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Der junge Henry

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Catherine Devine, Henry Mc Cartys Mutter, wurde vermutlich um das Jahr 1831 in Irland geboren, wobei der genaue Geburtsort unbekannt bleibt. Catherine selber gab kurz vor ihrem Tod, im Jahre 1874 an, dass sie 45 Jahre alt gewesen sei, was ihr Geburtsdatum in das Jahr 1829 hinein vorverlegen würde und was, wenn ihre Aussage stimmt (und warum sollte man daran zweifeln?) dieses Jahr als das wohl wahrscheinlichste ihrer Geburt erscheinen lässt.

Infolge der großen Hungersnot in Irland, die von 1845 bis in das Jahr 1852 hinein andauern sollte und die durch einen aus Amerika eingeschleppten Pilz ausgelöst wurde, der die Kartoffeln auf den Äckern Irlands zum Verfaulen brachte, starben rund eine Million Menschen, etwa 12 % der irischen Bevölkerung. Zwei Millionen weiteren von ihnen gelang die Auswanderung in die Vereinigten Staaten, um dort eine neue Heimat und Zukunft zu finden. Unter den vielen Emigranten befand sich eine große Anzahl von Devines, deren weibliche Bestandteile auch noch eine stattliche Anzahl von Catherines aufgewiesen hatten und die alle das gleiche Ziel hatten, nämlich in New York oder Boston amerikanischen Boden zu betreten. Wann und mit welchem Schiff nun Henrys Mutter den Hafen von New York erreicht hatte, bleibt dabei im Dunklen der Geschichte verborgen. Es dürfte aber mit Sicherheit vor dem Juli 1851 gewesen sein, jenem Monat, wo sie ihren Mann Michael Patrick Henry McCarty heiraten sollte, womit sich Billys erster Nachname, in diesem Falle relativ einfach, erklären lässt.

Auch besagter Patrick H. McCarty stammte von der Grünen Insel, wo er vermutlich im Jahre 1812 geboren worden war, wobei der Geburtsort ebenfalls unbekannt bleibt. Er wanderte, wie auch Catherine, nach Amerika hin aus und genau wie bei ihr, kann man nur darüber spekulieren, wann und mit welchem Dampfer er die Fahrt über den Atlantik bis nach Castle Clinton in New York angetreten hatte. Ebenso unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob er und Catherine sich bereits da gekannt hatten oder ob sie sich erst auf dem Schiff kennengelernt hatten, so sie denn beide auf dem Selbigen die Reise nach Amerika hin angetreten hatten? Eine dritte Möglichkeit, die wohl auch die Wahrscheinlichste ist, ist die, dass sie sich erst in New York kennengelernt hatten. Am 15. Juni 1851 jedenfalls heirateten beide in der Church of St. Peter in der 16 Barclay Street in New York, wobei Pfarrer M. A. Madden die Zeremonie durchgeführt hatte. Ihr erstes gemeinsames Kind, eine Tochter, wurde 1853 geboren und auf den Namen Bridget getauft. Mehr Informationen scheinen über sie nicht zu existieren. Das Kind verstarb schon früh im Alter von zwei Jahren.

Rätselhaft soll es dann auch gleich weitergehen, denn 1859 wurde der älteste Sohn, das zweite Kind und gleichzeitige Hauptfigur dieses Buches Henry Mc Carty geboren, wobei gleich drei verschiedene Geburtsdaten über ihn existieren. Einem ersten Datum nach, welches von Pat Garrett, bzw. seinem „Ghostwriter“ Ash Upson in die Welt gesetzt worden war, wurde Henry am 23. November 1859 geboren. Wer Pate für dieses Datum stand, bleibt dabei unbekannt. Vielleicht hatten es Garrett bzw. Upson von Billy selber gehört, aber genaueres darüber weiß man tatsächlich nicht. Einem weiteren Datum nach soll Henry am 20. November desselben Jahres in der 70 Allen Street in New York geboren worden sein, doch das mit an hoher Wahrscheinlichkeit richtige Datum seiner Geburt dürfte der 17. September 1859 gewesen, denn bereits am 28. September fand die Taufe in der Church of St. Peter statt und die beiden Paten hießen Thomas Cooney und Mary Clark.

Einige Historiker vertreten die Auffassung, dass nicht etwa Michael Patrick H. McCarty der leibliche Vater von Henry gewesen sein soll, sondern ein gewisser Henry Harrison Bonney, ein 1803 in Lyon, Wayne County, New York geborener Onkel oder Großvater, was einen weiteren Zusatznamen, den sich Billy in späteren Jahren zulegen sollte, nämlich „Bonney“ hervorragend erklären würde. Für diese Aussage finden sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Vielleicht hatte sich Billy irgendwann selber als „Bonny“ = „der Schöne“, „der Exzellente“ betitelt und lediglich ein „e“ in dem Wort eingefügt, sodass aus dieser kleinen Wortspielerei der Name „Bonney“ entstanden war. Doch bleibt diese Vermutung reine Spekulation. Anderen Quellen nach soll Catherine nach dem Tod ihres Mannes in Utica, New York für eine Familie Munn gearbeitet haben. Eine andere wohlhabende Familie in der Nachbarschaft, nur einige Häuser entfernt, hatte zwei Söhne namens John J. Bonney und Edward Finch Bonney gehabt. Henry Harrison Bonney selber jedenfalls verstarb im Jahre 1862 in Coffeeville, Kansas, jener Ort, wo im Jahre 1871 merkwürdigerweise auch die ganze Familie Mc Carty hingezogen sein soll, was erstens historisch nicht belegt ist und wo zweitens, am 05. Oktober 1892, die berüchtigte Daltonbande auf die für sie am Ende schlechte Idee kommen sollte, zwei Banken gleichzeitig ausrauben zu wollen, was die anständigen Bürger der Stadt im Gegenzug auf die gute Idee brachte, die Bande in ein wildes Feuergefecht zu verwickeln, um sie so an weiteren, späteren Untaten nachhaltig zu hindern.

In ähnlicher Manier soll es dann auch gleich weitergehen, nämlich mit Joseph „Josie“ M. McCarty, dem älteren oder jüngeren Bruder von Henry, je nachdem welchem Geburtsdatum man denn eher Glauben schenken möchte. Einige Quellen geben dieses nämlich für das Jahr 1853 an, während Joseph anderen Quellen nach am 25. August 1854 im New York Hospital, 525 East 68th Street geboren worden war. Das wahrscheinlich korrekte Geburtsdatum dürfte jedoch der 14. Oktober 1863 gewesen sein, der Geburtsort, die 210 Green Street, im irisch besiedelten Fourth Yard von Manhattan, derselbe Ort übrigens, wo auch zuvor Henry McCarty mit ziemlicher Sicherheit das Licht der Welt erblickt hatte. Somit wäre Joseph folgerichtig auch der jüngere der beiden Brüder gewesen.

Nach der Geburt von Joseph starb Patrick McCarty, möglicherweise (aber nicht sicher) zwischen dem 13. und 16. Juli 1863, oder irgendwann danach, in New York, als es in der Stadt selber zu gewaltsamen Ausschreitungen wegen den Zwangsaushebungen für die Unionsarmee gekommen war, bei der über 120, nach neuesten Schätzungen, über 500 Bürger der Stadt von den aus Gettysburg abkommandierten Soldaten bei Straßenkämpfen getötet und über 2.000 weitere verwundet worden waren. Möglicherweise war Patrick McCarty einer jener Protestler gewesen, die ihr Blut für die Sache der Iren in den Straßen von New York geopfert hatten.

Für die Witwe McCarty mit zwei Kindern an der Hand begann danach eine schwierige Zeit und bereits 1864 waren die Lebensumstände in der Stadt, aus welchen Gründen heraus auch immer, wohl derart unerträglich geworden, sodass die Familie New York schließlich für immer verließ bzw. verlassen musste, wobei sich ihre Spur für die nächsten Jahre verlieren sollte. Erst für das Jahr 1868 findet sich im Stadtverzeichnis von Indianapolis ein Eintrag, nach dem eine Catherine McCarty, Witwe von Michael zusammen mit ihren zwei Söhnen namens Henry und Joseph ein Haus in der 199 North East Street bewohnt haben soll. Diese Aussage besagt zwar nicht, dass es sich dabei um unsere Catherine Devine McCarthy gehandelt haben könnte, doch diese interessante Notiz über den Verbleib der McCartys lässt sich nicht so einfach unter den Teppich kehren, zumal sie ihren zweiten Ehemann William Henry Harrison Antrim in Indiana kennengelernt haben soll und der dort am 01. Dezember 1842 in Huntsville, Madison County geboren worden war. Man beachte dabei das Henry Harrison („Bonney“) in Antrims Namen. Andere Quellen hingegen berichten, dass sie Antrim erst im Jahre 1870 in Wichita, Kansas kennengelernt haben soll, der erste Ort, nach dem Weggang aus New York, wo sich nach historisch gesicherten Erkenntnissen die Spur der Familie McCarty wiederfinden lässt.

Als im Jahre 1902 das Interesse an Billy the Kid nochmals kurz aufgeflammt war und die „Silver City Enterprise“ in diesem Zusammenhang auch den Ex-Sheriff Harvey Whitehill interviewt hatte, der Henry und die ganze Familie McCarty in Silver City noch persönlich gekannt hatte, behauptete dieser in dem Artikel, dass Billys richtiger Name Henry McCarty gewesen und dass er in Anderson, Indiana geboren worden sei. Woher er diese Information hatte, bleibt dabei allerdings unbekannt. Womöglich von Henry selber? 1880 jedenfalls hatte ein Feuer das Gerichtsgebäude des Madison County in Indiana in Schutt und Asche gelegt und damit auch alle Unterlagen zerstört, die Billys Behauptung hätte untermauern können. Ein weiteres Geheimnis im Leben des Henry McCarty bleibt damit wohl vorerst ungelöst. Tatsächlich klafft zwischen Patrick McCartys Tod 1863? und der Ankunft der restlichen McCartys 1870 in Wichita, Kansas eine große Lücke in der Familiengeschichte, die man nur mit etwas Fantasie und einem ratlosen Schulterzucken schließen kann.

Immer wieder tauchen Berichte auf, die besagen, dass Billy the Kid in Indiana und nicht etwa in New York City geboren wäre. Diese Aussage ist, so denke ich einmal, mittlerweile jedoch hinlänglich widerlegt worden, obgleich es tatsächlich irgendeine Verbindung zu dem Staate Indiana gegeben haben dürfte. Henry erzählte, glaubt man den Worten von Sheriff Whitehill, er wäre dort geboren worden, Joseph meinte, sie hätten dort eine Zeit lang gelebt und die Tatsache, dass Catherines zweiter Mann William Antrim ebenfalls in Indiana geboren worden war, unterstützt zumindest meine Vermutung, dass Mrs. McCarty zusammen mit ihren Söhnen um 1863 herum oder später, von New York City aus, möglicherweise über Utica, New York, nach Indiana gezogen war, dort irgendwann ihren zweiten Mann William Antrim kennengelernt hatte und dass die ganze Familie später nach Kansas weiterzog. Wenn dem so war, dann würde sich zwangsläufig gleich die nächste Frage anschließen, die da lautet: Warum gerade Indiana? Die Antwort darauf lautet in Ermangelung schlüssiger Fakten vorerst: Warum nicht? Man könnte vielleicht noch vermuten, dass es irgendeine Art von Verbindung zwischen William Antrim und der Mc Carty-Familie in New York oder danach gegeben haben könnte, doch das ist eher unwahrscheinlich, da William Antrim den Staat Indiana bis dahin wohl kaum verlassen hatte. Nebenbei bemerkt, lebten neben Deutsche, Engländer und Polen auch viele Iren in diesem Staat. Wir müssen uns daher darauf beschränken, dass Catherine McCarty beschlossen hatte, New York City Mitte der 1860er Jahre den Rücken zu kehren und nach Indianapolis zu ziehen, wo sich um 1868 herum einige interessante, wenn auch dünne, Spuren der Familie wiederfinden lassen.

Was danach (mal wieder) als gesichert gilt, ist, dass die ganze Familie im August 1870 den Ort Wichita in Kansas erreicht hatte. Einer später nach Abilene boomenden Treibherdenstadt für Rinder, in der u. a. auch der berühmt gewordene Gesetzeshüter Wyatt Earp 1874 den Stern des Gesetzes tragen sollte. Sechs Meilen außerhalb der Stadt baute William Antrim eine kleine Hütte und betätigte sich als Farmer, während Catherine die örtliche Wäscherei in der North Main Street betrieb und über die der „Wichita Eagle“ 1870 schrieb:

Die städtische Wäscherei wird von Mrs. McCarty geführt, die wir allen empfehlen, die saubere Wäsche haben möchten.“

Kiecksee, „DIE BILLY THE KID STORY“, S.9

Catherine McCarty war, wie viele irische Frauen, eine starke Persönlichkeit gewesen. Wenn es die Zeit zuließ, unterrichtete sie ihre beiden Söhne, war Geschäftsfrau, einer der Gründungsväter (in diesem Falle Mütter) von Wichita gewesen, engagierte sich darüber hinaus in der Stadtpolitik und nahm dabei an verschiedenen Sitzungen in der McAdam's Hall teil. Sie erwarb sich einige Immobilien, sowie 160 Acres Land für 1,25 Dollar den Acre, wobei sie die Summe von 200 Dollar in bar bezahlte. Antrim gab, um ihren Anspruch auf Land zu unterstützen, eine eidesstattliche Erklärung ab, worin er u. a. festhielt, dass er Catherine McCarthy bereits seit sechs Jahren kenne und dass sie und Ihre Söhne amerikanische Staatsbürger seien. Sollte diese Aussage stimmen, dann könnten er und Catherine sich im Jahre 1864, nach dem Tod ihres ersten Mannes, 1863 in New York, im besagten Indiana kennengelernt haben, vom zeitlichen Ablauf her wäre dieses zumindest stimmig.

1871 jedenfalls schlug das Schicksal erneut unbarmherzig zu, denn bei Catherine wurde während eines Arztbesuches die Tuberkulose oder auch Schwindsucht diagnostiziert, eine zu dieser Zeit unheilbare und in der Regel rasch tödlich verlaufende Krankheit. Ob sie diese bereits in New York in sich trug oder sich erst später mit ihr infiziert hatte, bleibt dabei reine Spekulation, aber ihr Leben und das ihrer Kinder sollte sich fortan grundlegend ändern. Sie verkaufte ihre Wäscherei und ihre Häuser, verließ vorerst auch William Antrim und zog Ende Juni 1871 zusammen mit ihren Kindern aus Wichita fort, und zwar nicht etwa in das schon besagte Coffeeville, wo die Daltons ihr unrühmliches Ende fanden, sondern in das hoch gelegene Denver in Colorado, wo das trockene Klima eine Besserung ihrer Gesundheit bewirken sollte, ähnlich die des legendären Revolverschützen John Henry „Doc“ Holliday, der ebenfalls jahrelang an der Tuberkulose gelitten hatte und der sich ebenfalls nach Colorado wandte, wo er schließlich 1887 friedlich in einem Bett des Sanatoriums von Glenwood Springs an seiner Krankheit verstarb. Solch ein Schicksal sollte Catherine allerdings vorerst erspart bleiben. Bereits ein Jahr später zogen sie und ihre Söhne weiter nach dem Süden, in das 1850 gegründete Territorium von New Mexiko, wo ein wärmeres und trockeneres Klima vorherrschte und wo sie sich in Santa Fe niederließen. Dort tauchte schließlich auch William Antrim wieder auf und die Folge dieser erneuten Zusammenkunft war, dass sich beide am 01. März 1873 in der ersten presbyterianischen Kirche von Santa Fe das Jawort gaben, wobei u. a. Joseph und Henry als Trauzeugen fungierten.

Kurz nach der Hochzeit zog die ganze Familie zu der kleinen Bergbaustadt Silver City im äußersten Südwesten New Mexikos, zwischen den Ortschaften Lourdsburg und Las Cruces, die zu der Zeit überwiegend von Angloamerikanern bewohnt gewesen war. Dort konnten, so Catherines Wunsch, die beiden Söhne endlich regelmäßig zur Schule gehen. Ihr Mann William würde dort eine bodenständige Arbeit finden und das heiße, trockene Klima in der Region würde am Ende für eine Verbesserung ihrer angeschlagener Gesundheit sorgen. Doch am Ende sollte, wie so oft im Leben, alles ganz anders kommen.

Alias Billy the Kid

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