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❋ Beschreibung und Wertung

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BahrBahr, Egon wurde Nachfolger EpplersEppler, Erhard als Entwicklungsminister im Kabinett SchmidtSchmidt, Helmut. „Mit einer Mischung aus Zögern, Hochachtung und Faszination bin ich dem Drängen von Willy BrandtBrandt, Willy und Helmut SchmidtSchmidt, Helmut nachgekommen, Erhard EpplerEppler, Erhard im Amt des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu folgen. Das Zögern rührte aus der Sympathie mit dem Amtsinhaber, dessen politische Schwierigkeiten mit dem Bundeskanzler über die Anlässe seiner amtlichen Meinungsverschiedenheiten hinausgingen. Die Hochachtung galt dem prägenden Wirken eines Mannes, der aus dem Begriff der Weltinnenpolitik gesellschaftspolitische Folgerungen eines sehr reichen Landes, ethisch wie moralisch, gezogen und dieses Denken in die öffentliche Meinungsbildung eingeführt hatte, ohne die notwendige Unterstützung zu finden.“1

Dass Bundeskanzler SchmidtSchmidt, Helmut die langfristig bedrohliche Dimension der Entwicklungsländer unterschätzte, zeigte sich in der distanzierten Art, in der er BahrBahr, Egon ins Ministerium schickte. Er hatte BahrBahr, Egon um eine „unauffällige Amtsführung“ gebeten.2 „Mach, was du für richtig hältst, aber möglichst wenig Ärger.“3

Kern der BahrBahr, Egon’schen Entwicklungspolitik war eine Kooperation auf der Grundlage gleichberechtigter eigenständiger Partnerschaft. Die Parallelen zu seinem Ost-West-Konzept Wandel durch AnnäherungWandel durch Annäherung sind unverkennbar. „Die große Aufgaben, die die Welt vor sich hat, könnte man auch so formulieren: Wird es gelingen, die Erfahrungen der Entspannung zwischen Ost und West auf das Verhältnis zwischen Nord und Süd anzuwenden? Das bedeutet, wir sollten uns nicht vornehmen, Unterschiedlichkeiten zu leugnen oder gar Interessengegensätze, aber wir sollten auch die gemeinsamen Interessen sehen. Rivalität und Zusammenarbeit werden auch hier parallel laufen und wie wir wirklich hoffen, einer immer breiteren Zusammenarbeit Platz machen. Es ist nicht vordringlich, Systeme zu verändern, sondern die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Systemen zu organisieren.“4

BahrBahr, Egon setzte auf bilaterale Kooperation. Internationale Organisationen waren ihm suspekt. „Während der letzten 15 Jahre waren eineinhalb Dutzend internationale Organisationen in ein üppig blühendes Leben gerufen worden, ohne zu verhindern, dass die Probleme wuchsen. Sie sind bei allem guten Willen der Beschäftigten von sehr unterschiedlichem Nutzen und verbrauchen jedenfalls sehr viel Geld. Die meisten dieser internationalen Organisationen sind schon im Augenblick der Geburt der Unsterblichkeit nahe. Es sei denn, die Dritte Welt verschwindet.“5

Im Vordergrund der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit standen die Mittelmeerländer Türkei, Portugal, Griechenland, Israel und Zypern. Dabei ist insbesondere zu erwähnen, dass Griechenland nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur und der Wiederherstellung parlamentarischdemokratischer Verhältnisse erstmals Entwicklungshilfe gewährt wurde (Abkommen 6. November 1974), das gleiche gilt für Portugal nach dem Sturz Salazars (Abkommen 05. Dezember 1975).6 Weitere Schwerpunktregionen waren der Nahe und Mittlere Osten (Ägypten, Syrien, Jordanien, AR Jemen) sowie Südasien (Indien, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal).7

Der Denktradition des Realismus verpflichtet, betonte BahrBahr, Egon verstärkt wirtschafts und rohstoffpolitische Eigeninteressen der Bundesrepublik mit der Folge, dass moralische Aspekte hinten angestellt wurden.8 Dadurch, dass etwa 80 % dessen, was an bilateralen entwicklungspolitischen Mitteln aufgewendet wurde, sich in Aufträgen für die deutsche Wirtschaft niederschlug, war in jener Phase Entwicklungspolitik auch innenpolitisch für die Erhaltung von Arbeitsplätzen bedeutsam.9 Zur besseren Verankerung der Entwicklungspolitik in der Öffentlichkeit wurde deshalb erstmals ein „Journalistenpreis EntwicklungspolitikJournalistenpreis Entwicklungspolitik vergeben.10

BahrBahr, Egon hatte schon früh die Prinzipien einer globalen Ordnungspolitik erkannt: „Die Globalisierung verlangt globale Mechanismen und globale Regeln. Die Vorstellung einer Welt, die ihre Entwicklung den Regeln des unvermeidbar gewinnorientierten Marktes überlässt, ist unmenschlich.“11

BahrBahr, Egon, kein Theoretiker, hatte kein Interesse daran, neue entwicklungspolitische Konzeptionen zu entwickeln. „Das Entwicklungskonzept, das unter Minister EpplerEppler, Erhard ausgearbeitet worden ist, ist vorzüglich. Es gibt keinen Grund, es zu ändern. Es bedarf allenfalls einer gewissen Ergänzung, nämlich in Bezug auf die Erdölländer.“12 Während der Amtszeit BahrsBahr, Egon hatten sich bedeutende Veränderungen im Verhältnis zwischen Nord und Süd, also zwischen Industrie und Entwicklungsländern vollzogen. Sie verliefen in einem atemberaubenden Tempo. Die Vervierfachung der Ölpreise hatte sowohl dem Norden wie dem Süden die Augen geöffnet. Der Dritten Welt wurde eine neue politische Tatsache bewusst: die Solidarität der OPECLänder.13 Diese praktizierten sie auch. Saudi-Arabien wurde zu einem größeren Geberland für Entwicklungshilfe als Großbritannien, in derselben kurzen Zeit hatte Kuwait Kanada als Geber überflügelt.14

Für die deutsche Entwicklungspolitik zog BahrBahr, Egon daraus Konsequenzen. Die Ölländer bekamen keine Kapitalhilfe mehr, sondern Technische Hilfetechnische Hilfe gegen Bezahlung nur noch gegen Bezahlung. Zügig wurden mit dem Irak, mit Saudi-Arabien und Libyen Abkommen über Technische Hilfe gegen Entgelt geschlossen.15 Doch BahrBahr, Egon ging weiter. In seiner monetär ausgerichteten entwicklungspolitischen Konzeption mussten der Entzug großer Geldmengen aus dem Geldkreislauf und ihre Anhäufung bei den Ölförderländern weltweit fatale Folge haben.16 Zur Lösung dieses Problems entwickelte BahrBahr, Egon die Idee des Ölgeld-RecyclingsÖlgeld-Recycling.17 Mit Ölgeld sollte Technische Hilfe zugunsten wirtschaftlich ärmerer Länder bezahlt werden. Aus dieser Idee ergab sich für BahrBahr, Egon die DreieckskooperationDreieckskooperation: Westliches Know-how, das Geld der Erdölländer, und beides sollte in den Staaten der Dritten Welt eingesetzt werden, insbesondere in der Landwirtschaft. Für das Entwicklungsland führe diese Kooperation zu einem nicht erwarteten wirtschaftlichen Fortschritt, der Ölförderstaat erlange ein Stück neue Erfahrung, das Technik liefernde Land erfahre einen positiven Arbeitsplatzeffekt, und insgesamt ergebe sich eine erleichternde Wirkung für die Welternährungssituation.18 Für BahrBahr, Egon war der Schlüssel die Förderung der Landwirtschaft. Wer genügend Lebensmittel produziere, um sie exportieren zu können, würde sich jede gewünschte Technik kaufen können. Hier schien BahrBahr, Egon besonders der Sudan geeignet.19 Der Sudan bot sich an, auf einem mehrere hunderte Kilometer breiten Streifen zwischen dem trockenen Norden und dem feuchten Süden in großem Maße Getreide zu erzeugen. Dort gelte es, mit finanzieller und technischer Hilfe Großanbauflächen anzulegen und zu bewirtschaften. Mit den Erträgen könne man den gesamten Mittleren und Nahen Osten versorgen. Die BahrBahr, Egon’schen Überlegungen der Dreieckskooperation kamen jedoch über Planungen nicht hinaus. Er war nur zwei Jahre im Amt.

BahrBahr, Egon war Pragmatiker. Das habe ich selber erfahren, als ich einen Leitfaden für die Erstellung von Länderhilfeprogrammen vorlegte, der ihm viel zu präzise war. Auch die Festlegung der Länderquoten, also der zweijährigen Entwicklungshilfemittelzuweisungen pro Land, wollte er nicht systematisch abgeleitet wissen, sondern pragmatisch – mehr aus dem Bauch heraus.

BahrBahr, Egon hat einige wenige Akzente gesetzt. Er setzte bei der Entwicklungspolitik auf „Wandel durch Annäherung“.20 Entwicklungspolitik wurde neben der West und Ostpolitik zur dritten Säule der deutschen Außenpolitik. BahrBahr, Egon betonte wirtschafts und rohstoffpolitische Eigeninteressen, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit spielte bei ihm eine wichtige Rolle, multilaterale Entwicklungszusammenarbeit war ihm ein Graus. Seinen strategischen Ansatz der Dreieckskooperation konnte er nicht umsetzen, da er zu kurz im Amt war, denn er trat nach zwei Jahren 1976 zurück, da er Bundesgeschäftsführer der SPD wurde. Letztlich, so mein Eindruck, lag ihm Entwicklungspolitik nicht sehr am Herzen.

Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik

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