Читать книгу Promis sind Menschen – 20 Stars vor dem Diktiergerät - Michael Defrancesco - Страница 4
ОглавлениеPeter Kraus: Sugar Sugar Peter
Mei, sieht der gut aus: Peter Kraus (75) lümmelt beim Interviewtermin in seinem Stuhl. Bein über der Lehne, spitzbübisches Lächeln im Gesicht. Der Alt-Rock'n'Roller ist schlaksig, bestens gelaunt. Ein Sugarsugarbaby.
Wenn man sich durch Ihre Biografie liest, ist das wie eine Zeitreise. Wo bewahren Sie Ihre ganzen Erinnerungen auf?
Das Immaterielle bewahre ich in meinem Herzen auf, für alles andere gibt es in Zürich ein Museum. Bei mir zu Hause stehen in der Garage nur meine Oldtimer, und an den Wänden hängen ein paar Bilder. Aber das war es schon. Das Gestern war wunderschön, aber ich möchte mir vor allen Dingen den morgigen Tag schön machen und nicht dem gestrigen Tag hinterhertrauern.
Aber ein paar Erinnerungen müssen wir gemeinsam aufpolieren, wenn Sie mögen. Was fällt Ihnen spontan ein, wenn ich „Johnny“ und „Das fliegende Klassenzimmer“ sage?
Ja, in dem Film hab ich gespielt. Das war sensationell, ich war damals 13 Jahre alt, als gedreht wurde, und ich war 14, als der Film ins Kino kam. In der Schule war ich der King, der Junge, der in einem Kinofilm mitgespielt hat. Die Lehrer forderten mich auf, ein Referat über das Filmgeschäft zu machen, was ich natürlich überhaupt nicht konnte. Und ich war bei den Lehrern endgültig unten durch, als ich mir von meiner Gage – ich bekam damals 1500 Mark – für 250 Mark ein knallrotes Rennrad mit zwölf Gängen gekauft habe. Und mit dem bin ich in die Schule geradelt, während die Lehrer noch mit ihren schwarzen Eseln gefahren sind – und die waren ganz schön neidisch und haben mir prompt schlechtere Noten gegeben. Da hab ich dann das Rennrad lieber wieder daheim gelassen und bin wieder mit dem alten gefahren.
Wundervoll! Gehen wir weiter, das nächste Stichwort laute „Sugarbaby“.
(lacht) Das ist meine Visitenkarte! Es ist ein Hit, und die Leute rufen mir auf der Straße nicht „Peter“, sondern „Sugarbaby“ zu. Das ist einfach so. Ich singe das Lied auch immer noch sehr gern, nicht, weil es so besonders gut wäre, sondern weil es einfach faszinierend ist. Schauen Sie, ich habe damals mit einer Stilrichtung begonnen, die damals verrucht war, und man war der Meinung, dass dieser Spuk bald vorbei wäre. Und heute glänzen immer noch die Augen der Menschen, wenn ich Rock'n'Roll singe! Ich bin 75, singe das Lied, und die Leute himmeln mich an. Das ist wie ein Märchen.
Welches Sugarbaby singen Sie an?
Oh, ich sehe die Sugarbabys bis zur zehnten Reihe im Konzert. Aber man darf sich da nicht eine einzelne Frau aussuchen, das geht nicht. Man muss immer das ganze Publikum ansingen. (schmunzelt) Ich singe das Lied jetzt auf der Abschlusstournee auch in einem neuen Gewand, das hat schon viel mitgemacht: Es gibt Bigband-, Swing- und A-cappella-Versionen – das Lied ist unverwüstlich.
Da passt doch das nächste Stichwort: Conny Froboess.
Sie hat mit mir den 75. gefeiert, da habe ich mich sehr gefreut.
Warum haben Sie immer noch freundschaftlichen Kontakt?
Weil wir kein Liebespaar waren. (lacht) Sie wollte zum Theater und eine respektierte Schauspielerin werden, ich wollte lieber Entertainer werden, Regie führen.
Eine weitere Erinnerung: Stichwort Heinz Rühmann.
Mit dem habe ich den „Pauker“ gemacht – da hätte ich gern weitergearbeitet an diesen Projekten. Das waren ja durchaus ernsthafte Filme. Aber dann kam meine Rock-'n'-Roll-Karriere und der dann entstehende Wunsch nach Musikfilmen dazwischen. Aber mein Ziel war es ursprünglich wirklich, interessante Filme zu drehen. Zum Rühmann persönlich können die Wenigsten etwas sagen, man hat ihn auch beim Drehen immer nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Ich bin aber durchaus stolz, dass ich als junger Mensch, der noch keine abgeschlossene Ausbildung hatte, mit den Größten des deutschen Filmgeschäfts drehen durfte. Man könnte sagen, dass sie meine Schauspiellehrer waren: Gert Fröbe, Hans Moser, Heinz Rühmann, Hans Albers – mit denen durfte ich drehen.
Sie sagten eingangs, dass Sie eigentlich lieber auf den morgigen Tag blicken wollen: Wie schafften Sie das all die Jahre, mit der Zeit zu gehen?
In diesem Beruf kann man sich über 60 Jahre hinweg nur einen Namen bewahren, wenn man mit der Zeit geht. Sonst gehst du unter. Aber es ist nicht einfach.
Als Sie begonnen haben, gab es Schallplatten mit A- und B-Seite und Telefone mit Wählscheibe. Heute gibt es Smartphones und Facebook.
Ja, in Facebook bin ich heute auch.
Sie schreiben selbst?
Aber natürlich.
Sie malen heute in Ihrer Freizeit, Sie haben einen Weinberg: Wie passt das mit Ihrem Rock'n'Roll im Blut zusammen?
Für mich ist Rock'n'Roll ein Lebensgefühl, eine Hymne an die Jugend: „Nehmt euer Leben selbst in die Hand!“ Damals in den 50ern hat die Mama für alle gekocht, und der Papa hat den Kindern gesagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Auch noch mit 19 Jahren, die lebten einfach brav unter der Obhut der Eltern. Und ich habe gesagt: „Nein, gebt Gas! Denkt euch selbst etwas aus!“ Und das habe ich mein ganzes Leben lang durchgezogen. Das ist für mich Rock'n'Roll: an sich selbst zu glauben und dann den Weg zu gehen, den man selbst als richtig ansieht. Und dann nicht abzuweichen, nur weil man glaubt, man müsste jetzt mal rasch irgendeinem Trend folgen. Das ist für mich Rock'n'Roll! Und so sehe ich mein Herz. Leute sagen mir immer wieder, dass ich mich nicht verändert habe. Ich bin mir selbst sehr treu geblieben, ich hab mir nie ein Tattoo stechen lassen, weil das alle getan haben und ich dachte, dass ich da hinterherhecheln müsste. Dieses Gefühl ist viel entscheidender als die reine Musik – die singe ich jetzt wieder auf der Bühne, das ist schön, ja.
Aber nicht mehr so wild wie früher, hm?
Ah – wir sind ja harmlos geworden. (lacht) Früher haben die Mütter ihren Kindern meine Platten weggenommen, weil sie Angst hatten, ich würde die Kinder verderben. Später kamen dann die Mütter an und haben sich bei mir entschuldigt – wenn sie gewusst hätten, dass nach mir noch schrecklichere Musik kommen würde, wären sie froh gewesen, wenn die Kinder meine Sachen gehört hätten.
Wenn Sie heute Rock'n'Roll singen, dann träumen Sie also nicht von ewiger Jugend und tun so, als wären Sie 20 – sondern Sie sagen: „Ich bin ich, so kann man mit Rock'n'Roll alt werden.“
Ja genau. Das ist auf den Punkt gebracht. Ich will heute nicht mehr einen 20-Jährigen spielen, nein.
Rock'n'Roll ist aber immer auch mit den USA verbunden. In den 50ern haben wir die Staaten vergöttert, heute sind wir sauer auf die Amis, weil sie uns abhören ...
Das stimmt schon. Ich bin mit Sinatra und Dean Martin aufgewachsen, habe die amerikanischen Musicalfilme geliebt, ich bin sehr amerikalastig in meinem Elternhaus aufgewachsen. Ich bin in Schwabing aufgewachsen, und um die Ecke war der amerikanische Sender AFN. Da bin ich oft hingeradelt, und die Amis waren immer so nett zu mir! Ich wusste damals gar nicht, was deutsche Musik war. (lacht) Erst als ich mal bei einer Tournee Fred Bertelmann traf, da wusste ich dann, wie deutsche Musik klingt. (schmunzelt) Dieses freiheitliche Lebensgefühl der USA hat mich schon sehr geprägt. Aber heute ist Amerika nicht mehr das Nonplusultra für mich, ich bin heute sehr stolz auf deutsche Musik und deutsche Musiker. Es ist heute eine Ehre für mich, wenn ich einen Song von Udo Lindenberg, von Rosenstolz oder auch mal von den Prinzen singen kann.
Das Musikgeschäft hat sich geändert, hm?
Unglaublich, ja. Wenn ich allein daran denke, wie langfristig wir damals geplant haben: Mein Produzent und ich haben uns über die nächsten zehn Jahre unterhalten! Nicht über die nächsten zehn Wochen wie heute.
Wurden Sie verträglicher bejubelt?
Ja. Der Jubel war damals ehrlich. Man musste etwas Besonderes leisten, damit gejubelt wurde.
Nackig auf einer Abrissbirne hin- und herschwingen hat nicht gereicht?
(lacht) Nein, wir mussten wirklich gut singen, man musste etwas tun für den Jubel. Heute ist das gespenstisch: Bei den großen Konzerten wird von vorn bis hinten gejubelt, ich hab nicht das Gefühl, dass die Leute zuhören. Bei meinen Konzerten war nach dem Jubel Stille, dann konnte ich mit den Fans sprechen, sie haben zugehört. Das gibt es heute nicht mehr.
Wird Ihnen der Jubel nach der Abschiedstournee fehlen?
Ach, ich möchte noch ein bisschen was von meinem Leben haben. Tourneen zu machen, war nie mein ganz großes Ding. Um auf der Bühne voll da zu sein, muss ich untertags viel opfern: möglichst lang schlafen, was mir schwerfällt. Wenig reden, nichts unternehmen, sich schonen – das ist für mich ätzend, weil es meinem Lebensgefühl widerspricht. Ich steh gern früh auf, und dann muss was passieren. Und wenn ich abends vor lauter Müdigkeit um 21 Uhr einschlafe, ist das herrlich. Bei einer Tournee lebe ich genau nach dem Gegenteil. Und ich will mir nicht später sagen: „Ach, hättest du doch früher aufgehört und noch mehr das Leben genossen.“ Ich kann ja noch im Fernsehen auftreten!
Der Hüftschwung bleibt uns erhalten? Verrenken Sie sich oft?
Pfui! (lacht) Der Hüftschwung bleibt Ihnen noch erhalten, keine Sorge.
Biografie
Peter Kraus wurde 1939 in München geboren. Der Sohn des österreichischen Regisseurs und Kabarettisten Fred Kraus verbrachte seine Jugend abwechselnd in München, Gräfelfing, Wien und Salzburg, wo sein Vater ein eigenes kleines Theater hatte. Schon während seiner Schulzeit nahm Peter Kraus Gesangsunterricht und begann seine Karriere als Schauspieler 1954 mit der Rolle des Johnny in „Das fliegende Klassenzimmer“. 1957 nahm er seine erste Rock'n'Roll-Single auf: die deutsche Version von „Tutti Frutti“. Legendärster Hit des „deutschen Elvis“ war natürlich „Sugar Baby“. Unvergessen sind seine Filme und Auftritte gemeinsam mit Conny Froboess. Auch heute noch ist Kraus immer wieder in Filmrollen zu sehen.