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Happy Birthday

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»Tivaro Kirchner, bist du denn immer noch nicht fertig. Dein Vater steht sich am Flughafen sicher schon die Beine in den Bauch«, rief Elise verärgert. Keine Antwort. Sie klopfte noch einmal an Tivaros Zimmertür.

»Wie spät, Mom?«, kam es nur verschlafen zurück.

»Gleich elf«, entgegnete Elise.

Eine gefühlte Sekunde später war es viertel nach elf. Er war doch tatsächlich noch einmal eingepennt! Hastig warf sich Tivaro seine Lederjacke über den Schlafanzug und griff nach der erstbesten Jeans, die er gerade zu fassen bekam. Dazu zog er die weißen AirMax an.

Dann ging er in die Küche, wo er seine Mutter vermutete. Doch Elise und seine Schwester warteten bereits draußen im Fiat vor der Garage.

Elise meckerte im Wageninnern etwas wie „Nie kann man sich auf dich verlassen!“ und tippte auf ihre Armbanduhr. Auch Tivaros Schwester Sabrina rutschte nervös auf dem Beifahrersitz herum. Doch Tivaro kümmerte das gar nicht, denn heute kam Roland endlich aus Norwegen zurück. Und es war immer wieder ein echtes Highlight, wenn der Vater nach seinen langen Auslandseinsätzen wieder nach Hause kam. Tivaros Vater war Controller auf einer Bohrinsel und überprüfte dort die Ölfördermengen.

»Geh nach hinten, du sitzt auf meinem Platz«, herrschte Tivaro seine Schwester an.

»Ich bin jetzt zwölf! «, protestierte Sabrina.

»Ach ja. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – Happy Birthday und alles Gute!«, sagte er und stieg hinten ein.

Tivaro war Sabrinas Geburtstag völlig entgangen. Zuviele Ereignisse der letzten Wochen hatten jeden normalen Tagesablauf durcheinandergebracht.

»Morgen Schlafmütze, ich dachte schon du hättest es vergessen.«

Nur zu gut wusste Tivaro, dass seine Schwester soeben voll ins Schwarze getroffen hatte. Tivaro grinste verlegen: »Vergessen? Wie könnte ich denn jemals deinen Geburtstag vergessen?«

Seit Wochen litt ganz Deutschland unter einer Hitzewelle. Auf den Straßen vor dem Flughafen war an diesem Mittag ziemlich viel los, und Elise war auf der Autobahn nicht gerade das, was man einen Bleifuß nannte. Als Elises alter Fiat endlich auf einem der Flughafen-Parkplätze am Terminal 2 zum Stehen kam, seufzte die Mutter erleichtert.

Tivaro schnallte sich ab. »Mama, du wurdest echt von jedem Auto überholt.«

Elise rollte nur genervt mit den Augen und sagte: »Kommt jetzt. Wenn wir Glück haben, wartet euer Vater noch an der Gepäckausgabe.«

Sie eilten durch die riesige Halle und waren schon wenig später an der verabredeten Gepäckstation angekommen. In der Halle war es angenehm kühl. Die Landung des Fluges war bereits vor zwanzig Minuten verspätet erfolgt, aber von Roland war weit und breit nichts zu sehen.

»Glaubt ihr, dass er schon zu den Parkplätzen gelaufen ist?«, fragte Elise.

»Keine Ahnung.«, gab Tivaro zurück und vergrub die Hände in den Hosentaschen.

Sabrina kaute nervös an ihren Fingernägeln. »Wetten, ich sehe ihn als erstes.«, sagte sie.

»Von mir aus.« Tivaro wusste, dass ihr Vater ausgerechnet Sabrinas Geburtstag als Heimreisetag gewählt hatte. Und darüber war er etwas enttäuscht, denn Roland hätte seiner Meinung nach schon längst bessere Gründe gehabt, wieder heimzukommen als Sabrinas zwölften Geburtstag. Schließlich hatten er und seine Detektivgang o-vier in den Sommenferien zwei gefährliche Bankräuber gefasst und einen echten Nazi-Goldschatz im Taunus sichergestellt. Dafür war die Gang sogar vom Frankfurter Oberbürgermeister Peter Pahn geehrt worden.

Tivaro schaute nur gelangweilt auf die Anzeigentafel. Ein größere Gruppe Passagiere näherte sich nun der Gepäckausgabe. Sie griffen nach ihren Koffern und schoben sich dann damit durch die Menge. Ein Mann stand mit dem Rücken zu ihnen und schien auf irgendetwas zu warten. In der Hand hielt er bereits einen größeren Metallkoffer, wie ihn sein Vater immer auf Flugeisen mitnahm.

»Roland?!«, rief Tivaro aufgeregt. Der Mann drehte sich um, und Tivaro erkannte seinen Vater. In diesem Augenblick näherten sich plötzlich zwei Männer in heller Arbeitermontur von der Seite. Sie bewegten sich sehr schnell auf Roland zu. Dann stießen sie den wartenden Mann an und bedeuteten ihm, mitzukommen. Tivaro kannte das aus Filmszenen, wenn jemand am Flughafen von Fahndern in Zivil verhaftet wurde.

Die Männer mischten sich unter die umstehenden Menschen und waren schnell mit Tivaros Vater in der Menge verschwunden. Tivaro konnte nur erkennen, dass sie dunkelhäutige Köpfe hatten und Schirmmützen trugen.

»Das war Dad!«, rief Tivaro zu Elise und Sabrina hinüber, die nur ein paar Schritte weiter entfernt standen, aber von Tivaros Beobachtung offensichtlich nichts mitbekommen hatten.

Tivaro überlegte nicht lange und rannte in die Richtung, in der die Männer verschwunden waren. »Los, kommt mir nach!«, rief er zurück.

Hinter der Gepäckausgabe verlief eine metallverkleidete Absperrwand, die nach einer Weile eine Linkskurve machte. Als Tivaro um die Ecke bog, kniete sein Vater Roland über seinem Koffer auf dem Boden und hielt sich den Kopf. Von beiden Händen lief hellrotes Blut in kleinen Rinnsalen über sein Gesicht und tropfte auf seine Kleidung.

»Was ist passiert?«, schrie Elise, als sie Roland erkannte.

»Überfall«, erklärte Tivaro kurz. »Wir müssen sofort einen Arzt rufen.«

»Und die Flughafenpolizei«, meinte Sabrina.

Roland schien verwirrt. »Mein Rucksack, wo ist mein Rucksack?«, fragte er immer wieder.

Tivaro bemerkte, dass sich inzwischen ein paar Schaulustige um sie versammelt hatten. Jetzt kam ein Mann auf sie zu, der sich durch die Menge drängte.

»Ich habe gerade die Flughafenpolizei gerufen«, sagte der Mann. »Ich bin ein Arbeitskollege von Roland. Lars Petersen. Wir sind gemeinsam zurückgeflogen.«

Elise schüttelte ihm schlaff die Hand.

Tivaro musterte ihn kurz. »Haben sie den Überfall mitbekommen?«, wollte er gleich wissen.

»Ja habe ich. Ich stand direkt neben deinem Vater und bin geflüchtet, als diese Männer kamen.« Besorgt blickte er auf seinen Kollegen. »Ich glaube, Roaland muss ins Krankenhaus.«

Elise schluchzte. »Roland, du blutest ja so!«, rief sie ängstlich. Roland brummte etwas und blickte sie mit verdrehten Augen an. »Mir ist so schlecht«, stammelte er leise. Dann sackte er zusammen und kippte zur Seite.

Es dauerte nur zwei Minuten, die ihnen aber wie zwei gefühlte Ewigkeiten vorkamen, bis sich endlich ein Rettungsteam am Tatort einfand. Ein Arzt ließ Roland sofort zum Abtransport fertig machen.

»Wir bringen ihren Mann in die Uni-Klinik nach Frankfurt.«, erklärte er. Elise nahm es wortlos zur Kenntnis.

»Ich bleibe natürlich hier, wenn ich als Zeuge gebraucht werde«, meinte Lars zu Elise. »Ich werde eine Zeitlang in der Gegend hier bleiben und habe ein Hotelzimmer in Bad Homburg gemietet. Hier ist meine Visitenkarte. Sie können mich jederzeit über Handy erreichen.«

»Was haben diese Kerle bloß von meinem Mann gewollt? Warum ausgerechnet Roland?« Elise fuhr sich verzweifelt durch die Haare.

Mehrere Uniformierte der Flughafenpolizei waren jetzt aufgetaucht. Über Sprechfunk hielten sie Kontakt zu ihren Kollegen und sicherten den Tatort mit Absperrband. In einer Blutlache lag der ungeöffnete Metallkoffer.

Erst Zopf dann Kopf

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