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Gegen die Trunksucht
ОглавлениеGegen den hemmungslosen Missbrauch des Alkohols und seiner Folgen begann sich bald der öffentliche Widerstand zu regen und bereits im Jahre 1829 bildete sich die erste Abstinenzbewegung, die sich in den 1830er Jahren über Skandinavien, Schottland und England auch im restlichen Europa ausbreitete; 1877 gründete der Schweizer Louis-Lucien Rochart, ein freikirchlicher Pfarrer, mit 27 weiteren Personen in Genf das Blaue Kreuz.
Die Temperenzler forderten einen totalen Verzicht von Alkohol als Ansatz zur Heilung der Alkoholkranken einerseits sowie als sozialreformerische Maßnahme andererseits, da sie den Alkoholgenuss als Ausdruck von Laster- und mangelnder Tugendhaftigkeit ansahen, der maßgeblich für das Elend der unteren Klassen mit verantwortlich gewesen war. Damit stand die Abstinenzbewegung der Sittlichkeitsbewegung nahe, die ebenfalls eine moralische Gesundung der Gesellschaft anstrebte. Gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Abstinenzbewegung zu den wichtigsten sozialen Bewegungen in Europa als auch in den Vereinigten Staaten, wo diese Bewegung mit den Jahren immer effektiver wurde, sodass sie es schaffte, dass in einigen US-Bundesstaaten wie Massachusetts (1838) oder Maine (1846) der Verkauf von Alkohol verboten wurde. Zwischen den 1860er Jahren bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Temperenzbewegung so zu einer bedeutenden Massenbewegung, wobei die von John Russell angeführte nationale Prohibitionspartei immer populärer wurde, da sie der Meinung gewesen war, dass die Demokraten und Republikaner im Kongress nicht genug getan hätten, um den Genuss von Alkohol zu bekämpfen. Auch die methodistischen Kirchen waren der Auffassung gewesen, dass der Alkoholkonsum und Alkoholhandel zwar einen gewissen wirtschaftlichen Vorteil durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit verbunden, den Steuereinnahmen brachte, dass dieser Vorteil jedoch durch die negativen Begleitfaktoren, wie Mord, dem Glücksspiel, der Prostitution, Kriminalität und der politischen Korruption zur Gänze wieder zunichte gemacht wurde. Weitere Organisationen folgten. So die Heilsarmee (1864), die „American Association of Cure of Inebrity” (1870) oder die „Christian´s Temperance Union” (1873), die zu jener Zeit eine der größten Frauengesellschaften der Welt gewesen war. Die Abstinenzbewegung hatte nun Anhänger in ganz Amerika und konnte in den 1870er und 1880er Jahren des 19. Jahrhunderts auch erste Erfolge erzielen. So wurde 1881 in Kansas ein Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von „geistigen Getränken” in dem Staat verbot. Allerdings war es die eine Sache, Gesetze zu verabschieden, sie aber auch effektiv durchsetzen zu wollen, eine ganz andere. Geld- und Gefängnisstrafen halfen nur wenig gegen den Alkoholdurst der Menschen, sodass sich die zumeist weiblichen Mitglieder der Temperenzbewegung auf die „psychologische Kriegsführung” verlegten. Sie versammelten sich vor den Saloons, hielten Plakate hoch, beteten die Bibel rauf und runter oder sangen Kirchenlieder, sodass dem Trinker im Inneren schnell die Lust an einem Whiskey vergangen war. Etwaige Sünder (Trinker), die einen Saloon betraten wurden fein säuberlich in einem Notizbuch eingetragen. Es wurden Reden gehalten, Flugblätter verteilt und Paraden abgehalten. Eine der rabiatesten Vertreter dieser Frauenorganisation war dabei mit Abstand Carrie Amelia Nation gewesen, die ihren Worten auch handfeste Taten folgen ließ. Sie selbst bezeichnete sich einmal als: „(...) eine Bulldogge, die zu Füßen Jesu läuft und das anbellt, was er nicht mag.” Mit Steinen und dann später mit einem Handbeil bewaffnet, suchte sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Saloons im mittleren Westen heim und begann Flaschen, Gläser und Einrichtungsgegenstände kurz und klein zu schlagen, während sie dabei sang und betete. Im April 1901 begab sie sich nach Kansas City, Missouri, das für seinen Widerstand gegen die Temperenzbewegung bekannt gewesen war. Sie suchte mehrere Bars in der 12th Street heim und zerstörte dort deren Alkoholbestände, woraufhin sie vor Gericht gestellt und von Richter McAuley zu einer Strafe von 500 US-Dollar verurteilt wurde, gleichwohl der Richter diese Geldstrafe aufhob, solange Nation nur nie wieder nach Kansas City zurückkehrte. Insgesamt wurde sie 32 Mal verhaftet und saß im Armenhaus in Washington D.C. einmal drei Tage Haft ab, weil sie sich geweigert hatte, eine Geldstrafe in Höhe von 35 US-Dollar zu bezahlen. Die Aktivitäten von Carrie Nation wurden weithin bekannt und insbesondere bei den Saloonbesitzern gefürchtet, die in ihren Bars Schilder anbrachten, auf denen zu lesen war:
„All Nations Welcome, but Carrie.”
Die rigorose Kämpferin gegen den Alkohol schreckte auch vor den gewählten Staatsoberhäuptern Amerikas nicht zurück. So meinte sie nach dem Attentat auf den US-Präsidenten William McKinley 1901, der im Verdacht stand, ein heimlicher Trinker gewesen zu sein, dass er: „(...) nur das bekommen habe, was er verdient hätte.” Zudem beschuldigte sie Theodore Roosevelt, auf seinen Wahlkampfreisen durch Kansas, in seinem Sonderzug einen privaten Saloon unterhalten zu haben und forderte, dass er wie jeder andere Gesetzesbrecher verhaftet werden müsse. Diese Aussage schien „Teddys” Stolz tief getroffen zu haben und so verweigerte er ihr später zweimal eine Audienz im Weißen Haus.
Am 09. Juni 1911 starb Carrie Nation im Evergreen Place Hospital bei Leavenworth, Kansas und wurde anschließend in Belton, Missouri zur letzten Ruhe gebettet. Ihr schlagkräftiges Leben war dabei jedoch von Anekdoten nicht verschont geblieben. So erzählt die eine von ihnen, dass sie sich des Öfteren einen Schluck von „Dr. David Hostetters Magenbitter” gegönnt hatte, bis sie irgendwann zu ihrem Entsetzen erfahren musste, dass diese „Medizin” rund 47 % Alkohol enthalten hatte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die „Anti-Saloon- League” die führende Organisation gewesen, die sich für ein Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten einsetzte. Sie war hauptsächlich im Süden und im ländlichen Norden der USA präsent gewesen und wurde insbesondere von den Methodisten, Baptisten und Kongregationalisten stark unterstützt. 1893 in Oberlin, Ohio gegründet, breitete sich ihr Einfluss rasch aus und entwickelte sich 1895 zu einer nationalen Organisation und mächtigsten Verbotslobby für Alkohol in Amerika. Ihr Gründer und erster Führer Howard Hyde Russell (1855-1946) wählte die besten Männer für seine Organisation aus, gründete erfolgreich lokale Zweigstellen und rührte unermüdlich die Werbetrommel, und zwar mit solch einem Erfolg, dass die Temperenzbewegung in den USA neu belebt wurde.
Auf staatlicher Ebene hatte die „Anti-Saloon League” unterschiedliche Erfolge aufzuweisen gehabt. Im ländlichen Bereich und im Süden der USA stießen ihre Bemühungen auf fruchtbaren Boden, in größeren Städten, insbesondere bei den Katholiken, Juden, Episkopalern und deutschen Lutheranern ging es hingegen nur wenig erfolgreich voran. Biertrinkende Deutsche, Whiskey liebende Iren und die weinseligen Südosteuropäer hielten nur wenig davon, sich den Genuss von Alkohol verbieten zu lassen. Dennoch war die Prohibition bis 1916 in 23 Staaten etabliert worden, alleine 17 davon durch eine Volksabstimmung. Nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, verknüpfte die „Anti-Saloon Leaque” ihre Ideen mit patriotischen Appellen, die darauf hinausliefen, dass der Alkohol die Moral der amerikanischen Soldaten schwächen würde und wann immer die deutschen Brauereibesitzer sich in den USA gegen die Prohibition aussprachen (verständlicherweise muss man sagen), so wurde ihnen dieses seitens der Organisation stets als Illoyalität und mitunter auch als Verrat am Vaterland ausgelegt.
Am 28. Oktober 1919 trat schließlich der Volstead Act in Kraft, der alle Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % Vol. als Alkohol definierte. US-Präsident Woodrow Wilson (1913-1921) legte zwar sein Veto gegen das Gesetz ein, doch der Druck der öffentlichen Meinung war derart groß gewesen, dass sich im US-Kongress eine Zweidrittelmehrheit fand, die das Veto des Präsidenten gleich wieder unwirksam machte. Am 16. Januar 1920 wurde das nationale Prohibitionsgesetz von Wilson ratifiziert und als 18. Zusatz in die Verfassung aufgenommen:
Abschnitt 1. Nach Ablauf eines Jahres nach der Ratifikation dieses Artikels sind Erzeugung, Verkauf oder Transport berauschender alkoholischer Getränke innerhalb des Gebietes der Vereinigten Staaten sowie Ein- und Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten sowie allen Gebieten, die deren Zuständigkeit unterstehen, hiermit verboten.
Abschnitt 2. Der Kongress und die einzelnen Bundesstaaten werden gleichzeitig befugt, diesen Artikel durch entsprechende Gesetze durchzusetzen.
Abschnitt 3. Dieser Artikel wird unwirksam, falls er nicht innerhalb von sieben Jahren vom Zeitpunkt seiner Unterbreitung durch den Kongress an die Bundesstaaten durch die Gesetzgeber der einzelnen Bundesstaaten als Zusatzartikel der Verfassung bestätigt wird.
Zwar weigerten sich Rhode Island und Connecticut das Gesetz zu ratifizieren, doch dieses war lediglich ein symbolischer Akt des Protestes gegen das Alkoholverbot gewesen, denn der 18. Zusatzartikel hatte von nun an in den gesamten Vereinigen Staaten Gültigkeit erlangt.
Das erklärte Ziel der Prohibition, die Amerikaner vom Trinken abzuhalten, wurde dadurch aber zu keinem Zeitpunkt wirklich erreicht. Wer über das nötige Kleingeld verfügte, legte sich rechtzeitig einen eigenen Schnapsvorrat an, denn der Konsum an sich war ja nicht verboten gewesen, sondern nur die Herstellung, sowie der Transport und Verkauf, und der Rest wurde ins Land geschmuggelt oder als „Moonshine” illegal selber gebrannt. Am 28. August 1920, also fast gleichzeitig mit dem Beginn der landesweiten Prohibition, wurde auch das Frauenwahlrecht in die Verfassung aufgenommen.