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1Einleitung: Was ist Rechtsmedizin?

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Rechtsmedizin ist ein medizinisches Fachgebiet und als solches formal nicht anders als beispielsweise Chirurgie, Kinderheilkunde, Radiologie oder Neurologie. Wer Rechtsmediziner, genauer: Ärztin für Rechtsmedizin werden will, muss Humanmedizin studieren und sich danach als Assistenzärztin an einem Institut für Rechtsmedizin weiterbilden. Die Facharztweiterbildungszeit beträgt mindestens 5 Jahre, von denen mindestens ein halbes Jahr in der Pathologie und ein weiteres halbes Jahr in der Psychiatrie erfolgen muss. In der rechtsmedizinischen Weiterbildungszeit muss man mindestens 400 Leichenschauen, 300 gerichtliche Obduktionen, 25 Tatortbesichtigungen, 2000 histologische Untersuchungen und 25 osteologische Untersuchungen durchgeführt haben, außerdem 300 mündliche oder schriftliche Gutachten für Staatsanwaltschaft oder Gericht erstattet haben.

Das Fach Rechtsmedizin beschäftigt sich mit der Anwendung medizinischen bzw. naturwissenschaftlichen Wissens und Methoden für rechtliche Fragestellungen. Im Gegensatz zu den klinischen Fächern stehen nicht Prognose und Therapie im Vordergrund („Was hat der Patient für eine Erkrankung und wie kann man sie behandeln?“), sondern die Rekonstruktion der Ereignisse, die zu einem bestimmten Befund (Verletzung, Verhaltensauffälligkeit, …) führten. Rechtsmediziner denken also zeitlich rückwärts, sie interpretieren medizinische Befunde als Spuren.

Häufig werden die Fächer Rechtsmedizin und Pathologie miteinander verwechselt. Das hat gewisse historische Gründe, denn die Untersuchung von Verstorbenen für die Justiz wurde im 19. Jahrhundert vielerorts von Pathologen vorgenommen, insbesondere in Preußen und den preußisch geprägten Ländern. In Österreich-Ungarn war es der Begründer der modernen forensischen Medizin, die sich damals noch „gerichtliche Medizin“ nannte, Prof. Dr. Eduard Ritter von Hofmann (1837–1897), der vehement darauf drang, dass das Fach eigenständig wurde und sich von der klinisch ausgerichteten Pathologie abnabelte. Diese Trennung wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nach und nach vollzogen. Heutzutage sind die Fächer zwar benachbart, aber ihre Aufgabenspektren unterscheiden sich so sehr, dass in keinem der Fächer die Aufgaben des anderen kompetent bearbeitet werden könnten.

Der schon eben verwendete Begriff „forensisch“ leitet sich vom lateinischen Wort „forum“ ab, das übersetzt „Marktplatz“ heißt. Das Forum war auch der Platz, an dem die öffentlichen Gerichtsverhandlungen stattfanden. Wenn heute im Deutschen der Begriff „Forum“ verwendet wird, dann wird damit eher ein realer oder virtueller Raum bezeichnet, in dem eine Kommunikation zu einem bestimmten Thema stattfindet. Forensisch hingegen bedeutet nicht kommunikativ, sondern rechtlich oder gerichtlich und wird immer dann verwendet, wenn es sich um irgendetwas dreht, was mit Ermittlung oder Rechtsprechung zu tun hat.

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