Читать книгу Revenge - Amys Rache - Melanie Weber-Tilse - Страница 10
Amy
ОглавлениеSie gefährdete ihre eigene Mission, wegen ein paar verdammten Teenagern. Das durfte wirklich nicht wahr sein. Kurz hielt sie beim Packen inne. Einst war ihre Schwester auch ein Teenager gewesen und wenn damals jemand für sie eingestanden hätte … sie schüttelte die Gedanken ab.
Vor allen Dingen, wie hatte sie den Fehler begehen können und ihren derzeitigen Aufenthaltsort in der Fitnesshalle angeben können? Wenn sie gesucht wurde, dann würden diejenigen natürlich erst einmal hier nachschauen. Sie wurde nachlässig. Auch wenn nur noch zwei auf ihrer Liste standen, konnte sie sich solche Fehltritte nicht leisten. Oder gerade weil es die Letzten waren. Würde man ihr auf die Schliche kommen, könnte man sie wegen zehnfachen Mordes hinter Gitter bringen. Da zählte nicht, warum sie das getan hatte.
Die Tasche war schnell gepackt, das neue Handy in Betrieb genommen und sie trat im Schutz der mittlerweile herrschenden Dunkelheit hinaus. Jetzt musste sie die Nacht entweder in einen der Parks verbringen, oder ein anderes Motel finden, was sicher nicht leicht werden würde, wenn sie auf ein Taxi verzichtete und mal wieder zu Fuß durch die Gegend streifen würde.
Aber, sie hatte es sich selbst eingebrockt, also musste sie die Suppe auch auslöffeln, wie man so schön sagte. Sie schulterte die Tasche und marschierte los. Nach einer halben Stunde hatte sie das Viertel hinter sich gelassen und bog in einen kleinen Park ein. Die ganze Zeit über hatte sie mitbekommen, wie ein Auto sie verfolgte.
Blitzschnell verschwand sie zwischen den Bäumen, warf ihre Tasche auf einen hinauf und zog sich dann selbst auf den nächsten hoch. Sie musste nicht lange warten, da hörte sie leise Schritte. Auch wenn derjenige versuchte keine Geräusche zu machen, so nahm sie jeden Schritt wahr, jeden leisen Atemzug und als er genau unter ihr stand, stieg sogar sein Geruch zu ihr nach oben.
Sie verdrehte die Augen. »Suchst du mich?«
Trotz des fahlen Lichtes der Laternen konnte sie sein belustigtes Grinsen sehen, als er zu ihr nach oben schaute. »Ich war mir nicht sicher, welcher Baum. Wobei ich sehr wahrscheinlich deine Tasche mit dir verwechselt hätte, die dort drüben hängt.«
Amy schnaufte auf und ließ sich gekonnt auf ihre Füße fallen. »Ganz so unförmig sehe ich nicht aus.«
»Ganz gewiss nicht.« Er war näher an sie herangetreten und seine Stimme klang tief und rau.
Schnell schüttelte sie das Verlangen ab, was sich gerade wieder einstellte und marschierte zu dem Baum, wo ihre Tasche festhing.
»Darf ich Mylady vielleicht helfen?«
Er schien ihr nicht von der Seite weichen zu wollen. Skeptisch schaute sie Chris an und er formte mit seinen Händen eine Feuerleiter. Kopfschüttelnd setzte sie ihren Fuß auf seine Hände und mit einem kraftvollen Stoß beförderte er sie nach oben, sodass sie die Tasche mit Leichtigkeit greifen konnte.
Danach ließ er sie langsam an seinem Körper hinabgleiten und sie war sich ganz sicher, dass es Absicht war, dass er Amy an sich zog. Kurz gestattete sie sich das Gefühl seines harten Körpers an ihrem zu genießen, doch schnell schob sie sich von ihm weg.
»Warum schnüffelst du mir hinterher?«, fragte sie ihn direkt.
»Ich schnüffle nicht.« Er stemmte seine Hände in die Hüften und das Shirt legte sich noch enger um seinen muskulösen Oberkörper.
Verdammt, dieser Mann ließ sie alles vergessen, was sie bisher verfolgt hatte. »Aber du musst zugeben, dass es schon ein Zufall ist, dass es eine Schießerei gibt, nachdem du das erste Mal in der Halle auftauchst.«
Aha, daher wehte der Wind. Er ging davon aus, dass die Schüsse nicht den Kids, sondern ihr gegolten hatten.
»Da muss ich dich leider enttäuschen. Der Schütze hatte eindeutig ein Ziel: die Jugendlichen vor der Halle.« Sie schulterte ihre Tasche und wollte sich auf den Weg machen.
»Warte, wo willst du hin?«
»Ich wüsste nicht, warum ich dir das sagen sollte«, gab sie über die Schulter zurück.
Als er sie am Arm festhielt, schaute sie erst auf seine Hand, dann ihn an. Er wollte sie hoffentlich nicht weiter festhalten, denn dann würde sie nicht zögern, ihn in seine Schranken zu weisen.
»Warte.« Er schien zu merken, dass sie gerade mit sich haderte, was sie tun sollte, denn er ließ sie augenblicklich los. »Bitte«, setzte er sofort hinterher.
Seufzend wartete sie.
»Ich weiß nicht, wer du bist, geschweige denn, was du hier willst. Aber ich weiß, dass wir deine Hilfe gebrauchen könnten.«
Fragend zog sie die Augenbraue hoch. »Wer ist wir?«
»Mein Boss, von der Sicherheitsfirma und dessen Freund. Beide werden ihre Frauen keiner Gefahr aussetzen, wenn sie sich sicher sind, dass der Anschlag wirklich der Halle galt. Das wiederum würde das Projekt mit den Straßenkindern einem großen Problem aussetzen.«
Amy war bei der Nennung der Sicherheitsfirma einen Schritt zurückgewichen. Doch bei der Erwähnung von den Straßenkindern hielt sie inne. Sie hätte sich damals gewünscht, dass man sich ihrer Schwester auf der Straße angenommen hätte …
»Ich würde gerne, aber … » Sie schüttelte frustriert den Kopf. Es passte nicht in ihren Plan. Ganz und gar nicht.
»Hast du für heute Nacht einen Schlafplatz?«
Erneut schüttelte sie den Kopf und er nickte ihr zu, ihm zu folgen. Während sie aus dem Park zu seinem Auto gingen, merkte Amy, dass sie langsam müde wurde. Nicht körperlich müde, sondern ihr Geist brauchte Ruhe. Das würde er bekommen, wenn sie die letzten zwei Männer ausgeschaltet hatte.
Doch jetzt folgte sie Chris, um nicht schon wieder eine Nacht auf der Hut verbringen zu müssen. Diese Nächte, die sie unterm freien Himmel verbracht hatte, waren ganz und gar nicht romantisch. Neben einem harten Boden und Getier, hatte sie nie in einen tiefen Schlaf gleiten dürfen, sondern war ständig auf der Hut gewesen.
Vielleicht würde es heute Nacht, obwohl sie bei einem ihr völlig fremden Mann übernachten würde, anders werden. Amy war sich sicher, dass er vor dem Job bei der Sicherheitsfirma kein simpler Streifenpolizist gewesen war. Und doch sagte ihr Gespür, dass er vertrauenswürdig war, wobei sie die letzten Jahre keinem vertraut hatte.
Galant hielt er ihr die Autotür auf und stieg dann selbst ein.
»Ich habe ein Gästezimmer und warmes Wasser.«
Sie schaute ihn von der Seite her irritiert an. Sein Lachen wehte durch den Wagen. »Schau nicht so. Meinst du, ich weiß nicht, dass der der Geizhals vom Spang Motel extra Kohle für Warmwasser nimmt? Ansonsten ist es noch nicht einmal lauwarm.«
Er hatte recht. Im Motel hätte sie für warmes Wasser extra zahlen müssen. Wobei sie nicht vorhatte, sein Angebot anzunehmen. Vorhin in der Halle hatte sie mit ihm ausgiebig geduscht und länger als eine Nacht würde sie nicht bei Chris bleiben.
Sie waren einige Zeit unterwegs und so wie es aussah, lag seine Wohnstätte nicht direkt in White Beach. Sollte er allerdings die Absicht haben, sie zu entführen, dann würde er schnell merken, was er davon hatte.
Irgendwann bog er in eine Auffahrt ein, die an Weiden vorbeiführte, auf denen Rinder und Pferde standen und im Scheinwerferlicht gespenstig wirkten.
Es kam ein Gebäude in Sicht, doch bevor sie dieses erreichten, bog er eine abzweigende Straße ein und fuhr den holprigen Weg weiter. Nicht weit und er hielt vor einem kleinen Holzhaus an, an dem am Eingang eine kleine Laterne brannte. Große Stämme waren zum Verbauen genutzt worden und hätte sie sich ein Haus aussuchen dürfen, so wäre ihre Wahl genau auf dieses gefallen.
Sie hatte schon immer den rustikalen Stil geliebt und als Kinder hatte sie kurz mit ihrer Schwester auf einer Farm leben dürfen, bis die beiden älteren Leute den Pflegekindern nicht mehr gerecht werden konnten.
Bevor er hier auch noch den Gentleman spielen konnte, war sie aus dem Jeep gesprungen und ging neben ihm auf die Hütte zu.
Wie es schien, ging man hier draußen nicht davon aus, dass geklaut wurde, denn ohne die Tür aufzuschließen, öffnete er diese und hielt sie ihr auf.
Drinnen empfing sie der unverkennbare Geruch nach Holz und auch sein Aftershave konnte Amy sofort ausmachen.
Er wies die Treppe hinauf »Zweite Tür ist das Gästezimmer.«
Die Stufen knarrten, als sie nach oben stieg. Das Zimmer war einfach aber sehr gemütlich eingerichtet. Ein Stahlbett mit dicker Matratze und einer leichten Tagesdecke. Schrank, Kommode und fertig war die Einrichtung. Die Tasche fiel mit einem Plumps auf den Boden und seit langer Zeit konnte sie wieder auf einer weichen Matratze liegen. Sie vergrub ihr Gesicht in die Decke, die nach Waschmittel roch und genoss das weiche Gefühl.
Die letzten Monate waren geprägt von ausgelutschten Motelbetten und harten Waldböden gewesen und dieses Bett stellte für sie gerade Luxus pur da.
Seufzend stand sie auf und stellte sich ans Fenster. Nichts außer Dunkelheit und hin und wieder schemenhaften Tieren auf der Weide konnte man erkennen. Wenn sie die letzten zwei Männer umgebracht hatte, würde sie dann je ein normales Leben führen können?
»Möchtest du auch etwas essen?«, erklang es von der Tür und sie wirbelte herum. Sie musste dringend ihren Feldzug beenden, oder ihre Nachlässigkeit würde ihr das Leben kosten.
»Nein, danke. Aber es wäre nett, wenn du das nächste Mal anklopfen würdest«, gab sie bissiger zurück als sie eigentlich beabsichtigte.
»Hab ich. Ich bin unten, solltest du noch etwas brauchen.«
Fluchend ließ sie sich auf das Bett sinken.