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Frau gesucht
ОглавлениеIch bin kein Aufreißertyp, ich kann das nicht. Ich habe es zweimal in meinem Leben probiert. Beim ersten Mal habe ich meine tief sitzende Schüchternheit mit Hilfe zweier Cognacs spontan überwunden und ein Mädchen direkt auf der Straße angesprochen. Sie sind sehr hübsch«, flötete ich mit aufgesetzten Kalbsaugen. »Genau«, antwortete Sie. »Nehmen Sie sich ein Beispiel daran. Auf Wiedersehen.«
Den zweiten Versuch startete ich in einer dieser übervollen Diskotheken. Ich stelzte zu einer schrillen, aber anziehend hübschen weiblichen Gestalt, die mit zwei anderen schrillen Gestalten der gleichen Art an einem Tisch saß und durch die laufenden Stroboskopblitze einem Gruppenbild von Conrad Röntgen nicht unähnlich waren. »Hi, was geht ab«, fragte ich ganz auf cool. »Na ja, ein Aschenbecher«, antwortete die Schönheit. »Und könnten Sie bitte auch gleich drei Colas bringen?«
Das berühmte dritte Mal habe ich mir im weiteren Verlauf erspart und mir gleich selbst einen Korb gekauft, den ich dann mit Selbstmitleid füllte. Ich fragte mich, wie kann man seine inneren Werte an die Frau bringen, ohne dass man an der Türschwelle gleich auf die Schnauze fällt? Und ich fand auch eine annehmbare Lösung. Ich inserierte in einem Anzeigeblatt, ohne Foto natürlich, ich wollte ja schließlich auch Antworten erhalten (Internet war damals auch noch ein Schlagwort).
Ich besorgte mir also ein Postschließfach und entwarf auch sogleich einen einfachen Anzeigetext, der in etwa wie folgt lautete: Wiener, 30 Jahre, Fisch im Sternzeichen, sucht Sie, 25-30, für gemeinsame schöne Jahre. Drei Tage später las ich im Anzeigeblatt: Wiener, 30 Jahre, Fisch im Sternzeichen, sucht Sie, für 25 – 30 gemeinsame schöne Jahre. Chiffre…
Da ich eigentlich nicht die Absicht hatte, mich jetzt schon fix auf die Jahre festzulegen, reklamierte ich diesen Irrtum bei der audiogestörten Dame des Anzeigeblattes und hatte, nachdem die Anzeige richtig abgedruckt wurde, auch schon einen Brief von einer 26jährigen in meinem Postfach, die mich mit den einleitenden Worten »Hallo Goldfisch« und einer abschließenden Telefonnummer zu einem Date einladen wollte. Juhu.
Nur hatte ich eigentlich Angst, alleine dort hinzugehen, ich bin ja schüchtern. Ich rief also meinen besten Freund an und fragte ihn, ob er mit mir auf ein Blind Date gehen würde. Nachdem ich ihm versichert hatte, dass ich inzwischen weder erblindet noch meine sexuelle Ausrichtung geändert hätte und es mir nur auf die Begleitung zu einem solchen ankäme, da ich mich alleine nicht dort hin wagen würde, sagte er zu. Freunde sind eben sehr wichtig im Leben. Ich rief also die 26jährige, unter der von ihr angegebenen Nummer, an und wir verabredeten uns mit kurzen Worten für den nächsten Tag in einer Konditorei in der Wiener Innenstadt, Kennzeichen: eine Rose.
Mein Freund und ich platzierten uns tags darauf pünktlich im ersten Stock der Konditorei, und zwar so, dass wir den Stiegenaufgang einsehen konnten. Nach fünf Minuten Wartezeit kam ein Schwall an Personen - die meisten davon Touristen - die Treppe herauf. Sie litten dem Anschein nach alle unter schwerem Koffeinentzug. Als die gemischte Ansammlung so an uns vorbeirauschte, sahen wir von hinten, dass eine von den weiblichen Personen eine Rose in der Hand hielt. Oh mein Gott, hatte diese Frau eine wohlgeformte Figur. Wir waren uns beide einig, auf jede Süßigkeit in diesem Laden zu verzichten, nur um einmal in diesen Hintern beißen zu können. Wir waren total von den Socken, alle beide, und konnten es nicht erwarten, bis das Mädchen mit der Rose die hinteren Räume durchgesehen hatte und wieder nach vorne kam. Und das tat sie dann auch, so dass wir sie von vorne sehen konnten. Sie hatte eine Nase wie Cyrano de Bergerac und die verkrampften Gesichtszüge einer Klosterschwester auf der Erotikmesse.
Uns ergriff die Panik. Wir mussten so schnell wie möglich die Rose verschwinden lassen, aber wohin damit? Diese verdammten kleinen Konditoreitischchen. Blitzschnell und ohne zu Zögern biss ich der Rose den Kopf ab. Mein Freund griff die Idee auf und benutzte den dornigen Stiel als provisorischen Strohhalm, was zwar relativ doof aussieht, wenn man nur Kaffee trinkt, aber wir hatten leider keine Zeit, logisch zu reagieren. Und nachdem Dank unserer schnellen Reaktion das Wesen aus einer anderen Welt ohne Stopp an uns vorbeirauschte, spuckte ich die Rosenblätter auf den Mehlspeisenteller und mein Freund fragte den Kellner, ob er etwas Verbandszeug haben könnte. Den restlich Abend verbrachten wir betend im Stepphansdom und am nächsten Tag erweiterte ich meinen Anzeigentext auf: »…Suche Sie, 25-30 Jahre, herzeigbar, …«
Und ich hatte Erfolg. Eine Woche danach saß ich - alleine, da sich mein Freund, dieses Weichei, standhaft weigerte, mich noch einmal zu begleiten - in meinem Stammlokal und wartete mit gemischten Gefühlen auf den nächsten Schock. Und er kam, aber anders.
Ein Traumbild von einer Frau betrat das Lokal, sah mich stocksteif an einem Tisch sitzen und stelzte auf mich zu. Ich rieb mir die Augen und rückte die intellektuelle Zeitung, die ich ab diesem Tage als Erkennungszeichen wählte, da sie weniger Dornen hatte, in die Mitte des Tisches, um ja zu verhindern, dass sie an mir vorbei läuft. Sie hatte einen weißen Kaschmirpullover an, dessen Anblick mich vor allem von vorne an die schneebedeckten 2tausender meiner schönen Heimat erinnerte und sie verstreute einen Duft wie ein Blumengarten.
»Privjét«, sagte sie auf fließend russisch - was soviel heißt wie »Hallo« - und setzte sich zu mir. »Da«, wimmerte ich und fing an, mich zu verkrampfen. Wir plauderten den ganzen Abend hindurch, ohne dass einer den anderen richtig verstand und ohne dass ich den Blick von den Kaschmirbergen lassen konnte.
Nach 5 großen Bieren, 7 Wodkas und 12 Blasenentleerungen (deswegen auch der Name meines Stammlokals: »Stehbeisl«), konnte ich »Tolstoi« wie ein Russe glucksen und war umgeben von einem weißen Gebirgsmassiv, das sich andauernd bewegte und nicht still hielt. Es war nicht zu fassen, weder die Situation noch das Massiv. Nachdem mich die Schönheit dann auch noch in gebrochenem Deutsch (komischerweise waren das die einzigen Sätze, die ich halbwegs verstand, die dürfte sie über längere Zeit eingeübt haben) darüber aufklärte, dass es in ihrer Heimat üblich sei, dass die Männer für die Frauen zahlen und diese dort auch die Sparbücher der Männer verwalten, sah ich auch keine Chance mehr, meine Fahne auf dem Bergmassiv wehen zu lassen. Ich zahlte frustriert die Rechnung, stieg in ein Taxi und erklärte dem Fahrer auf alkoholisch-russisch, dass ich heim möchte: »Dawai.«
Er ließ mich dann am Flughafen aussteigen, weil er nichts verstanden hatte und ich während dessen schlief. Danach fuhr ich mit der Schnellbahn wieder nach Hause und erweiterte den Anzeigentext auf »…Deutschkenntnisse,…« Und obwohl ich jetzt in der Annonce mehr als üblich verlangte, ließ das dritte Date nicht lange auf sich warten.
Als Treffpunkt wählten wir ein Weinlokal in der Wiener Innenstadt, dessen Kellergeschosse bis in die Katakomben des alten Wien hinunter reichten, was den Vorteil mit sich brachte, durch diese im Notfall entfleuchen zu können. Man musste vorher nur ein Loch in die Wand schlagen. Doch meine Sorgen waren unbegründet. Vorerst zumindest. Sie konnte deutsch, hatte ansehnliche Gesichtszüge und hieß Karin.
Eigentlich war sie recht hübsch anzuschauen, bis sie ihre Stimmbänder benutzte. Sie hörte sich an wie Lee Marvin nach einer dreitägigen Sauftour mit John Wayne. Als sie mich begrüßte, vibrierten die alten Kellerwände und in den Weingläsern stiegen Luftblasen auf. Da ich aber kein Mensch mit Vorurteilen bin, versuchte ich zumindest zu erfahren, was sie denn sonst so für ein Mensch sei. Ich orderte zwei Gläser Ribiselwein und fragte sie, ob sie auch ohne Schwierigkeiten hierher gefunden hätte. Sie gestand mir, dass sie den Laden kenne und auch des Öfteren hier verkehre. Auf meine Frage hin, wie oft denn, meinte sie: »6x dort in der Ecke, 4x in der Nische, 15x am WC und 1x hinter der Theke, aber da war schon Sperrstunde.« Der Kellner, der uns gerade den Wein servierte, grinste über das ganze Gesicht. Er dürfte derjenige hinter der Theke gewesen sein. Ich grub mir schnell ein Loch durch die Kellerwand und flüchtete. Und erweiterte meine Annonce um »…keine Professionellen….«
Den vierten Versuch startete ich darauf hin in einer Pizzeria. Sie hieß Lydia (die Dame, nicht die Pizzeria), war 1,60m groß (die Dame, nicht die Pizzeria), süß anzusehen, kommunikativ und sogar humorvoll. Die Pizzeria selbst war typisch südländisch eingerichtet, mit Fangnetzen und Plastikfischen an den Wänden und sogar einem kleinen Italiener hinter der Theke, auch aus Plastik. Lydia und ich unterhielten uns erst eine Weile über dies und jenes, um dann unserem Bedürfnis nach Nahrung nachzugehen. Ich orderte eine kleine »Molto potente« mit Pfefferoni und Nüssen und Lydia eine Familienpizza »Sophia Loren« mit zwei Spiegeleiern. Ich war verwundert. Wie konnte eine so kleine, zierliche Person denn nur so eine Riesenpizza verschlingen? War sie Teignymphomanin? Nein. Lydia hatte 5 Kinder und musste diese ja auch irgendwie ernähren. »Herr Ober, könnten Sie das bitte einpacken? Auf 5 Stück. Ja, danke. Auf Wiedersehen.« Ich erweiterte meine Anzeige auf »…max 2 Kinder…«
Nächster Versuch. Ort: Irisches Pub, Uhrzeit: Abends, Date: Kam nicht, Ergebnis: »Volltanken, bitte. Hicks.« Erweiterte Anzeige: »…Pünktlichkeit…«
Noch ein Versuch. Ort: Irgendwo. Uhrzeit: auch schon egal. Date: Eine Sie, Mitte 30. Ich setze mich zu ihr und grüßte: »Hallo, ich bin der Fisch im Sternzeichen.«
Sie: »Lass den Quatsch.«
»Wie bitte?«
Sie: »Lass die blöden Anmachsprüche, ich bin emanzipiert.«
»Ich nicht.«
Sie: »Ich bin auch eine Frau.«
»Merkt man gar nicht.« Ich bestellte etwas zu trinken und starrte sie nur entsetzt an.
Sie: »Starr mich nicht so an, ich bin nicht dein Lustobjekt.«
»Verzeihung?«
Sie: »Alle Männer sind alle Schweine.«
»Aha.«
Sie: »Oder bist du kein Mann?«
»Moment, ich sehe mal nach.«
Ich schaute darauf hin kurz in meine Hose und entschied mich, dass es in diesem Falle besser ist, kein Mann zu sein. »Zahlen Bitte!« Erweiterte Anzeige »…keine Emanzen…«
Ich brauchte für meine Annonce mittlerweile schon eine ganze Seite und bekam vom Anzeigenblatt auch schon Sonderrabatt. Ich hatte dann im Laufe von 3 Monaten noch einige Dates, alle mehr oder weniger voll daneben. Wenn ich schlank schrieb, kam dick, wenn ich jung schrieb, kam Oma, wenn ich intelligent schrieb, kam Dumpfbacke und wenn ich hübsch schrieb, kam gar keine mehr. Ich versuchte es dann noch ein allerletztes mal und besinnte mich des Spruches »Weniger ist mehr.« Mein Anzeigetext: »Suche Frau.« Ergebnis: Meine Exfrau Manuela.