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2. Teil: Im Café südlich der Chiesa dei Santi Giovanni e Paolo


Zufällig saß ich neulich im Café, das südlich der Chiesa dei Santi Giovanni e Paolo liegt und entspannte mich bei einem Cappuccino con Panna unter einem im warmen Wind sich sanft bewegendem Sonnenschirm, als mein Freund aus seinem westlich des Campo dei Santi Giovanni e Paolo gelegenen Palazzo hervorbrach und mit langen Schritten lässig zu mir herüber geschlendert kam.

Er war vom Kampfsporttraining, das er zweimal wöchentlich, um in Form zu blieben, im eigens dafür eingerichteten Raum des Hauses mit seinem japanischen Partner ausübte und soeben hinter sich gebracht hatte, noch ganz erhitzt.

So will ich dir, mein lieber guter Leser (m/w/d), unseren Giuseppe Tartini, genannt Volpe, beschreiben:

Ein großer hagerer Mann von athletischer Gestalt eilte mit feuerrot wehendem, schulterlangem Haar daher, kam federnd auf mich zu und zwinkerte mir aus eindrucksvoll dunkelblauen Augen zu. Er steckte in einem weiten weißen ärmellosen T-Shirt, das ihm bis zur Hüfte reichte, darunter hellgrüne Bermudas, die Füße in dunkelgrünen Trekking-Sandalen.

Unter dem Hemd trug er, wie außer mir freilich kaum jemand wusste, ein hauchfeines maßgeschneidertes Unterhemd, das seine Brust vor Angriffen schützen sollte und eine kleine feines Pistole im Schulterhalfter sowie einen Dolch am Gürtel, denn er besaß das Privileg, in Waffen zu sein, ohne sie offen zur Schau zu stellen, denn er hatte im Laufe der Zeit schon etliche Mordanschläge rachsüchtiger Gegner überstanden.

Ein breites Grinsen huschte über das kantige Gesicht, wobei er sein Pferdegebiss entblößte, als er mich erblickte.

»Schön, dass du rechtzeitig gekommen bist, lieber Sergiu«, sagte er noch ganz außer Atem, ließ sich auf den Korbstuhl neben mir fallen und rieb sich die Schweißperlen mit einem flauschigen Tuch von der Stirn.

»Salve, Amico«, entgegnete ich schläfrig und gab mir keine Mühe, mich zu erheben; er sagte:

»Ich habe mich gerade mit Signore Fudschimori Suzuki, dem ersten Karatemeister des Veneto, geprügelt, dass die Fetzen flogen und ihm Paroli geboten. Wäre ich einer von den Profis, könnte ich es zu Ehren bringen, zumindest in Italien. Aber ein jeder hat so seinen eigenen Beruf. Du setzt deinen Patienten mit bitterer Medizin zu oder verdirbst ihnen mit strengen Vorschriften den Genuss an ihrem Lieblingsgericht, caro Dottore, und ich mache den Ganoven das Leben sauer; suum cuique (jedem das Seine), wie der Lateiner dazu sagt.

Leider ist zurzeit nichts los in diesem venezianischen Backofen. Die Verbrecher machen Sommerpause oder verprassen ihren Gewinn an den Stränden Italiens. Wenn sie genug Moos ergaunert haben, sind sie zurzeit in Jesolo oder Rimini zu finden und liegen faul auf der Bärenhaut. Es zum wahnsinnig werden, immer diese Langeweile.

Und du hast, caro Sergiu, wie ich sehe, deine Patienten im Stich gelassen, und bist wieder einmal in die unvergleichliche Serenissima gekommen ... und ich habe glatt vergessen, was für einen Tag wir heute haben.«

Volpe gähnte herzhaft, während ihm der Kellner auf meinen Wink hin einen Cappuccino vorsetzte. Ich nahm das Wort.

»Bei dieser Hitze vergisst man alles, aber auch alles. Ich weiß kaum noch, wer ich bin, und selbst wenn ich lange genug nachdenke, komme ich kaum drauf, welches Datum wir haben.

Ich glaube, ich denke, ich vermute, den 14. Augustus im Jahre des Herrn 2021«, sagte ich müde, »und weißt du was, Giuseppe, es ist Sommer, und alles, was Rang und Namen in dieser Stadt hat, ist in die Berge geflüchtet, um dem venezianischen Backofen zu entrinnen und in den Dolomiten wandern zu gehen.

Um dir bei jeder Gelegenheit zur Seite zu stehen, damit du keinen Blödsinn anstellst, habe ich die Zulassung als Kassenarzt zurückgegeben und betreibe nur noch eine Privatpraxis. Die paar betuchten Patienten, die noch in Jesolo geblieben sind, hat mein Kollege übernommen, während ich den Vaporetto von der Punta Sabbioni nach Venedig bestieg.

Ich habe dich von unterwegs aus angerufen und dann hier auf dich gewartet, denn ich möchte dir die Aufzeichnungen unseres letzten Abenteuers vortragen und zur Publikation genehmigen lassen. Die Edizione Artiglio di Orso & Cassiopea (Verlag Klaue des Bären & Kassiopeia) wartet schon auf das Manuskript, und mit ihm mein allergnädigstes Lesepublikum.«

Volpe kümmerte sich zunächst nicht um den aufgetischten Cappuccino, sondern schnippte mit den Fingern, und der schwarze Ober stellte ihm breit grinsend einen gläsernen Humpen auf den Tisch, einen stark mit Wasser verdünnten gelblichen Wein aus der Valpollicella, den mein Kumpel liebte, weil seine ebenfalls rothaarigen Vorfahren, echte Kelten, wie er oft genug behauptete, von dort nach Venedig ausgewandert waren.

Er nahm einen tiefen Zug, setzte das Literglas ab und seufzte. Dann sagte er scheinbar gelangweilt, in Wirklichkeit, wie ich ihn kannte, gespannt wie ein Flitzbogen: »Na, dann wollen wir uns, bevor wir an die Arbeit gehen, erst einmal das Produkt deines literarischen Genies zu Gemüte führen. Warum du allerdings ausgerechnet den Fall des Vampirs der Publikation wert hältst, ist mir ein Rätsel.«

»Ich finde«, sagte ich, »die Angelegenheit zeigt auf eine schlichte und dennoch beeindruckende Weise die Art deines methodischen Vorgehens. Lass mich daher beginnen. Hier ist mein Tablet, in dem alles gespeichert ist«, fügte ich hinzu und zauberte das Gerät aus meiner Umhängetasche hervor.

»Wenn‘s denn sein muss«, murmelte er gelangweilt und nahm die Bruschetta, das mit sauer eingelegtem Gemüse garnierte geröstete Stück Brot und den löchrigen Käse in Angriff, welches ihm der freundliche schwarze Mann neben den Trinkstiefel gestellt hatte und ließ es sich munden.

Ich aber fuhr das Tablet hoch und begann zu lesen.

Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher

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