Читать книгу Emma's große Liebe - Melinda Waleni - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1
Ich richte die Kamera auf den Himmel und sehe Gewitterwolken aufziehen. Schützend lege ich eine Hand auf die Linse und renne die Treppen hoch zur Wohnung.
Im Wohnzimmer sitzt Julian auf dem Sofa und blättert in einem Automagazin. Er hebt den Kopf und legt das Heft zur Seite. »Hallo Emma, wie geht es dir?«
Ich setze mich zu ihm und gähne lautstark. »Ich bin wahnsinnig müde.«
»Das merkt man.« Er erhebt sich, wünscht ihr eine gute Nacht und verlässt das Zimmer.
Kurz darauf kommt Lena durch die Tür. »Du siehst aus, als hättest du drei Tage lang nicht geschlafen.«
Ich schlucke. »Tja, zwischen Lucas und mir herrscht eine Krise, wir streiten ständig wegen jeder Kleinigkeit. Ich frage mich, ob er überhaupt noch glücklich mit mir ist.«
Lena kramt aus ihrer Hosentasche ein Haarband hervor und bindet sich damit ihre roten Haare zu einem Pferdeschwanz. »Das tut mir leid. Hoffentlich ist das Dilemma bald vorbei.« Sie legt mir eine Hand auf die Schulter. »Ich würde sagen, du schläfst dich jetzt aus, morgen wird alles viel leichter.«
Mir zieht es den Magen zusammen. Ich hoffe, dass sich das endlich wieder einrenkt.
Ich verlasse den Raum und gehe in mein Zimmer. Zum Glück bin ich in solchen Situationen nicht allein, da meine besten Freunde auch hier wohnen. Sie sind jederzeit für mich da und zugleich die angenehmsten Mitbewohner, die man sich wünschen kann.
Ich stelle mir den Radiowecker für morgen Früh und lege mich gemütlich auf das Bett. Kurz darauf fallen mir die Augen zu und ich sinke in einen tiefen Schlaf.
Lautstarke Musik dringt in mein Ohr. Ich gähne, checke die Uhrzeit und bemerke, dass es tatsächlich schon sechs Uhr ist. Langsam stehe ich auf und schlendere ins Bad. Nach der Morgentoilette öffne ich den zweitürigen Kleiderschrank, greife mir eine blaue Bluse, dazu einen beigen Rock und schlüpfe hinein. Bevor ich die Wohnung verlasse, hänge ich mir die schwarze Ledertasche um die Schulter.
Mit meinem roten Mini, der direkt vor dem Haustor parkt, fahre ich zur Arbeit. Vor einer Bäckerei halte ich am Straßenrand und kaufe mir ein Schokocroissant. Schon beim Rausgehen beiße ich genüsslich hinein.
An meinem 25. Geburtstag hat mir Lucas die Stelle in einer Galerie verschafft. Das ist jetzt bereits vier Jahre her. Im kleinen Büro, das ich mir mit ihm teile, setze ich mich an den Schreibtisch. Ich packe die Kamera aus der Tasche, verbinde sie mit dem USB-Anschluss des Computers und betrachte die Aufnahmen, die darauf abgespeichert sind.
Mein Freund taucht neben mir auf. »Emma, gut, dass du schon hier bist, ich muss eh mit dir reden.«
Ich lehne mich an die Stuhllehne und sehe ihn fragend an. »Was gibt es?«
Er krempelt die Ärmel seines Shirts hoch. »Du bist eine hinreißende Frau, die nur das Beste verdient, doch ...«
Ich bekomme einen Kloß im Hals und knete nervös die Hände. Was will er mir damit sagen?
Lucas rollt einen Stuhl neben meinen Schreibtisch. Während er sich darauf setzt, holt er tief Luft. »Wir müssen uns mal aussprechen. Es geht um eine wichtige Angelegenheit.« Er räuspert sich. »Ich hab mich vor längerer Zeit in eine Andere verliebt.«
Mir wird übel. Was hat er grade gesagt? Ich gebe vor, ihn nicht verstanden zu haben, und sehe ihn nur verwirrt an.
Lukas nickt. »Du hast richtig gehört. Ich liebe eine andere Frau. Es ist einfach so passiert. Hoffentlich bist du mir deshalb nicht böse.«
»Nein, du empfindest eben so.« Ich stehe auf, verkneife mir ein Schluchzen und renne in die Kantine. Zum Glück sind die restlichen Kollegen nicht hier.
An einem Tisch vorm Fenster, setze ich mich und stütze den Kopf mit den Händen ab.
Lucas kommt durch die Tür und platziert sich auf einen Stuhl neben mir. »Wir arbeiten aber weiterhin noch gemeinsam an dem Fotoprojekt, nicht wahr?«
»Klar, wir sehen uns morgen«, presse ich hervor. Ich gehe zurück ins Büro, hole meine Tasche, die auf dem Schreibtisch liegt und laufe aus dem Gebäude.
Mit dem Auto fahre ich zum Engertsee, der sich in der Nähe der Firma befindet. Hierher komme ich öfter, besonders dann, wenn es mir nicht gutgeht.
Dort stelle ich den Wagen auf dem großen, verlassenen Parkplatz ab. Ich steige aus, öffne das Zauntor und schlendere den Kiesweg entlang zum See.
Hier ist es traumhaft schön. Die Sonne bricht durch die Wolken, ihre Strahlen lassen den See in vielen verschiedenen Farben leuchten. Dummerweise hab ich die Kamera im Büro vergessen. Die Szenerie wäre eine prima Fotokulisse für meine Galerie.
Auf den Steg, der vor mir auftaucht, setze ich mich und starre ins glasklare Wasser.
Nach einer Weile erblicke ich ein Stück entfernt ein Segelboot. Friedlich gleitet es über den See. Die Leute darin haben es gut, sie dürfen dem Alltagsstress entfliehen.
Ich stehe auf, schaue mich um und sehe auf einem kleinen Hügel einen dunkelhaarigen Mann auf einer Bank sitzen. Er dürfte ungefähr in meinem Alter sein. Durch die Latzhose und das Barret sieht er etwas albern aus. Regungslos betrachtet er den See. Es scheint, als würde er ihn sich einprägen.
Ich setze mich in Bewegung Richtung Zauntor und gehe neben der Anhöhe vorbei.
Kurz darauf bleibe ich stehen und werfe einen Blick über die Schulter. Der Typ lässt sich nicht von mir ablenken und fixiert weiterhin den See. Komisch, was beobachtet er denn da?
Ich beschließe heimzufahren und schlendere den Weg entlang zu meinem Wagen.
Im Badezimmer sortiert Lena unsere Wäsche. Sie sieht einen Moment zu mir auf. »Hast du noch was Dunkles?«, fragt sie.
Ich schüttle den Kopf. »Ich hab heute einen Mann gesehen.«
Meine Freundin grinst und klatscht in die Hände. »Was, einen waschechten Mann?«
»Ja, am Engertsee. Keine Ahnung, ob er mich bemerkt hat. Er saß auf einer Bank und hat sich den See eingeprägt.«
Lena befüllt die Waschmaschine. »Schätzchen, ich weiß, du hast Probleme mit Lucas, aber der Kerl, der beim See war, ist unmöglich real. Die Gegend rund um den Engertsee ist unbewohnt, da hält sich niemand auf. Du scheinst ihn dir nur einzubilden.« Ihre himmelblauen Augen verdüstern sich. »Weißt du nicht mehr? Dort wurden unerklärliche Phänomene beobachtet. Der See hat sich mal weiß gefärbt, die Bäume haben sich ohne Grund bewegt, Nebel ist aufgetaucht und Menschen sind spurlos verschwunden.«
Ich zucke mit den Schultern und stopfe ein Shirt in die Maschine. »Nein, der Mann ist wirklich auf der Parkbank gesessen.«
Sie sieht mich fragend an. »Hast du ihn mit deiner Kamera festgehalten?«
»Nein.«
»Da haben wir den Beweis, dass es nur Einbildung war. Du fotografierst sonst immer alles, was dir vor die Linse kommt.«
»Blöderweise hatte ich den Fotoapparat in der Galerie vergessen.« Ich krame ein Taschentuch aus der Hosentasche und putze mir die Nase. Meine Erkältung ist ziemlich hartnäckig.
Lena schaltet die Maschine an. »Ich schlage vor, du gehst ins Bett und kurierst dich erstmal richtig aus.«
Ich nicke, drehe mich um und befolge ihren Rat.