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3.2 Rechtsberatung als Dienstleistung

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Rechtsberatung ist eine Dienstleistung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden Dienstleistungen gegen Produkt- oder Sachleistungen durch das Merkmal der Materialität abgegrenzt. Dienstleistungen sind demnach immaterielle Güter. In der Forschung und der Fachliteratur zum Dienstleistungsmarketing werden der Begriff Immaterialität und der im angloamerikanischen Sprachgebrauch übliche Begriff der Intangibilität (im Sinne von unberührbar bzw. nicht greifbar) zur Beschreibung von Dienstleistungen gebraucht. In dieser Studie werden beide Begriffe synonym verwendet.

„Der nicht greifbare Charakter von Dienstleistungen stellt die Wirtschaftswissenschaften vor große Probleme, denn dadurch geraten psychologische Qualitäten in den Prozess der Leistungserstellung und -vermarktung, die sich mit dem gängigen ökonomischen Vorgehen nur schwer beherrschen lassen.“

Sollen Sach- oder Dienstleistungen vermarktet werden, wird in einem Unternehmen üblicherweise über geeignete Marketingmaßnahmen nachgedacht. Doch ist das traditionelle Marketing eher an Konsumgütern orientiert, weshalb wir hier einige Besonderheiten des Dienstleistungsmarketings darlegen. Zwischen Produkt- und Dienstleistungsmarketing bestehen zwar recht große Schnittmengen, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Sach- und Dienstleistungen erfordern jedoch eine dementsprechend angepasste Marketingstrategie.

Über die charakteristischen Merkmale von Dienstleistungen wird in der Forschung viel diskutiert. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit über die sogenannte „Drei-Phasen-Auffassung“ von Dienstleistungen. Nach Meffert/Bruhn werden sie geprägt von prozess-, ergebnis- und potenzialorientierten Faktoren und Handlungen. Meffert/Bruhn kommen daher zu folgender Definition des Begriffs „Dienstleistung“:

Dienstleistungen sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung (z.B. Versicherungsleistungen) und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten (z.B. Friseurleistungen) verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne (z.B. Geschäftsräume, Personal, Ausstattung) und externe Faktoren (also solche, die nicht im Einflussbereich des Dienstleisters liegen) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen (z.B. Kunden) und deren Objekten (z.B. Auto des Kunden) nutzenstiftende Wirkungen (z.B. Inspektion beim Auto) zu erzielen (Ergebnisorientierung).

Unabdingbar ist die sog. „Integration des externen Faktors“ bei der Erstellung einer Dienstleistung. Das heißt, dass die Leistung in Interaktion mit dem Nachfrager der Dienstleistung angefertigt wird.

Je nach Art und Weise der Dienstleistung wird der Nachfrager – beim Rechtsanwalt also der Mandant – mehr oder weniger stark in den Erstellungsprozess mit eingebunden. Damit ist eine Rechtsanwaltsberatung und dessen Ergebnis sehr stark von der Einwirkung eines fremden, wenig zu beeinflussenden Faktors mitbestimmt. Denn nur, wenn der Anwalt alle erforderlichen Informationen erhält, kann er adäquat beraten. Durch die Integration des Mandanten in den Erstellungsprozess ist die Dienstleistung nur schwer zu standardisieren und sehr individuell. Außerdem verlangt die Gegenwart des Mandanten nach einer gewissen Kundenorientierung im gesamten Dienstleistungsprozess. Für die vom Mandanten wahrgenommene Qualität der Leistung kann ein Qualitätsmanagement sorgen.

Als weiteres wird eine Dienstleistung prozessorientiert über die Leistungsfähigkeit des Anbieters beschrieben. Dabei verläuft die Leistungserstellung und -abgabe oftmals simultan. Dieses bezeichnet man auch als „Uno-actu-Prinzip“. Beispiele hierfür sind der Unterricht in einer Sprachenschule oder ein Beratungsgespräch beim Rechtsanwalt. Jedoch kann dieses Prinzip nicht als alleiniges Charakteristikum für Dienstleistungen dienen.

Aus der Vielzahl an Definitionsansätzen, die in der Literatur für Dienstleistungen diskutiert werden, lassen sich drei konstituierende Merkmale nennen:



Ich hab’ da ein Problem – der Marketing-Mix für Dienstleistungen

Wendet sich ein potentieller Mandant an einen Rechtsanwalt, möchte er ein rechtliches Problem entweder lösen oder vor seinem Auftreten vermeiden (siehe Abbildung 2).


Abbildung 2: „Hallo ich habe ein Problem“, Forumseintrag bei 123recht.net

Der klassische Marketing-Mix aus Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik (die sog. 4 „P’s“: Product [Produktpolitik], Price [Preispolitik], Place [Distributionspolitik], Promotion [Kommunikationspolitik]), der für Sachgüter anerkannt ist, reicht daher für Dienstleistungen nicht aus. Dieser wird von Meffert/Bruhn ergänzt durch ein fünftes „P“, die Personalpolitik (siehe Abbildung 3).


Abbildung 3: Marketing-Mix von Dienstleistungen. Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon.

Doch wird die alleinige Erweiterung des Marketing-Mixes durch die Personalpolitik dem interaktiven Charakter einer Dienstleistung nicht gerecht. Wir stimmen daher Bitner zu, die den klassischen Mix um insgesamt drei Variablen erweitert: um Prozesse (Process Management), das Umfeld (Ausstattungspolitik bzw. Physical Environment) und um die vorgenannten Personen (Personnel), die an der Erstellung der Leistung beteiligt sind (siehe Abbildung 4). Begründet werden diese Ergänzungen mit der großen Bedeutung der wahrgenommenen Qualität von Dienstleistungen.


Abbildung 4: Die 7 P’s des Dienstleistungsmarketings. Quelle: Business Fundas

Prozesse sind dabei Abläufe und Aktivitäten, die innerhalb eines Unternehmens bzw. in der Kanzlei, die Leistungserbringung vorbereiten und ermöglichen. Diese sind für den Klienten zwar nicht sichtbar, allerdings kann er diese über bestimmte Merkmale wahrnehmen, wie z.B. eine schnelle E-Mail-Antwort auf eine Anfrage über ein Kontaktformular auf der Webseite der Kanzlei. Die wahrgenommenen organisatorischen Prozesse sind auch für das Dienstleistungsklima und somit letztlich für die Dienstleistungsqualität von großer Wichtigkeit (s. a. Kap. 5.2).

Das Umfeld beschreibt das sog. „Setting“, in dem die Dienstleitung erbracht wird. Dabei wird versucht, „das Erleben von Raum und Zeit durch den Kunden zu beeinflussen.“ So kann z.B. dem Mandanten während der Wartezeit auf einen Termin ein Getränk und etwas Gebäck angeboten werden, um die wahrgenommene Wartezeit subjektiv zu verkürzen.

Die Personen, die an der Dienstleistungserstellung beteiligt sind, beeinflussen ebenfalls die Wahrnehmung der Kunden. Auch die Präsenz und Attitüde des Kanzleipersonals, das mit den Kunden direkt Kontakt hat, beeinflusst die Wahrnehmung der (potentiellen) Mandanten. Genauso wie z.B. andere Kunden, wenn diese zur gleichen Zeit anwesend sein sollten.

Des Weiteren ist die durch den Kunden wahrgenommene Qualität ein wichtiger Faktor. Daher ist in der Forschung zum Dienstleistungsmanagement oft auch eine Erweiterung um ein viertes „P“, die Produktivität und Qualität (Productivity and Quality), zu finden. Gerade beim Dienstleistungsmarketing für Rechtsanwälte spielt die subjektiv wahrgenommene Qualität der Dienstleitung eine bedeutende Rolle. Denn bei Vertrauensgütern weichen potentielle Kunden aufgrund der Immaterialität der Leistung auf Ersatzindikatoren aus, um ihr wahrgenommenes Kaufrisiko zu minimieren (vgl. hierzu auch Kap. 4.1.2 und 6.2).

Informationsasymmetrie

Ein weiteres Merkmal beim Absatz einer Dienstleistung ist die sogenannte Informationsasymmetrie zwischen Nachfrager und Anbieter. Diese Asymmetrie beschreibt eine Unsicherheit seitens des Konsumenten ob seine Entscheidung für diesen oder jenen Leistungsanbieter bzw. dessen Leistungsbündel richtig ist.

Bezogen auf die Beziehung zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist damit gemeint, dass der Mandant in der Regel wichtige Eigenschaften des Rechtsanwalts, wie z.B. dessen Wissen und Erfahrung in den für diesen Mandanten wichtigen Rechtsgebieten nicht kennt. Diese sind evtl. sogar bei Abschluss der Dienstleistungserbringung noch nicht einmal beurteilbar, da der Mandant wegen des hohen Individualisierungsgrades bei der Dienstleistungserstellung keine Vergleichsmöglichkeit hat. Auch die Erfolgschancen kann ein Mandant oft in der Sache nicht oder nur unzureichend beurteilen.

Durch diese Informationsasymmetrie entstehen Handlungsspielräume auf beiden Seiten – bei der Rechtsanwalt-Mandanten-Beziehung aber in der Regel auf Seiten des Anwalts – die zum eigenen Vorteil genutzt werden könnten. So entsteht beim Mandanten ein Gefühl der Unsicherheit und ein von ihm wahrgenommenes Kauf- oder Beauftragungsrisiko. Dieses Risiko gilt es, durch geeignete Instrumente des Dienstleistungsmarketing-Mixes zu reduzieren. Auf Grundlage der Informationsökonomik, die in folgendem Abschnitt beschrieben wird, können Maßnahmen entwickelt werden, die der Unsicherheit und dem Kaufrisiko von Klienten entgegen wirken sollen.

Das informationsökonomische Dreieck

Die Theorie der Informationsökonomik beschäftigt sich damit, wie Informationsasymmetrien und die damit einhergehende Unsicherheit bei der Informationssuche überwunden werden können. Sie bescheinigt sowohl Nachfrager als auch Leistungserbringer zu Beginn einer Aktion zunächst einmal ein Informationsdefizit. Die Eigenschaften eines Angebots bestimmen in hohem Maße die Möglichkeiten und das Verhalten eines Nachfragers, dieses zu beurteilen. Dabei werden dem Dienstleistungsangebot Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften zugesprochen.

Such- oder Inspektionseigenschaften eines Produkts oder einer Leistung sind solche, die der Nachfrager schon vor Inanspruchnahme bzw. vor Vertragsschluss beurteilen kann, wie z.B. die Eigenschaften einer Hifi-Anlage (Suche nach Preis, Hersteller u. a.). Bei Dienstleistungen ist dies jedoch in der Regel nicht oder nur selten der Fall. Erfahrungseigenschaften kann der Nachfrager erst während oder nach der Inanspruchnahme beurteilen, wie z.B. bei einem Restaurantbesuch (angenehmes Ambiente, Geschmack des Essens u.a.). Vertrauenseigenschaften können Kunden nicht oder nur mittelbar über das Ergebnis beurteilen. Dies ist bspw. der Fall bei Leistungen von Ärzten oder Rechtsanwälten. Daher nennt man diese Leistungen auch Vertrauensgüter.

Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter lassen sich je nach vorherrschender Eigenschaft im sogenannten „informationsökonomischen Dreieck“ nach Weiber/Adler anordnen. Je nachdem, wo sich die Dienstleistung in dem Dreieck (vgl. Abbildung 5) einordnen lässt, ergeben sich unterschiedliche Folgen für das Marketing.

Meffert/Bruhn betonen, dass es für die Marketingaktivitäten unerlässlich ist, sie am Informationsbeschaffungs- und Auswahlverhalten der Nachfrager zu orientieren. Je höher der Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften eines Gutes bzw. einer Dienstleistung ist, desto größer ist die Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager und desto höher sind die Unsicherheit und das wahrgenommene Risiko vor dem Kauf. Die Ungewissheit kann bei Erfahrungs- und Vertrauensgütern z.B. durch eine Suche gemindert werden.

Die Informationsökonomie geht davon aus, dass, je kostengünstiger die Ermittlung von Sucheigenschaften ist, desto geringer der Einfluss von Erfahrungsfaktoren vor dem Erwerb der Leistung wird. Durch das Internet sinken die Kosten für die Informationsbeschaffung tendenziell, weshalb mit einer verstärkten Suche nach Informationen durch potentielle Mandanten zu rechnen ist.


Abbildung 5: Informationsökonomische Einordnung von Dienstleistungen nach Meffert/Bruhn und eigene Darstellung

Um die Informationsasymmetrie zu mindern, können beide Marktteilnehmer, also Klient und Rechtsanwalt, zu sogenannten Screening- bzw. Signaling-Maßnahmen greifen. Screening nennt man hier diejenigen Informationsaktivitäten, die vom schlechter informierten Marktteilnehmer ausgehen, was i. d. R. einer Informationssuche gleich kommt. Signaling sind dementsprechend Aktivitäten, die von der besser informierten Seite ausgehen, also eine aktive Aussendung von Information.


Abbildung 6: Beispiele für Informationsaktivitäten zweier Markpartner. Quelle: Meffert/Bruhn

„Signaling-Maßnahmen beinhalten die Übermittlung glaubwürdiger Informationen, die sich von reinen Informationen durch die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Aussagen unterscheiden.“

Eine Kanzlei kann mit Signaling-Aktivitäten glaubwürdige Informationen über die Fähigkeiten der Kanzlei und ihrer Mitarbeiter verbreiten. Wiederholte Präsenz in den Medien könnte bspw. so eine Signaling-Maßnahme sein, die darüber hinaus einer guten Reputation dient. Mandanten setzen ebenfalls Signaling-Maßnahmen ein, denn sie beeinflussen durch die Informationen, die sie ihrem Anwalt mitteilen ganz entscheidend den Verlauf der Anwalt-Mandantenbeziehung und somit auch das Ergebnis.

Für das Marketing lässt sich schlussfolgern:

„Je größer die Unsicherheit des Konsumenten bei der Bewertung der Qualität der Dienstleistung ist, desto wichtiger werden vertrauensbildende Maßnahmen im Rahmen des Managements. An erster Stelle zu nennen sei hier das Markenmanagement.“


Vom Konsumenten zum Mandanten

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