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Wenn möglich, bitte wenden

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Jenna thronte zwischen ihren Eltern auf der Rückbank des Wagens. Der Abschied von Dusty war ihr nicht leicht gefallen, aber jetzt ging es endlich los. Lukas saß neben seinem Vater und gab sich sichtbar Mühe nicht einzuschlafen. Sie waren seit Stunden auf der Autobahn, waren glücklicherweise bisher in keinen Stau geraten und erst ganz langsam ging ihnen der Gesprächsstoff aus. Die jeweiligen Nachbarn und Bekannten waren durchgehechelt und auch wie und wie lange wer geschlafen hatte war schon besprochen. Es wurde langsam still im Auto. Nur das Navigationssystem trug noch zur Unterhaltung bei. Ganz allmählich meldete sich auch Jennas Blase. „Magst Du nicht so langsam einen Kaffee trinken?“ fragte sie Daniel vorsichtig. „Wir haben doch schon ein ganzes Stück geschafft und könnten ruhig mal aussteigen und uns die Beine vertreten.“ Keiner der fünf hatte richtig gefrühstückt und es war schon beinahe elf Uhr. „Ich fahre an der nächsten Raststätte raus“ sagte Daniel und weil ein entsprechendes Hinweisschild kam setzte er auch gleich den Blinker. „Tecklenburger Land“, las Jenna laut, „das kling ja schon fast nach Urlaub.“ „Wenn möglich, bitte wenden“, mischte sich die Dame aus dem Navi ein, als Daniel auf den Parkplatz der Raststätte fuhr. „Also bis Hamburg sind es schon noch ein paar Stunden. Man braucht doch insgesamt so ungefähr sechs, nicht wahr?“ fragte Jennas Vater, während er mühsam versuchte aus dem Auto zu klettern. „Bisher haben wir es immer in vier Stunden geschafft, zumindest wenn wir keine Pause gemacht haben“ überlegte Jenna und versuchte nun ebenfalls ihre steifen Knochen in Bewegung zu bringen. „Aber es sind ungefähr sechshundert Kilometer“ meinte Herbert. „Um Himmels Willen“ lachte Daniel „es sind ungefähr vierhundertsechzig.“ „Ach“, machte Herbert „ich hatte die Entfernung nach Berlin im Kopf.“ Es war ganz schön windig auf dem Parkplatz und so machten sie sich alle schleunigst auf den Weg in das Restaurant.

Für eine Autobahnraststätte war das Ambiente gar nicht mal schlecht. Statt den oft üblichen Plastikstühlen waren die Sitzmöglichkeiten aus Leder. Die Beleuchtung war eher gedimmt als grell und wie es aussah gab es ein ziemlich umfassendes Frühstücksangebot. Allerdings waren außer den fünfen keine Gäste im Restaurant und so wartete der freundliche Mann hinter dem Tresen bereits auf ihre Bestellung. Groß Zeit zum Nachdenken und zur eingehenden Betrachtung des Angebots blieb wohl nicht. Die Familie sah ein bisschen ratlos aus und so beschloss Jenna ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. „Also, wer möchte Kaffee?“ „Ich auf jeden Fall“, antwortete Jennas Mutter. Die anderen blieben erst einmal stumm. „Daniel?“ half Jenna nach. „Ja, ich auch“ murmelte Daniel unentschlossen. „Und Du Lukas? Kakao?“ Von Lukas kam nur ein teilnahmsloses Kopfschütteln. Er wollte weder Kakao, noch überhaupt irgendetwas. Anscheinend wollte er einfach nur auf das Schiff. Jenna traute der Sache nicht ganz. Das hatten sie schon einmal erlebt. Bei ihrer letzten Anreise nach Hamburg hatte Lukas auch jede Nahrungsaufnahme verweigert. Nach dem Einschiffen war ihnen damals noch Zeit für einen Spaziergang durch die Stadt und ein Eis geblieben. Die dann von Lukas schnell auf nüchternen Magen verzehrte Eisschokolade war dann auch prompt zurück gekommen und hatte das nagelneue Pooldeck des vor einer Woche getauften Schiffes eingeweiht. Die Blicke der anderen Gäste waren Jenna noch in lebhafter Erinnerung. „Dann trinkst Du aber zumindest gleich im Auto was ja?“ Zum Glück hatte sie Getränke und Snacks für die Fahrt eingepackt. Lukas murmelte Zustimmung. Auch Herbert hatte sich inzwischen für Kaffee entschieden und darüber hinaus für ein Brötchen mit Wurst. Der arme Angestellte hinter der Theke blieb geduldig. „Welche Wurst darf es denn sein?“ fragte er. „Ach, geben Sie mal einfach was.“ Herbert war von der ganzen Bestellung schon genervt. „Herbert!“ mahnte Jennas Mutter. „Helga!“ bekam sie prompt zur Antwort. „Ihr sucht jetzt einfach schon mal einen Tisch aus“ entschied Jenna und schickte den männlichen Teil der Familie damit weiter „wir machen das hier“. Helga entschied sich wie Daniel für Marmelade. Allerdings überließ auch sie die Auswahl der Sorte dem Kellner.

Lukas, Daniel und Herbert hatten sich inzwischen an einem Tisch niedergelassen. Kritisch beäugte Herbert die von Jenna und ihrer Mutter mitgebrachten Tabletts. „Das ist vielleicht einer“, meldete er sich zu Wort. „Der wusste aber auch gar nichts.“ „Bitte Herbert, der Mann kann doch nicht wissen was wir haben möchten“ versuchte Helga den Angestellten zu verteidigen. „Die Butter ist steinhart und die Wurst muss man suchen.“ Herbert fand wie meistens ein Haar in der Suppe. „Aber der Kaffee ist wirklich gut, probier mal.“ Helga hatte sich vorgenommen ihren Mann zu beschwichtigen und auch Jenna wollte verhindern, dass die Stimmung kippte. „Der Kellner war nun aber wirklich geduldig und wir sind hier immer noch auf einer Autobahnraststätte und nicht im Fünf-Sterne-Restaurant. Wir machen jetzt erst mal ein Foto.“

Wenig später verließ die Familie das Restaurant. Gerade wollten sie sich auf den Weg zum Auto machen, da überlegte Helga doch noch einmal die sanitären Anlagen auf zu suchen. Das hatten sie nun eigentlich schon bei ihrem Eintreffen getan, aber die Fahrt würde sicher noch mehr als eine Stunde dauern und wie schnell das Einschiffen ging konnte man nie wissen. „Du hast Recht“ schloss Daniel sich an, „nach dem Kaffee geh ich jetzt besser auch noch mal.“

Wieder beim Auto angekommen tauschten Jenna und Lukas die Plätze. Für den Rest der Fahrt wollte Jenna neben Daniel sitzen. In Hamburg gab es meist Hinweisschilder zu den jeweiligen Terminals. Dort wurde der Name des jeweiligen Schiffs eingeblendet und Jenna konnte an Hand der Schilder oft früher einen Hinweis auf die Strecke geben als die Stimme aus dem Navigationssystem. Lukas zwängte sich zwischen seine Großeltern und Daniel startete den Motor. „Wenn möglich, bitte wenden“ behauptete die Stimme zur allgemeinen Erheiterung. Lachend fuhren sie zurück auf die Autobahn.

Den Rest der Zeit verbrachten sie damit die verbleibenden Kilometer bis Hamburg zu zählen und darüber zu spekulieren ab wann man das Schiff sehen könnte. Heute sollte auch das neue Riesenschiff der gleichen Reederei im Hafen liegen, natürlich nur an einem anderen Terminal. Schon zu Hause hatten sie gerätselt ob man von ihrem Liegeplatz aus einen Blick auf das neue Schiff werfen könnte. Zwar lagen Hafencity und Steinwerder in einer gewissen Entfernung zueinander, aber sie waren zu dem Schluss gekommen, dass das Schiff bei dieser Größe doch zu sehen sein müsste.

In Hamburg erwartete sie prompt eine Baustelle. Die Umleitung war ausgeschildert, nur leider dem Navi nicht bekannt. So gut es irgendwie ging versuchte Jenna den inzwischen reichlich genervten Daniel durch den dichten Verkehr zu lotsen. Die Straßen wurden immer enger, aber die Zielfahne war auf dem kleinen Bildschirm im Cockpit schon zu sehen. „Da“ rief Helga nach der nächsten engen Kurve, „da steht sie.“ Tatsächlich stand das Schiff auf dem sie die nächsten sieben Tage verbringen würden schon fast direkt vor ihnen. „Wenn möglich, bitte wenden“ mischte sich die elektronische Stimme wieder ein. „Auf keinen Fall“ knurrte Daniel und suchte die Einfahrt auf den Parkplatz. Hier war die Hölle los. Mehrere Reisebusse hatten gerade ihre Fahrgäste ausgespuckt und überall standen Gepäckstücke im Weg. Endlich gelang es ihnen einen Mann in gelber Warnweste auf sich aufmerksam zu machen und ihm ihre Buchungsbestätigung für den reservierten Parkplatz zu zeigen. Erleichtert kurvte Daniel in die nächste freie Parklücke. „Wenn möglich, bitte wenden“, versuchte es das Navigationssystem noch einmal. Schnell schaltete Daniel den Motor aus.


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