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Kapitel 3

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April Ich wickle mir eine Haarsträhne um den Finger. Mrs. McCarthy hält mal wieder einen Vortrag über irgendwelche Zusammensetzungen von irgendwelchen Molekülen, die in Verbindung mit irgendwelchen anderen Molekülen irgendetwas Neues ergeben. Eigentlich sollte ich zuhören und mir die Sachen merken, denn an meiner Abschlussprüfung komme ich nicht vorbei. Letztendlich gebe ich es auf und schweife mit den Gedanken ab. Ich kann mich heute nicht konzentrieren. Ich denke an mein Bücherregal zu Hause und daran, wie gerne ich jetzt dort wäre, um meine Nase in eines meiner Bücher zu stecken. Und wenn ich näher darüber nachdenke, muss es auch gar kein Buch aus meinem Bücherregal sein. Die Bibliothek unserer Schule würde mir reichen. Eigentlich bin ich nicht der Typ Mädchen, der ständig Mist baut und Regeln missachtet. Im Gegenteil, ich bin mit Regeln aufgewachsen, und würde es normalerweise gar nicht wagen, etwas Unerwünschtes oder gar Verbotenes zu tun. Aber heute ist das irgendwie anders, und ein unsichtbares Navigationssystem dirigiert mich aus dem Klassenzimmer, während ich im Vorbeigehen die Toilettenausrede in Mrs. McCarthys Richtung murmle. Wenige Minuten später befinde ich mich in der Bibliothek. Bücher hatten mich schon immer beeindruckt. Und eine ernsthaft grosse Menge an Büchern hatte mich schon immer in einem ernsthaft grossen Mass beeindruckt. Seitdem ich lesen kann, ist das so. Und ein Gefühl sagt mir, dass sich das bis an mein Lebensende nicht ändern wird. Bücher geben mir das gute Gefühl, mir auf ehrliche und herkömmliche Weise Wissen anzueignen. Ob es eine unehrliche Weise gibt? Ich weiss es nicht, um ehrlich zu sein. Ich weiss nur, dass ich zu Wissen ein gespaltenes Verhältnis habe, dessen Ursache ich nicht erklären kann. Manchmal glaube ich, nahezu körperlich spüren zu können, wie sich in meinem Gehirn einzelne Erfahrungen zu neuen Wissensinseln vernetzen. Ich kann darin nichts Unnormales erkennen, und trotzdem fühlt es sich so an, als sei es eben das: unnormal. Ich stelle mir das Verhältnis von Wissen und Gehirn so vor wie die Räume eines Hauses und die Einrichtungsgegenstände, welche die Räume ausfüllen. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, ein unendlich grosses Haus mit unzählbar vielen Räumen zu besitzen. Selbst wenn ich den Rest meines Lebens mit Einkaufsorgien in Möbelhäusern verbrächte, so würde ich doch die vielen Räume meines Hauses nie ausfüllen können. Auf der anderen Seite kann ich mich von dem Eindruck nicht befreien, beim Durchschreiten meines Hauses hin und wieder an verschlossenen Räumen vorbeizugehen. Der Gedanke, nicht zu wissen, was sich hinter diesen verschlossenen Türen befindet, quält mich nicht. Aber er beschäftigt mich. Regelmässig und andauernd. Wenn ich dann ein Buch zur Hand nehme, ändern meine Gedanken ihre Richtung. So, als würde ich von einer Autobahn abfahren und mich binnen weniger Sekunden in einer vollkommen anderen Landschaft befinden. Ich nehme mir das erstbeste Buch, das ich finden kann. Hotel New Hampshire. Ich sitze in der hintersten Ecke des Raumes, kann mich aber kein bisschen auf die Wörter vor mir konzentrieren. Eigentlich sollte ich zurück ins Klassenzimmer, aber irgendetwas in mir sträubt sich gegen den Gedanken, in den Klassenraum mit all seinen Molekülen und deren sonderbare Veränderungen zurückzugehen. Das mit dem Lesen habe ich spätestens jetzt aufgegeben. Ich klappe also mein Buch zu und lege es weg. Es schellt zur nächsten Stunde. Wenn alle Schüler auf den Gängen sind, komme ich bestimmt unbemerkt aus diesem Gebäude, auf das ich heute irgendwie besonders schlecht zu sprechen bin.

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