses Mal aber bei den beiden zu Hause. Fast schon Routine.

Zwei Wochen später kam die Nachricht: positiv! Es hatte geklappt.

Das Gefühl, das ich verspürte, kann ich auch heute noch nicht richtig einordnen. Einerseits war ich glücklich, gleichzeitig aber auch ein wenig bedächtig. Nun war aus der Flause im Kopf doch noch Ernst geworden und es wuchs ein Mensch heran. Es ist auch mein Kind – so war in dem Moment mein Gefühl. Zumindest wusste ich nun, dass es sehr wohl auch über diese Methode funktionierte. Wenigstens etwas, waren meine Gedanken. Aber auch: Jetzt geht es erst richtig los!

Der Kontakt zu Swantje wurde über die Wochen und Monate immer spärlicher. Über Gesundheit und Zustand sowie das Geschlecht des Kindes hielt sie mich immer mal wieder auf dem Laufenden. Es würde ein Junge werden und der Geburtstermin sollte der Geburtstag meines Vaters sein. Das klang fast nach Schicksal. Aber irgendwann kam auf Nachfrage die Nachricht, dass Swantjes Partnerin nicht wolle, dass ich überhaupt eine Rolle im Leben des Kleinen spiele. Für mich war das ein Dämpfer. Ich war traurig. Von da an sah ich die beiden mit anderen Augen. Andererseits war ich froh, dass ich niemandem aus meiner Familie bis dahin von diesem Kind erzählt hatte.

Von der Geburt des Kindes erfuhr ich zunächst nur über die gemeinsame Freundin. Erst später kamen von Swantje ein paar Bilder, die sie mir heimlich sendete, denn ihre Partnerin war dagegen. Es stand außer Frage, wer in dieser Beziehung der männliche Part war. Ich konnte es Swantje noch nicht einmal verübeln. Sie hatte einfach Angst, ihre kleine Familie zu riskieren. Ab und zu hatten wir noch spärlichen Kontakt, und als ich mir eines Tages ihr Facebook-Profil ansah und die Bilder des Kleinen betrachtete, war ich schon etwas betrübt.

Mittlerweile habe ich aber damit abgeschlossen. Eine emotionale Bindung habe ich zu keinem der Kinder mehr aufgebaut. Das ist auch das einzig Vernünftige, und so wird es im Vorfeld abgestimmt. Keinesfalls würde ich heute noch auf die Idee kommen, eines meiner Kinder aus den Spenden meiner Familie vorzustellen.

Durch Zufall hatte ich wieder Kontakt mit meiner Exfreundin. Genauer gesagt: Sie hatte den Kontakt gesucht und war auch gleich wieder mit dem Kinderwunsch in die Tür gefallen. Natürlich erzählte ich ihr von dieser Methode und meinen Erfahrungen. Die Stimmung schlug sehr schnell um. Meine Exfreundin war sichtlich sauer und bezeichnete mich als dumm. Außerdem bereute sie, dass sie sich noch mal um mich bemüht hatte, denn das, so sagte sie mir, sei nun alles vergebens gewesen. Auch Wochen später war sie noch dieser Meinung, also war ihre erste Reaktion kein emotionaler Ausrutscher gewesen. In einer Mitteilung schrieb sie mir, sie finde es komplett daneben. Wahrscheinlich konnte sie sich nicht in die Mütter hineinversetzen oder sie gönnte ihnen dieses Glück nicht. Wenn, dann hätte ich nur bei ihr spenden dürfen.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – dieses Sprichwort gilt hier offensichtlich nicht. Dazu muss ich sagen, dass sich meine Exfreundin als modern und sozial versteht. Sie hat ein entsprechendes Studium abgeschlossen, engagiert sich für Migranten und sonnt sich in ihrer Gutmütigkeit bis hin zum Belächeln der – in ihren Augen – spießigen Normalbevölkerung.

Sie hat bis heute kein Kind. Und ich habe bis heute nichts bereut.

Vom Becher bis zum Baby

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