Читать книгу Prophezeiung des Wolfskindes - Melanie Häcker - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеEinundzwanzig Jahre vergingen.
Er hatte lange gebraucht, um zu dem Mädchen durchzudringen, doch seine Geduld und liebevolle Fürsorge schmolz schon bald das Eis. So erfuhr er auch ihren Namen, Tarija, ebenso ein wenig von ihrem Leben unter den Wölfen. Sie erzählte ihm von ihrer Zeit als Wolf, bis sie eines Morgens in menschlicher Form erwachte. Von da an hatte Baldur die Gewissheit, dass sie ein echtes Wolfskind war.
Tarija wuchs heran, gedieh zu einem anstrengenden Wirbelwind, der das Haus, vor allem seine Bibliothek, mehr als einmal auf den Kopf stellte. Auch wenn sie sich weiterhin nicht in einen Wolf verwandelte, so brach dennoch regelmäßig dessen Temperament durch. Sie entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer launischen Halbstarken, die es fertigbrachte, dass er oft seine Geduld verlor. Mit Worten kam er kaum an sie heran, erntete nur wutschnaubendes Knurren, Drohgebärden und musste ihre Zimmertür mehr als einmal reparieren, da Tarija ihre Wut daran ausließ.
In dieser Phase zeigte sich ihr wölfisches Temperament zu deutlich, doch sie verwandelte sich immer noch nicht.
Beharrlich durchlebte er auch diese Entwicklungsphase, bis sie die letzte Veränderung hinter sich brachte und zu einer ansehnlichen Frau gedieh.
Dennoch, auch wenn sie jetzt unter Menschen lebte, mied sie die Dorfbewohner, wo es nur machbar war. Sie beschränkte sich auf kleinere Gespräche, wenn es unumgänglich war, und führte ansonsten ein eher verschlossenes Leben.
Vermutlich vermied sie damit, von den Dorfbewohnern als das erkannt zu werden, was sie war, wobei er nicht wirklich daran glaubte, dass auch nur irgendeiner von denen es begreifen würde.
So hielt sie sich die meiste Zeit bei seinem Haus auf. Er erlaubte ihr, in den nahegelegenen Wald zu gehen, was sie immer mal wieder tat, doch jedes Mal kam sie sehr gedrückt zurück. Wenn er sie direkt darauf ansprach, knurrte ihn an, fletschte die Zähne und brüllte: „Das ist mein Problem!“
Darnach zog sie sich entweder in ihr Zimmer zurück oder in den Gemüsegarten neben dem Haus, den sie mit Hingabe pflegte. Sie half ihm voll Tatendrang im Haushalt, aber auch bei den Herbsternten auf den Feldern, bei denen alle Dorfbewohner Hand anlegen mussten, wobei sie sich weiterhin weigerte, mit ihm auf den Marktplatz zu gehen.
Dort waren ihr, wie sie ihm an einem lauen Sommerabend erklärte, zu viele Menschen auf einem Haufen, was ihr Unbehagen bereitete. Aber er kannte auch einen anderen Grund, weswegen sie nicht hinging.
Towin. Bis heute reagierte sie mit abgrundtiefem Hass auf ihn. Sie fletschte mit drohendem Knurren die Zähne, wenn sie ihn sah, denn sein Tun würde sie nie vergessen, das wusste Baldur. Daher hatte er Towin gebeten, sein Haus zu meiden, was dieser mit einem abfälligen Lachen abgetan hatte, aber der Bitte dennoch nachgekommen war.
Jahre zuvor, an einem milden Frühlingstag, hatte Baldur auf dem Markt ein schwarzes Hengstfohlen entdeckt und diesen kurzerhand, mit dem Geld, das er durch den Verkauf von Kräutern zusammenbekam, gekauft. Baldur sah in dem Wildfang eine weitere Beschäftigung für Tarija. Denn seit Tagen starrte sie gedankenversunken ins Leere. Mit dem Hengst würde sie hoffentlich eine willkommene Ablenkung haben.
Die Skepsis in ihren Augen war deutlicher als jedes Wort, nachdem er ihr schlichtweg den Strick in die Hand gedrückt hatte mit den Worten: „Das ist jetzt deiner. Sorge gut für ihn.“
Baldur beobachtete mit Zufriedenheit, wie sie sich dem Fohlen annahm. Anfangs beschränkte sie sich auf das Nötigste. Sie brachte das Fohlen in den Offenstall, an den direkt eine Box angrenzte oder auf die Koppel, die sich hinter dem Haus befand. Tarija versorgte es mit Futter und Wasser, wobei sie ihre liebe Mühe hatte, denn der kleine Hengst war ziemlich impulsiv und schwer zu handhaben.
Mit wachsendem Zweifel fragte sich Baldur, ob er ihr damit wirklich etwas Gutes getan hatte. Denn das Fohlen erkannte ihr wahres Wesen, den Wolf, und diese Zurückweisung war für Tarija wie ein Schlag ins Gesicht. Statt aus den trüben Gedanken herauszukommen, zog sie sich noch mehr zurück. Wenn er es wagte, ein Gespräch mit ihr zu suchen, um sie aufzumuntern, endete es meistens in einem handfesten Streit, bei dem sie mehr als einmal schrie: „Ich bin kein Mensch! Lasst mich doch in Ruhe!“
Das waren dann die Momente, die ihm klar vor Augen führten, dass auch er durch ihr menschliches Äußeres vergaß, was sie wirklich war.
Trotz der Rückschläge kümmerte sich Tarija aber weiterhin um das Fohlen. Sooft Baldur vermochte, beobachtete er Tarija bei ihren Versuchen, sich mit dem Hengstfohlen anzufreunden. Doch es dauerte Monate, bis der Hengst keine Angst mehr vor ihr hatte. Ab diesem Zeitpunkt verbrachte sie, neben ihren alltäglichen Belangen, viele Stunden mit dem Pferd. Sie pflegte und versorgte ihn, bis zwischen ihnen eine ausgeprägte Freundschaft entstand.
Baldur indes widmete sich wieder eingehend seinen Büchern. Suchte alles, was er über die Prophezeiung fand zusammen, notierte es sich in einem Buch, um herauszufinden, was ihr Auftauchen zu bedeuten hatte.
Das letzte Wolfskind, das er mehr durch Zufall kennenlernen durfte, hatte man als solches nicht sofort erkannt. Der junge Mann hatte schon so lange unter Menschen gelebt, dass er sein wölfisches Verhalten gut zu verbergen wusste, was Tarija selbst sehr schwer viel. Der winzige Unterschied zu diesem anderen Wolfskind, der ihm sagte, dass Tarija ein besonderes sein musste, waren ihre Augen. Während der junge Mann einst dunkelgraue hatte, besaß sie die Farbe von Smaragden. Aus älteren Schriften war ihm bewusst, dass Wolfskinder mit solchen Augen die Fähigkeit oder Magie, wie es die Bauern nannten, besaßen verschiedene Gestalten anzunehmen. Es würde ihn ja sehr interessieren welche das waren. Doch erst einmal sollte sie wissen, wie man sich in einen Wolf verwandelt. Was sie bisher immer noch nicht vollzogen hatte. Brauchte sie vielleicht jemanden, der es ihr beibrachte?
Sofort stürzte er sich in seine Bücher. Er ließ ihr zunehmend mehr Freiheiten, dennoch blieb sie weiterhin nie sehr lange im Wald. Es gab gewiss einen Grund dafür und irgendwann würde er ihn herausfinden.
An einem Winterabend, nachdem er wieder ein bisschen mehr über die ganze Prophezeiung herausgefunden hatte, musste er sie fragen. Denn ihm war aufgefallen, dass sich in letzter Zeit stetig ein grauer Wolf am Waldrand herumtrieb. Einer, der ihrer Mutter sehr ähnlichsah.
„Tarija? Ich merke schon eine Weile, dass dich etwas bedrückt. Was ist es?“
Sie saß auf einem Bücherstapel, studierte gerade ein Buch mit Karten des Kardianischen Reiches und sah zu ihm auf, wobei sie auf ihrer Unterlippe herum kaute. Baldur dachte schon, sie würde ihn ignorieren, doch dann murmelte sie: „Der Wald.“
Tarija deutete sein verständnisloses Stirnrunzeln richtig und sagte: „Ich entstamme aus ihm und doch ist er mir in den letzten Monaten unheimlich geworden. Immer wenn ich in seine Schatten sehe, erblicke ich einen grauen Wolf, der mich an meine Mutter erinnert, woraufhin alle Erinnerungen wieder hochkommen.“
Eine dicke Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und rollte über ihre Wange.
„Es tut mir so leid, Tarija. Ich hatte gehofft, dass die Jahre deinen Schmerz lindern, dein Hengst dir dabei hilft auf andere Gedanken zu kommen.“
Sie wischte sich die Träne hastig weg, schniefte kurz, steckte ihre Nase wieder in das Buch, ehe sie flüsterte: „Irgendwann wird er vergehen.“
Daraufhin herrschte Schweigen. Baldur hoffte inständig, dass dem so sei, dass sie Recht behalten würde.
In diesem Winter kam Tarija auf ihn zu und bat ihn, ihr Lesen und Schreiben beizubringen. Er hatte sie nie zu etwas gedrängt. Hatte sie stets frei entscheiden lassen, was sie lernen wollte. So saßen sie von nun an Tag für Tag in der Bibliothek, während draußen die Winterstürme tobten, wobei Tarija von ihm jeden einzelnen Buchstaben lernte.
Oftmals übten sie so lange, dass sie zu müde waren, um in den zweiten Stock zu gehen, wo sich die Schlafzimmer befanden. Daher rollte sich Tarija vor dem Kamin auf einem Fell zusammen. Häufig schlief sie mit angezogenen Beinen halb auf der Seite. Dabei kreuzte sie die Handgelenke und legte ihren Kopf auf die Unterarme, ganz wie ein Wolf es tat. Auch vernahm er hin und wieder dezente Töne von ihr. Die fiependen Laute eines Welpen, der nach seiner Mutter rief, was befremdlich aus dem Mund eines Menschen klang.
~~~
Jahre später schlurfte Baldur an einem paradiesischen Sommertag sehr angespannt in seiner Bibliothek hin und her. Schon den ganzen Morgen suchte er seine Niederschriften zu der Prophezeiung, doch er hatte vergessen, wo er sie hingelegt hatte. Denn in dem Raum den er sein Arbeitszimmer, Bibliothek und Wohnraum zugleich nannte, war jede noch so winzige freie Fläche sowohl auf dem Boden als auch in den Regalen, vollgestellt. Bücher in den unterschiedlichsten Größen, mit den verschiedensten Farben, dazwischen einzelne Schriftrollen, die quer durcheinander über den Büchern lagen. Der viereckige Tisch in der Mitte des Zimmers, quoll ebenfalls über mit Büchern und bis auf ein paar Wege gab es kein Durchkommen. Er kurvte stets um die Stapel herum, wenn er sich in dem Raum bewegte. Baldur wusste, für jeden anderen sah dieser Raum aus, wie das perfekte Chaos, aber für ihn war es ein geordnetes Durcheinander, denn er wusste sehr genau, wo welches Buch lag. Nur nicht heute.
Stirnrunzelnd blieb er in der Mitte des Raumes stehen, sinnierte fieberhaft wo er das verdammte Buch hingelegt hatte, und schlurfte in Gedanken um einen weiteren Bücherstapel herum. Immer wieder schaute er mal hier, mal da auf einen der Umschläge, ehe er vor einem Fenster verharrte, um nach draußen zur Koppel hinüberzusehen.
Saftiges, halbhohes Gras wiegte sich sanft in der Sommerbrise. Mitten auf der Koppel beobachtete er Tarija, die mit dem nun stattlichen Hengst ohne Sattel und Zaum ritt. Der graziöse Rapp, mit dem sie sehr viel Zeit verbrachte, wenn sie im Haushalt fertig war, hörte mittlerweile auf den Namen Dragon.
In Gedanken erschien ein Bild, das sich in seine Erinnerungen eingeprägt hatte und dass er jeden Tag von Neuem sah: Ihre Augen. Sie strahlten in den Farben von Smaragden, was sehr selten war. Er musste unbedingt mehr darüber erfahren, denn dieses Indiz allein genügte ihm noch nicht, um sie wirklich zu den besonderen Wolfskindern zu zählen. Wenn er doch nur einen Hinweis hätte, ob sie wirklich eines dieser Wolfskinder war. Noch nichts deutete darauf hin. Sie zeigte immer nur das Verhalten eines Wolfes, aber in keiner Weise das eines anderen Tieres. Vermochte er sich doch wider Erwarten irren? Dennoch. Was war der Grund für ihr Dasein? Diese Frage stellte er sich mittlerweile fast jeden Tag.
Sie musste zu etwas Großem auserkoren sein, denn schon einst war ihm ihre ausgeprägte Aura aufgefallen. Eine Aura, wie er sie so noch nie zuvor wahrgenommen hatte, denn er war schon von klein auf mit dem Talent gesegnet, die Aura eines Menschen zu spüren.
Plötzlich fiel ihm wieder ein, warum er eigentlich seine Niederschriften so akribisch suchte, denn er hatte sich darin etwas vermerkt, an das er sich nur vage erinnerte. Doch anstatt sich umzudrehen und die Suche fortzusetzen, sah er zu Tarija und ihrem Hengst. Tarija ließ den Hengst sich auf Kommando auf die Hinterbeine stellen oder verbeugen. Sie waren ein gut eingespieltes Team, wobei sie eine Begabung dafür hatte mit Tieren umzugehen.
Er würde ihr gerne noch weiterzusehen, doch mit einem schweren Seufzer löste er seinen Blick, drehte sich entschieden um und fing an mit Eifer zwischen den unzähligen Büchern nach den Niederschriften zu suchen.
~~~
Tarijas Konzentration verschwand in dem Moment, indem sie eine bekannte Witterung aufnahm. Noch bevor Dragons Muskeln zwischen ihren Schenkeln anfingen zu zucken, war ihr klar, dass sich ein Wolf in ihrer Nähe aufhielt. Dragons Ohren richteten sich ruckartig in alle Richtungen, gleichzeitig blähten sich seine Nüstern auf und er prustete aufgeregt.
Sie presste ihre Beine dichter an Dragon‘ blanke Seite, denn sie ritt ohne Sattel. Griff augenblicklich mit einer Hand härter in seine Mähne und strich ihm mit der anderen beruhigend über den Hals, doch es half nicht. Ihr Hengst wurde zusehends hektischer, zugleich fing er, an mit den Hufen zu scharren.
Nur ein kurzes zuckendes Ohrenspiel warnte sie vor, dann schleuderte er schon den Kopf wiehernd nach hinten. Er bäumte sich in dieser Bewegung auf und seine Vorderhufe wirbelten durch die Luft, wobei seine lange wallende Mähne ihr die Sicht nahm. Reflexartig ergriff sie auch mit der anderen Hand die Haare, doch trotz aller Bemühungen auf seinem Rücken zu bleiben, entglitt die Mähne ihrem Griff. Wie in Zeitlupe bemerkte sie, wie sie vom Rücken rutschte. Zeitgleich sank Dragon nach vorne. Auch sie kippte wieder vor, hielt sich eisern fest, während Dragon mit den Vorderhufen aufstampfte und anfing zu buckeln.
Dieses Bocken brachte sie vollends aus dem Gleichgewicht. Sie flog über seine Seite Richtung Boden, wobei sie mit einem Purzelbaum den Sturz abschwächte, doch zeitgleich musste sie sich aus der Reichweite von Dragons stampfenden Hufen bringen. Dadurch landete sie unsanft zuerst auf ihrer linken Schulter, bevor sie mit dem Gesäß hart auf dem Boden aufschlug. Sterne tanzten vor ihren Augen, sie schüttelte den Kopf, um diese loszuwerden, dabei bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen Schatten. Reflexartig hob sie ihre Hände über den Kopf, erwartete schon heftige Schmerzen, doch Dragons Vorderhufe verfehlten sie nur knapp. Ihr Blut rauschte wie ein donnernder Fluss durch ihre Ohren, weswegen sie Dragons dröhnende Hufe nur wie durch Watte wahrnahm.
Benommen, von dem schmerzhaften Aufprall, setzte sich Tarija behutsam auf. Der Druck auf ihren Ohren verschwand und im gleichen Maße nahm auch das Rauschen ab, sodass sie wieder die Geräusche um sich herum wahrnahm. Noch einmal schüttelte sie den Kopf, saß eine Weile im Gras, sammelte ihre Gedanken, ehe ihr wieder einfiel, weswegen Dragon so gescheut hatte. Der Wolf.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich ihre linke Schulter, tastete winselnd ihren Körper nach Brüchen ab, wobei sie beruhigt feststellte, dass sie noch einmal Glück gehabt hatte. Sie richtete sich etwas auf, dabei durchzuckten heftige Schmerzen ihren Leib, ließ sie aufstöhnen und sich auf die Unterlippe beißen.
‚Verdammt tut das weh‘, dachte sie sich, dabei war es ja nicht ihr erster Sturz, den sie von Dragons Rücken vollführt hatte.
Achtsam, immer wieder das Gesicht zu einer Grimasse verziehend, erhob sie sich, klopfte sich den Schmutz von der Kleidung, ehe sie ihren Blick über die Koppel schweifen ließ. Sie suchte den Wolf, den sie gewittert hatte und entdeckte ihn gleich darauf direkt am Koppelzaun. Ein grauer Kontrast zu dem schattigen Wald in dessen Rücken.
Der Wolf stand einer Statue gleich da. Seine Augen unentwegt auf sie gerichtet, doch sie verspürte nicht den kleinsten Hauch von Angst bei seinem Anblick. Nein. Mehr ein Wiedererkennen.
Schritt für Schritt trat sie auf den Wolf zu. Er war wunderschön. Das silbrig graue Fell schimmerte im Licht der Sonne wobei die Brust und die Schwanzspitze aussah wie frisch gefallener Schnee. Einen Meter vor diesem herrlichen Tier stoppte sie. Ohne mit den Wimpern zu zucken, begegnete sie den dunkelgelben, tiefgehenden Augen. Der Wolf hingegen duckte sich und schlüpfte unter dem Zaun zu ihr.
Nun erkannte sie, wer da vor ihr stand und flüsterte: „Toan“.
Trotz all der unzähligen Jahre, die vergangen waren, in denen sie sich nie gesehen hatten, erkannte Tarija ihren größeren Bruder wieder. Sachte, ungeachtet ihrer immer noch schmerzenden Glieder, sank sie vor dem Wolf auf die Knie. Angst, er könnte nur eine Einbildung sein, überfiel sie. Ihre Hände zitterten, nachdem sie diese nach vorne ausstreckte und ehrfurchtsvoll das Fell berührte. Sie ertastete mit den Fingerspitzen den weiche seidenen Pelz, um sanft mit den Handflächen darüber zu streichen. Das Gefühl unter ihren Händen weckte sofort Erinnerungen. Eindrücke, die sehr lange zurücklagen und ihr innerliche Schmerzen bereitete. Sie gewahrte, wie Tränen an ihren Wangen herunterkullerten, dann bemerkte sie eine feuchte Nase, die zärtlich ihre Backe berührte. Diese sanfte Geste entlockte ihr einen leisen Aufschrei. „Toan.“ Worauf sie sich nach vorne fallen ließ, ihre Arme um seine Schultern schlang und ihr Gesicht in seinem Fell vergrub.
„Hallo, kleine Schwester. Es ist so schön, dich wiederzusehen.“
Sie schluchzte in den Pelz, unfähig auch nur ein Wort von sich zu geben, weswegen sie nach so langer Zeit in die Gedankensprache wechselte.
„Oh, Toan … du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue. Ich vermisse euch alle so sehr. Wie ergeht es Vater?“
Sie löste zögernd ihre Umarmung und sah direkt in Toans dunkelgelbe Augen.
„Vater geht es gut. Er war es, der mich immer wieder zu dir geschickt hat, um zu sehen, wie du dich entwickelst. Wir hätten dich schon viel früher wieder zu uns geholt, doch Vater meinte, die uralte Fila hätte ihm gesagt, dass du erst wieder ins Rudel darfst, wenn du erwachsen bist.“
Sie sah ihren Bruder stirnrunzelnd an.
„Der graue Wolf am Waldrand? Das warst immer du?“ Ein wölfisches Grinsen legte sich in Toans Züge, indes löste sie ihre Umarmung komplett und ließ sich auf die Fersen sinken.
„Ja das war ich. Ich habe mich davon überzeugt, dass es dir gut ergeht. Nun haben die Menschen ihre Pflicht erfüllt. Es ist an der Zeit, dass du zurück in die Familie kommst. Das ganze Rudel ist damit einverstanden dich wieder aufzunehmen.“
So lange hatte sie sich darauf gefreut, nach Hause zu gehen, doch weiterhin saß die Angst wie ein schwerer Stein auf ihrem Herz, wenn sie an den Wald dacht. Obwohl sie jetzt wusste, dass der Wolf, den sie stets gesehen hatte, ihr Bruder gewesen war, linderte es ihr Unbehagen nicht ganz. In diesem Wald hatte sie ihre Mutter verloren. Toan schien dies zu spüren, denn seine feuchte Schnauze berührte erneut ihre Wange.
„Was haben die Menschen nur mit dir gemacht. Noch heute frage ich mich, warum das Rudel euch nicht rechtzeitig zur Hilfe gekommen ist. Aber jetzt wird alles wieder gut meine kleine Schwester. Heute Nacht, wenn der volle Mond weit oben steht, treffen wir uns hier an dieser Stelle wieder und dann hole ich dich von dem Menschen weg.“
Schniefend nickte sie, wischte sich die Tränen von der Backe und lächelte verkniffen. Toan hingegen erhob sich, schlüpfte unter dem Zaun durch, um zum Waldrand zu trotten, wo er noch einmal stehen blieb. Er sah über die Schulter zu ihr. „Wir sehen uns heute Nacht, kleine Schwester“, auf die Worte hin, sprang er freudig mit allen vieren in die Luft. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass du wieder bei uns leben wirst. Im Rudel. In der Gemeinschaft der Familie, wo du hingehörst.“ Er vollführte einen weiteren Satz, ehe er durch die Büsche in den Wald verschwand, wo er sofort mit dem Zwielicht verschmolz.
Sie hingegen verweilte noch einen kurzen Moment im Gras kniend, dabei legte sie ihre Hände in den Schoß. Tarija starrte eine Weile auf die Stelle, an der der Wolf in den Wald verschwunden war.
Allmählich formten sich die Worte in ihren Gedanken. Sie würde zurückgehen. Zurück zu ihrer Familie. Endlich, nach so langer Zeit.
Stöhnend erhob sie sich, fühlte die stechenden Schmerzen, die durch ihre Schulter zuckten, ließ ihre Augen noch einmal über den Waldrand schweifen, bevor sie sich zum Stall umdrehte. Ein beflügeltes Lächeln lag um ihre Mundwinkel, zugleich entlockte ihr die kommende Nacht einen beruhigten Seufzer. Doch erst einmal musste sie nach ihrem Hengst sehen. Schon beim Näherkommen hörte sie das unstete Schnauben. Sie betrat behutsam den Schuppen, der als Stall diente, und trat auf die Box zu, in der ihr Pferd mit bebenden Flanken stand. Mit nach vorne gestreckten Händen schritt sie auf Dragon zu, der jedoch witterte sofort den Wolf an ihr, woraufhin er schrill wiehernd zurückzuckte.
„Ruhig … ruhig mein Guter. Dir geschieht nichts.“
Ganz sachte legte sie ihre Hand auf den Hals des Rapps, kraulte ihn beruhigend und hatte nach weiterem Zureden endlich Erfolg. Dragon beruhigte sich weitestgehend, sodass sie imstande war, ihn für heute noch mit frischem Heu und Wasser aus dem Dorfbrunnen zu versorgen.
Ein letztes Mal überzeugte sie sich davon, dass es ihrem Hengst an nichts fehlte, ehe sie zurück zum Haus trat. Auch wenn es erst Nachmittag war, was ihr ein kurzer Blick zum Himmel verriet, wollte sie sich lieber noch ein wenig von ihrem heftigen Sturz ausruhen. Ihre Schulter war weiterhin ein Quell aus Schmerzen, aber auch ihre Hüfte verhielt sich nicht besser. Sie musste fit sein für diese Nacht, wenn sie wirklich das Dorf verließ. Zurückging in ihre Welt. In die Welt der Wölfe.
Entschieden ergriff sie den Türgriff, öffnete mit einem leisen Knarren die Tür und trat ein. Sie zog die Tür hinter sich wieder zu, um sich sofort in der bescheidenen, dennoch geräumigen Küche wiederzufinden. Diese durchquerend hielt sie am Türrahmen inne, von wo aus sie kopfschüttelnd Baldur beobachtete, der wie so oft etwas in seinem Durcheinander suchte.
Sie musterte den älteren Mann, der zu einem Vater für sie geworden war und dem sie bisher als einzigem unter den Menschen Vertrauen entgegenbrachte.
Leger lehnte sie sich mit der linken Schulter an den Türrahmen, was wieder eine Welle des Schmerzes hindurch jagte, auf das hin sie das Gesicht verzog. Behutsamer ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Sie versuchte, zu erkennen, was Baldur suchte. Baldur indes schlurfte zwischen den unzähligen Bücherstapeln auf nur wenigen begehbaren Pfaden umher. Gerade fing er an, einen weiteren Bücherstapel auf dem Boden eingehend zu begutachten. Hob hier und da eines an, las den Einband, bevor er es wieder kopfschüttelnd zurücklegte.
Sachte drückte sie sich vom Türrahmen weg, schlich einen der Pfade entlang und zu einem aus Eichenholz gefertigtes Lesepult, auf dem ein dickes Buch mit etwas vergilbten und schon eingerissenen Seiten lag. Aus vielen Winternächten wusste sie, dass es Baldurs Niederschriften waren, die er sich über eine Prophezeiung machte. Etwas, dass sie noch immer nicht ganz verstand, egal wie oft er versucht hatte, es ihr zu erklären.
Voll Neugierde linste sie auf die Seiten und las: Das Kind geboren, um zusammenzufügen, was getrennt ward. Sein Erbe antritt zur rechten Zeit. Hilfe bekommt durch einen mächtigen Krieger aus den Landen…
„Hast du dein Training für heute etwa schon beendet?“
Baldurs vom Alter gezeichnete Stimme drang zu ihr, woraufhin sie aufsah, während er halb in einer Truhe hing. Er wühlte unbeirrt darin, sodass einige der Bücher herausfielen.
„Ja, ich musste. Dragon hat mich seit langen Mal wieder vom Rücken geworfen, wovon ich einige Blessuren davongetragen habe, die ich gleich versorge.“
Sofort richtete sich Baldur ächzend auf, drehte sich zu ihr um und musterte sie eingehend, bevor er fragte: „Es ist hoffentlich nicht so schlimm wie beim letzten Mal…“
„Nein, nur Prellungen, die rasch mit einer guten Salbe wieder besser werden.“ Sie schielte noch einmal auf das Buch neben sich, ehe sie mit dem Kinn darauf deutete.
„Sag mal Baldur? Ist zufällig dieses Buch hier das, das du suchst?“
Ihrer Deutung folgend sah er das Buch, schlug sich mit der flachen Linken gegen die Stirn und verdrehte seine Augen.
„Herrje. Wie konnte ich nur vergessen, dass ich es dort schon hingelegt habe. Ich werde eben immer älter und mein Geist lässt allmählich nach. Danke Tarija.“
Er kam auf sie und das Lesepult zu. Sie indes trat schmunzelnd einen Schritt zur Seite, damit er sich unter leisem Stöhnen auf den Stuhl setzen konnte.
„Weißt du, die Prophezeiung…“
„Ja ich weiß Baldur. Du predigst sie mir, sooft du kannst. Außerdem habe ich deine Niederschriften hin und wieder gelesen.“
Seine faltigen Hände, deren Haut wie gegerbtes Leder schien, legten sich andächtig auf die Seiten. „Glaube mir, du wirst damit rascher konfrontiert, als dir lieb ist, Tarija. Nimm dein Schicksal an, es…“
„Vielleicht werde ich das, aber warum soll ausgerechnet ich dieses Kind sein? Nur weil ich ein Wolfskind bin?“
Er lächelte sie väterlich an, legte eine Hand auf ihre Schulter und sprach: „Du bist nicht irgendein Wolfskind, Tarija. Deine Reise hat erst angefangen. Dir steht sehr Großes bevor. Wenn das stimmt, was ich bisher gefunden habe, so bist du auserkoren, die geteilten Lande Kardians wieder zu vereinen.“
‚Er wird nie damit aufhören‘, dachte sie etwas verstimmt, gab sich aber Mühe, dass er ihren Gemütszustand nicht bemerkte, ehe sie erwiderte: „Ich bereite uns mal ein Abendessen zu und versorge meine Prellungen.“
Auch wenn sie seinen Predigten zuhörte, sie hasste es, wenn er sie im gleichen Atemzug mit der Prophezeiung erwähnte. Sie wollte von all dem nichts wissen, sah in den Worten nur dümmliches Gefasel, weswegen sie sich von ihm abwendete. Sie Schritt zurück in die Küche, wo sie wie angekündigt, etwas zu essen kochte. Allerdings ließ sie, während sie kochte, stets ein paar Lebensmittel in einen Jutesack verschwinden, den sie zuvor von einem Regal geholt hatte. Darnach fing sie an das Gemüse für einen schmackhaften Eintopf zu schnippeln, denn auch wenn Baldur sie immer wieder mit der Prophezeiung nervte, er hatte ihr auch viele nützliche Dinge erklärt. Zum einen wie man einen guten Eintopf zubereitete. Im Nu hatte sie einen deftigen, wohlriechenden Gemüseeintopf gezaubert, sich aber auch mit Proviant für die Nacht eingedeckt. Mithilfe eines dicken Eisenhakens holte sie den gusseisernen Topf von dem Metallgitter über dem flackernden Feuer. Sie stellte den Kessel daneben auf einen Steinsockel und hängte den Haken wieder zurück an seinen Platz. Ihre Schulter protestierte schmerzhaft bei manchen Bewegungen, doch allmählich wurde es besser.
Den Oberkörper halb drehend, wendete sie sich zum Tisch, auf dem eine Holzschüssel stand. Ergriff diese, schöpfte sich mit einer Kelle etwas von dem Eintopf hinein, um es sich auf einem der beiden Stühle gemütlich zu machen.
Nach der Stärkung wusch sie ihr Besteck, stellte beides auf den Tisch zurück, bevor sie noch zu einem kleineren Regal trat. Von diesem holte sie sich einen Tontiegel, packte den Jutesack und begab sich die knarrende Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.
Den Tiegel auf ihrem Nachttisch abstellend, entnahm sie aus dem Schrank eine schwarze Ledertasche, steckte den Jutesack hinein, um diesen an das untere Bettende zu hängen.
Diese Nacht. Wie sie wohl im Rudel empfangen wurde?
Mit äußerster Vorsicht zog sie sich ihr Hemd aus, rückte ihr Brustband, das um ihre Brust geschnürt war, damit diese beim Reiten nicht so wehtat, etwas zurecht, um den Tiegel zu öffnen. Sie holte mit zwei Fingern eine dicke Paste heraus, mit der sie ihre schmerzende Schulter einrieb. Sie saß darnach eine Weile auf der Bettkante, bis die Salbe eingezogen war, ehe sie sich ihr Hemd wieder überwarf. Daraufhin legte sie sich auf ihr Bett, lehnte ihren Oberkörper gegen die dahinterliegende Wand und griff neben sich, um von dem Nachtisch ein Buch zu holen. Eines von denen, die sie irgendwann mal aus Baldurs Bibliothek mit hochgenommen hatte, um etwas darin zu lesen. Aber das stellte sich als schwieriger heraus, als sie dachte. Beharrlich drängten sich Erinnerungen in ihre Gedanken. Erlebnisse aus ihrer Kindheit bei den Wölfen und die Bilder ihrer getöteten Mutter.
Nachdem der Tag endlich in den Abend überging, sich die Schwärze der Nacht ausbreitete, richtete sie sich noch ihre Kleidung auf dem unteren Teil ihres Bettes zurecht. Sie löschte das Licht der halb abgebrannten Kerze, um Schlaf zu finden.
~~~
Sie blinzelte verschlafen in das Licht des Vollmondes, der durch das getrübte Fenster ihres Zimmers schien. Nur behäbig fingen ihre Gedanken an zu arbeiten und sie fragte sich, ob es wohl schon Mitternacht war.
Alles um sie herum war ruhig. Nicht der kleinste Laut drang an ihre wachsamen Ohren und so setzte sie sich behutsam auf. Sie ergriff die dünne Decke, schlug sie beiseite, um gleichzeitig mit Schwung ihre langen Beine darunter hervor zu holen, um sie über die Bettkante zu legen.
Der Holzboden fühlte sich kalt unter ihren nackten Füßen an, weswegen sie einen Moment sitzen blieb und andächtig den Vollmond betrachtete. Heute Nacht würde sie endlich nach so vielen Jahren ihren Vater wiedersehen. Vielleicht waren auch ihre Geschwister noch da.
Mit dieser Vorfreude lauschte sie erneut angestrengt auf jedes noch so kleinste Geräusch, doch es rührte sich weiterhin nichts. Rasch, aber lautlos erhob sie sich, ergriff ihre bereitgelegte Kleidung, um sich flink im Halbdunkeln anzuziehen. Zum Schluss packte sie die Tasche, die am Bettpfosten hing. Diese hängte sie sich so, dass der Gurt quer über ihre Brust verlief. Sie überprüfte ein letztes Mal den Sitz ihrer Kleidung, bevor sie sich entschieden zur Tür wendete.
Tarija hielt kurz inne, ehe sie die Klinke ergriff, und anfing unvermittelt mit sich zu hadern. Sollte sie jetzt wirklich verschwinden? Schließlich hatte Baldur so viel für sie getan. Sich bei allem geduldig gezeigt und sie aufgezogen wie seine eigene Tochter. Es wäre unfair ihm gegenüber, stillschweigend abzuhauen, weswegen sie sich dafür entschied, einen Brief zu hinterlassen.
Beherzt drückte sie die Klinke runter, zog die dezent knarrende Tür zu sich heran und zuckte bei dem Laut merklich zusammen. Für einen Augenblick hielt sie den Atem an, dann huschte sie flink durch den schmalen Spalt. All ihre Nerven, ihre Sinne waren zum Zerreißen angespannt, weswegen ihr Geist ihr Geräusche vorgaukelte, die gar nicht da waren. Diese Laute waren hauptsächlich das Rauschen ihres Blutes, ebenso ihr heftig klopfendes Herz. Tarija zwang sich zur Ruhe, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung, um auf Zehenspitzen voran zu schleichen. Vor der Holztreppe verharrte sie, rief sich die knarrenden Stellen der Stufen in Gedanken auf, denen sie geschickt auswich.
Das silbrige Licht des Vollmondes fiel durch die Südfenster herein, hüllte den ganzen Raum, ebenso einen Teil der Holztreppe ins Halbdunkel, doch das bereitete ihr keine sonderliche Mühe. Nachdem ihre Schuhe den Holzboden berührten, sah sie sich behutsam um, ehe sie erschrocken zusammenzuckte. Baldur saß schlafend über sein Pult gelehnt da, unter sich das dicke Buch mit seinen Niederschriften. Er musste wohl wie so oft beim Lesen eingeschlafen sein, was seine leisen schnarchenden Laute bestätigten.
Auf jeden Schritt bedacht, den sie tat, schlich sie geschickt um die Bücherstapel herum zum Lesepult. Sie blieb daneben stehen und sah auf die aufgeschlagene Seite, die von einer halb heruntergebrannten Kerze erhellt wurde.
Voll Neugier fing sie an zu lesen: Das Kind geboren, um zusammenzufügen, was getrennt ward. Sein Erbe antritt zur rechten Zeit. Hilfe bekommt durch einen mächtigen Krieger aus den Landen Ashaks. Gemeinsam werden sie…
Baldur bewegte sich etwas, dabei rutschte sein Arm über das Geschriebene, woraufhin sie hastig zurückwich. Dabei wäre sie fast über einen Bücherstapel gestolpert, doch sie fing sich gerade so noch ab.
Nun sie würde auch irgendwie anders herausfinden, was in dieser komischen Prophezeiung noch alles stand. Jetzt erst einmal sollte sie nach einem Stück Papier und einer Schreibfeder suchen, um Baldur noch einen Brief zu hinterlassen.
Sie kurvte um die Stapel herum zu einem kleineren Tisch, holte sich von da, was sie brauchte, ehe sie in die Küche schlich. Dort sank sie auf einen der Hocker, wobei sie darüber grübelte, was sie schreiben sollte, bis sie eine Idee hatte und die Feder ins Tintenfass steckte:
Lieber Baldur,
ich werde für ein paar Tage zu meiner Familie gehen. Sei unbesorgt, mein Bruder und mein Vater passen auf mich auf. Ich werde dich ab und zu besuchen, vielleicht weißt du dann mehr von der Prophezeiung.
Bis bald
Tarija
Sie legte die Feder über den Brief, erhob sich, um sofort an die Hintertür zu gehen. Tief Luft holend drückte sie die Klinke nach unten, schob die Tür ganz behutsam auf, damit diese nicht verräterisch knarrte. Tarija schlängelte sich hindurch, stemmte sie sachte wieder zu und atmete die kühlere Nachtluft ein.
Erleichtert seufzte sie, drückte ihren Rücken gegen das feuchte Holz, doch trotz ihres bisher gelungenen Plans, blieb sie weiterhin angespannt. Sie lauschte, doch sowohl drinnen, als auch um sie herum blieb alles mucksmäuschenstill.
Ein erneuter Seufzer kam über ihre Lippen. Sie schloss für ein paar Sekunden ihre Lider, um sie ruckartig zu öffnen. Mit einem kräftigen Stoß drückte sie sich von der Tür weg und trabte voll Tatendrang über die Wiese zum Koppelzaun, ebenso dem Waldrand. Ihre Wildlederschuhe waren bereits in kürzester Zeit von den Tautropfen, die sich auf den Grashalmen gebildet hatten, durchnässt. All diese winzigen Tropfen funkelten im Mondlicht wie unzählige Kristalle.
Das befreite Gefühl, über die feuchte Wiese zu rennen, die Nachtluft auf ihrer Haut zu spüren, brachten wieder Erinnerungen in ihr hoch, wie sie barfuß über nasses Gras gelaufen war. Schweren Herzens dachte sie an ihre Mutter, sendete ein Gebet in den Himmel, dass sie von Baldur gelernt hatte und sinnierte an das, was vor ihr lag.
Heute ging sie zurück zu ihrer Familie.
Sie erreichte die Stelle, an der ihr Bruder sie abholen würde, vernahm, wie ihre Füße in den feuchten Lederstiefel quietschten, was sie aber ignorierte. Die Arme auf dem Koppelzaun ablegend, sah sie hinauf zu dem Vollmond. Sie stimmte ein leises Heulen an, ehe sie sich an den nächsten Pfosten lehnte, um daran in das klamme Gras zu rutschen.
Hier sollte sie auf ihren Bruder warten. Sie machte es sich so bequem wie möglich, bemerkte, dass sie trotz des Frühen zu Bett gehen, immer noch sehr müde war, weswegen sie ihre Augen schloss, um augenblicklich in einen Dämmerschlaf zu fallen.
Etwas Feuchtes weckte sie, das über ihre linke Wange strich. Im ersten Moment war sie etwas verdutzt, öffnete aber ruckartig ihre Lider, fuhr sich mit ihrem linken Arm über die nasse Backe und blinzelte, bevor sie in ein Wolfsgesicht sah.
Schlagartig wich auch die letzte Müdigkeit aus ihren Gliedern, sie sprang heiter jauchzend auf und umarmte den Wolf.
„Toan“, flüsterte sie in den Pelz.
„Es ist so weit, Schwester.“
Allmählich nahm sie ihre Arme runter, sah eisern in die dunkelgelben Augen, die sie freudvoll anstrahlten. Toan trat einen Schritt zurück, sie indes erhob sich mit etwas steifen Gliedern, die sie der nächtlichen Feuchtigkeit zu verdanken hatte. Derweil drehte sich Toan um, trat auf den Wald zu, wobei er bereits nach ein paar Schritten wieder stehen blieb.
„Komm, wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
Sie sah ein letztes Mal zum Stall, dann zum Haus, richtete ihren Blick auf den Wald, gleich darauf auf Toan, ehe sie zustimmend nickte.
„Ich bin so weit. Lass uns gehen.“
Schon trabte ihr Bruder los. Gemeinsam, hintereinander, rannten sie zwischen den Büschen in den Wald hinein, wo die Schatten der Bäume sie aufnahmen. Sie huschten leichtfüßig über den bemoosten Boden. Ihr Herz schlug flotter, je weiter sie in ein Reich ging, dass ihr immer vertrauter wurde. Mit ihrem Bruder an ihrer Seite verflog das mulmige Gefühl, das sie sonst hier im Wald gehabt hatte. Sie lief unbeirrt hinein, während über ihr die Nachtbrise das Blätterdach flüsternd rauschen ließ. Sie roch vereinzelt den harzigen Duft der Fichten, ebenso andere Aromen, die sie alle in sich aufsog. Die vertrauten Klänge als das Brausen von Schwingen eines Nachtjägers über ihr zu hören war. Das Rascheln von davonhuschenden Waldbewohnern auf dem zum Teil laubbedeckten Boden.
Eine Harmonie der Geborgenheit, die sie so lange vermisst hatte. Neben diesen Lauten vernahm sie auch ihre eigenen und die von Toan. Ihre vom Moos und Laub gedämpften Schritte, unterdessen sie in einen kräftesparenden Trab verfielen.
Bäume flogen regelrecht an ihr vorbei, als sie ein kurzes Stück sprintete und sie vor Freude jaulte. Toan sprang neben ihr her, fiel in das Jaulen mit ein, wobei sie an seiner Seite über umgefallene Stämme hechtete.
Mondlicht schimmerte vereinzelt durch das Blätterdach, zauberte ein faszinierendes Schattenspiel auf den Waldboden. All diese Eindrücke saugte sie wie ein Schwamm auf.
Erst an einem größeren Waldsee auf einer ebenso gewaltigen Lichtung wurde sie langsamer, bis sie am Ufer stehenblieb. Zwar war sie noch nicht müde vom Rennen, dennoch wollte sie eine kurze Rast machen, um diese Idylle auf sich einwirken zu lassen.
Der Mond spiegelte sich als gekräuselte Scheibe auf der Wasseroberfläche, während sie sich an dem bemoosten Ufer auf die Knie sinken ließ. Sie tauchte ihre Hände in das klare, kühle Nass und schöpfte sich Wasser zum Mund. Mit ein paar kräftigen Zügen trank sie, genoss das erfrischende, prickelnde Nass auf ihrer Zunge.
Nachdem ihr Durst gestillt war, erhob sie sich, setzte sich auf einen nahegelegenen größeren Felsen und griff in ihre Ledertasche, aus der sie eine halben Laib Brot holte.
Toan hatte es sich neben ihr im Moos gemütlich gemacht. Sein Blick war auf den See gerichtet, wobei sie ein Stück vom Brot abbrach, um sich zu stärken. Auch sie betrachtete den friedlich daliegenden See, ehe sie zu Toan schielte.
Er lag die ganze Zeit neben ihr und sie fragte sich, worüber er wohl gerade nachdachte.
„Toan?“ Sofort ruhten seine dunkelgelben Augen auf ihr. „Sind denn alle unsere Geschwister noch im Rudel?“
„Nein, eigentlich nur noch Dela und ich. Unsere Brüder sind losgezogen, um neue Rudel zu gründen. Deine kleinere Schwester hat in einem anderen Rudel ihren Lebenspartner gefunden.“
Sie schaute wieder über die glitzernde Wasseroberfläche des Sees, bevor sie nachhakte: „Du sagtest, du fragst dich heute noch, warum das Rudel uns nicht zur Hilfe kam. Wieso?“
„Auch wenn Mutter sich mit dir zurückgezogen hatte, einer von uns war stets in eurer Nähe. Nach deiner Verwandlung bekam Mutter es mit der Angst zu tun, eines der anderen Weibchen könnte dir was anhaben. Doch das Rudel hielt weiterhin zu euch.“
Behäbig sah sie zu Toan, wobei er nur auf den See starrte.
„An diesem schicksalhaften Tag hatte einer unserer Späher einen kapitalen Hirsch gefunden. Wir brauchten jeden, weswegen keiner zur Stelle war, als ihr angegriffen wurdet. Nachdem später ein Wächter zu eurer Höhle ging und das viele Blut sah, berichtete er sofort Vater davon. Glaub mir, Vater rannte augenblicklich los, denn er wollte wissen, ob ihr wirklich beide Tod wart. Als er aber dein Winseln aus dem Käfig vernahm, schöpfte er Hoffnung. Von da an patrouillierte stets einer der Späher in der Nähe des Hauses, bis ich Alt genug war und es zu meiner Pflicht machte, über dich zu wachen.“
„Oh Toan“, sie rutschte von dem Felsen und umarmte ihren Bruder. Dann erhob sie sich, sah ihn herausfordernd an, um sofort los zu sprinten, dicht gefolgt von ihrem Bruder.
Es war ein langer Weg zurück zum Rudel, doch sie wurde nicht müde, auch wenn sie hin und wieder ein flotteres Tempo zulegten. Zu gerne würde sie sich jetzt in einen Wolf verwandeln, aber sie hatte keine Ahnung wie. Vielleicht würde sie bald schon jemanden finden, der ihr das zeigte. Bis dahin benötigte sie viel Geduld.
Ein wohlbekannter Duft stieg ihr in die Nase. Sie drosselte ihre Geschwindigkeit und vernahm weitere gedämpfte Schritte neben sich. Aus dem Augenwinkel erkannte sie Wölfe, die sich ihrem Tempo anpassten, bis sie zwischen Büschen hindurch auf eine breite Lichtung kam.
In der Mitte dieser Schneise blieb sie abrupt stehen, drehte sich behutsam im Kreis und begutachtete alles eingehend. Der Boden war bedeckt von saftigem Gras, das zu einem Hügel hin spärlicher wurde. Dort erkannte sie Löcher. Höhlen, die als Behausung der Wölfe dienten. Umsäumt wurde dieser Flecken Wiese von niedrigen, dicht wachsenden Büschen, hinter denen der Wald mit düsteren Schatten angrenzte. Sie beendete ihre Drehung und sah auf einen gewaltigen, schwarzgrauen Wolf, der mit bemessenen Schritten auf sie zu kam.
Seine dunkelgrauen Augen musternden sie eingehend von oben bis unten, so, als müsse er sich erst wieder daran erinnern, wie sie aussah. Auch sie musterte den imposanten Wolf, den sie so lange nicht mehr gesehen hatte. Dem Alpha. Ihr Vater. Jetzt stand er vor ihr. So nahe. Tarija fühlte sich wie in einem Traum. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet und nun war er da.
Tränen der Freude kullerten über ihre Wange, sie trat einen Schritt auf ihn zu, blieb aber wieder stehen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie stetig mehr Wölfe auf die Lichtung traten und sich um sie versammelten. Sie gewahrte ihre Blicke, die auf Tarija ruhten, doch ihre Augen blieben weiterhin auf das Gesicht ihres Vaters gerichtet.
„Vater“, flüsterte sie heiser, dann, nach einem kurzen Zögern trat sie zu ihm, ließ sich auf die Knie fallen und umarmte ihn. Schluchzend drückte sie ihr Gesicht in sein Fell.
„Endlich bist du wieder zurück. Mein Kind.“
Sie löste sich von ihm, sah in seine Augen, wobei er ihr die Tränen von der Wange schleckte.
„Ich bin neugierig Tarija. Auch wenn unsere Späher immer wieder von dir berichteten. Aber was haben die Menschen in all den Jahren mit dir gemacht?“
„Ich kann dich beruhigen Vater. Sie haben mich gut behandelt, allen voran Baldur. Er ist ein guter Mann und hat mich aufgezogen wie seine eigene Tochter. Er lehrte mich viel und ließ mir alle Freiheiten, die ich brauchte. Er schenkte mir sogar ein Pferd, das Toan gestern etwas verängstigt hatte“, dabei lächelte sie ihren Bruder an, der sich neben ihr auf die Hinterläufe sinken ließ.
Mit einem kecken blitzen in den dunkelgelben Augen gab Toan ihr einen seichten Nasenstüber auf die linke Wange, was ihr ein Kichern entlockte. Es tat so gut wieder bei ihrer Familie zu sein.
Mittlerweile hatten sich noch mehr Wölfe um sie herum versammelt und lauschten wachsam ihren Worten.
„Er ist ein sehr geduldiger Mann. Ertrug all meine Launen, lehrte mich Lesen und Schreiben, aber ich bin sehr froh, endlich wieder hier zu sein.“
Ihr Vater erhob sich und nun bemerkte sie eine graubraune Wölfin, die sich ihnen achtsam näherte, um neben ihrem Vater stehenzubleiben. Misstrauen hegend beäugte die Wölfin Tarija, während ihr Vater die Wölfin vorstellte: „Ich möchte dir Aruna vorstellen. Meine neue Partnerin.“
Tarija senkte etwas das Haupt, um der Leitwölfin Respekt zu zollen.
„Nun da du endlich wieder bei uns bist, sollten wir das feiern. Die Jäger und ich gehen jetzt erst einmal auf Beutefang.
Sie riss sich zusammen, um nicht sofort freudig aufzuspringen, doch jäh bremste das bedächtige Kopfschütteln ihres Vaters ihre Euphorie. Mitten in ihrer Bewegung hielt sie inne und sah ihn mit etwas schief gehaltenem Kopf fragend an.
„Nein mein Kind. Du bist zwar mit deiner Mutter oft auf die Jagd gegangen, aber noch nie mit einem Rudel. Gedulde dich noch etwas. Finde erst deinen Platz hier, dann darfst du auch bald mit uns auf die Jagd gehen.“
Ihr schien die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben zu sein, denn ein väterliches Lächeln legte sich in die Züge ihres Vaters. Widerwillig nickte sie, ließ sich auf ihre Fersen zurücksinken und sah zu, wie er sich mit ein paar anderen Wölfen entfernte.
Doch kaum saß sie nur mit ihrem Bruder neben sich da, sprangen acht quirlige Welpen fiepend auf sie zu. Ohne jegliche Scheu, dafür mit kindlicher Neugier tobten sie um Tarija herum. Tollten über ihre Knie, purzelten umher und forderten sie aufdringlich zum Spielen auf.
Das Gewusel um sie hellte ihre Miene wieder auf. Sie freute sich über die Unbeschwertheit dieser kleinen Fellbündel, woraufhin sie auf die Aufforderung einging. Gleich darauf fand sie sich rücklings auf dem Boden liegend und die Horde über sich, sodass sie alle Hände voll zu tun hatte.
Toan hatte sich bei dem Ansturm davongeschlichen, zudem sie nun gespielt hilfesuchende Blicke warf.
Ein kurzes Knurren gebot dann den Welpen Einhalt, doch dieses Grollen war nicht aus Toans Richtung gekommen. Behäbig rappelte sich Tarija wieder auf, richtete ihr Augenmerk auf eine Wölfin, die gemächlich zu ihr kam. Ihr Fell war hellgrau, nur auf dem Rücken schwarz und auf ihren Zügen ein sanftes Lächeln. Die Wölfin zeigte genauso wenig Befangenheit vor ihr und erst beim zweiten Hinsehen erkannte Tarija ihre größere Schwester Dela.
Diese gab Tarija einen sachten Stups mit der feuchten Nase, ließ sich wortlos neben ihr zu Boden sinken, um mit belustigtem Blitzen in den bernsteinfarbenen Augen ihre Welpen zu beobachten.
Eines der Jungen hatte Tarijas Tasche ergattert und zog nun kräftig daran, doch sie sah nicht ein, ihm die Tasche zu überlassen, weswegen sie dagegen hielt. Dela indes legte ihren Kopf auf die Vorderpfoten und betrachtete das Hin und Her Gezerre.
Nachdem der Kleine endlich seine Bemühungen aufgegeben hatte ihre Tasche zu stibitzen, rollte er sich vor ihren Knien zusammen, woraufhin sie ihm den Bauch kraulte. Sie hingegen sah sich nun das Rudel um sich herum etwas genauer an. Sie erkannte hier und da ein bekanntes Gesicht, aber auch viele neue, die ihr kritisch entgegensahen, unter anderem Aruna.
Die Leitwölfin starrte Tarija unverwandt an, ehe sie sich wegdrehte, um mit ihren Jungen in eine der Höhlen zu verschwinden.
„Sie scheint mich nicht zu mögen, oder sehe ich das falsch Dela?“
Ihre Schwester hob den Kopf, sah erst zur Höhle, um Tarija daraufhin aufmunternd anzulächeln.
„Sei geduldig mit ihr. Es ergeht einigen im Rudel wie ihr, denn sie kapiert nicht wirklich, was du bist.“
„Was bin ich denn?“, platze es Tarija prompt heraus.
„Ein Wolf im falschen Körper.“ Dela stupste sie gegen den Arm. „Hast du denn nie versucht dich zu verwandeln?“
Tarija ließ die Schultern sinken und murmelte: „Ach Dela, wenn das so einfach wäre, aber ich weiß nicht wie. Du kannst mir glauben, ich wäre lieber wieder ein Wolf, doch ich habe noch niemanden gefunden, der mir bei diesem Problem hilft. Nicht einmal Baldur.“
„Kopf hoch kleine Schwester, es gibt für alles eine Lösung. Jetzt bist du erst einmal wieder bei uns und vielleicht kann Vater ja die uralte Fila fragen, was man da macht.“
Zögernd nickte Tarija. Schon verlangte einer der Welpen erneut ihre Aufmerksamkeit, indem er an ihr hochsprang. Tarija packte den Kleinen, legte ihn auf den Rücken und kraulte ihm den Bauch, was dem Welpen quiekende Laute entlockte. Doch selbst, während sie mit den Kleinen spielte, ließ ihre Wachsamkeit kein bisschen nach. Stück für Stück besah sie sich die Lichtung und jedes einzelne Mitglied des Rudels, das sich gerade hier aufhielt. Jeder von ihnen hatte sich wieder den unterbrochenen Tätigkeiten gewidmet. Sei es nur das Fell zu pflegen, ein Gespräch mit einem anderen zu führen oder nur herum zu streifen.
Bei ihrem Rundblick fiel ihr Augenmerk stets auf ein Männchen, das ein wenig abseits lag und sie seinerseits sehr genau beäugte. Es war ein eindringlicher Blick, der ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Der Ausdruck, soweit sie es beurteilte, war einerseits voll Argwohn, aber auch eine Spur Neugier lag darin.
Sachte legte Tarija ihre Hand auf Delas Schulter und nickte zu dem sonderbaren Wolf.
„Dela? Was ist eigentlich mit dem Männchen dort drüben? Er starrt mich die ganze Zeit so komisch an. Zudem? Wieso ist er nicht mit den anderen auf der Jagd?“
Dela bedachte den Wolf mit einem abfälligen Schnauben, legte ihren Kopf auf die Vorderpfoten und sagte: „Der da? Das ist nur Alkje. Ein Streuner, der bei uns Zuflucht gefunden hat. Vater hat ihn mit angeschleppt, verletzt und sehr geschwächt. Keine Ahnung was er angestellt hat, aber ich mag ihn nicht.“
Ein wenig erstaunt sah Tarija ihre Schwester an.
„Sonderbar ist er mir auch, ich kann nicht sagen wieso.“
„Ignoriere ihn, so wie wir es auch tun. Vielleicht verschwindet er ja von selbst aus unserem Rudel. Anfangs haben wir noch seine Wunden versorgt, doch mittlerweile hält sich jede von ihm fern. Manchen ist er irgendwie unheimlich.“
Tarija runzelte die Stirn und linste zu dem Rüden.
„Unheimlich? Wie meinst du das?“
Nun hob Dela ihren Kopf an, sah ihr eisern in die Augen, dabei ignorierte Tarija die Aufforderung die ein Welpe gerade versuchte zu erhalten, indem er ihr auf den Fingern herumkaute.
Ein kurzer, stechender Schmerz durchzuckte ihre Hand, als sich die winzigen spitzen Zähne in ihre Haut gruben und sie sofort mit einem Knurren das aufdringliche Junge zurechtwies. Rasch duckte sich der Welpe, zog unterwürfig die Rute zwischen die Hinterläufe ein und antwortete auf ihr Grollen mit einem entschuldigenden Fiepen. Tarija verstummte, rollte den Kleinen auf den Rücken, um ihm sachte über seinen Bauch zu streicheln.
„Trotz all der Zeit, in der du bei den Menschen gelebt hast, bist du immer noch ein Wolf geblieben.“
Tarija lächelte ihre Schwester vielsagend nickend an. Gleich darauf schweifte ihr Blick grüblerisch über die Lichtung und blieb erneut an dem Männchen hängen. Sie sahen sich an. Dabei fiel Tarija etwas auf, dass sie wachsamer werden ließ. Der Ausdruck in seinen Augen war nicht die Neugierde eines Wolfes, sondern wirkte mehr wie der eines Mannes, der eine hübsche Frau musterte. War das möglich? Oder bildete sie es sich nur ein? Ihre Schwester sagte, er sei ihnen unheimlich, aber in welchem Bezug?
Unterdessen sie so vor sich hin grübelte, vernahm sie von weither ein Geräusch, das sofort ihre ganze Aufmerksamkeit erweckte. Den Kopf etwas schief haltend lokalisierte sie die Richtung und wenn sie jetzt ein Fell gehabt hätte, so würde es ihr im Nacken hochstehen. Ein leises Grollen drang aus ihrer Brust, worauf Dela sofort mit dem Kopf hoch ruckte, um sie alarmiert anzuschauen.
„Schwester was ist?“
Flüsternd knurrte Tarija: „Bring die Welpen in Sicherheit! Es nähert sich jemand.“
Es bedurfte keiner weiteren Worte zwischen ihr und Dela, die aufsprang, um ihre Jungen zu den Höhlen zu verfrachten. Nur wenige Herzschläge später schlossen sich die anderen Wölfinnen ihr an, woraufhin sich die Lichtung rasch leerte. Tarija erhob sich ebenfalls. Sie huschte mit flotten Sprüngen hinter die Büsche und einen dicken Baum.
Ihr Herz klopfte heftig und sie zwang sich zur Ruhe. Besah sich eingehend die Waldwiese, um sicherzugehen, dass auch wirklich alle in Deckung waren. Manche Wölfin schaute vorwitzig aus den Höhlen hervor, wobei dieser Alkje sich unter eine dichte Hecke zurückgezogen hatte, von wo er alles genauestens verfolgte.
Ein Rascheln ließ ihren Kopf herumschnellen. Sie bemerkte eine Gestalt, die sich durch die Büsche schob und die Lichtung ansteuerte. Wie derjenige aus dem Schatten ins Mondlicht trat, sah sie einen Mann in einen langen grauen Mantel gekleidet, schwer auf einen Stock gestützt. Er bewegte sich behutsam vorwärts, drehte unstetig den Kopf hin und her, wobei Tarija den Mann erkannte. Baldur.
Was machte er denn hier? Sie hatte ihm doch geschrieben, sie würde ihn in ein paar Tagen besuchen. Zudem? Woher wusste er, wo er suchen musste?
Achtsam, jeden Schritt mit Bedacht gesetzt blieb Baldur mitten auf der Schneise stehen, drehte sich im Kreis und beäugte jeden Busch. Er ballte die Fäuste, doch Tarija hatte schon bemerkt, dass sie zitterten.
„Tarija?“, das Zittern war auch aus seiner Stimme zu vernehmen, doch sie blieb hinter dem Baum, um abzuwarten, was geschah.
„Tarija? Wo bist du? Zeig dich bitte.“
Woher wusste er, dass sie hier war? Oder rief er auf gut Glück in den Wald?
Sie verhielt sich mucksmäuschenstill, atmete nur noch ganz flach und beruhigte ihr heftig schlagendes Herz, das kurz vor Schrecken aussetzte, als es neben ihr ebenfalls raschelte.
„Wer ist das?“ Drang die Stimme ihres Vaters zu ihr.
„Baldur“, hauchte sie flüsternd, wobei sie eingehend die Hecken ansah. Hier und da entdeckte sie im Schatten der Büsche ein Augenpaar, von denen eines ihr zublinzelte. Sie vermutete, dass es Toan war, der wie alle anderen den Blick nicht mehr von Baldur wendete.
Zu ihrer Linken gewahrte sie einen weiteren Wolf, während sie Baldur dabei beobachtete, wie er allmählich seine Kapuze in den Nacken schob.
„Tarija? Sei bitte nicht zu erstaunt. Ich weiß schon lange, wo dein Rudel lebt. Ich war mehr als erschüttert, als ich deinen Brief gelesen habe. Bitte komm aus deinem Versteck heraus. Ich muss ganz dringend mit dir reden. Es ist bedeutsam.“
Was war so bedeutungsvoll, dass er sich so früh am Morgen in den Wald begab und vor allem in ein Wolfsrudel?
Sie sah fragend zu ihrem Vater.
„Was soll ich tun?“, flüsterte sie.
„Zu ihm gehen. Hör dir an, was er zu sagen hat und was ihm so bedeutsam ist.“
Sachte die Schultern straffend nickte sie, trat hinter dem Baum, ebenso dem Busch hervor, um auf Baldur zuzugehen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass sowohl ihr Vater als auch der andere Wolf ihr nicht von der Seite wichen.
„Ich bin hier Baldur. Was hast du denn so Wichtiges, dass du mich aufsuchst?“
Baldurs Blick huschte nervös über die beiden Wölfe an ihrer Seite, bevor er sie ansah und einen Schritt auf sie zumachte.
„Tarija, wieso bist du jetzt schon zu ihnen gegangen? Du weißt doch noch gar nicht, wie man sich verwandelt, zudem hast du noch nicht alles über die Prophezeiung erfahren.“
Sie unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen, ehe sie ganz dicht vor Baldur stehenblieb.
„Hast du denn meinen Brief nicht richtig gelesen? Ich habe doch geschrieben, dass ich dich in ein paar Tagen besuchen komme. Dann kannst du mir alles erzählen, was du herausgefunden hast.“
„Aber…“
„Nichts aber, Baldur. Bitte. Ich will wieder hier sein, bei meiner Familie. Auch wenn ich gerne bei dir bin, aber hier gehöre ich her.“
Baldur nahm sie in die Arme, drückte sie sachte an sich, bevor er ihre Oberarme umfasste.
„Wer bringt dir bei, sich zu verwandeln? Willst du ewig in dieser Form bleiben?“
„Natürlich nicht. Es wird sich bestimmt eine Lösung finden.“
Bedächtig nickte Baldur, nahm seine Hände von ihren Oberarmen und sah auf den schwarzgrauen Wolf zu ihrer Rechten.
„Ich gehe mal davon aus, dass er hier dein Vater ist?“ Sie lächelte, nickte dabei, während Baldur sich ächzend auf die Knie begab.
„Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen.“ Auch ihr Vater beugte etwas den Kopf.
„Sag ihm, ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet, dass er dich aufgenommen und großgezogen hat.“
Tarija wiederholte den Wortlaut, auf das hin Baldur entgegnete: „Ich fühlte mich verantwortlich dazu, nachdem was die Männer meines Dorfes Euch antaten. Tarija?“, er sah zu ihr auf, stütze sich schwer auf seinen Stock und erhob sich wieder. „Ich sehe, du hast deine Entscheidung getroffen. Du weißt, dass meine Tür für dich immer offensteht.“
Nickend schlang sie ihre Arme um Baldurs Hals.
„Danke Baldur, danke für alles.“ Er drückte sie knapp, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ sie wieder los.
„Ich werde mich während deiner Abwesenheit gut um Dragon kümmern. Bis dann.“ Damit wendete er sich von ihr ab und begab sich in den Schatten der Bäume. Sie indes vernahm das dezente Schnauben eines Pferdes, gleich darauf die gedämpften Schritte auf dem moosbedeckten Boden, die sich von der Lichtung entfernten.
Tarija blieb noch eine ganze Weile wie angewurzelt stehen, bis sie Fell unter ihrer Rechten wahrnahm und zu ihrem Vater heruntersah.
„Du magst ihn sehr.“
Sie nickte, ehe sie etwas bedrückt zu Boden sah.
„Ja schon … aber ich will endlich bei euch leben.“
„Das darfst du auch. Doch mein Kind, ich rate dir, Baldur das ein oder andere Mal aufzusuchen. Er sprach von der Prophezeiung. Was weißt du über sie?“
Verdattert sah sie ihren Vater an.
„Du kennst sie?“ Er nickte, was sie vollends durcheinanderbrachte. „Nun, viel weiß ich eigentlich noch nicht darüber. Zwar habe ich hin und wieder in Baldurs Niederschriften gelesen, doch diese verworrenen Texte waren für mich nicht sehr deutlich. Den letzten Abschnitt, an den ich mich erinnere, handelt von einem Kind, das irgendein Erbe antritt und von einem Krieger begleitet wird.“
„Nun ich kenne andere Zeilen, die mir die uralten Fila überlieferte. Sie ist eine weiße Wölfin aus den Bergen und sagte mir vor langer Zeit, dass ich ein Kind erhalte. Es würde auf die Welt kommen mit Fell, von uns gehen ohne Fell und wiederkommen mit Fell. Ich verstand ihre Worte nicht wirklich, doch nach deiner Geburt und deiner Verwandlung erkannte ich es.“
Während sie den Worten ihres Vaters lauschte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel heraus, wie sich ihnen ein Wolf näherte. Sie drehte den Kopf in dessen Richtung und erkannte Alkje, der mit gebührendem Abstand zu ihnen stehen blieb. Jedoch der Ausdruck in seinen Augen, mit dem er sie wie zuvor ansah, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
„Sprecht ihr gerade von der Prophezeiung Kardians?“
Sie nickte, gleichzeitig beäugte ihr Vater den Wolf voll Argwohn.
„Ja, so betitelte auch Baldur diese Schriften. Woher kennt Ihr sie?“ Bildete sie es sich nur ein, oder verhielt sich dieser Wolf mehr wie ein Mensch?
„Mir kam so manches zu Ohren auf meinen Reisen durch das Land. Ich hörte von Menschen, die sich in Wölfe verwandeln. Wenn ich alle Eure Worte richtig deute, scheint Ihr mir auch einer dieser Menschen zu sein.“
Sie schürzte ihre Lippen, überkreuzte ihre Arme vor der Brust und entgegnete grimmig: „Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Wolf nur im falschen Körper.“
Ihr Bruder gesellte sich zu ihrer Linken, sah erst zu ihr auf, gleich darauf zu Alkje.
„Sie hat Recht. Was erlaubst du dir, sie ein Mensch zu nennen, nur weil sie wie einer aussieht.“
Tarija ließ sich neben ihrem Bruder in die Hocke sinken, legte ihren Arm über seinen Rücken, wobei sie ihn sanft anlächelte.
„Schon gut Toan.“ Seine feuchte Nase stupste gegen ihre, was ihr ein Glucksen entlockte, doch blitzschnell änderte sich ihr Ausdruck von fröhlich zu lauernd.
Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, dabei wendete sie sich wieder Alkje zu, der achtsam einen Schritt zurückmachte. Auch Toan und ihr Vater sahen Alkje nun mit kritischen Augen an. Derweil kreisten auch die anderen Wölfen, ebenso die Wölfinnen sie ein.
Tarija wandt keinen Moment ihren Blick von diesem sonderbaren Wolf, beobachtete jede noch so winzige Bewegung. Jedes Muskelzucken was sie mehr an einen Menschen erinnerte, als an einen Wolf.
Alkje trat unstetig von einer Vorderpfote auf die andere. Nun hatte sie Gewissheit, dass vor ihr kein echter Wolf stand.
„Ihr seid aber auch nicht das, was Ihr vorgebt zu sein“, murmelte sie und seine dunkelbraunen Augen fesselten die ihren. Er ließ sich auf die Hinterläufe nieder, ein spitzbübisches Glimmen in den Iriden.
„Ihr seid eine sehr gute Beobachterin. Ja ich bin nicht das, was ich vorgebe zu sein, da habt ihr recht.“ Im gleichen Moment, nachdem er dies sagte, hüllte sich sein Leib in ein schimmerndes Licht. Tarija sprang fassungslos auf, trat rasch zurück, wobei Toan und ihr Vater es ihr gleichtaten.
Sie versuchte dieses schillernde Licht mit den Augen zu durchdringen, beobachtete, wie sich Alkjes Körper anfing zu verändern.
Sein schwarzbraunes Fell, das sie gerade so in dem Schimmern erkennen konnte, verkürzte sich außer am Kopf. Erhielt eine etwas rosa Färbung, ehe sie sich zu einem sonnengebräunten Farbton wandelte. Die Schnauze wurde förmlich zurückgesaugt, flachte sich zu einer menschlichen Nase und Mund ab, wobei sich im gleichen Vorgang die Augen nur gering veränderten. Sie wurden lediglich menschlicher, doch die Färbung seiner Iris blieb. Aus den dürren Hundeläufen, die sich in die Länge zogen, entwickelten sich zum einen muskulöse Männerbeine, zum anderen kräftige Arme. Die Rute verschwand ganz in seinem Körper.
Nachdem die Veränderung mit abklingen des Leuchtens beendet war, stand vor ihr und dem ganzen Rudel ein nackter Mann, der sie keck angrinste.
Sie löste den Blick von seinem Gesicht, mit den markanten Zügen, und ließ ihn über den Leib gleiten. Zwar hatte sie schon viele Männer oben ohne auf den Feldern arbeiten sehen, doch was sich da vor ihr darbot, war nichts im Vergleich dazu. Behutsam beäugte sie diesen athletischen Körper etwas genauer.
Tarija schätze Alkje vielleicht zwei oder drei Jahre älter als sie. An seinen Armen, ebenso dem Oberkörper zeichneten sich deutlich bei jeder Bewegung die Muskeln ab. Mit dezenter Neugierde besah sie sich seine Haut, die an ein paar Stellen weiß oder rötlich schimmerte. Narben. Zeugnisse von Kämpfen, die er wohl bestritten hatte.
Er überragte sie um einen guten Kopf, was nicht schwierig war bei ihrer geringen Größe von fünfeinhalb Fuß. Sein Haar hatte die gleiche Färbung wie zuvor sein Fell, wobei es ihm bis zu den Schulterblättern reichte.
Nachdem sie mit ihrer Musterung fertig war, die nur ein paar Herzschläge gedauert hatte, sah sie erneut in sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen, dem markanten Kinn, das von einem schwarzen Bart umrahmt war.
Tarija gestand sich selbst ein, dass gerade sein verwildertes Aussehen ihn sehr ansprechend machte, zudem etwas ihr Interesse weckte. Doch was noch mehr ihre Wissbegierde auf sich zog, war, dass er sich verwandeln konnte. Hatte sie vielleicht gerade eben jemanden gefunden, der ihr bei dieser Sache helfen konnte? Hoffnung flammte in ihr auf, doch ein Blick in seine Augen löschte dieses Feuer sofort wieder.
In ihnen glomm ein dünkelhafter Ausdruck, den sie auch von Towin kannte, woraufhin ihr ein leises drohendes Knurren über die Lippen kam.
„Wer seid Ihr?“, fauchte sie und trat einen weiteren Schritt zurück. Durch ihre Drohgebärde stellten sich Toan und ihr Vater wieder neben sie, kräuselten ihre Lefzen, zugleich richteten sie ihre Nackenhaare auf.
„Nur ein Mann auf Reisen, der die Gabe der Verwandlung besitzt, so wie Ihr.“
Ihr Vater fletschte knurrend die Zähne. „Finger weg von meiner Tochter und macht, dass Ihr verschwindet.“
„Warte Vater. Er kann sich verwandeln. Vielleicht kann er es mir erst beibringen, bevor du ihn davonjagst.“
„Eure Tochter ist eine vernünftige Frau Gereon. Vielleicht könnte ich das wirklich.“
Gereon sah sie zweiflerisch an. „Glaubst du das tatsächlich? Sieh ihn dir doch an. Er sieht aus wie ein Barbar der östlichen Lande.“
„Woher weißt du wie die Barbaren aussehen Vater?“
„Weil ich früher viel herumgekommen bin, bevor ich hierblieb. Glaub mir, er ist einer. Ich kann zwar nicht erkennen woher, aber für mich sehen sie eh alle gleich aus.“
„Ashak.“
Gereons Kopf ruckte in Alkjes Richtung, sein Knurren gedieh noch drohender.
„Ein Ashaker?! Noch entsetzlicher! Tarija bleib weg von ihm!“
Mit raschen Schritten stellte sich Gereon schützend vor sie und fletschte weiterhin seine Zähne in Alkjes Richtung.
„Mach, das du wegkommst, verschwinde aus meinem Rudel.“
Alkje blieb besonnen und unbeeindruckt vor den beiden stehen.
„Du verjagst gerade den einzigen Menschen, der deiner Tochter helfen kann, sich zu verwandeln.“
„Es gibt bestimmt noch andere!“
„Wenn du meinst Gereon.“
Ein kleinwenig verdattert verfolgte sie das hitzige Gespräch, bis sich Alkje von ihnen abwendete. Die Wölfe, die einen Kreis um sie gebildet hatten, wichen vor ihm zurück, unterdessen er gemächlichen Schrittes zum Lichtungsrand trat, wo er noch kurz innehielt.
Über die Schultern schauend sagte er zu ihr gewandt: „Falls Ihr es Euch anders überlegt, könnt Ihr mir gerne folgen. Mein Weg führt mich nach Sarkon.“
Bevor sie etwas erwiderte, verschwand er hinter den Büschen, gleich darauf glomm kurz das Schimmern auf und sie vernahm, wie er sich mit Sprüngen von der Lichtung entfernte.
Nur allmählich wich die Anspannung aus dem gesamten Rudel, die sich stetig aufgestaut hatte. Nackenhaare glätten sich wieder, die Lefzen lockerten sich und auch ihr Vater hörte auf zu knurren.
Behutsam drehte er sich zu ihr um, wobei in seinem Blick eine Entschuldigung geschrieben stand.
„Verzeih mein aufbrausendes Gemüt. Aber nie im Leben lasse ich es zu, dass sich ein Ashaker in deiner Nähe aufhält. Ashaker sind die schlimmsten Barbaren der östlichen Länder und Frauen gegenüber bestialisch.“
Gereons Worte sollten eine Warnung für sie sein, doch in ihrem Kopf arbeitete es bereits. War in Baldurs Niederschriften nicht die Rede von einem Krieger aus Ashak? Konnte es dieser Alkje sein? Sollte sie ihm trotz Gereons ermahnenden Worte folgen?
Sie entschied sich dafür das Ganze sehr gut abzuwägen. Erst einmal wollte sie bei ihrer Familie ankommen. Eine Weile das Leben genießen, bevor sie schon wieder an Aufbruch nachdachte. Zudem sollte sie Baldur noch einen Besuch abstatten.
„Keine Angst Vater. Ich werde mich vor solchen Männern hüten.“ ‚Auch wenn ich Gefallen an ihm finde‘, dachte sie sich, während sie hinter Gereon und Toan hertrottete, die nun die Jagdbeute auf die Lichtung zerrten. Tarija half beherzt mit, wobei ihre Gedanken ganz andere Wege bestritten.
Irgendwie war in dieser Nacht doch alles viel zu rasch gegangen. Die Heimkehr in ihr Rudel. Baldurs plötzliches Auftauchen. Alkjes Angebot, ihr zu helfen.
Auch wenn sich ihr Interesse an dieser Prophezeiung in Grenzen hielt, so wollte sie doch etwas mehr darüber erfahren.
Es gab zu viele Fragen. Doch bevor sie weitergrübelte, fing sie an, Feuerholz zusammen zu suchen. Sie holte aus ihrer Tasche Zunder und Feuerstein, um sich ein Lagerfeuer zu entfachen.
Ihr Bruder kam auf sie zu getrottet, in seinem Maul ein Stück Fleisch, das sie dankend entgegennahm. Sie suchte sich dickere Äste, spießte es darauf auf und garte es sich über den Flammen.
Toan kam ein weiteres Mal zurück zu ihr, wieder mit einem Fleischstück im Maul. Ließ sich damit neben ihr in die Wiese sinken und fing an genüsslich das Fleisch zu verschlingen. Nachdem ihr Fleisch gar war, gönnte sie sich auch das schmackhafte Abendessen. Dabei kam nun auch Dela zu ihr, legte sich auf die andere Seite, rief die Welpen zu sich, um sie sanft abzulecken.
Tarija genoss diese gesellige Runde im Kreis ihrer wahren Familie. Zwar huschten immer noch viele Fragen durch ihre Gedanken, doch auf die Suche nach den Antworten konnte sie auch noch an einem anderen Tag gehen. Erst einmal wollte sie zu Hause ankommen.
Denn auf die Suche gehen bedeutete, dass sie ihr Rudel wieder verlassen musste. Diese Überlegung schob sie vorerst von sich, auch wenn ihr Wissensdurst stetig zunahm. Doch was würde sie da draußen alles erwarten? Sie kannte ja nichts außer dem Dorf und jetzt diese Lichtung hier.
Über sich selbst lächelnd, schüttelte sie sachte den Kopf, riss sich ein weiteres Stück Fleisch ab und sah zu ihrer Schwester, die mit Hingabe den Bauch eines ihrer Kinder ableckte. Die anderen hatten sich zu einem Haufen zusammengerollt und schliefen bereits.
Das hatte sie vermisst. Diese Ruhe. Der Zusammenhalt. Die Gemeinschaft.
Schlichtweg nur das Umfeld ihrer Familie genießen, das stand nun an erster Stelle. Das gemeinsame Essen mit seinen Ritualen, ebenso den Rangordnungen. Die Geschichten der älteren Wölfe, die von üppigen Jagdgründen, gelungenen jagten und schönen Wölfinnen erzählten.
Ihre Schwester hatte nun auch den letzten Welpen versorgt, der nun zu Tarija getrottet kam, um es sich in ihrem Schneidersitz gemütlich zu machen. Gedankenverloren, den Geschichten lauschend, kraulte sie dessen Rücken. Dabei rückten Dela, ebenso Toan näher zu ihr, um andächtig den Worten der Alten zu lauschen.
Das Feuer brannte herunter, doch sie ließ es ausgehen. Sie brauchte es nicht, denn ihre Geschwister wärmten sie, so wie es vor langer Zeit ihre Mutter getan hatte. Die Harmonie der Geborgenheit erfüllte ihre Seele und spät in der Nacht schlief sie an die weiche Schulter ihres Bruders geschmiegt ein.
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Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach und kitzelten ihr Gesicht. Ein neuer Tag war angebrochen.
Dunstschwaden durchzogen den Wald, gaben ihm etwas Magisches. Die Strahlen selbst schimmerten wie breite Fächer hindurch, ließen die Tautropfen auf dem Moos wie winzige Kristalle brillieren.
Tarija jedoch hatte nur flüchtig ein Auge für die Schönheit dieses Morgens, während sie in einem kräftesparenden Trab vorbei huschte. Das Blattwerk vor ihr lichtete sich, woraufhin sie schon bald den Waldrand erblickte, ebenso den Koppelzaun, der in mildes Licht gehüllt war.
Tarija hatte einige Tage bei ihrer Familie verbracht. Hatte es mit jeder Faser ihrer Seele genossen, das Rudel um sich herum zu haben. Mit ihnen in den Tag zu starten. Zusammen mit ihrem Bruder auf Hasenjagd zu gehen und die Welpen ihrer Schwester zu bespaßen. Auch fand sie Zeit, sich lange mit ihrem Vater zu unterhalten. Sie sprachen über vergangene Zeiten, wobei es ihnen beide sehr schwerfiel.
Doch in den letzten Tagen drängten sich ihr wieder einige Fragen auf, ließen ihr keine Ruhe. Schweren Herzens hatte sie sich von ihrer Familie verabschiedet mit den Worten: „Ich muss endlich jemanden finden, der mir zeigt, wie ich zu einem Wolf werde.“
Gereon hatte Verständnis für ihren Aufbruch, während Dela sie bis zum Letzten umstimmen wollte, doch im Rudel zu bleiben. Toan hatte allem nur grüblerisch zugesehen, ihr ein letztes Mal mit der Nase an die Wange gestupst und war von da an ferngeblieben.
Sie ließ gerade den Wald hinter sich, schritt durch das vom Tau genässte Gras am Koppelzaun entlang zum Haus.
Baldur war bestimmt schon wach und sie hoffte, dass er noch mehr herausgefunden hatte.
Vor der Hintertür stoppte sie, atmete tief ein und drückte die Klinke hinunter. Sie betrat die Küche und war erstaunt, dass kein Chaos herrschte. Die Feuerstelle war erkaltet, weswegen sie sich besorgt fragte, ob Baldur sich überhaupt etwas gekocht hatte, während sie weggewesen war.
Sie trat in die Bibliothek, wo sie ihren Ziehvater da fand, wo sie ihn auch vermutete. Hinter seinem Lesepult in die Niederschriften vertieft.
„Guten Morgen Baldur.“ Beim Klang ihrer Stimme sah er zu ihr auf, wobei sie sich geschickt um die Bücherstapel zu ihm bewegte.
„Guten Morgen. Ich hatte eigentlich nicht so rasch mit dir gerechnet, ich hoffe doch, es ist nichts passiert.“
Tarija schüttelte den Kopf, ehe sie einen Blick auf das Buch warf.
„Nein … nun ja…“ Erzählte sie ihm wirklich von dem Ashaker?
„Was bedrückt dich Tarija?“
Erneut warf sie einen Blick auf das Buch und erhaschte ein paar Worte …sich zeigt in Form eines Wolfes und erlangen…
Sie gab sich einen Ruck und sagte: „Nachdem du weg warst, zeigte sich mir, ebenso dem gesamten Rudel ein Mann, der sich in einen Wolf verwandeln konnte.“
„Ein Mann? Aber das … warte…“, Baldur blätterte fahrig eine Seite um, ehe er auf eine bestimmte Stelle deutete. „Hier. Hilfe kommt durch einen mächtigen Krieger aus den Landen Ashaks.“
Mit leuchtenden Augen sah Baldur sie an, doch Tarija teilte seine Begeisterung nicht so ganz. Immer noch war ihr diese Prophezeiung ein gewaltiges Rätsel.
„Hat er gesagt, woher er kommt? Konnte er dir zeigen, wie man sich verwandelt?“
„Zeigen konnte er mir leider nichts, dafür hat mein Vater gesorgt. Nachdem er nämlich sagte, woher er kam, jagte ihn Gereon sofort davon.“
Baldur sah sie verdattert an, woraufhin sie sofort ergänzte: „Aber ich erfuhr von ihm, dass er aus einem Land namens Ashak kam.“
„Wo ist er jetzt? Denn wenn die Prophezeiung stimmt, so ist er dein Hüter oder Wächter. So genau lese ich es nicht heraus.“
Schulterzuckend ließ sie sich auf einem Stapel Bücher nieder, der sich neben dem Pult befand.
„Er sagte irgendwas von Sarkon, dass er auf den Weg dorthin ist.“
„Sarkon“, murmelte Baldur, sich schwer hochstemmend. Suchend umrundete er die Bücherstapel, dann packte er eines der unzähligen Bücher, ehe er zu ihr zurückkam. Er schlug das Buch auf, blätterte darin, bis vor ihnen die Karte des Kardianischen Reiches lag.
„Wir sind hier“, er deutete auf irgendeinen grünen Fleck, fuhr mit seinem Finger über die Abbildung eines Gebirges und verharrte auf einer Stadt.
„Das ist Sarkon. Eine Stadt in die man nicht freiwillig geht.“
Sie runzelte die Stirn. „Wieso? Was ist mit dieser Stadt?“
Sein Blick war sehr düster, als er ihr in die Augen sah, zugleich tief Luft holte.
„Sarkon ist eine Sklavenstadt. Die Hochburg des Menschenhandels.“
Eiskalt rann es ihr über den Rücken, obwohl sie nicht recht verstand, was Baldur erkannte, woraufhin er ihr erklärte: „Menschen in dieser Stadt kaufen sich andere Menschen die wie Tiere gehalten werden. Diese Sklaven, wie sie genannt werden, haben keine Rechte und müssen auf das hören was ihre Herren sagen.“
„Das meinst du nicht ernsthaft.“ Doch Baldur nickte.
„Doch Tarija. Wenn du wirklich vorhast, diesem Ashaker zu folgen, meide ja diese Stadt.“
Seine Worte stimmten sie augenblicklich sehr grüblerisch. Ihr wurde klar, dass sie gar nichts über diese Welt wusste.
„Dann bleibe ich lieber hier. Es gibt bestimmt auch einen anderen Weg, wie ich zu meiner richtigen Form finde.“
„Das glaube ich weniger. Die Worte der Prophezeiung sind eindeutig. Dein Weg ist der gleiche wie der des Ashakers. Du solltest ihn finden und von ihm lernen.“
‚Immer diese blöde Prophezeiung‘, dachte sie sich, zwang aber ein Lächeln in ihre Züge. „Vielleicht hast du recht. Aber…“
„Keine Sorge Tarija. Du bist stärker, als du es dir selbst eingestehst. Hab‘ Mut und wage etwas.“
Wenn sie doch nur seinen Eifer teilen konnte. Sie hatte ja noch nicht einmal eine Ahnung, was sie alles brauchte, vor allem, wohin sie gehen sollte.
„Baldur? Könntest du mir helfen?“ Nun strahlte er übers das ganze Gesicht und nickte.
„Natürlich, mein Kind. Komm…“, er schlängelte sich zur Küche durch, wobei sie ihm dichtauf folgte.
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der ältere Mann noch so flink unterwegs war, aber die Aussicht, dass sie sich für die Prophezeiung erwärmte, schien ihn zu beflügeln.
Er richtete einige Lebensmittel auf dem Tisch her. Dazu einen Wasserschlauch, ebenso weitere Gegenstände, die sie wohl allesamt gebrauchen konnte.
„Geh in dein Zimmer. Hole dir deinen Wollumhang, zudem eine dicke Decke. Wer weiß wohin dich dein Weg führt. Im Gebirge ist es um einiges kühler als hier unten in der Ebene.“
Tarija nickte zögernd, trat aus der Küche und erklomm die knarrende Treppe. Sie trat in ihr Zimmer, holte das Genannte aus ihrem Schrank heraus, um es sich kurzerhand über die linke Schulter zu werfen. Gleich darauf ergriff sie noch ein weißes Leinenhemd, zudem eine schwarze lederne Hose. Baldur hatte recht. Wer wusste schon, wohin ihre Reise sie führte.
Etwas beherzter als zuvor stieg sie wieder hinunter, in die Küche, wo sich auf dem Tisch allerlei Sachen stapelten.
„Du sagst mir jetzt aber nicht, dass ich das alles mitnehmen muss.“
Baldur ließ seinen Blick über den Tisch schweifen und lächelte peinlich berührt.
„Nein, du hast recht. Wir beschränken uns auf das nötigste, aber warte…“, er verschwand in einem Nebenraum, wo sie ihre Lebensmittel lagerten, tauchte ein paar Herzschläge später mit einer Tasche auf, wie sie noch keine gesehen hatte.
„Hier. Das ist für Dragon. In diesen Satteltaschen kannst du die ganzen Sachen hier verstauen.“
Tarija beobachtete Baldur dabei, wie er anfing, bestimmte Dinge in diese Tasche hinein zu tun, ehe er ihr die Kleidung, den Umhang, ebenso die Decke abnahm, die er ebenfalls hineinstopfte.
„So. Nun bist du ausgerüstet … Moment … eins gebe ich dir noch mit.“
Verdattert sah sie ihm nach, während er in die Bibliothek entschwand und für sein Alter ziemlich flott zurückkam.
„Hier. Ich habe in der Zeit, wo du bei deiner Familie warst das, was ich von der Prophezeiung gefunden habe, für dich notiert.“ Gleichzeitig hielt er ihr ein gerolltes Pergament entgegen. Zaudernd ergriff sie es und steckte es zu den anderen Sachen in die Tasche.
„Hoffentlich sehen wir uns wieder, mein Kind.“ Baldur umarmte sie, inniger als sonst und auch sie schlang ihre Arme um seinen Hals, wobei sie flüsterte: „Ich werde wiederkommen, das verspreche ich dir. Wenn nicht in dieser Welt, dann in der anderen.“
Sie lehnte ihre Stirn an seine, gleich darauf lösten sie sich voneinander und Tarija ergriff die Satteltasche.
„Sei achtsam.“
Hoffnungsvoll lächelnd nickte sie, trat zur Hintertür, wo ihre Hand über der Klinke stoppte.
Sollte sie wirklich gehen? Noch einmal mit sich hadernd gab sie sich den entscheidenden Schubs und trat hinaus. Mit der Satteltasche über der Schulter schritt sie auf die Koppel, zugleich den Offenstall zu.
Kaum hatte sie sich diesem bis auf wenige Schritte genähert, vernahm sie bereits das aufgeregte Schnauben ihres Hengstes.
Sie schmunzelte, während Dragon wieherte, als sie die Holztür seiner Box öffnete. Rasch begab sie sich hinein, sah sich ihrem Pferd gegenüber, das ihr wachsam entgegenblickte. Sanft legte sie ihre Hand auf seine Stirn, kraulte ihn zur Begrüßung, bevor sie die Satteltasche über dem Gatter der Box ablegte. Mit üblicher Routine fing sie an ihn für ihr Abenteuer vorzubereiten. Sie warf ihm die Satteldecke auf den Rücken, gefolgt vom Sattel und zog den Gurt, so fest sie konnte, was Dragon zu einem missgestimmten Schnauben veranlasste.
„Stell dich nicht so an und zieh den Bauch ein du Vielfraß“, brummte sie, spannte erneut den Gurt, ehe sie ihn fixierte.
Gleich darauf zog sie ihm die Trense an, wobei er unwillig auf der Gebissstange herum kaute. Sie überprüfte wie gewohnt alles auf den richtigen Sitz. Erst dann packte sie die Satteltasche auf seine Kruppe, verschnürte diese mit dem Sattel, um die Zügel zu packen.
„So! Auf geht‘s.“
Sie wunderte sich über ihren eigenen plötzlichen Elan, führte Dragon aus der Box und dem Offenstall hinaus, ehe sie stehen blieb.
Ein letztes Mal sah sie auf das Haus, indem sie so viele Jahre gelebt hatte, öffnete das Koppelgatter und schwang sich auf Dragons Rücken.
Murmelnd sagte sie zu ihrem Hengst: „Ich glaube Dragon, so rasch sehen wir dieses Haus und diesen Stall nicht wieder. Baldur hatte recht damit, als er meinte, wer weiß schon, wohin diese Reise mich führt.“
Sein Schnauben klang in ihren Ohren wie eine Zustimmung, daraufhin drückte sie ihre Fersen in seine Seite, um ihn voranzutreiben.
Ein paar der Dorfbewohner, die ihrer Arbeit nachgingen, sahen ihr verständnislos nach, doch Tarija beachtete sie nicht. Sie presste erneut ihre Hacken in Dragon Seite, sodass er in einen sachten Trab überging.
Nachdem sie den Ort hinter sich ließ, spornte sie Dragon an und ließ ihn galoppieren. Für einen Moment genoss sie das Gefühl des Windes auf ihrer Haut und die stampfenden Hufe unter sich.
Nun gab es kein Zurück mehr. Sie hatte ihren Weg gewählt. Diesen wollte sie nun beschreiten, auch wenn sie bisher nur wusste, dass sie diesen Alkje finden musste.