Читать книгу Promis sind Menschen – 20 Stars vor dem Diktiergerät - Michael Defrancesco - Страница 6
ОглавлениеPeter Maffay: Keine Angst vor der Politik
Nicht nur als Musiker hat sich Peter Maffay einen Namen gemacht: Seit einigen Jahren setzt er sich für eine gerechtere Welt ein. Bald steht die nächste Tournee auf dem Programm: Diesmal geht´s in die kleinen Konzerthallen. Wir treffen Peter Maffay nach einem Konzert in seiner Umkleidekabine.
Sind Ihnen die Stadien zu groß geworden oder warum gehen Sie jetzt in die kleinen Konzerthallen?
Klein, aber fein - so heißt es doch! Wir haben in den vergangenen 15, 20 Jahren die gängigen großen Spielorte bespielt. Arenen, Olympiahalle in München, Kölnarena, Festhalle Frankfurt. Alles wunderbar. Open-Airs haben wir auch gespielt. Diese kleinen, exquisiten Hallen, die wir jetzt bespielen, haben wir eher in Ausnahmefällen besucht. Jetzt gehen wir ausschließlich in die Konzerthäuser und Philharmonien; wir geben 54 Konzerte. Das bedeutet für uns mehr Transparenz beim Spielen! Wenn Sie auf einem Fußballfeld ein Konzert machen, dann hat ab 100 Metern Entfernung zur Bühne der Sänger die Größe einer Ameise, und von Sound und Licht hat man sehr wenig. Jetzt suchen wir den Augenkontakt zum Publikum.
Es liegt also nicht an rückläufigem Publikumsinteresse an Peter Maffay?
Wenn Sie sehen, wie wir mit den Kartenvorverkäufen bislang liegen, kann man das so nicht sagen. Wir lagen wochenlang auf Platz eins.
Sie freuen sich auf die Konzerthäuser?
Ich habe manche Häuser bei der Vorbesichtigung zum ersten Mal gesehen. Waren Sie mal im Leipziger Gewandhaus? Das ist ein großartiges Gefühl, alleine in diesem Raum zu stehen. Sich vorzustellen, dass man da Musik macht - das ist etwas sehr Besonderes. In vielen Hallen sitzt das Publikum 360 Grad um die Bühne herum; man spielt also mittendrin. Vor allem brauchen wir weniger Technik und auch keine Leinwand; ich bin auch mit meinen 1,68 Metern auf der Bühne erkennbar.
Publikumsnähe kann ja auch gefährlich sein: Stimmt die Geschichte, dass Sie einmal als Vorgruppe der Rolling Stones gespielt haben und mit Eiern beworfen wurden?
Das war 1984. Da flog so einiges auf die Bühne.
Was tut man da?
Man geht den Dingen aus dem Weg ... Ich bin ja nicht lebensgefährlich verletzt worden ... Das war schon etwas, was in einer gewissen Form bei mir hängen geblieben ist. Eine einmalige Erfahrung, Gott sei Dank. Damals hatten wir eigentlich sehr großes Glück mit unseren Veröffentlichungen; und wir hielten es für sinnvoll, dann auch bei den Stones im Vorprogramm zu spielen. Das war ein Irrtum. Zu dieser Zeit habe ich extrem polarisiert, und es gab viele Leute, die gesagt haben: Der Typ hat hier nichts zu suchen. Und wir kriegten die Keile ab ... Damals bin ich auch nicht souverän damit umgegangen; dazu hatte ich zu wenig Erfahrung. Ich habe beim ersten Konzert in Hannover überreagiert, und daraus entwickelte sich eine Welle, die sich bis zum letzten Konzert fortsetzte. Aus heutiger Sicht waren die Blessuren aber eher gut für uns.
Sie lernten aus den Attacken?
Der Effekt war, dass wir begonnen haben, nach den Fehlern zu suchen, die wir gemacht hatten. Und diese Fehler findet man nie bei anderen, sondern immer bei sich selbst. Das hat uns geholfen, uns besser zu positionieren.
Welche Liebesbeweise bekommen Sie denn heute auf die Bühne geworfen?
Während man ein Lied singt, laufen eine Vielzahl von Dialogen zwischen Musiker und Publikum; durch Körpersprache und Blickkontakt. Das ist ein Spiel, das das Publikum und auch jeder Musiker liebt. Wegen dieses Dialogs geht man auf die Bühne, das macht den Reiz aus. Natürlich kommt auch heute noch etwas auf die Bühne geflogen, was dann Ausdruck und Teil dieser Zuneigung sein soll.
Teil der Zuneigung? Sie meinen: Teile des Kleiderschranks ...
Manchmal fliegen Sachen nach oben, die ich dann auch mal anziehe, ein Armreif oder eine Jacke ...
Woher kommt diese Anziehungskraft, die Sie auf die Leute haben?
Zunächst einmal bin ich ja nicht alleine; wir sind eine Band. Wir spielen seit vielen Jahren zusammen, und jeder Musiker in dieser Band ist ein Teil des Ganzen. Wenn wir auf die Bühne gehen, dann bringen wir immer eine klare Haltung mit. Das mag jetzt sülzig klingen, aber: Wir stehen auf Menschen. Wir gehen auf die Bühne, um den Leuten etwas von unserer Energie, unserem Spirit anzubieten. Und wenn wir ihnen Kraft schenken können, Themen, die sie berühren - dann führt das dann dazu, dass die Leute auf die Tische springen und "Zugabe" schreien.
Ein Kritiker schrieb einmal über Sie: "Ein kleiner Mann, der mit nichts aus Rumänien kam und unsere Seelen eroberte."
Oh! Das ist aber sehr nett!
Wie präsent ist bei Ihnen dieses Nichts; die Vergangenheit, die Sie in Rumänien erlebten?
Das ist nicht sehr weit weg. Mein Vater und ich waren vor ein paar Monaten in Rumänien, für die Sendung "Geheimnis meiner Familie" des MDR. Da waren wir ein Teil dieser Serie. Es geht darum zu recherchieren, welche Wurzeln eine Familie hat; Hintergrund ist, dass man zeigen will, dass die Völkerwanderung permanent stattfindet. Man meint, in einem Land aufgewachsen zu sein und eine bestimmte Nationalität zu haben - und dann geht man einige Generationen zurück und stellt fest, dass man aus einer ganz anderen Nation kommt.
Ist dieses Bewusstsein der Grund für Ihr politisches Engagement?
Absolut. Ich komme aus Transsilvanien - ein Konfliktherd. Hier hat sich Hass durch Kriege und durch viele Generationen hindurch aufgestaut, daraus resultiert dämlicher Nationalismus. Das betrifft viele Menschen, und natürlich auch mich in meiner Entwicklung. Da sind meine Wurzeln Motor für vieles, was ich heute tue. Wenn wir über Kinder sprechen, über Begegnungen von Kindern: Nur so kann es mehr Verständnis geben, wenn Kinder miteinander aufwachsen und sich kennenlernen. Die nächste Generation muss gerüstet sein, mit diesen alten Konflikten fertig zu werden.
Im Rahmen des Projektes "Begegnungen" haben Sie eine regelrechte Weltreise absolviert. War dies für Sie seelisch sehr anstrengend?
Ja, aber auch extrem bereichernd. Es ist ein großes Privileg, wenn man solche Einblicke in andere Kulturen bekommt. Diese Besuche hatten dabei weniger den Aspekt von Sightseeing, sondern ich bin zu Brennpunkten dieser Erde gegangen. Apartheid, Slums, Defizite im sozialen und medizinischen Bereich, politische Probleme - wir haben diese Dinge hautnah erlebt. Bombay, die Slums von Bombay: zu sehen, was Menschen aushalten, unter welchen extremen Bedingungen sie ihr Leben fristen. Unvorstellbares Elend. Oder die Entwicklung in China, was wir im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen alles erlebt haben, oder Afghanistan! Wir haben ein Konzert in Kabul gegeben; wir haben mit Politikern wie Desmond Tutu oder Shimon Peres gesprochen. Davon zehrt man eine ganze Weile lang und versucht, es zu verarbeiten.
Sie haben den Dalai Lama getroffen.
Ja, ich habe ihn zum ersten Mal vor vielen Jahren in Wien getroffen. Dann habe ich ihn gefragt, ob er uns zum ersten Projekt "Begegnungen" ein Vorwort schreibt, was er getan hat. Inzwischen haben wir uns mehrmals getroffen.
Könnten Sie sich vorstellen, ein Karlheinz Böhm zu werden, der sich nur noch den armen Kindern widmet?
Dazu ist mir die Musik zu wichtig. Musikmachen ist ein bisschen wie Essen und Trinken für mich und zu sehr im Fokus meines Lebens. Außerdem weiß ich, dass meine Popularität ein wunderbares Trittbrett für meine Aktivitäten ist. Kunst, Wirtschaft und Politik waren noch nie in unserer Gesellschaft so verzahnt wie heute, und es gab noch nie so viele NGO- (nicht staatlich organisierte) Aktivitäten wie heute. Bei uns ist ein anderes Bewusstsein entstanden. Aufgaben, die der Staat früher übernommen hat, übernimmt der Bürger wieder selbst, und das ist richtig so. Aber ich bin noch nicht so weit wie Karlheinz Böhm, den ich sehr bewundere und der mir wichtige Impulse gegeben hat.
Kann Musik allein also die Welt nicht ändern?
Musik kann die Welt ändern, aber nicht allein. Es ist die Symbiose. Das kann jeder Maler, Dichter oder Bildhauer bestätigen.
Wie wichtig ist Ihnen denn angesichts all dieses Elends, das Sie sehen, so etwas Kommerzielles wie Charterfolge? Wissen Sie, wo Ihr Album steht?
Natürlich. Wir hatten zwölf Nummer-eins-Alben in all den Jahren. Und das hat nach wie vor eine Bedeutung für mich. Es zeigt mir, wie mein Publikum auf mich reagiert! Wobei die Platzierung nichts über den Wert der Musik aussagt: Wir hatten sehr gute Alben, die es nicht nach oben geschafft haben, und wir hatten schwache Nummer einsen, bei denen ich gewusst habe: Das Album ist zwar Nummer eins, aber es ist nicht gesund.
Wie wichtig war die Musik, die Sie auf Ihren Reisen kennengelernt haben, für Ihre Entwicklung?
Sehr wichtig, denn Deutschland ist nicht der Nabel der Musikwelt. Die Begegnungen, die da stattfinden, sind sehr reizvoll für Musiker. Da kommt plötzlich einer mit einem Didgeridoo daher, und wir koppeln den Klang mit heftigen Gitarrenriffs.
Welcher Musikstil ist Ihnen fremd geblieben?
Atonaler Jazz. Damit habe ich immer noch meine Probleme ...
Biografie
Peter Maffay wurde 1949 in Rumänien geboren und wanderte mit seinen Eltern 1963 nach Deutschland aus. 1968 gründete er seine erste Band, The Dukes. 1969 kam die erste Single heraus, "Du", die Maffay über Nacht zum Star machte. Mit dem Album "Steppenwolf" gelang ihm 1979 der Sprung auf Platz eins der Hitparade. Er kreierte das Kindermusical "Tabaluga". Infos: