Читать книгу Shoel - endlich frei! - Michael Geigenberger - Страница 8
5. Die Sperrmüllaktion, ein Bilderfund
ОглавлениеAm nächsten Morgen hört er schon große Diskussionen. Shoel steht im Duschraum und lässt das Wasser lange laufen. Heute wird er mit nach Arles fahren, egal ob man noch seine Blessuren erkennt oder nicht. Das mit dem Sperrmüll will er miterleben. Shoel steigt beim Bruder Marco in den Wagen und lässt sich in der Innenstadt von Arles absetzen. „Wir werden dich über Handy anrufen, wenn wir zurück zur Finca fahren. Du hast doch hoffentlich dein Handy dabei. Shoel zieht es aus der Tasche und zeigt es. „Okay, dann fahren wir mal.“
Shoel verlässt den Wagen in einer kleinen Nebenstraße der Altstadt. Langsam durchstreicht er die schmalen Gassen und sieht sich die Gerümpelberge an. Viel alte Möbel, aber auch alte Radios und Badewannen und dann sieht er ein vergammeltes Gemälde. Er zieht es aus dem Müllberg. Wischt mit seinem Ellenbogen darüber und findet es einfach nur schön und zu schade um es zu entsorgen.
Das hat das Bild nicht verdient. Er überlegt, dass man es natürlich noch herrichten muss, aber für die Laube würde es passend sein. Größe und Farbe würde sich gut machen, so seine Beurteilung.
Shoel ist pünktlich am vereinbarten Treffpunkt. Marco will ihn gerade anrufen, da entdeckt er Shoel auf einer niedrigen Mauer sitzend mit einem kleinen Bild in der Hand.
Sein Kommentar: „So etwas bringt nichts, lass es einfach liegen. Es sind in der Regel wertlose Bilder von unbekannten Malern aus der Region.“ Shoel betrachtet es und muss erkennen, dass es tatsächlich hier aus der Gegend stammt. Vielleicht für Touristen angefertigt.
Aber er entschließt sich, es mitzunehmen. Als Dekoration in der Laube, da passt es doch ganz prima hin. Da ist es sowieso besser, wenn es keinen großen Wert hat.
Die Tagesausbeute der Mannschaft ist enorm. Ein komplettes Badezimmer haben sie verladen. Etliche Schränke und Truhen. Geschirr und Küchengeräte. Vier Reifen für einen der Transportfahrzeuge. „Warum werfen die Leute so etwas weg“, fragt Shoel mit einem Blick auf die fast neuwertigen Reifen.
„Sie brauchen Platz für Neues, was sie dann zwei Jahre später wieder auf den Sperrmüll werfen“, meint Beatrix, die gerade zur Begutachtung hinzugekommen ist.
„Wofür braucht ihr denn das Badezimmer“, will Shoel wissen.
„Das brauchen wir entweder für uns, oder wir richten es ein wenig her und verkaufen es an Touristen, sie lieben die alten Waschbecken und Wannen aus der Jahrhundertwende.“
Ja klar, so macht es Sinn. Woher sollten denn auch die Antiquitätenhändler ihre Ware bekommen. „Wir bringen es auf den Markt von Nizza, da gibt es genug Spinner, die gut dafür bezahlen.“
So erfährt Shoel, dass es absolut Sinn macht, die Sperrmüllaktion fortzuführen.
Das gefundene Bild hält Shoel kurz unter den Wasserhahn. So kann er Feinheiten entdecken, die er vorher nicht erkannt hat. An der Wand entdeckt er einen Nagel, günstig, um hier das gefundene Bild zu platzieren.
Nach einer weiteren Stunde sitzen alle entspannt um den Abendtisch. Sie schwärmen von den mitgebrachten Gegenständen. Janine hat natürlich längst das Badezimmer in Augenschein genommen und hat entschieden, dass sie nun endlich ein neues und eigenes Bad bekommen wird. Hierzu ist natürlich der erforderliche Raum anzubauen. Aber das übernimmt dann Marco, denn er ist der Maurer im Clan.
Der Kaiser tritt hinzu und schleicht mit prüfendem Auge über die Gegenstände, die man im Innenhof zusammen getragen hat. Er entscheidet, welche Stücke möglichst schnell renoviert werden. Denn in sechs Wochen ist der Antiquitätenmarkt in Nizza. Den Standplatz hat er schon vorreserviert und einbezahlt.
Shoel findet Gefallen an einigen Möbeln und meint, dass er gerne helfen würde, die Stücke zum Verkauf herzurichten. Der junge Severin ist der Schreiner im Clan und der Cousin von Janine. Er schnappt sich gleich eine ältere Truhe und trägt sie schon mal in den Schuppen, wo er seine Schreinerei etabliert hat. „Steh nicht so lange herum, hilf lieber tragen. Der Schrank muss auch rein, an dem kannst du dann dein Können beweisen“, meint Severin auffordernd zu Shoel.
Shoel lässt es sich nicht zweimal sagen. Geschickt wuchtet er das Schränkchen auf seinen Rücken und zieht damit ab in den Schuppen.
Das Werkzeug von Severin ist gut sortiert, alles was man braucht ist vorhanden. Shoel schnappt sich eine Schleifmaschine und beginnt umgehend mit der Behandlung des Schränkchens.
Dann aber kommt die Feinarbeit und nun sind Muskeln gefragt. Ein Schleifpapier über einen Holzklotz gelegt, dann geht es auch gleich los.
Shoel hat gar nicht bemerkt, das seit einigen Minuten Janine hinter ihm steht und ihn bei seinem Werken beobachtet. „An dir ist ja ein Schreiner verloren gegangen, Du kannst das ja tatsächlich.“
Shoel dreht sich um und nimmt die Wasserflasche, die Janine in der Hand hält. „Die war doch sicher für mich gedacht“, meint er lachend.
„Darf ich mal sehen“, fragt sie.
„Bitte schau dir meine Arbeit an.“ Shoel zeigt, wie sich die Schubladen leichtgängig betätigen lassen. Janine legt ihren Arm um Shoels Nacken. „Mach doch mal eine Pause, ich brauch dich bei den Pferden!“
„Klar warum nicht, wo kann ich helfen“, er nimmt Janine bei der Hand und geht zu den Ställen.
An der Pferdekoppel angekommen, bittet Janine Shoel, den Sattel aufzulegen. Shoel hat es noch nie gemacht und stellt sich etwas ungeschickt an, vor allem auch deshalb, da das Pferd scheut und sich extrem unruhig verhält.
Beatrix kommt vorbei und betrachtet sich das schwierige Unterfangen. „Lass dir helfen, ich zeige dir wie es geht, bevor dich der Gaul tritt.“
Verärgert sieht Beatrix zu Janine. „Wie kannst du ihn darum bitten, du weißt doch dass dieses störrische Pferd sich nur von mir satteln lässt.“
„Du warst ja nicht da. So dachte ich, Shoel soll es mal versuchen.“
„Du bist ganz schön gemein, was willst du ihm denn damit zeigen? Wenn er Pech hat, bekommt er einen Huf in die Seite.“
„Ja, ist schon recht, dann mach du es halt. Er muss ein wenig geritten werden, damit er sich an den Sattel gewöhnt.“
Tatsächlich schwingt sich Janine auf das störrische Pferd und beginnt ihn streng an den Zügeln zu nehmen. So dreht sie ihre Runde und das Pferd wird immer ruhiger.
„Na geht doch“, meint Beatrix.
„Ach, wenn du schon mal da bist, kannst du mir helfen, ich muss unsere Stute untersuchen, sie hat etwas am Vorderlauf, vielleicht nur eine Kleinigkeit. Wenn du bitte mit mir kommst.“
Shoel fühlt sich inzwischen voll im Clan integriert. Jetzt wo er sogar schon mit den Pferden zu tun hat. Eigentlich das „Allerheiligste“ des Clans.
Shoel konnte helfen und gerade ist er damit beschäftigt sein kleines Schränkchen weiter zu bearbeiten, da läutet die Mittagsglocke. Der Gang zum Wassertrog ist bereits zur Gewohnheit geworden. Hier trifft er auch wieder auf Franco. „Lass dich mal ansehen“, meint dieser. „Ich würde deinen Rat brauchen, da gibt es ein Problem mit dem Radlager eines alten Peugeots, den wir heute hereinbekommen haben.“
Shoel lacht Franco an, „Jetzt kannst du mich wieder gebrauchen, aber vorher schlägst du mich zusammen.“
„Das war doch nur das übliche Kräftemessen, dass nimmst du mir doch nicht wirklich übel?“
„Nein, schon vergessen. Nach dem Essen werde ich mir dein Radlager ansehen.“
Beim Mittagessen wird dann gleich der nächste Sperrmülltag besprochen, diesmal müssen sie bis Perpignan fahren. Dort soll es immer eine gute Ausbeute geben, meint der Vater. Weiter ermahnt der Vater Franco, dass immer noch die Abrechnung für den verkauften Wagen ausstünde. „Ich erwarte, dass du mir bis heute Abend das Geld gibst mit einer Abrechnung. Oder hat es sich diesmal nicht gelohnt?“ Die Stimme des Vaters klingt verärgert, Franco entschuldigt sich, dass er es vergessen hat. „Das Geld ist in einem Kuvert, dass hab ich schon auf deinen Schreibtisch gelegt.“
Shoel muss erkennen, dass der Vater alles im Griff hat. Er muss ein Gedächtnis wie ein Buch haben. Außerdem duldet er keine Schlamperei, besonders wenn es ums Geld geht.
Franco hat es nicht gefallen, dass ihn sein Vater vor versammelter Mannschaft ermahnt hat. Er sitzt nun schweigend am Tisch und spielt den Beleidigten.
Dann wendet sich der Vater plötzlich an Shoel. „Hast du da nicht ein Bild vom Markt mitgebracht?“
„Ja ihr habt es doch alle gesehen. Du sagtest doch selbst, dass es keinen Wert habe und ich es zurück lassen soll.“
„Trotzdem will ich es nochmals sehen, vielleicht bringt es ja doch etwas auf dem Markt in Nizza. Du weißt ja, so eine große Familie will ernährt werden. Da brauch ich jede Einnahme.“
Shoel merkt, dass auch er nicht vor Maßregelungen verschont bleibt. „Es hängt in der Laube, kannst es dir holen.“
Darauf bekommt Shoel keine Antwort mehr. Eigentlich ist er hier Gast und wenn er ein wertloses Bild auf dem Sperrmüll mitnimmt, dann ist er der Meinung, dass es seines ist. Er wartet ab und überlegt, wie er vorgehen soll.
Dann meint der Vater plötzlich: „Ach behalt es, aber das nächste Mal musst du wissen, alles was wir einsammeln gehört der Familie.“
Janines Augen wechseln vom Vater zu Shoel und Beatrix sieht auf ihren Teller. Der Vater spürt, dass er einen Fehler gemacht hat. Prostet nun mit seinem Weinbecher aus lauter Verlegenheit in die Tischrunde. „Prost! Auf dass Perpignan ein gutes Geschäft wird.“ Mehr sagt er nicht und nun prosten alle in die Mitte des Tisches. Die Becher für den Wein sind aus der Werkstatt von Janines Mutter. Sie werden nochmals gefüllt und dann wird noch die Arbeit des Nachmittages besprochen.
Shoel geht gemeinsam mit Franco in die Halle um sich das Problem anzusehen. Die Angelegenheit ist schnell geklärt, da es nur ein Ring ist, der gebrochen ist.
So widmet sich Shoel wieder seinem kleinen Schränkchen. Bis zum Abend will er es bereits mit einer Lasur eingelassen haben. Am nächsten Morgen will er die zweite Politur aufbringen. Shoel ist von seiner Arbeit richtig begeistert und überlegt bereits ob er diese Arbeit nicht zu seinem neuen Beruf machen sollte. Er könnte von unterwegs Kunden besuchen und ihre alten Möbel auf Vordermann bringen.
Shoel wird in seinen Gedanken gestört, als plötzlich Beatrix neben ihm steht. „Hättest du Lust auf eine kleine Feier. Freunde von uns feiern ihren neuen Dachstuhl, bei euch in Deutschland heißt es wohl Richtfest?“
„Ja gerne, wer kommt denn noch mit?“
„Ich wollte nur dich mitnehmen, für Janine ist es noch zu anstrengend. Außerdem hat sie keine Lust mit zu kommen.“
„Ach ja“, meint Shoel ganz beiläufig und hat den Verdacht, dass es zwischen den beiden Schwestern vielleicht wegen ihm ein Problem geben könnte.
Das will er auf keinen Fall. Zwischen die Fronten geraten, das liegt ihm nicht. Er wird vorher mit Janine sprechen, vielleicht schließt sie sich ja ihnen an.
Als er von seiner Arbeit in die Richtung der Pferdeställe geht, sieht er Janine mit einem jungen Mann. Der junge Mann legt seinen Arm um ihre Schultern. Dann dreht er sich zu Janine und beginnt sie zu küssen. Ach sieh mal einer an, Janine hat also doch einen Freund. Shoel hat sich schon immer gewundert, da sie doch so gut aussieht, wird doch irgendwo ein Verehrer sein?
Beatrix steht plötzlich neben ihm. „Denk dir nichts, dass ist nur Michele, den kennt sie schon seit Jahren. Der war mit uns zusammen in Österreich.
Er hat auf dem benachbarten Hof gearbeitet. Janine und er waren sogar schon mal verlobt, aber dann haben sie sich wieder getrennt. Jetzt versucht er es erneut, da er sich einen kleinen Hof ganz in der Nähe gekauft hat. Er will mit Janine eine kleine Pferdezucht aufmachen, aber unser Papa ist dagegen.“
„Aha, warum? Der junge Mann ist doch recht ordentlich und wenn er auch schon ein Haus gebaut hat, spricht doch nichts dagegen.“
„Er ist aber keiner von uns, vielleicht ist das der Grund. Also gehen wir jetzt auf das Fest, oder muss ich alleine gehen?“
„Lass uns gehen!“
Beatrix ist bereits einige Meter von Shoel entfernt, da kehrt sie plötzlich um und gibt ihm einen Kuss auf den Mund.
Shoel weiß nicht recht, wie er das verstehen muss. Natürlich hat er seit einigen Tagen bemerkt, dass Beatrix ihn aufmerksam beobachtet.